Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2858/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SV 194/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 77.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin/Beschwerdeführerin hat zunächst beim SG Reutlingen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie möchte der Antragsgegnerin einstweilen untersagen lassen, die von ihr eingeleitete europaweite Vergabe zur Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln zur Stomaversorgung und ergänzenden Inkontinenzhilfen zu betreiben.
Die Antragsgegnerin veranlasste die Ausschreibung vom 03.11.2017 zum Abschluss von Rahmenverträgen über die Versorgung ihrer Versicherten mit Stomaartikeln der Produktgruppe 29 und den in diesem Zusammenhang notwendigen Inkontinenzhilfen der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses. Die Ausschreibung wurde am 07.11.2017 aktualisiert. Der ausgeschriebene Vertrag soll am 01.04.2018 beginnen und eine Laufzeit von 24 Monaten haben; die Möglichkeit der Verlängerung ist vorgesehen.
Die Antragstellerin ist ein Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Sie versorgt derzeit etwa 35 Versicherte der Antragsgegnerin mit Stomaartikeln. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung will sie der Antragsgegnerin untersagen lassen, das Ausschreibungsverfahren fortzuführen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die ausgeschriebene Versorgung weise einen besonders hohen Dienstleistungsanteil auf, deshalb sei eine Ausschreibung der Leistungen nach Maßgabe des § 127 Abs.1 Satz 6 SGB V nicht zweckmäßig und folglich rechtswidrig. Die Antragsgegnerin verletze mit ihrer Ausschreibung das Recht der Antragstellerin auf Zugang zum Markt der Hilfsmittelversorgung. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei bereits aufgrund fehlender Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit sowie der fehlenden Möglichkeit einer Verweisung an die Vergabekammern des Bundes unzulässig.
Das SG Reutlingen hat mit Beschluss vom 28.12.2017 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als unzulässig verworfen. Für den geltend gemachten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben, weil Verfahren wie das vorliegende nach dem GWB durchzuführen seien, seien die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 51 Abs. 3 SGG nicht rechtswegzuständig. Sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben, sei der Rechtsstreit grundsätzlich an das zuständige Gericht zu verweisen. Da im Vergabeverfahren jedoch die Vergabekammern des Bundes zuständig und diese keine Gerichte im Sinne des § 17a GVG seien, komme eine Verweisung an die zuständige Stelle aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei als unzulässig zu verwerfen.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des SG Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, zwar seien Streitigkeiten in Verfahren nach dem GWB, die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen, von der Zuständigkeit der Sozialgerichte ausgenommen. Streitgegenstand sei hier aber nicht eine vergaberechtliche Vorschrift des Vierten Teils des GWB, sondern ausschließlich eine Vorfrage zur Einleitung des Ausschreibungsverfahrens. Es gehe konkret um die Frage, ob die Ausschreibung der Antragsgegnerin zweckmäßig sei oder ob deren Zweckmäßigkeit aufgrund eines hohen Dienstleistungsanteils zu verneinen sei (§ 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V). Diese Vorfrage hätten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu klären. Insoweit habe das OLG Düsseldorf bereits entschieden, dass Fragen zur Anwendung des § 127 SGB V vergaberechtlich nicht maßgeblich seien. In der Sache sei die Rechtsschutzgarantie der Antragstellerin verletzt, wenn sie sich gegen die Einleitung eines Vergabeverfahrens nicht zur Wehr setzen könne, obwohl dieses unzweckmäßig sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.12.2017 im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Ausschreibung der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Stomaversorgung der Produktgruppe 29 und den gegebenenfalls in diesem Zusammenhang erforderlichen Hilfsmitteln zur Inkontinenz der Produktgruppe 15 gemäß § 127 Abs. 1 SGB V und entsprechend der Bekanntmachung der Antragsgegnerin vom 03.11.2017 zu unterlassen. Hilfsweise, für den Fall der Zuschlagserteilung, der Antragsgegnerin zu untersagen, ihre Versicherten gemäß den vorgenannten Ausschreibungen zu versorgen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zurückzuweisen.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG ist zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet, weil das SG zutreffend entschieden hat, dass schon der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S. einer Regelungsanordnung (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG) mit dem Ziel, der Antragsgegnerin die Ausschreibung zu untersagen, unzulässig ist.
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind sowohl für die mit dem Haupt- als für die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Regelungsanordnung nicht rechtswegzuständig.
Zuständig sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für die in § 51 Abs. 1 und 2 SGG genannten Streitigkeiten. Hier könnte ein Rechtstreit i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorliegen. Allerdings sind gemäß § 51 Abs. 3 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig für Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGBV betreffen. Die von der Antragsgegnerin eingeleitete Ausschreibung der Versorgung der Versicherten mit Stomaartikeln und zugehörigen Leistungen ist ein Vergabeverfahren in diesem Sinne. Denn zu den Rechtsbeziehungen im Sinne des § 69 SGBV gehören auch solche zwischen einer Krankenkasse und einem Leistungserbringer nach §127 SGB V (BSG, Beschluss vom 22.04.2009 – B 3 KR 2/09 R – juris Rdnr. 15; vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.03. 2018 – L 5 KR 81/18 B ER).
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind auch nicht deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Falles zuständig, weil sich deren Zuständigkeit unmittelbar aus Art.19 Abs.4 GG ergäbe.
Zwar weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass es sich die Frage, ob ein Leistungsträger der gesetzlichen Krankenversicherung eine Ausschreibung nach Maßgabe des §127 Abs. 1 SGBV rechtmäßig vornimmt, maßstäblich danach richtet, ob eine solche Ausschreibung zweckmäßig ist. Den Trägern der GKV steht bei der Entscheidung über das Ob einer Ausschreibung ein Ermessensspielraum zu (Entschließungsermessen), den dieser ermessensfehlerfrei auszuüben hat. Dabei sind die Regelungen des § 127 Abs. 1 Sätze 1 und 6 SGB V zu berücksichtigen (vgl. auch Schreiben des Bundesversicherungsamts vom 20. Juli 2017 - 2 L – 5417.1 – 1077/2010). Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung haben bei Ausübung ihres Entschließungsermessens auch die Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands zu berücksichtigen.
Der Umstand, dass das OLG Düsseldorf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung am Maßstab des § 127 Abs. 1 SGB V ablehnt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2016 – VII-Verg 26/16 –, NZBau 2017, 303), eröffnet nicht nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 4 GG in dem ohnehin schon mehrstufigen Verfahren von Vergabe, Vertragsschlusses und Vertragsausführung keine weitere Kontrolle durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) hat vielmehr durch die vom Gesetzgeber für zuständig erklärten Vergabekammern und ggf. die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu erfolgen.
Es erscheint daher fraglich, ob das OLG Düsseldorf bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Vergabeverfahrens die maßgebliche Vorschrift des § 127 Abs.1 SGB V "unangewendet" lassen kann. Vielmehr dürfte - wie auch sonst im Vorfeld der Klärung eines konkreten Streitverhältnisses - durch die zuständige Behörde oder nachfolgend das Gericht zu prüfen und entscheiden sein, ob die Einleitung des Vergabeverfahrens überhaupt rechtmäßig erfolgt ist. Fehlt es schon hieran, dürfte die Beachtung weiterer vergaberechtlicher Anforderungen kaum dazu führen, dass das Vergabeverfahren rechtmäßig ist. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung ist mithin eine Vorfrage, die sich den zuständigen Stellen bei der zu treffenden Entscheidung stellt. Auch in anderen Fallkonstellationen haben Behörden und Gerichte Vorfragen aus anderen Rechtsgebieten im Rahmen der von ihnen zu treffenden Entscheidung mit zu bedenken, ohne dass dies einen weiteren Rechtsweg eröffnet (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.02.2008 - L 12 AL 57/05; Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.03. 2018 – L 5 KR 81/18 B ER). BAG, Urteil vom 21.3.1984 - 5 AZR 320/82 - BAGE 84, 228, 231; Schlewing in Germelmann/Mattes/Prütting, ArbGG, § 2 Rz. 141; Kissel/Mayer, GVG, § 13 Rn. 21; allgemein zur Vorfragenkompetenz auch BGH v. 28.9.1971 - VI ZR 216/69 - BGHZ 57, 96, 101 f.).
Eine Verweisung des Verfahrens an die zuständigen Vergabekammern des Bundes kommt nicht in Betracht. Bei den Vergabekammern handelt es sich trotz der Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit nicht um Gerichte (BSG, Beschluss vom 22.04.2008 – B 1 SF 1/08 R; BGH, Beschluss vom 25.10.2011 – X ZB 5/10). Eine Verweisung kann nach Maßgabe des § 17a GVG nur an Gerichte eines anderen Rechtswegs nicht aber an Stellen der Exekutive erfolgen.
Der Rechtstreit ist auch nicht an das OLG Düsseldorf zu verweisen. Zwar handelt es sich um ein Gericht i.S. des § 17a GVG. Eine Verweisung dorthin ist aber nicht tunlich, weil das OLG an einer Sachentscheidung gehindert wäre, solange die zuständige Stelle der Verwaltung – hier die Vergabekammern – mit der Sache noch nicht befasst war.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §197a SGG i.V.m. §151 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Streitwert für das Verfahren ist entsprechend § 197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs.1 und 3, § 47 GKG auf 77.000,00 EUR festzusetzen. Die aktive Vertragslaufzeit der streitgegenständlichen Ausschreibung beträgt zunächst zwei Jahre. Der Gesamtbetrag des streitigen Lieferumfangs beläuft sich mithin auf 154.000,00 EUR. Er ist wegen des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte dieses Betrags zu reduzieren. Der Senat schließt sich auch insoweit dem Streitwertbeschluss des SG Reutlingen an.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 77.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin/Beschwerdeführerin hat zunächst beim SG Reutlingen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie möchte der Antragsgegnerin einstweilen untersagen lassen, die von ihr eingeleitete europaweite Vergabe zur Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln zur Stomaversorgung und ergänzenden Inkontinenzhilfen zu betreiben.
Die Antragsgegnerin veranlasste die Ausschreibung vom 03.11.2017 zum Abschluss von Rahmenverträgen über die Versorgung ihrer Versicherten mit Stomaartikeln der Produktgruppe 29 und den in diesem Zusammenhang notwendigen Inkontinenzhilfen der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses. Die Ausschreibung wurde am 07.11.2017 aktualisiert. Der ausgeschriebene Vertrag soll am 01.04.2018 beginnen und eine Laufzeit von 24 Monaten haben; die Möglichkeit der Verlängerung ist vorgesehen.
Die Antragstellerin ist ein Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Sie versorgt derzeit etwa 35 Versicherte der Antragsgegnerin mit Stomaartikeln. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung will sie der Antragsgegnerin untersagen lassen, das Ausschreibungsverfahren fortzuführen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die ausgeschriebene Versorgung weise einen besonders hohen Dienstleistungsanteil auf, deshalb sei eine Ausschreibung der Leistungen nach Maßgabe des § 127 Abs.1 Satz 6 SGB V nicht zweckmäßig und folglich rechtswidrig. Die Antragsgegnerin verletze mit ihrer Ausschreibung das Recht der Antragstellerin auf Zugang zum Markt der Hilfsmittelversorgung. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei bereits aufgrund fehlender Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit sowie der fehlenden Möglichkeit einer Verweisung an die Vergabekammern des Bundes unzulässig.
Das SG Reutlingen hat mit Beschluss vom 28.12.2017 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als unzulässig verworfen. Für den geltend gemachten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben, weil Verfahren wie das vorliegende nach dem GWB durchzuführen seien, seien die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 51 Abs. 3 SGG nicht rechtswegzuständig. Sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben, sei der Rechtsstreit grundsätzlich an das zuständige Gericht zu verweisen. Da im Vergabeverfahren jedoch die Vergabekammern des Bundes zuständig und diese keine Gerichte im Sinne des § 17a GVG seien, komme eine Verweisung an die zuständige Stelle aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei als unzulässig zu verwerfen.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des SG Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, zwar seien Streitigkeiten in Verfahren nach dem GWB, die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen, von der Zuständigkeit der Sozialgerichte ausgenommen. Streitgegenstand sei hier aber nicht eine vergaberechtliche Vorschrift des Vierten Teils des GWB, sondern ausschließlich eine Vorfrage zur Einleitung des Ausschreibungsverfahrens. Es gehe konkret um die Frage, ob die Ausschreibung der Antragsgegnerin zweckmäßig sei oder ob deren Zweckmäßigkeit aufgrund eines hohen Dienstleistungsanteils zu verneinen sei (§ 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V). Diese Vorfrage hätten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu klären. Insoweit habe das OLG Düsseldorf bereits entschieden, dass Fragen zur Anwendung des § 127 SGB V vergaberechtlich nicht maßgeblich seien. In der Sache sei die Rechtsschutzgarantie der Antragstellerin verletzt, wenn sie sich gegen die Einleitung eines Vergabeverfahrens nicht zur Wehr setzen könne, obwohl dieses unzweckmäßig sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.12.2017 im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Ausschreibung der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Stomaversorgung der Produktgruppe 29 und den gegebenenfalls in diesem Zusammenhang erforderlichen Hilfsmitteln zur Inkontinenz der Produktgruppe 15 gemäß § 127 Abs. 1 SGB V und entsprechend der Bekanntmachung der Antragsgegnerin vom 03.11.2017 zu unterlassen. Hilfsweise, für den Fall der Zuschlagserteilung, der Antragsgegnerin zu untersagen, ihre Versicherten gemäß den vorgenannten Ausschreibungen zu versorgen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zurückzuweisen.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG ist zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet, weil das SG zutreffend entschieden hat, dass schon der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S. einer Regelungsanordnung (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG) mit dem Ziel, der Antragsgegnerin die Ausschreibung zu untersagen, unzulässig ist.
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind sowohl für die mit dem Haupt- als für die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Regelungsanordnung nicht rechtswegzuständig.
Zuständig sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für die in § 51 Abs. 1 und 2 SGG genannten Streitigkeiten. Hier könnte ein Rechtstreit i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorliegen. Allerdings sind gemäß § 51 Abs. 3 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig für Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGBV betreffen. Die von der Antragsgegnerin eingeleitete Ausschreibung der Versorgung der Versicherten mit Stomaartikeln und zugehörigen Leistungen ist ein Vergabeverfahren in diesem Sinne. Denn zu den Rechtsbeziehungen im Sinne des § 69 SGBV gehören auch solche zwischen einer Krankenkasse und einem Leistungserbringer nach §127 SGB V (BSG, Beschluss vom 22.04.2009 – B 3 KR 2/09 R – juris Rdnr. 15; vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.03. 2018 – L 5 KR 81/18 B ER).
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind auch nicht deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Falles zuständig, weil sich deren Zuständigkeit unmittelbar aus Art.19 Abs.4 GG ergäbe.
Zwar weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass es sich die Frage, ob ein Leistungsträger der gesetzlichen Krankenversicherung eine Ausschreibung nach Maßgabe des §127 Abs. 1 SGBV rechtmäßig vornimmt, maßstäblich danach richtet, ob eine solche Ausschreibung zweckmäßig ist. Den Trägern der GKV steht bei der Entscheidung über das Ob einer Ausschreibung ein Ermessensspielraum zu (Entschließungsermessen), den dieser ermessensfehlerfrei auszuüben hat. Dabei sind die Regelungen des § 127 Abs. 1 Sätze 1 und 6 SGB V zu berücksichtigen (vgl. auch Schreiben des Bundesversicherungsamts vom 20. Juli 2017 - 2 L – 5417.1 – 1077/2010). Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung haben bei Ausübung ihres Entschließungsermessens auch die Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands zu berücksichtigen.
Der Umstand, dass das OLG Düsseldorf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung am Maßstab des § 127 Abs. 1 SGB V ablehnt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2016 – VII-Verg 26/16 –, NZBau 2017, 303), eröffnet nicht nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 4 GG in dem ohnehin schon mehrstufigen Verfahren von Vergabe, Vertragsschlusses und Vertragsausführung keine weitere Kontrolle durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) hat vielmehr durch die vom Gesetzgeber für zuständig erklärten Vergabekammern und ggf. die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu erfolgen.
Es erscheint daher fraglich, ob das OLG Düsseldorf bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Vergabeverfahrens die maßgebliche Vorschrift des § 127 Abs.1 SGB V "unangewendet" lassen kann. Vielmehr dürfte - wie auch sonst im Vorfeld der Klärung eines konkreten Streitverhältnisses - durch die zuständige Behörde oder nachfolgend das Gericht zu prüfen und entscheiden sein, ob die Einleitung des Vergabeverfahrens überhaupt rechtmäßig erfolgt ist. Fehlt es schon hieran, dürfte die Beachtung weiterer vergaberechtlicher Anforderungen kaum dazu führen, dass das Vergabeverfahren rechtmäßig ist. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung ist mithin eine Vorfrage, die sich den zuständigen Stellen bei der zu treffenden Entscheidung stellt. Auch in anderen Fallkonstellationen haben Behörden und Gerichte Vorfragen aus anderen Rechtsgebieten im Rahmen der von ihnen zu treffenden Entscheidung mit zu bedenken, ohne dass dies einen weiteren Rechtsweg eröffnet (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.02.2008 - L 12 AL 57/05; Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.03. 2018 – L 5 KR 81/18 B ER). BAG, Urteil vom 21.3.1984 - 5 AZR 320/82 - BAGE 84, 228, 231; Schlewing in Germelmann/Mattes/Prütting, ArbGG, § 2 Rz. 141; Kissel/Mayer, GVG, § 13 Rn. 21; allgemein zur Vorfragenkompetenz auch BGH v. 28.9.1971 - VI ZR 216/69 - BGHZ 57, 96, 101 f.).
Eine Verweisung des Verfahrens an die zuständigen Vergabekammern des Bundes kommt nicht in Betracht. Bei den Vergabekammern handelt es sich trotz der Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit nicht um Gerichte (BSG, Beschluss vom 22.04.2008 – B 1 SF 1/08 R; BGH, Beschluss vom 25.10.2011 – X ZB 5/10). Eine Verweisung kann nach Maßgabe des § 17a GVG nur an Gerichte eines anderen Rechtswegs nicht aber an Stellen der Exekutive erfolgen.
Der Rechtstreit ist auch nicht an das OLG Düsseldorf zu verweisen. Zwar handelt es sich um ein Gericht i.S. des § 17a GVG. Eine Verweisung dorthin ist aber nicht tunlich, weil das OLG an einer Sachentscheidung gehindert wäre, solange die zuständige Stelle der Verwaltung – hier die Vergabekammern – mit der Sache noch nicht befasst war.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §197a SGG i.V.m. §151 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Streitwert für das Verfahren ist entsprechend § 197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs.1 und 3, § 47 GKG auf 77.000,00 EUR festzusetzen. Die aktive Vertragslaufzeit der streitgegenständlichen Ausschreibung beträgt zunächst zwei Jahre. Der Gesamtbetrag des streitigen Lieferumfangs beläuft sich mithin auf 154.000,00 EUR. Er ist wegen des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte dieses Betrags zu reduzieren. Der Senat schließt sich auch insoweit dem Streitwertbeschluss des SG Reutlingen an.
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