Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 237/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 413/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 4/16 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren um die Kostenübernahme für die Anschaffung eines Therapie-Dreirades "Easy Rider 2", nachdem der Beklagte einen früheren Antrag auf Kostenübernahme eines Therapie-Dreirades "Lepus" abgelehnt hatte.
Der jetzt 54-jährige Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und leidet aufgrund der Operation eines Gehirntumors im Jahr 1998 an einer permanenten Gangunsicherheit und Schwindel. Ausweislich des MDK-Gutachtens vom 23.09.2013 (D.) ist der Kläger in die Pflegestufe II eingestuft worden, da seine kognitiven Störungen erheblich zugenommen hatten und – weil er die Wohnung häufig unkontrolliert verlasse und die Gefahren des Straßenverkehrs nicht einschätzen könne – sich in starke Gefahr bringe. Des Weiteren wurde eine allgemeine Schwäche der oberen Extremitäten festgestellt.
Gestützt auf eine ärztliche Verordnung sowie das Attest seines Hausarztes Dr. E. vom 10.08.2011, wonach ein Therapiedreirad es ihm ermögliche, sich mehr zu bewegen, hatte der Kläger bei der Beklagten zunächst die Kostenübernahme für ein Therapie-Dreirad "Lepus" beantragt, das laut dem Kostenvoranschlag der Firma F. vom 10.08.2011 5.851,40 EUR kosten sollte. Den Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 2011 abgelehnt und den auf ein Attest der behandelnden Ergotherapeutin G. vom 14.09.11 gestützten Widerspruch mit Bescheid vom 25. November 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage wurde seitens des Sozialgerichts Darmstadt mit Urteil vom 14. November 2012 zurückgewiesen, über die dagegen erhobene Klage wurde – im Hinblick auf ein Antrag des Klägers auf Gewährung des Therapie-Dreirades "Easy Rider" – noch nicht entschieden.
Denn in der Zwischenzeit hatte der Kläger mit ärztlicher Verordnung des Hausarztes Dr. E. vom 04.11.2013 und gestützt und dessen Attest vom gleichen Tage nunmehr ein Dreirad "Easy Rider 2" der Firma H. beantragt, da damit seine Ausdauer und die eingeschränkten kognitiven Störungen (Gleichgewichtsfähigkeit, Rhythmusfähigkeit und Kopplungsfähigkeit sowie Belastbarkeit) gesteigert bzw. gebessert werden könnten. Dieses Training sei trotz seiner eingeschränkten Alltagskompetenz möglich. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK ein, in der Dr. J., Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, physikalische und rehabilitative Medizin, am 16.01.2014 zu der Einschätzung gelangt war, dass das gewünschte Therapie-Dreirad vom Typ "Easy Rider 2" im Sinne eines Sesseldreirades sozialmedizinisch und fachorthopädisch nicht als geeignetes Hilfsmittel für den Kläger anzusehen sei. Soweit geltend gemacht werde, dass das Therapiedreirad zu Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Ausdauer, der Beweglichkeit, der Kraft sowie der Erweiterung des Aktionsradius dienen solle, könnten diese im Rahmen der vertragsärztlichen Hilfsmittelversorgung (vornehmlich Krankengymnastik, Ergotherapie und ggf. ergänzende physikalische Maßnahmen, konsequentes tägliches Gehtraining mit vorhandenen Gehhilfen) ausreichend und zweckmäßig angegangen werden. Da nach den Darlegungen des Hausarztes das Therapie-Dreirad vornehmlich als Trainingsgerät genutzt werden soll, sei festzustellen, dass Trainingsgeräte nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen; ganz abgesehen davon, dass das skizzierte Trainingsprogramm sehr stark von der Jahreszeit und der Witterung abhängig wäre. Zusätzlich erscheine eine eigenbestimmte und selbständige Nutzung des Dreirades "Easy Rider" aufgrund der erheblichen Störungen des Nervensystems und der Psyche ohne wesentliches Risiko der Eigen- und/oder Fremdgefährdung gar nicht möglich. Schließlich handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da es vielerorts handelsüblich für Jedermann erhältlich angeboten und auch von vielen, überwiegend gesunden Menschen genutzt werde.
Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2014 eine Kostenübernahme für das gewünschte Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" ab.
Hiergegen richtet sich die am 29.04.2014 beim hiesigen Gericht eingereichte Klage, mit der der Kläger weiterhin die Versorgung mit dem Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" begehrt. Zur Begründung wird geltend gemacht, das das Hessische Landessozialgericht anlässlich der im Berufungsverfahren am 24.10.2013 stattgefundenen mündlichen Verhandlung (L 1 KR 3/13) die Auffassung vertreten habe, dass der Kläger mit einem Therapie-Dreirad versorgt werden könne zumal die Voraussetzungen eines ärztlichen Therapieplans – wie vom Bundessozialgericht gefordert – vorlägen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einem Therapiedreirad "Easy Rider 2" zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt dagegen, gestützt auf die medizinische Stellungnahme des MDK-Arztes Dr. J. vom 16.01.2014 die Auffassung, dass das gewünschte Therapiedreirad dem Kläger nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenkasse als Hilfsmittel zu gewähren sei. Denn die Versorgung von Hilfsmitteln, die nur indirekten Behinderungsausgleich bewirken, bestehe eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nur im Rahmen eines Basisausgleiches. Dazu zähle die Möglichkeit des Fahrradfahrens nicht, weshalb das beantragte Dreirad nicht zum Behinderungsausgleich notwendig sei. Auch zur Sicherung des Behandlungserfolges sei es ebenfalls nicht notwendig, selbst wenn regelmäßiges Fahrradfahren dazu geeignet ist, den Gesundheitszustand zu stärken. Denn positive gesundheitliche Auswirkungen ließen sich mit geringerem Kostenaufwand, z.B. in Form des Behindertensports, erreichen, wobei gesundheitsfördernde körperliche Betätigungen ohnehin in den Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten gehörten. Im Falle der medizinischen Indikation gäbe es auch entsprechende Vertragsleistungen, wie etwa Krankengymnastik. Entgegen der Auffassung des Klägers liege in seinem Fall auch kein der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2010 (B 3 KR 05/10 R) vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn das gewünschte Therapiedreirad sollte nicht dazu dienen, die mit gelegentlicher Krankengymnastik verbundene Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Therapieplans zu fördern oder die Behandlungsfrequenz der Krankengymnastik zu verringern. Die mit dem Fahrradfahren verbundenen allgemein günstigen körperlichen und psychischen Auswirkungen begründen nicht den Leistungsanspruch. Schließlich erscheine gemäß der ärztlichen Stellungnahme des MDK vom 16.01.2014 ohnehin eine eigenbestimmte und selbständige Nutzung des Therapierades aufgrund der erheblichen Störungen des Nervensystems und der Psyche nicht ohne wesentliches Risiko für eine Eigen- und/oder Fremdgefährdung, ganz abgesehen davon, dass es sich bei dem Sesseldreirad um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand handele.
Bezüglich des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten medizinischen Unterlagen, insbesondere der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. J. vom 16.01.2014, wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Gerichtsakte des parallel noch anhängigen Klage- bzw. Berufungsverfahrens (S 10 KR 853/11 = L 1 KR 3/13) sowie die hiesige Gerichtsakte verwiesen.
Schließlich hat die Kammer mit richterlicher Verfügung vom 07.07.2014 die Beteiligten darüber informiert, dass sie beabsichtige, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wozu beide Beteiligten ausdrücklich ihr Einverständnis erklärt haben (Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägerin vom 16.07.2014 und der Beklagten vom 06.08.2014).
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch den Kammervorsitzenden entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist, die Sache selbst keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Beteiligten mit richterlichen Verfügung vom 07.07.2014 dazu gehört wurden (§ 105 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Im Übrigen haben sich beide Beteiligten ausdrücklich mit dieser Form der Entscheidung einverstanden erklärt.
Die Klage ist zwar als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird. Vielmehr hat der Beklagte darin zu Recht eine Kostenübernahme für das von der Firma H. hergestellte Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung dieses Dreirades als Hilfsmittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zwar besteht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 in Verbindung mit § 33 Abs.1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) auch ein Anspruch auf Gewährung von orthopädischen und sonstigen Hilfsmitteln, jedoch nur soweit diese erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen und soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen oder als solches ausgeschlossen ist (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Hilfsmittel sind dabei sächliche Mittel oder technische Produkte, die individuell gefertigt oder als serienmäßig hergestellte Ware in unverändertem Zustand oder als Basisprodukte mit entsprechend handwerklicher Zurichtung, Ergänzung bzw. Abänderung von den Leistungserbringern abgegeben werden (§ 2 Satz 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung - Hilfsmittelrichtlinie - in der Fassung vom 16.01.2008). Wie bei anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedarf es zunächst einer ärztlichen Verordnung, die der Vertragsarzt nach pflichtgemäßem Ermessen innerhalb des durch das Gesetz und die Richtlinien bestimmten Rahmens zu treffen hat (§ 6 Satz 1 Hilfsmittelrichtlinie) und der Arzt sich vorher von dem Zustand des Versicherten überzeugt und sich erforderlichenfalls über die persönlichen Lebensumstände informiert hat oder ihm diese aus der laufenden Behandlung bekannt sind.
Obwohl der den Kläger behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. E. am 04.11.2013 ausdrücklich ein Therapiedreirad des Typs "Easy Rider 2" wegen Gehirntumor verordnet hatte, ist dieses weder zur Behandlung der bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen noch als Gegenstand des Behinderungsausgleiches medizinisch notwendig. Zwar leidet der Kläger - ausweislich des von der Kammer im Parallelverfahren (S 10 KR 853/11 = L 1 KR 3/13) bereits angeforderten Befundberichtes seines behandelnden Hausarztes Dr. E. vom 07.01.2012 - infolge der bereits 1968 durchgeführten Gehirnoperation an koordinativen Defiziten wie Gleichgewichtsstörungen, Orientierungs- und Differenzierungsfähigkeiten, die mit permanenter Gangunsicherheit wegen Schwindels verbunden sind. Jedoch beübt er, gemäß dem Attest der Ergotherapeutin G. vom 14.09.2011, diese Defizite mittels eines Neurotrainigsprogramms und kognitiver Schulung unter Einsatz spezieller Computerprogrammen sowie mit dem Ansatz der entsprechenden Techniken ein. Dieses Trainingsprogramm fördert die Funktionsdefizite und baut der Verschlimmerung - soweit möglich - vor. Entsprechend hatte sowohl der Hausarzt Dr. E. in seinem ergänzenden Attest vom 16.10.2012 wie die Ergotherapeutin in ihrem Attest vom 14.09.2011 darauf hingewiesen, dass das gewünschte Liegerad zur Unterstützung der Ausdauer eine "sinnvolle Ergänzung" bildet. Auch anlässlich der Antragstellung vom 04.11.2013 wies Dr. E. in seinem Attest vom gleichen Tage nochmals auf die infolge der Gehirnerkrankung bestehenden deutlichen koordinativen Störungen, besonders in Bezug auf Gleichgewichtsfähigkeit, Rhythmusfähigkeit und der Koppelungsfähigkeit sowie auf eine sehr eingeschränkte Ausdauer hin. Dies bedeutet aber nicht, dass das strittige Liegedreirad medizinisch notwendig iSd. § 33 SGB V ist.
Insbesondere lässt sich das gewünschte Liegerad nicht als Gegenstand des Behinderungsausgleiches im Sinne des § 33 SGB V begreifen, da die gesetzliche Krankenversicherung nur verpflichtet ist, solche Hilfsmittel zu gewähren, die die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Dementsprechend hat die Beklagte ein Hilfsmittel immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen einer Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und dabei einen Ausgleich für das durch die Behinderung fehlende bzw. eingeschränkte Grundbedürfnis des menschlichen Lebens schafft (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.207 - B 3 KR 9/06 R). Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrung aufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Allerdings schuldet eine gesetzliche Krankenkasse in Bezug auf das Gehen und die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums nicht die Vergrößerung des Aktionsradius über den Nahbereich hinaus (vgl. BSG, Beschluss vom 22.04.2009 - B 3 KR 54/08 B und Urteil vom 19.04.2007 - B 3 KR 9/06 R, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dementsprechend ist unter der Erschließung des Nahbereichs die Fähigkeit zu verstehen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um etwa mittels eines kurzen Spaziergangs an die frische Luft zu kommen bzw. die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen oder um die Alltagsgeschäfte (z. Bsp. Einkaufen, Post- und Bankgeschäfte, Besuch von Ärzten und Apotheken) zu erledigen. Dabei ist davon auszugehen, dass dieser Nahbereich durch "Gehen" erschlossen wird, weshalb im Falle das wegen der Behinderung ein solches "Gehen" nicht möglich sein sollte, regelmäßig der Ausgleich durch einen handbetriebenen Rollstuhl oder - soweit medizinisch notwendig - durch einen Elektrorollstuhl geleistet wird (vgl. BSG, Beschluss vom 22.04.2009 - B 3 KR 54/08 B und Urteile vom 19.04.20908 - B 3 KR 9/06 R und vom 26.03.2003 - B 3 KR 23/02 R). Dies ist offenbar nicht notwendig, da der Kläger nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen durchaus in der Lage ist, zu Fuß sich seinen Nahbereich zu erschließen; eine Einschränkung der Beweglichkeit seiner unteren Extremitäten – bis auf eine Schwindelsymptomatik – in diesem Umfange wird nirgends dokumentiert.
Im Übrigen weist der beratende Arzt der Beklagten, Dr. J., in seiner Stellungnahme vom 16.01.2014 zutreffend darauf hin, dass nach dem Hilfsmittelverzeichnis mehrspurige Fahrräder im Sinne von Therapierädern grundsätzlich nur für Kinder bei bestimmten medizinischen Voraussetzungen als Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen und damit für Erwachsene nicht mehr in Frage kommen. Denn bei Erwachsenen dienten diese Produkte (nur) der Fortbewegung, ohne dass sie die hohen therapeutischen Anforderungen wie bei einem Kind erfüllt werden. Die vom Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 07.10.2010 (B 3 KR 5/10 R) und vom 18.05.2011 (B 3 KR 10/10 R) getroffenen Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen im Falle des Klägers nicht vor.
Dabei weist die Beklagte, gestützt auf die überzeugenden Ausführungen des MDK-Arztes Dr. J. vom 16.01.2014, zu Recht darauf hin, dass das gewünschte Therapiedreirad für den Kläger auch nicht als Trainingsgerät in Betracht kommt. Abgesehen von der Fragestellung, ob Trainingsgeräte nicht bereits als solche wegen der fehlenden Überwachung durch ausgebildetes Personal von vorneherein dem privaten Bereich zuzuordnen sind und deshalb nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu beziehen sind, lässt sich im Falle des Klägers eine sozialmedizinische Indikation für die Versorgung mit dem Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" nicht erkennen. Grundsätzlich fallen nämlich Maßnahmen der Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, wenn sie mit Behandlungs- und Therapiecharakter bei eindeutigem Krankheitsbezug einhergehen. Um im Falle jedoch eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Ausdauer, der Beweglichkeit, Kraft und Erweiterung des Aktionsradius zu erreichen oder die vom Hausarzt genannten Störungen des Gleichgewichts und der Bewegungskoordination zu behandeln, stehen ausreichende und effektive Heilmittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung, wie etwa Krankengymnastik, Ergotraining, Gehtraining mit vorhandenen Hilfsmitteln.
Schließlich scheitert der Einsatz des "Trainingsgerätes" (Easy Rider 2) bereits an der fehlenden Möglichkeit eines eigenbestimmten und selbständigen Einsatzes des Dreirades. Denn ausweislich der Begutachtung zur Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (im Sinne von § 45 a Elftes Buch Sozialgesetzbuch Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) vom 23.09.2013 stellte der Gutachter D. fest, dass im Zeitraum vom 11.04.2012 und 20.09.2013 die kognitiven Störungen erheblich zugenommen hätten und der Kläger – auch nach den Darlegungen der Pflegekraft - häufig unkontrolliert die Wohnung verlasse und sich dabei in große Gefahr bringe, da er den Verkehr auf den Straßen nicht abschätzen könne. Angesichts dessen erscheint es ausgeschlossen, dass sich der Kläger "zu Trainingszwecken" mittels eines Therapie-Dreirades in den öffentlichen Straßenverkehr begibt. Außerdem verweist der Gutachter auf Merkfähigkeitsstörungen, lückenhaftes Kurzzeitgedächtnis sowie Verwirrtheit mit zeitlich situativer Desorientierung hin sowie die Tatsache, dass der Kläger verlangsamt reagiere und seine Zeit brauche und gezielte Orientierungshilfen auch im Alltag brauche. Wenn deshalb der Gutachter von einer in erhöhtem Maße eingeschränkten Alltagskompetenz ausgeht und selbst die Ehefrau des Klägers anlässlich ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2013 vor dem Hessischen Landessozialgericht (L 1 KR 3/13) ausgesagt hat, dass der Kläger nicht in der Lage sei, alleine mit einem Therapiefahrrad unterwegs zu sein, weil ihm die Orientierung fehle, lässt sich der unbeaufsichtigte Einsatz eines Therapiedreirades keinesfalls begründen. Dieses Manko kann jedoch nicht dadurch beseitigt werden, dass die "rüstige" Mutter des Klägers ihn bei Ausfahrten begleiten können soll. Weder ist ein entsprechendes Eingreifen der Mutter "zu Fuß" möglich (viel höhere Geschwindigkeit des Therapiedreirades) noch gar durch "Nebenher-Fahren".
Angesichts des kognitiven Defizits kann der Kläger das von ihm gewünschte Therapiedreirad nicht ohne Gefahr für sich oder andere benutzen, weshalb ihm dieses erst recht nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen ist. Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob das konkret gewünschte Rad "Easy Rider 2" der Firma H. – trotz ausdrücklicher Leistung im Hilfsmittelverzeichnis (Hilfsmittelverordnung, Ziffer 22.51.02.0048) - nicht bereits deshalb für den Kläger als Hilfsmittel ausscheidet, weil es sich für ihn um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt (§ 33 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB V).
Insgesamt hat die Beklagte daher zu Recht eine Kostenübernahme des gewünschten Therapie-Dreirades "Easy Rider 2" des Herstellers H. abgelehnt, weshalb der Bescheid vom 21. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 der Sach- und Rechtslage entspricht. Die dagegen erhobene Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren um die Kostenübernahme für die Anschaffung eines Therapie-Dreirades "Easy Rider 2", nachdem der Beklagte einen früheren Antrag auf Kostenübernahme eines Therapie-Dreirades "Lepus" abgelehnt hatte.
Der jetzt 54-jährige Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und leidet aufgrund der Operation eines Gehirntumors im Jahr 1998 an einer permanenten Gangunsicherheit und Schwindel. Ausweislich des MDK-Gutachtens vom 23.09.2013 (D.) ist der Kläger in die Pflegestufe II eingestuft worden, da seine kognitiven Störungen erheblich zugenommen hatten und – weil er die Wohnung häufig unkontrolliert verlasse und die Gefahren des Straßenverkehrs nicht einschätzen könne – sich in starke Gefahr bringe. Des Weiteren wurde eine allgemeine Schwäche der oberen Extremitäten festgestellt.
Gestützt auf eine ärztliche Verordnung sowie das Attest seines Hausarztes Dr. E. vom 10.08.2011, wonach ein Therapiedreirad es ihm ermögliche, sich mehr zu bewegen, hatte der Kläger bei der Beklagten zunächst die Kostenübernahme für ein Therapie-Dreirad "Lepus" beantragt, das laut dem Kostenvoranschlag der Firma F. vom 10.08.2011 5.851,40 EUR kosten sollte. Den Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 2011 abgelehnt und den auf ein Attest der behandelnden Ergotherapeutin G. vom 14.09.11 gestützten Widerspruch mit Bescheid vom 25. November 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage wurde seitens des Sozialgerichts Darmstadt mit Urteil vom 14. November 2012 zurückgewiesen, über die dagegen erhobene Klage wurde – im Hinblick auf ein Antrag des Klägers auf Gewährung des Therapie-Dreirades "Easy Rider" – noch nicht entschieden.
Denn in der Zwischenzeit hatte der Kläger mit ärztlicher Verordnung des Hausarztes Dr. E. vom 04.11.2013 und gestützt und dessen Attest vom gleichen Tage nunmehr ein Dreirad "Easy Rider 2" der Firma H. beantragt, da damit seine Ausdauer und die eingeschränkten kognitiven Störungen (Gleichgewichtsfähigkeit, Rhythmusfähigkeit und Kopplungsfähigkeit sowie Belastbarkeit) gesteigert bzw. gebessert werden könnten. Dieses Training sei trotz seiner eingeschränkten Alltagskompetenz möglich. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK ein, in der Dr. J., Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, physikalische und rehabilitative Medizin, am 16.01.2014 zu der Einschätzung gelangt war, dass das gewünschte Therapie-Dreirad vom Typ "Easy Rider 2" im Sinne eines Sesseldreirades sozialmedizinisch und fachorthopädisch nicht als geeignetes Hilfsmittel für den Kläger anzusehen sei. Soweit geltend gemacht werde, dass das Therapiedreirad zu Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Ausdauer, der Beweglichkeit, der Kraft sowie der Erweiterung des Aktionsradius dienen solle, könnten diese im Rahmen der vertragsärztlichen Hilfsmittelversorgung (vornehmlich Krankengymnastik, Ergotherapie und ggf. ergänzende physikalische Maßnahmen, konsequentes tägliches Gehtraining mit vorhandenen Gehhilfen) ausreichend und zweckmäßig angegangen werden. Da nach den Darlegungen des Hausarztes das Therapie-Dreirad vornehmlich als Trainingsgerät genutzt werden soll, sei festzustellen, dass Trainingsgeräte nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen; ganz abgesehen davon, dass das skizzierte Trainingsprogramm sehr stark von der Jahreszeit und der Witterung abhängig wäre. Zusätzlich erscheine eine eigenbestimmte und selbständige Nutzung des Dreirades "Easy Rider" aufgrund der erheblichen Störungen des Nervensystems und der Psyche ohne wesentliches Risiko der Eigen- und/oder Fremdgefährdung gar nicht möglich. Schließlich handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da es vielerorts handelsüblich für Jedermann erhältlich angeboten und auch von vielen, überwiegend gesunden Menschen genutzt werde.
Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2014 eine Kostenübernahme für das gewünschte Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" ab.
Hiergegen richtet sich die am 29.04.2014 beim hiesigen Gericht eingereichte Klage, mit der der Kläger weiterhin die Versorgung mit dem Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" begehrt. Zur Begründung wird geltend gemacht, das das Hessische Landessozialgericht anlässlich der im Berufungsverfahren am 24.10.2013 stattgefundenen mündlichen Verhandlung (L 1 KR 3/13) die Auffassung vertreten habe, dass der Kläger mit einem Therapie-Dreirad versorgt werden könne zumal die Voraussetzungen eines ärztlichen Therapieplans – wie vom Bundessozialgericht gefordert – vorlägen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einem Therapiedreirad "Easy Rider 2" zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt dagegen, gestützt auf die medizinische Stellungnahme des MDK-Arztes Dr. J. vom 16.01.2014 die Auffassung, dass das gewünschte Therapiedreirad dem Kläger nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenkasse als Hilfsmittel zu gewähren sei. Denn die Versorgung von Hilfsmitteln, die nur indirekten Behinderungsausgleich bewirken, bestehe eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nur im Rahmen eines Basisausgleiches. Dazu zähle die Möglichkeit des Fahrradfahrens nicht, weshalb das beantragte Dreirad nicht zum Behinderungsausgleich notwendig sei. Auch zur Sicherung des Behandlungserfolges sei es ebenfalls nicht notwendig, selbst wenn regelmäßiges Fahrradfahren dazu geeignet ist, den Gesundheitszustand zu stärken. Denn positive gesundheitliche Auswirkungen ließen sich mit geringerem Kostenaufwand, z.B. in Form des Behindertensports, erreichen, wobei gesundheitsfördernde körperliche Betätigungen ohnehin in den Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten gehörten. Im Falle der medizinischen Indikation gäbe es auch entsprechende Vertragsleistungen, wie etwa Krankengymnastik. Entgegen der Auffassung des Klägers liege in seinem Fall auch kein der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2010 (B 3 KR 05/10 R) vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn das gewünschte Therapiedreirad sollte nicht dazu dienen, die mit gelegentlicher Krankengymnastik verbundene Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Therapieplans zu fördern oder die Behandlungsfrequenz der Krankengymnastik zu verringern. Die mit dem Fahrradfahren verbundenen allgemein günstigen körperlichen und psychischen Auswirkungen begründen nicht den Leistungsanspruch. Schließlich erscheine gemäß der ärztlichen Stellungnahme des MDK vom 16.01.2014 ohnehin eine eigenbestimmte und selbständige Nutzung des Therapierades aufgrund der erheblichen Störungen des Nervensystems und der Psyche nicht ohne wesentliches Risiko für eine Eigen- und/oder Fremdgefährdung, ganz abgesehen davon, dass es sich bei dem Sesseldreirad um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand handele.
Bezüglich des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten medizinischen Unterlagen, insbesondere der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. J. vom 16.01.2014, wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Gerichtsakte des parallel noch anhängigen Klage- bzw. Berufungsverfahrens (S 10 KR 853/11 = L 1 KR 3/13) sowie die hiesige Gerichtsakte verwiesen.
Schließlich hat die Kammer mit richterlicher Verfügung vom 07.07.2014 die Beteiligten darüber informiert, dass sie beabsichtige, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wozu beide Beteiligten ausdrücklich ihr Einverständnis erklärt haben (Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägerin vom 16.07.2014 und der Beklagten vom 06.08.2014).
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch den Kammervorsitzenden entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist, die Sache selbst keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Beteiligten mit richterlichen Verfügung vom 07.07.2014 dazu gehört wurden (§ 105 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Im Übrigen haben sich beide Beteiligten ausdrücklich mit dieser Form der Entscheidung einverstanden erklärt.
Die Klage ist zwar als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird. Vielmehr hat der Beklagte darin zu Recht eine Kostenübernahme für das von der Firma H. hergestellte Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung dieses Dreirades als Hilfsmittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zwar besteht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 in Verbindung mit § 33 Abs.1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) auch ein Anspruch auf Gewährung von orthopädischen und sonstigen Hilfsmitteln, jedoch nur soweit diese erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen und soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen oder als solches ausgeschlossen ist (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Hilfsmittel sind dabei sächliche Mittel oder technische Produkte, die individuell gefertigt oder als serienmäßig hergestellte Ware in unverändertem Zustand oder als Basisprodukte mit entsprechend handwerklicher Zurichtung, Ergänzung bzw. Abänderung von den Leistungserbringern abgegeben werden (§ 2 Satz 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung - Hilfsmittelrichtlinie - in der Fassung vom 16.01.2008). Wie bei anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedarf es zunächst einer ärztlichen Verordnung, die der Vertragsarzt nach pflichtgemäßem Ermessen innerhalb des durch das Gesetz und die Richtlinien bestimmten Rahmens zu treffen hat (§ 6 Satz 1 Hilfsmittelrichtlinie) und der Arzt sich vorher von dem Zustand des Versicherten überzeugt und sich erforderlichenfalls über die persönlichen Lebensumstände informiert hat oder ihm diese aus der laufenden Behandlung bekannt sind.
Obwohl der den Kläger behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. E. am 04.11.2013 ausdrücklich ein Therapiedreirad des Typs "Easy Rider 2" wegen Gehirntumor verordnet hatte, ist dieses weder zur Behandlung der bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen noch als Gegenstand des Behinderungsausgleiches medizinisch notwendig. Zwar leidet der Kläger - ausweislich des von der Kammer im Parallelverfahren (S 10 KR 853/11 = L 1 KR 3/13) bereits angeforderten Befundberichtes seines behandelnden Hausarztes Dr. E. vom 07.01.2012 - infolge der bereits 1968 durchgeführten Gehirnoperation an koordinativen Defiziten wie Gleichgewichtsstörungen, Orientierungs- und Differenzierungsfähigkeiten, die mit permanenter Gangunsicherheit wegen Schwindels verbunden sind. Jedoch beübt er, gemäß dem Attest der Ergotherapeutin G. vom 14.09.2011, diese Defizite mittels eines Neurotrainigsprogramms und kognitiver Schulung unter Einsatz spezieller Computerprogrammen sowie mit dem Ansatz der entsprechenden Techniken ein. Dieses Trainingsprogramm fördert die Funktionsdefizite und baut der Verschlimmerung - soweit möglich - vor. Entsprechend hatte sowohl der Hausarzt Dr. E. in seinem ergänzenden Attest vom 16.10.2012 wie die Ergotherapeutin in ihrem Attest vom 14.09.2011 darauf hingewiesen, dass das gewünschte Liegerad zur Unterstützung der Ausdauer eine "sinnvolle Ergänzung" bildet. Auch anlässlich der Antragstellung vom 04.11.2013 wies Dr. E. in seinem Attest vom gleichen Tage nochmals auf die infolge der Gehirnerkrankung bestehenden deutlichen koordinativen Störungen, besonders in Bezug auf Gleichgewichtsfähigkeit, Rhythmusfähigkeit und der Koppelungsfähigkeit sowie auf eine sehr eingeschränkte Ausdauer hin. Dies bedeutet aber nicht, dass das strittige Liegedreirad medizinisch notwendig iSd. § 33 SGB V ist.
Insbesondere lässt sich das gewünschte Liegerad nicht als Gegenstand des Behinderungsausgleiches im Sinne des § 33 SGB V begreifen, da die gesetzliche Krankenversicherung nur verpflichtet ist, solche Hilfsmittel zu gewähren, die die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Dementsprechend hat die Beklagte ein Hilfsmittel immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen einer Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und dabei einen Ausgleich für das durch die Behinderung fehlende bzw. eingeschränkte Grundbedürfnis des menschlichen Lebens schafft (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.207 - B 3 KR 9/06 R). Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrung aufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Allerdings schuldet eine gesetzliche Krankenkasse in Bezug auf das Gehen und die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums nicht die Vergrößerung des Aktionsradius über den Nahbereich hinaus (vgl. BSG, Beschluss vom 22.04.2009 - B 3 KR 54/08 B und Urteil vom 19.04.2007 - B 3 KR 9/06 R, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dementsprechend ist unter der Erschließung des Nahbereichs die Fähigkeit zu verstehen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um etwa mittels eines kurzen Spaziergangs an die frische Luft zu kommen bzw. die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen oder um die Alltagsgeschäfte (z. Bsp. Einkaufen, Post- und Bankgeschäfte, Besuch von Ärzten und Apotheken) zu erledigen. Dabei ist davon auszugehen, dass dieser Nahbereich durch "Gehen" erschlossen wird, weshalb im Falle das wegen der Behinderung ein solches "Gehen" nicht möglich sein sollte, regelmäßig der Ausgleich durch einen handbetriebenen Rollstuhl oder - soweit medizinisch notwendig - durch einen Elektrorollstuhl geleistet wird (vgl. BSG, Beschluss vom 22.04.2009 - B 3 KR 54/08 B und Urteile vom 19.04.20908 - B 3 KR 9/06 R und vom 26.03.2003 - B 3 KR 23/02 R). Dies ist offenbar nicht notwendig, da der Kläger nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen durchaus in der Lage ist, zu Fuß sich seinen Nahbereich zu erschließen; eine Einschränkung der Beweglichkeit seiner unteren Extremitäten – bis auf eine Schwindelsymptomatik – in diesem Umfange wird nirgends dokumentiert.
Im Übrigen weist der beratende Arzt der Beklagten, Dr. J., in seiner Stellungnahme vom 16.01.2014 zutreffend darauf hin, dass nach dem Hilfsmittelverzeichnis mehrspurige Fahrräder im Sinne von Therapierädern grundsätzlich nur für Kinder bei bestimmten medizinischen Voraussetzungen als Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen und damit für Erwachsene nicht mehr in Frage kommen. Denn bei Erwachsenen dienten diese Produkte (nur) der Fortbewegung, ohne dass sie die hohen therapeutischen Anforderungen wie bei einem Kind erfüllt werden. Die vom Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 07.10.2010 (B 3 KR 5/10 R) und vom 18.05.2011 (B 3 KR 10/10 R) getroffenen Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen im Falle des Klägers nicht vor.
Dabei weist die Beklagte, gestützt auf die überzeugenden Ausführungen des MDK-Arztes Dr. J. vom 16.01.2014, zu Recht darauf hin, dass das gewünschte Therapiedreirad für den Kläger auch nicht als Trainingsgerät in Betracht kommt. Abgesehen von der Fragestellung, ob Trainingsgeräte nicht bereits als solche wegen der fehlenden Überwachung durch ausgebildetes Personal von vorneherein dem privaten Bereich zuzuordnen sind und deshalb nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu beziehen sind, lässt sich im Falle des Klägers eine sozialmedizinische Indikation für die Versorgung mit dem Therapie-Dreirad "Easy Rider 2" nicht erkennen. Grundsätzlich fallen nämlich Maßnahmen der Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, wenn sie mit Behandlungs- und Therapiecharakter bei eindeutigem Krankheitsbezug einhergehen. Um im Falle jedoch eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Ausdauer, der Beweglichkeit, Kraft und Erweiterung des Aktionsradius zu erreichen oder die vom Hausarzt genannten Störungen des Gleichgewichts und der Bewegungskoordination zu behandeln, stehen ausreichende und effektive Heilmittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung, wie etwa Krankengymnastik, Ergotraining, Gehtraining mit vorhandenen Hilfsmitteln.
Schließlich scheitert der Einsatz des "Trainingsgerätes" (Easy Rider 2) bereits an der fehlenden Möglichkeit eines eigenbestimmten und selbständigen Einsatzes des Dreirades. Denn ausweislich der Begutachtung zur Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (im Sinne von § 45 a Elftes Buch Sozialgesetzbuch Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) vom 23.09.2013 stellte der Gutachter D. fest, dass im Zeitraum vom 11.04.2012 und 20.09.2013 die kognitiven Störungen erheblich zugenommen hätten und der Kläger – auch nach den Darlegungen der Pflegekraft - häufig unkontrolliert die Wohnung verlasse und sich dabei in große Gefahr bringe, da er den Verkehr auf den Straßen nicht abschätzen könne. Angesichts dessen erscheint es ausgeschlossen, dass sich der Kläger "zu Trainingszwecken" mittels eines Therapie-Dreirades in den öffentlichen Straßenverkehr begibt. Außerdem verweist der Gutachter auf Merkfähigkeitsstörungen, lückenhaftes Kurzzeitgedächtnis sowie Verwirrtheit mit zeitlich situativer Desorientierung hin sowie die Tatsache, dass der Kläger verlangsamt reagiere und seine Zeit brauche und gezielte Orientierungshilfen auch im Alltag brauche. Wenn deshalb der Gutachter von einer in erhöhtem Maße eingeschränkten Alltagskompetenz ausgeht und selbst die Ehefrau des Klägers anlässlich ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2013 vor dem Hessischen Landessozialgericht (L 1 KR 3/13) ausgesagt hat, dass der Kläger nicht in der Lage sei, alleine mit einem Therapiefahrrad unterwegs zu sein, weil ihm die Orientierung fehle, lässt sich der unbeaufsichtigte Einsatz eines Therapiedreirades keinesfalls begründen. Dieses Manko kann jedoch nicht dadurch beseitigt werden, dass die "rüstige" Mutter des Klägers ihn bei Ausfahrten begleiten können soll. Weder ist ein entsprechendes Eingreifen der Mutter "zu Fuß" möglich (viel höhere Geschwindigkeit des Therapiedreirades) noch gar durch "Nebenher-Fahren".
Angesichts des kognitiven Defizits kann der Kläger das von ihm gewünschte Therapiedreirad nicht ohne Gefahr für sich oder andere benutzen, weshalb ihm dieses erst recht nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen ist. Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob das konkret gewünschte Rad "Easy Rider 2" der Firma H. – trotz ausdrücklicher Leistung im Hilfsmittelverzeichnis (Hilfsmittelverordnung, Ziffer 22.51.02.0048) - nicht bereits deshalb für den Kläger als Hilfsmittel ausscheidet, weil es sich für ihn um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt (§ 33 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB V).
Insgesamt hat die Beklagte daher zu Recht eine Kostenübernahme des gewünschten Therapie-Dreirades "Easy Rider 2" des Herstellers H. abgelehnt, weshalb der Bescheid vom 21. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 der Sach- und Rechtslage entspricht. Die dagegen erhobene Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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