L 12 AS 2674/18 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 28 AS 3279/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2674/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.07.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über den 30.04.2018 hinaus.

Der 1957 geborene Antragsteller zu 1 und die 1961 geborene Antragstellerin zu 2 sind i. Staatsangehörige und leben und arbeiteten seit vielen Jahren in Deutschland. Sie bezogen zuletzt bis 30.04.2018 von der Antragsgegnerin auch aufgrund gerichtlicher Entscheidungen (darlehensweise) Leistungen nach dem SGB II.

Die Antragsteller sind Eigentümer eines Hausgrundstücks in S. C., S., I ... Bei der Immobilie handelt es sich um ein kleines Reihenendhaus, das die Antragsteller im Jahr 1999 ausweislich des vorliegenden notariellen Kaufvertrages vom 04.11.1999 für 44.931,75 Euro erworben haben. Veräußerungsbemühungen erfolgten 2014 durch Beauftragung eines Maklers in I. (für ca. drei Monate) und durch Inserate in deutschen Immobilienportalen. Auf die Anzeigen gab es nach Angaben der Antragsteller lediglich eine Interessentin, der jedoch eine Besichtigung nicht ermöglicht werden konnte, da u.a. eine Hinterlegung des Schlüssels seitens der Antragsteller abgelehnt worden war. Während weiterer Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) teilten die Antragsteller mit, dass sie ihre im Großraum S. lebenden Kinder nicht behelligten wollten, Internetzugang hätten sie nur über einen Nachbarn.

Im Zuge eines der Verfahren beim SG (S 28 AS 546/15) ermittelte der seitens des SG beauftragte Rechtsanwalt, dass der Antragsteller zu 1 Eigentümer einer weiteren Immobilie (sein Elternhaus) sei. Dieses habe insbesondere aufgrund des 125 m² großen Gartens einen Wert von 25.000 EUR bis 50.000 EUR.

Am 27.03.2018 stellten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 01.05.2018.

Mit Schreiben vom 19.04.2018, 26.04.2018 und 09.05.2018 wurden die Antragsteller von der Antragsgegnerin aufgefordert, weitere Angaben zu ihrem Vermögen zu machen. Insbesondere sollten die Angaben zu den Immobilien vervollständigt und Nachweise zu den Verkaufsbemühungen vorgelegt werden.

Mit Schreiben vom 24.04.2018 teilten die Antragsteller mit, dass sie alles getan hätten, um das Haus zu verkaufen. Dies jedoch leider ohne Erfolg. Zudem wurde mit Schreiben vom 09.05.2018 mitgeteilt, dass man hinsichtlich der zweiten Immobilie keinerlei Kenntnis und keinerlei Unterlagen habe. Aufgrund der Erkrankungen des Antragstellers zu 1 sowie der schwierigen finanziellen Notlage sei man nicht in der Lage, Informationen zu dieser Immobilie einzuholen, geschweige denn sich um deren Veräußerung zu bemühen.

Die Antragsgegnerin lehnte den Weiterbewilligungsantrag mit Bescheid vom 08.06.2018 wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit ab. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist bislang nicht entschieden werden.

Am 26.06.2018 haben die Antragsteller einstweiligen Rechtschutz beim SG beantragt. Aufgrund der Erkrankung des Antragstellers zu 1 und dessen Pflege durch die Antragstellerin zu 2 sei eine Verwertung der Immobilie, welche einen Vertragsschluss auf S. erforderlich mache, tatsächlich nicht möglich sei. Über das von der Pflegekasse ausgezahlte Pflegegeld in Höhe von 700,00 EUR hinaus bestünden keinerlei Einnahmen, so dass Hilfebedürftigkeit gegeben sei.

Mit Beschluss vom 13.07.2018 hat das SG den Antrag abgelehnt. Die Antragsteller seien nicht hilfebedürftig, sie verfügten über verwertbares Vermögen. Es sei schon fraglich, ob hinsichtlich der 1999 gemeinsam erworbenen Immobilie ausreichende Verwertungsbemühungen unternommen worden seien. Jedoch seien gar keine Bemühungen hinsichtlich der zweiten Immobilie unternommen worden. Zwar sei der Antragsteller zu 1 schwer erkrankt, es erschließe sich der Kammer jedoch nicht, warum dieser nicht seine Ehefrau oder Dritte beauftragen könne. Zumindest für ein Einstellen in Internetportalen könnten auch die Kinder um Hilfe gebeten werden. Den Antragstellern seien auch kürzere Telefonate oder schriftliche Kommunikation mit den Behörden in I. zumutbar, da die Antragstellerin zu 2 sowohl zur schriftlichen Kommunikation in der Lage sei (dies habe der Schriftwechsel mit der Antragsgegnerin gezeigt) als auch muttersprachlich i. spreche. Der Vermögensfreibetrag der Antragsteller betrage insgesamt 19.200,00 EUR, so dass selbst bei konservativer Schätzung (25.000 EUR nur für die zweite Immobilie) verwertbares Vermögen vorhanden sei.

Gegen den Beschluss wenden sich die Antragsteller mit ihrer am 23.07.2018 bei SG eingelegten Beschwerde. Der Antrag vor dem SG habe sich auf die Zeit ab Antragstellung beim SG bezogen und habe hilfsweise eine darlehnsweise Bewilligung umfasst. Es werde davon ausgegangen, dass die Immobilie (im dünnbesiedelten Hinterland von S.) nicht marktgängig sei, dies ergebe sich aus der nicht erfolgten Resonanz auf die Anzeigen in den Internetportalen.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß), den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab 26.06.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß §§ 20 ff. SGB II zu gewähren, hilfsweise, die beantragten Leistungen als Darlehen zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß), die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten im Sach- und Streitstand sowie im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist jedoch nicht begründet.

Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 SGG. Nach Satz 1 der Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Klägers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 25.07.1996 – 1 BvR 638/96 –, NVwZ 1997, 479; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 –, NJW 2003, 1236; BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 –, NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803, alle auch in juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 22.11.2011 – L 12 AS 5199/11 ER-B –; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B –, FEVS 57, 72).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor. Die Antragsteller haben, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat, ihre Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht.

Unstreitig ist Vermögen vorhanden, da die Antragsteller Eigentümer der 1999 erworbenen Immobilie sind und der Antragsteller zu 1 Eigentümer einer weiteren Immobilie ist. Die zwischen den Beteiligten einzig streitige Frage ist, inwieweit diese Vermögen verwertbar sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind Vermögensgegenstände nicht verwertbar, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie, wie Grundstücke infolge sinkender Immobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind (BSG, Urteil vom 27.01.2009 – B 14 AS 42/07 R –, SozR 4-4200 § 12 Nr. 12, Rn. 21). Hierfür sind die Antragsteller, die ihre Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung darlegen müssen, grundsätzlich beweisbelastet (BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 32/08 R, juris). Das BSG verlangt in diesem Zusammenhang zumindest den Nachweis von Verwertungsbemühungen (BSG, Urteil vom 27.01.2009, a.a.O.). Ob solche Verwertungsbemühungen hinsichtlich der im gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilie in ausreichendem Umfang erfolgt sind, kann dahinstehen. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass zumindest bezüglich der zweiten Immobilie, die im Alleineigentum des Antragstellers zu 1 steht, keine und damit auch keine ausreichenden Verwertungsbemühungen unternommen wurden. Dem SG ist zuzustimmen, dass es den Antragstellern möglich und zumutbar ist, selbst – zumindest bei der Antragstellerin zu 2 ist kein Grund ersichtlich, nicht z.B. mit der Gemeinde S. C. oder anderen Stellen in I. schriftlichen oder telefonischen Kontakt aufnehmen zu können – und/oder mit Hilfe Dritter erste und weitere Schritte zur Beschaffung von Informationen über die Immobilie und ihre Verwertung zu unternehmen. Sollte hierzu ein Internetzugang erforderlich sein, teilt der Senat die Auffassung des SG, dass dies entweder (wie bisher) mit Hilfe des Nachbarn geschehen kann; sollte dies nicht möglich sein, ist es nach Ansicht des Senats auch zumutbar, die im Großraum S. lebenden Kinder zu behelligen. Im Übrigen wird von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen und insoweit, auch hinsichtlich der hilfsweise geltend gemachten Leistung als Darlehen, auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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