S 3 KR 411/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 411/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2014 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die Bakteriophagentherapien in Höhe von 5.280,00 EUR zu erstatten und sie in Höhe von 8.400,00 EUR freizustellen. Darüber hinaus wird die Beklagte verurteilt, die Kosten zukünftiger Bakteriophagentherapien nach Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung als Sachleistung zu übernehmen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und die zukünftige Kostenübernahme für eine Bakteriophagentherapie. Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist querschnittgelähmt und leidet unter rezidivierenden Harnwegsinfekten bei neurogener Blasenentleerungsstörung mit rezidivierenden Blaseninfektionen.

Mit dem bei der Beklagten am 18.09.2013 eingegangenen Schreiben der Klägerin vom 13.09.2013 beantragte sie die Kostenübernahme für eine Bakteriophagentherapie. Beigefügt war eine Bescheinigung des behandelnden Urologen Dr. L vom 16.09.2013, der ausführte, seit 2009 bildeten sich bei der Klägerin immer wieder multiresistente Bakterien, die nur noch mit dem Antibiotika Carbapenem behandelbar seien. Hierdurch komme es jedoch zu schweren Nebenwirkungen bei der Klägerin. Eine Bakteriophagentherapie sei wirksam und nebenwirkungsfrei.

Die Beklagte bat zunächst Dr. L um eine ergänzende Stellungnahme. Der Klägerin teilte sie mit Schreiben vom 20.09.2013 mit, dass die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) geplant sei und sie daher möglicherweise nicht binnen 5 Wochen über den Antrag entscheiden könne.

Die Klägerbevollmächtigten baten um Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit nach Vorlage der ergänzenden Auskünfte von Dr. L.

Die ergänzenden Angaben von Dr. L gingen bei der Beklagten am 11.10.2013 ein. Er führte weiter aus, eine Behandlung mittels Antibiotika sei nicht mehr erfolgversprechend. Eine Alternative zugelassener Behandlungsmethoden existiere nicht. Die Erkrankung sei schwerwiegend und könne lebensgefährlich sein.

Die Beklagte übersandte den Klägerbevollmächtigten die ergänzende Stellungnahme des behandelnden Arztes.

Die Klägerbevollmächtigten baten mit Schreiben vom 21.11.2013 die Beklagte, dem Verfahren Fortgang zu geben.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den MDK mit der Erstellung eines Gutachtens.

Im Aktenlagegutachten vom 09.12.2013 kam Dr. X (MDK) zu der Einschätzung, die Klägerin könne mit zugelassenen Antibiotika (Carbapenem) behandelt werden. Für die Bakteriophagentherapie gäbe es keine Wirksamkeitsnachweise. Eine akut lebensbedrohliche Situation liege bei der Klägerin nicht vor.

Mit Bescheid vom 12.12.2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, es handle sich vorliegend um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bisher keine positive Empfehlung abgegeben habe. Auch eine notstandsähnliche Situation liege nach den Feststellungen des MDK nicht vor.

Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie verweist u.a. darauf, dass trotz häufiger Verwendung von Carbapenem Harnwegsinfekte nicht verhindert worden seien. Alle Antibiotika seien gegen die multiresistenten Bakterien unwirksam. Dem gegenüber zeige die Bakteriophagentherapie positive Ergebnisse.

In einem weiteren Aktenlagegutachten von Dr. X (MDK) vom 19.03.2014 führte dieser aus, laborchemische Untersuchungsbefunde zeigte eine fortbestehende Sensibilität der nachgewiesenen Klebsiellen gegenüber einem für die Anwendung zugelassenen Antibiotikum (Carbapenem).

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2014 als unbegründet zurück. Sie verbleibt bei ihrer Einschätzung, bei der Bakteriophagentherapie handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die es an einer positiven Empfehlung des G-BA fehle. Auf eine solche positive Empfehlung könne vorliegend auch nicht verzichtet werden. Insbesondere liege keine notstandsähnliche Situation vor. Es fehle an einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung. Es stünden zugelassene Behandlungsalternativen zur Verfügung. Ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis der beantragten Therapie gegenüber etablierten Behandlungsmethoden sei nicht ersichtlich.

Am 03.09.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie führt ergänzend aus, bei ihr liege eine hochgradig lebensbedrohliche Erkrankung vor. Diese könne nicht mit den hochproblematischen Reserveantibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme dauerhaft behandelt werden. Jede einzelne Antibiose mit einem Carbapenem erhöhe die Sterblichkeit bei Auftreten einer Sepsis deutlich. Als zwangsläufige Nebenwirkungen bildeten sich gefährliche Pilzinfektionen. Zudem erhöhten sich die Wachstumsbedingungen für Mykosen. In ihrem Fall seien die positiven Wirkungen der Phagentherapie bewiesen. Alternative Behandlungsmethoden seien nicht erfolgversprechend und unzumutbar.

Seit Oktober 2014 hat die Klägerin mehrfach Bakteriophagentherapien durchführen lassen. Die von Dr. L verordneten Bakteriophagenlösungen wurden nach Anleitung von Herrn Dr. E in einer Apotheke hergestellt und in sterile Flaschen abgefüllt. Die Lösungen wurden dann per Katheter in die Harnblase injiziert. Für den Zeitraum 2014 bis März 2018 wurden der Klägerin durch die T2-apotheke Rechnungen in Höhe von insgesamt 13.680,- EUR gestellt. Hiervon hat die Klägerin bisher 5280,- EUR aus eigenen Mitteln bezahlt. Der übrige Rechnungsbetrag wurde ihr gestundet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.08.2014 zu verurteilen, die bisher entstandenen Kosten für die Inanspruchnahme der Bakteriophagentherapie in Höhe von insgesamt 13.680 EUR zu erstatten bzw. sie von diesen Kosten freizustellen und die Kosten für zukünftig notwenige Bakteriophagentherapien nach Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung als Sachleistung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie begründet ihren Antrag im Wesentlichen mit ihren Ausführungen aus dem Vorverfahren und nimmt Bezug auf die eingeholten Gutachten des MDK. Die Beklagte sieht keine notstandsähnliche Situation bei der Klägerin. Insbesondere fehle es an der Gefahr einer voraussichtlich tödlich verlaufenden Erkrankung innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte. Dr. L führte u.a. aus, es handele sich um eine akut lebensbedrohliche Situation. Die Bakteriophagentherapie wirke kurativ und palliativ. Sie zeige keine Nebenwirkungen. Die Behandlung mittels Carbapenem sei dagegen über zweieinhalb Jahre erfolglos gewesen. Der Facharzt für Innere Medizin F T führte aus, die Therapiemöglichkeiten mit Antibiotika seien ausgeschöpft. Die Situation bei einer erneuten Blaseninfektion sei durchaus lebensbedrohlich, wobei derzeit ein stabiler Zustand der Klägerin zu verzeichnen sei. Dr. T1 vom Klinikum P führte aus, ein Harnwegsinfekt könne schnell zu einer lebensbedrohlichen Sepsis führen. Unter wiederholter Therapie mit Carbapenem sei die Wahrscheinlich hoch, dass Keime irgendwann eine Resistenz auch dagegen entwickelten. Für diesen Fall hätte die Klägerin dann keine zuverlässige Therapieoption mehr. Die Bakteriophagentherapie sei objektivierbar effektiv. Es bestünde keine vernünftige Alternative hierzu. Auch der Arzt A. E vertrat die Auffassung, die bei der Klägerin festgestellten Erreger führten regelmäßig zu lebensbedrohlichen Situationen. Die Bakteriophagentherapie sei kurativ ausgerichtet, da die Ursache der Erkrankung Bakterien seien.

Das Gericht hat Auskünfte des G-BA und des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte eingeholt. Hierzu wird auf die Schreiben vom 21.04.2015 und 01.02.2016 Bezug genommen.

Prof. Dr. L1 C vom Institut für Medizinische Mikrobiologie am Universitäts-Klinikum N erstellte im Auftrag des Gerichts am 30.05.2017 ein Sachverständigengutachten. Darin führte er zusammenfassend aus, dass bei der Klägerin bis zum Lebensende mit rezidivierenden, chronischen Harnwegsinfektionen zu rechnen sei. Jede dieser Episoden bürge grundsätzlich das Risiko einer Exazerbation hinsichtlich schwer verlaufender Infektionen der oberen Harnwege oder generalisiert-septischer Verläufe mit einem hohen Sterblichkeitsrisiko. Bisherige Antibiotika-Therapien seien erfolglos verlaufen. Sie hätten weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin (Vaginalmykosen, Gastrointestinalbeschwerden) verursacht. Darüber hinaus gelte es einen permanenten Antibiotikaeinsatz zu vermeiden. Mit der Bakteriophagentherapie bestehe eine grundsätzliche Alternative, die in vitro und im Tierversuch nach heutigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand hinreichend in ihrer Wirksamkeit belegt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der bisherigen Kosten der Bakteriophagentherapie und auf Übernahme der zukünftig entstehenden Kosten.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch bzw. den Freistellungsanspruch ist vorliegend § 13 Abs. a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Sätze 1 - 7 der Norm haben folgenden Wortlaut:

" Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) eingeholt wird, innerhalb 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von 3 Wochen gutachtlich Stellung. Wird einem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von 6 Wochen zu entscheiden; der Medizinische Gutachter nimmt innerhalb von 4 Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtszeitig mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet."

Vorliegend ist der Antrag der Klägerin bei der Beklagten am 18.09.2013 eingegangen. Der Antrag auf Übernahme der Kosten für die Bakteriophagentherapie war fiktionsfähig, da das Begehren der Klägerin hinreichend bestimmt war. Aufgrund der beigefügten ärztlichen Unterlagen durfte die Klägerin subjektiv davon ausgehen, dass die Bakteriophagentherapie notwendig ist und es sich hierbei um eine leitliniengerechte Therapie ihrer Erkrankung handelt. Für einen juristischen Laien war es nicht offensichtlich, dass eine Leistung betragt wird, die möglicherweise nicht zum Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.

Die Entscheidungsfristen für die Krankenkasse nach § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V sind nach §§ 26 Abs.1 und Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit §§ 187, 188 und 193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu bestimmen. Die Frist beginnt, da der sie auslösende "Antragseingang" ein Ereignis des § 187 Abs. 1 BGB darstellt, am folgenden Tage. Nach § 188 Abs. 2 Satz 1 BGB enden die Wochenfristen grundsätzlich mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Benennung dem Tag des Antrageingangs entspricht. Der Antrag der Klägerin war vollständig, hinreichend bestimmt und bei der richtigen Krankenkasse gestellt.

Die Entscheidungsfrist begann damit am 19.09.013. Maßgeblich war die Fünfwochenfrist des § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V, da die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 20.09.2013 die beabsichtigte Einschaltung des MDK angezeigt hat. Die Entscheidungsfrist endete mit Ablauf des 23.10.2013. Die Beklagte hat innerhalb dieser Frist nicht über den Leistungsantrag der Klägerin entschieden. Sie hat der Klägerin auch nicht schriftlich mitgeteilt, dass sie es innerhalb der gesetzlichen Fünfwochenfrist nicht schafft, über den Antrag zu entscheiden. Ihr Schreiben vom 20.09.2013 ist insoweit nicht zur Verlängerung der am 23.10.2013 ablaufenden Entscheidungsfrist geeignet. Die Kammer weist insoweit auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Urteil vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R; BSGE 221,40-49) hin. Dort heißt es unter Randnummer 20 wie folgt: " Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der Krankenkasse prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die Krankenkasse zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf. wiederholt - mitteilen." Hier gab es kein Schreiben an die Klägerin oder ihre Bevollmächtigten, innerhalb welcher Frist die Beklagte beabsichtigt zu entscheiden. Die Beklagte kann sich auf nicht darauf berufen, die Klägerbevollmächtigten hätten auf eine Entscheidung bis zur Vorlage der ergänzenden Äußerungen von Dr. L und einer eigenen Stellungnahme verzichtet. Fraglich ist bereits, ob die Regelungen in § 13 Abs. 3 a SGB V disponibel ist. Andererseits lässt sich eine solche (ausdrückliche) Verzichtserklärung aus den Akten auch nicht entnehmen. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, die Klägerin bzw. ihre Bevollmächtigten rechtzeitig vor Ablauf der Frist darüber zu informieren, dass weitere Ermittlungen notwendig sind bzw. weitere Stellungnahmen abgewartet werden sollen und insoweit die Entscheidungsfristen nicht eingehalten werden können. Zwar existierten zum damaligen Zeitpunkt noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen zur Auslegung des § 13 Abs. 3 a SGB V. Dies entschuldigt die Beklagte jedoch nicht. Auf ein Verschulden der Krankenkasse kommt es nicht an. Insoweit war ihre Entscheidung vom 12.12.2013 verspätet. Der Leistungsantrag der Klägerin gilt nach § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V mit Ablauf des 23.10.2013 als genehmigt.

Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistungen durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Die Leistungsberechtigung des Antragstellers ist wirksam verfügt und die Krankenkasse ist mit allen Einwendungen, insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016, am angegebenen Ort). Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch zu Lasten der gesetzlichen bestehen nicht.

Darüber hinaus sieht § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch des Versicherten vor. Die Beklagte hat der Klägerin die bisher von ihr verauslagten Kosten für eine Bakteriophagentherapie zu erstatten bzw. sie von noch nicht ausgeglichenen Kostenforderungen des Leistungserbringers freizustellen.

Eine fingierte Genehmigung, wie jene der Klägerin, bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 12.12.2013 stellt keine wirksame Rücknahme, Aufhebung oder ein Widerruf der fingierten Genehmigung dar. Die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2017, B 1 KR 1/17 R; SozR 4-2500 § 13 Nr. 37). Geänderte Umstände, die die Genehmigung durch Eintritt eines erledigenden Ereignisses entfallen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.

Darüber hinaus steht der Klägerin ein Leistungsanspruch auch aufgrund der Regelungen in § 2 Abs. 1 a SGB V zu. Danach gilt: Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können eine Behandlung, die wie hier zunächst nicht von den Regelungen der §§ 27, 31 SGB V umfasst sind, beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Die Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer vorliegend erfüllt.

Bei der Klägerin liegt eine wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden vergleichbare Erkrankung vor. Auch wenn derzeit keine akut lebensbedrohliche Situation anzunehmen ist, hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass jederzeit eine Nierenbeckenentzündung und eine Urosepsis mit jeweils hohen Sterblichkeitsrisiko drohen. Wertungsmäßig vergleichbar schwer ist aufgrund der notstandähnlichen Extremsituation eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Da die Klägerin jederzeit mit schweren Infektionen und den daraus resultierenden nachhaltigen Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität rechnen muss, ist nach Auffassung der Kammer hier (ausnahmsweise) eine - grundrechtskonforme - Ausweitung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt. Eine für die Klägerin zumutbare Behandlungsalternative existiert nicht. Insbesondere die dauerhafte Behandlung der Klägerin mit Carbapenem führt nach den überzeugenden Ausführungen der behandelnden Ärzte und des Sachverständigen dazu, dass kein Reserve-Antibiotika mehr vorhanden ist und die Klägerin dauerhaft mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Nebenwirkungen leben muss. Dies ist ihr unzumutbar. Darüber hinaus verspricht die Bakteriophagentherapie auch eine spürbare Verbesserung des Krankheitsverlaufs. Auch diesbezüglich verweist die Kammer auf die Ausführungen der behandelnden Ärzte in den Befundberichten und die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. C in seinem Gutachten vom 30.05.2017.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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