Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 4283/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3872/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt (noch) psychotherapeutische Heilbehandlung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 20.12.2000.
Der am 1976 geborene Kläger zog am 20.12.2000 im Rahmen seiner Tätigkeit als Zugbegleiter bei der D. Reise & Touristik AG der D. B. Gruppe in Stuttgart ein Stromkabel aus der Steckdose und erlitt dabei einen Stromschlag. Die Psychiaterin Dr. E. behandelte ihn seinerzeit zuletzt im Juni 2001 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit der Symptomatik einer depressiven Störung, verbunden mit Affektstörungen (Bericht Dr. E. vom 03.12.2001, Bl. 36 VA).
Anfang Februar 2010 wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte geltend, seine über Jahre hinweg eingetretenen psychisch bedingten Funktionsstörungen seien Spätfolgen diverser Arbeitsunfälle, u.a. vom 20.12.2000 (Bl. 38 VA). Mit Bescheid vom 05.04.2011 (Bl. 170 VA) führte die Beklagte aus, dass der Kläger wegen des Stromunfalls am 20.12.2000 Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung - wegen Behandlungsbedürftigkeit - bis zum 22.06.2001 gehabt habe. Einen über diesen Zeitpunkt hinausgehenden Anspruch auf Leistungen wegen psychischer Beschwerden lehnte sie ab, Arzt- und Heilbehandlungskosten gingen ab 23.06.2001 zulasten der Krankenkasse. In seinem Widerspruch vertrat der rechtskundig vertretene Kläger die Auffassung, dass der Unfall vom 20.12.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen sei und er wegen der Folgen Anspruch auf weitere Heilbehandlung und Verletztenrente habe (Widerspruchsbegründung vom 09.05.2011, Bl. 180 f. VA). Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 192 ff. VA).
Dagegen hat der weiterhin rechtskundig vertretene Kläger am 25.07.2011 mit dem Antrag Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, die Beklagte zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu verurteilen (vgl. Bl. 2 SG-Akte). In seiner Klagebegründung vom 05.10.2011 (Eingang beim SG am 06.10.2011) hat er zusätzlich einen Anspruch auf weitere Heilbehandlung geltend gemacht (vgl. Bl. 23 SG-Akte).
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24.07.2015 ein Teilanerkenntnis abgegeben, mit dem sie in Abänderung des Bescheids vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 festgestellt hat, dass es sich bei dem Ereignis vom 20.12.2000 um einen versicherten Arbeitsunfall mit der Unfallfolge "Reaktion auf schwere Belastung mit depressiv-somatoformer Symptomatik" handelt (Bl. 303 SG-Akte). Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen. Die Beklagte hat klargestellt, dass aus ihrer Sicht Behandlungsbedürftigkeit nur bis 22.06.2001 bestanden habe (Bl. 303 SG-Akte). Mit Bescheid vom 20.04.2016 hat die Beklagte das Teilanerkenntnis umgesetzt (Bl. 99 LSG-Akte).
Die mit dem Ziel der Feststellung weiterer Unfallfolgen und Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Heilbehandlung und Verletztenrente weitergeführte Klage hat das SG mit Urteil vom 24.07.2015 abgewiesen, aber die Beklagte auf den gestellten Hilfsantrag verpflichtet, den (in der Widerspruchsbegründung liegenden) Antrag des Klägers vom 09.05.2011 auf Gewährung einer Verletztenrente zu bescheiden.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 04.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.09.2015 mit dem Ziel der Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie Gewährung von Heilbehandlung und Verletztenrente Berufung eingelegt. Nach rechtlichen Hinweisen hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14.04.2016 seine Berufung auf die Verpflichtung der Beklagten beschränkt, über die Gewährung von psychotherapeutischer Heilbehandlung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger ist der Auffassung, seine Klage sei zulässig. Es sei im Laufe des Verfahrens über die verschiedenen Klageanträge und deren Zulässigkeit diskutiert worden. Die Beklagte habe sich auf die geänderten Anträge eingelassen. Es bestehe ein Anspruch auf Heilbehandlung mittels Psychotherapie jedenfalls für die Zukunft.
Der Kläger beantragt (vgl. Niederschrift vom 14.04.2016),
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2015 und Abänderung des Bescheids vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 zu verpflichten, über die Gewährung von psychotherapeutischer Heilbehandlung wegen psychischer Unfallfolgen auf Grund des Arbeitsunfalls vom 20.12.2000 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Ärztin für Psychiatrie R. hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, den Kläger seit 2009 psychiatrisch zu Lasten der Krankenkasse zu behandeln (Bl. 83 f. LSG-Akte). Seit April 2013 erhält der Kläger im Rahmen des A.-Facharztprogramms genehmigungsfrei und ohne zeitliches Limit Psychotherapie durch den Dipl.-Psych. M. (Bl. 85 LSG-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011, mit dem es die Beklagte ablehnte, dem Kläger über den 22.06.2001 hinaus psychotherapeutische Heilbehandlung wegen des Arbeitsunfalls vom 20.12.2000 zu gewähren. Der Kläger hat sein zunächst als Verpflichtung zur Gewährung von Sachleistungen zur Heilbehandlung allgemein formuliertes Klagebegehren im Termin vom 14.04.2016 - gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zulässig - auf einen Bescheidungsantrag betreffend die konkrete Sachleistung Psychotherapie beschränkt. Die übrigen noch im Berufungsverfahren gestellten Klageanträge (Feststellung weiterer Unfallfolgen, Verletztenrente) hat er nicht aufrecht erhalten, so dass der Senat darüber keine Entscheidung zu treffen hat.
Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren allein noch im Streit stehende psychotherapeutische Heilbehandlung hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings ist die Klage bereits unzulässig. Der Kläger hat die Klagefrist nicht eingehalten, so dass der Bescheid vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 bestandskräftig geworden ist. Die Bestandskraft steht einer Sachentscheidung des Senats entgegen.
Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gilt ein Verwaltungsakt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 wurde am 27.06.2011 zur Post gegeben (Postabgangsvermerk Bl. 196 VA), so dass er am 30.06.2011 als bekanntgegeben gilt. Hinweise auf einen späteren Zugang beim Kläger bzw. seinem Prozessbevollmächtigten ergeben sich nicht.
Der Kläger hat zwar am 25.07.2011 gegen den Bescheid vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 und damit innerhalb der Klagefrist Klage erhoben, jedoch mit dem ausdrücklich formulierten Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verurteilen, ihm Verletztenrente zu gewähren. Dieser Antrag kann nicht in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) so ausgelegt werden, dass neben der Verletztenrente auch die hier allein noch streitige psychotherapeutische Heilbehandlung begehrt worden ist. In der mit dem Klageantrag verbundenen Klagebegründung hat der Kläger ausschließlich die mit dem Klageantrag beanspruchte Verletztenrente erwähnt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klage auch auf die Gewährung von Heilbehandlung gerichtet gewesen ist, sind nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Heilbehandlung ist auch nicht in dem auf die Gewährung von Verletztenrente gerichteten Antrag enthalten gewesen. Der Anspruch auf Heilbehandlung aus §§ 27 ff. Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ist ein eigenständiger Anspruch, der sich von dem in den §§ 56 ff. SGB VII geregelten Anspruch auf Rente unterscheidet. Weder setzt der Anspruch auf Heilbehandlung einen Rentenanspruch voraus noch umgekehrt.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 05.10.2011 (Eingang beim SG: 06.10.2011, Bl. 23 SG-Akte) im Rahmen seiner ergänzenden Begründung (vgl. Seite 5, Nr. 4) erstmals einen "Anspruch auf weitere Heilbehandlung" geltend gemacht und damit seine Klage um dieses Begehren erweitert hat, hat er sich erstmals gegen den Heilbehandlung ab 23.06.2011 ablehnenden Bescheid gewandt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Klagefrist jedoch bereits deutlich überschritten und mithin abgelaufen gewesen. Hinsichtlich des Anspruchs auf Heilbehandlung ist der angefochtene Bescheid bereits bestandskräftig gewesen (vgl. § 77 SGG).
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe sich auf diesen erweiterten Klageantrag eingelassen hat, ist dies zwar zutreffend, weshalb sich die Erweiterung der Klage gemäß § 99 Abs. 2 SGG als zulässig erweist. Dennoch ist die erweiterte Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Die Einlassung der Beklagten hat nur Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klageänderung als solcher, sie führt jedoch nicht dazu, dass die zu spät erhobene Klage als rechtzeitig erhoben gilt. Die Klagefrist steht nicht zur Disposition der Beklagten, sie ist vielmehr eine von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl., § 87 Rdnr. 7). Gründe für eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist sind nicht erkennbar und werden vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Der Senat braucht nicht über die Frage zu befinden, ob die bereits eingetretene Bestandskraft des Bescheids vom 05.04.2011 deshalb durchbrochen wird, weil ein Bescheid gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. § 96 Rdnr. 2). Denn der insoweit allein in Betracht kommende Bescheid vom 20.04.2016 ist nicht gemäß §§ 96, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dieser Bescheid hat den angefochtenen Bescheid vom 05.04.2011 hinsichtlich der in Rede stehenden Heilbehandlung nicht abgeändert oder ersetzt. Er beschränkt sich nach seinem Verfügungssatz und der dazu gegebenen Begründung ausdrücklich auf die Umsetzung des Teilanerkenntnisses und trifft keine Entscheidung über die weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, insbesondere nicht über den Anspruch des Klägers auf Heilbehandlung. Das hat die Beklagte deutlich gemacht, indem sie es im Übrigen beim Bescheid vom 05.04.2011 und Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 verbleiben lassen hat.
Im Übrigen fehlt dem Kläger seit April 2013 auch das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von psychotherapeutischer Heilbehandlung. Darauf hat der Senat den Kläger bereits mit Schreiben vom 12.05.2016 hingewiesen (Bl. 94 LSG-Akte). Es fehlt u.a. am Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine Klage selbst im Falle ihres Erfolgs für den Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (BSG, Urteil vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R in SozR 3-3870 § 4 Nr. 24 S. 94 und 100; BSG, Urteil vom 22.09.1981, 1 RA 31/80 in SozR 1500 § 53 Nr. 2 S. 3; BVerwG, Urteil vom 29.04.2004, 3 C 25/03 in BVerwGE 121, 1, 3; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, vor § 51 Rdnr. 16a), wenn also die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers verbessern würde (BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 24/10 R, Rdnr. 10 in juris). So verhält es sich hier. Der Kläger begehrt eine Sachleistung, die ihm die Krankenkasse bereits unbefristet zur Verfügung stellt. Er hat nichts vorgetragen, das darauf schließen ließe, dass er sich über die bloße Sachleistung hinaus Vorteile von einem Obsiegen verspricht. Das hier begehrte Urteil ist deshalb nicht dazu geeignet, ihm einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil zu verschaffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt (noch) psychotherapeutische Heilbehandlung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 20.12.2000.
Der am 1976 geborene Kläger zog am 20.12.2000 im Rahmen seiner Tätigkeit als Zugbegleiter bei der D. Reise & Touristik AG der D. B. Gruppe in Stuttgart ein Stromkabel aus der Steckdose und erlitt dabei einen Stromschlag. Die Psychiaterin Dr. E. behandelte ihn seinerzeit zuletzt im Juni 2001 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit der Symptomatik einer depressiven Störung, verbunden mit Affektstörungen (Bericht Dr. E. vom 03.12.2001, Bl. 36 VA).
Anfang Februar 2010 wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte geltend, seine über Jahre hinweg eingetretenen psychisch bedingten Funktionsstörungen seien Spätfolgen diverser Arbeitsunfälle, u.a. vom 20.12.2000 (Bl. 38 VA). Mit Bescheid vom 05.04.2011 (Bl. 170 VA) führte die Beklagte aus, dass der Kläger wegen des Stromunfalls am 20.12.2000 Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung - wegen Behandlungsbedürftigkeit - bis zum 22.06.2001 gehabt habe. Einen über diesen Zeitpunkt hinausgehenden Anspruch auf Leistungen wegen psychischer Beschwerden lehnte sie ab, Arzt- und Heilbehandlungskosten gingen ab 23.06.2001 zulasten der Krankenkasse. In seinem Widerspruch vertrat der rechtskundig vertretene Kläger die Auffassung, dass der Unfall vom 20.12.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen sei und er wegen der Folgen Anspruch auf weitere Heilbehandlung und Verletztenrente habe (Widerspruchsbegründung vom 09.05.2011, Bl. 180 f. VA). Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 192 ff. VA).
Dagegen hat der weiterhin rechtskundig vertretene Kläger am 25.07.2011 mit dem Antrag Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, die Beklagte zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu verurteilen (vgl. Bl. 2 SG-Akte). In seiner Klagebegründung vom 05.10.2011 (Eingang beim SG am 06.10.2011) hat er zusätzlich einen Anspruch auf weitere Heilbehandlung geltend gemacht (vgl. Bl. 23 SG-Akte).
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24.07.2015 ein Teilanerkenntnis abgegeben, mit dem sie in Abänderung des Bescheids vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 festgestellt hat, dass es sich bei dem Ereignis vom 20.12.2000 um einen versicherten Arbeitsunfall mit der Unfallfolge "Reaktion auf schwere Belastung mit depressiv-somatoformer Symptomatik" handelt (Bl. 303 SG-Akte). Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen. Die Beklagte hat klargestellt, dass aus ihrer Sicht Behandlungsbedürftigkeit nur bis 22.06.2001 bestanden habe (Bl. 303 SG-Akte). Mit Bescheid vom 20.04.2016 hat die Beklagte das Teilanerkenntnis umgesetzt (Bl. 99 LSG-Akte).
Die mit dem Ziel der Feststellung weiterer Unfallfolgen und Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Heilbehandlung und Verletztenrente weitergeführte Klage hat das SG mit Urteil vom 24.07.2015 abgewiesen, aber die Beklagte auf den gestellten Hilfsantrag verpflichtet, den (in der Widerspruchsbegründung liegenden) Antrag des Klägers vom 09.05.2011 auf Gewährung einer Verletztenrente zu bescheiden.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 04.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.09.2015 mit dem Ziel der Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie Gewährung von Heilbehandlung und Verletztenrente Berufung eingelegt. Nach rechtlichen Hinweisen hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14.04.2016 seine Berufung auf die Verpflichtung der Beklagten beschränkt, über die Gewährung von psychotherapeutischer Heilbehandlung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger ist der Auffassung, seine Klage sei zulässig. Es sei im Laufe des Verfahrens über die verschiedenen Klageanträge und deren Zulässigkeit diskutiert worden. Die Beklagte habe sich auf die geänderten Anträge eingelassen. Es bestehe ein Anspruch auf Heilbehandlung mittels Psychotherapie jedenfalls für die Zukunft.
Der Kläger beantragt (vgl. Niederschrift vom 14.04.2016),
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2015 und Abänderung des Bescheids vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 zu verpflichten, über die Gewährung von psychotherapeutischer Heilbehandlung wegen psychischer Unfallfolgen auf Grund des Arbeitsunfalls vom 20.12.2000 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Ärztin für Psychiatrie R. hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, den Kläger seit 2009 psychiatrisch zu Lasten der Krankenkasse zu behandeln (Bl. 83 f. LSG-Akte). Seit April 2013 erhält der Kläger im Rahmen des A.-Facharztprogramms genehmigungsfrei und ohne zeitliches Limit Psychotherapie durch den Dipl.-Psych. M. (Bl. 85 LSG-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011, mit dem es die Beklagte ablehnte, dem Kläger über den 22.06.2001 hinaus psychotherapeutische Heilbehandlung wegen des Arbeitsunfalls vom 20.12.2000 zu gewähren. Der Kläger hat sein zunächst als Verpflichtung zur Gewährung von Sachleistungen zur Heilbehandlung allgemein formuliertes Klagebegehren im Termin vom 14.04.2016 - gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zulässig - auf einen Bescheidungsantrag betreffend die konkrete Sachleistung Psychotherapie beschränkt. Die übrigen noch im Berufungsverfahren gestellten Klageanträge (Feststellung weiterer Unfallfolgen, Verletztenrente) hat er nicht aufrecht erhalten, so dass der Senat darüber keine Entscheidung zu treffen hat.
Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren allein noch im Streit stehende psychotherapeutische Heilbehandlung hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings ist die Klage bereits unzulässig. Der Kläger hat die Klagefrist nicht eingehalten, so dass der Bescheid vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 bestandskräftig geworden ist. Die Bestandskraft steht einer Sachentscheidung des Senats entgegen.
Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gilt ein Verwaltungsakt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 wurde am 27.06.2011 zur Post gegeben (Postabgangsvermerk Bl. 196 VA), so dass er am 30.06.2011 als bekanntgegeben gilt. Hinweise auf einen späteren Zugang beim Kläger bzw. seinem Prozessbevollmächtigten ergeben sich nicht.
Der Kläger hat zwar am 25.07.2011 gegen den Bescheid vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 und damit innerhalb der Klagefrist Klage erhoben, jedoch mit dem ausdrücklich formulierten Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verurteilen, ihm Verletztenrente zu gewähren. Dieser Antrag kann nicht in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) so ausgelegt werden, dass neben der Verletztenrente auch die hier allein noch streitige psychotherapeutische Heilbehandlung begehrt worden ist. In der mit dem Klageantrag verbundenen Klagebegründung hat der Kläger ausschließlich die mit dem Klageantrag beanspruchte Verletztenrente erwähnt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klage auch auf die Gewährung von Heilbehandlung gerichtet gewesen ist, sind nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Heilbehandlung ist auch nicht in dem auf die Gewährung von Verletztenrente gerichteten Antrag enthalten gewesen. Der Anspruch auf Heilbehandlung aus §§ 27 ff. Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ist ein eigenständiger Anspruch, der sich von dem in den §§ 56 ff. SGB VII geregelten Anspruch auf Rente unterscheidet. Weder setzt der Anspruch auf Heilbehandlung einen Rentenanspruch voraus noch umgekehrt.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 05.10.2011 (Eingang beim SG: 06.10.2011, Bl. 23 SG-Akte) im Rahmen seiner ergänzenden Begründung (vgl. Seite 5, Nr. 4) erstmals einen "Anspruch auf weitere Heilbehandlung" geltend gemacht und damit seine Klage um dieses Begehren erweitert hat, hat er sich erstmals gegen den Heilbehandlung ab 23.06.2011 ablehnenden Bescheid gewandt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Klagefrist jedoch bereits deutlich überschritten und mithin abgelaufen gewesen. Hinsichtlich des Anspruchs auf Heilbehandlung ist der angefochtene Bescheid bereits bestandskräftig gewesen (vgl. § 77 SGG).
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe sich auf diesen erweiterten Klageantrag eingelassen hat, ist dies zwar zutreffend, weshalb sich die Erweiterung der Klage gemäß § 99 Abs. 2 SGG als zulässig erweist. Dennoch ist die erweiterte Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Die Einlassung der Beklagten hat nur Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klageänderung als solcher, sie führt jedoch nicht dazu, dass die zu spät erhobene Klage als rechtzeitig erhoben gilt. Die Klagefrist steht nicht zur Disposition der Beklagten, sie ist vielmehr eine von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl., § 87 Rdnr. 7). Gründe für eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist sind nicht erkennbar und werden vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Der Senat braucht nicht über die Frage zu befinden, ob die bereits eingetretene Bestandskraft des Bescheids vom 05.04.2011 deshalb durchbrochen wird, weil ein Bescheid gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. § 96 Rdnr. 2). Denn der insoweit allein in Betracht kommende Bescheid vom 20.04.2016 ist nicht gemäß §§ 96, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dieser Bescheid hat den angefochtenen Bescheid vom 05.04.2011 hinsichtlich der in Rede stehenden Heilbehandlung nicht abgeändert oder ersetzt. Er beschränkt sich nach seinem Verfügungssatz und der dazu gegebenen Begründung ausdrücklich auf die Umsetzung des Teilanerkenntnisses und trifft keine Entscheidung über die weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, insbesondere nicht über den Anspruch des Klägers auf Heilbehandlung. Das hat die Beklagte deutlich gemacht, indem sie es im Übrigen beim Bescheid vom 05.04.2011 und Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 verbleiben lassen hat.
Im Übrigen fehlt dem Kläger seit April 2013 auch das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von psychotherapeutischer Heilbehandlung. Darauf hat der Senat den Kläger bereits mit Schreiben vom 12.05.2016 hingewiesen (Bl. 94 LSG-Akte). Es fehlt u.a. am Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine Klage selbst im Falle ihres Erfolgs für den Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (BSG, Urteil vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R in SozR 3-3870 § 4 Nr. 24 S. 94 und 100; BSG, Urteil vom 22.09.1981, 1 RA 31/80 in SozR 1500 § 53 Nr. 2 S. 3; BVerwG, Urteil vom 29.04.2004, 3 C 25/03 in BVerwGE 121, 1, 3; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, vor § 51 Rdnr. 16a), wenn also die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers verbessern würde (BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 24/10 R, Rdnr. 10 in juris). So verhält es sich hier. Der Kläger begehrt eine Sachleistung, die ihm die Krankenkasse bereits unbefristet zur Verfügung stellt. Er hat nichts vorgetragen, das darauf schließen ließe, dass er sich über die bloße Sachleistung hinaus Vorteile von einem Obsiegen verspricht. Das hier begehrte Urteil ist deshalb nicht dazu geeignet, ihm einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil zu verschaffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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