Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 27 SF 284/16 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 769/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es widerspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB, wenn ein Rechtsanwalt von der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordert, obwohl er oder sein Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. April 2008 - L 1 B 33/07 AL), nicht nachkommt und durch eine Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch von vornherein unmöglich macht.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Mai 2017 (S 27 SF 284/16 E) geändert und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung der Beschwerdegegner für das Verfahren S 27 AS 290/14 auf 993,03 EUR festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I. Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht (SG) Altenburg anhängig gewesene Verfahren (Az.: S 27 AS 290/14), in dem die Beschwerdegegner den Kläger vertraten.
Der Kläger beanstandete in dem Klageverfahren die Höhe der ihm mit Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2014 bewil-ligten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sei in geringerer Höhe anzurechnen. Mit Beschluss vom 2. März 2015 bewilligte das SG dem Kläger ab dem 20. Februar 2015 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Bei-ordnung der Beschwerdegegner ohne Kostenbeteiligung.
In der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2015, die von 8:42 Uhr bis 9:25 Uhr dauer-te, schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli (2012) 193,74 EUR nachzahlt und sie die notwendigen Kosten des Klägers in Höhe von 2/5 trägt. Davon ausgenommen ist die Vergleichsgebühr der Prozessbevollmächtigten.
Am 7. Dezember 2015 beantragten die Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebüh-ren aus der Staatskasse: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR &8531; Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 15,00 EUR &8531; Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 8,33 EUR Akteneinsicht Nr. 7000 VV RVG (91 Kopien) 31,15 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 994,48 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 181,35 EUR Gesamtsumme 1.135,83 EUR
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) veranlasste die Auszahlung der geltend gemachten Vergütung.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 24. Oktober 2016 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahrensgebühr in Höhe von &8532; der Mittelgebühr (200,00 EUR) festzusetzen. Die Einigungsgebühr sei ebenfalls nur in Höhe von &8532; der Mittelgebühr (200,00 EUR) angemessen. Der Anspruch auf Erstattung aus der Staatskasse sei in Höhe von 2/5 (80,00 EUR) verwirkt. Es widerspreche nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB Treu und Glauben und führe im Ergebnis dazu, dass eine Auszahlung der Einigungsgebühr durch die Staatskasse nicht oder nur teilweise erbracht werden müsse, wenn der Rechtsanwalt aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordere, obwohl er oder der Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen, nicht nachkomme und vielmehr ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch sogar von vornherein unmöglich mache. Er beantrage die Festsetzung der Vergütung auf 802,63 EUR. Dem sind die Beschwerdegegner entgegengetreten. Die Einigungsgebühr sei in jedem Fall in Höhe des Anteils von 3/5 zu zahlen. Im Übrigen stehe es den Beteiligten frei, einen Vergleich, welchen Inhalts auch immer, abzuschließen. Dies müsse ebenso bei erfolgter Bewilligung von PKH gelten.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2017 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr (300,00 EUR) angemessen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätig-keit seien als durchschnittlich einzustufen. Die Einkommensberechnung bei Selbstständigen sei besonders komplex, gerade wenn wie hier verschiedene Positionen auf ihre Abzugsfähig-keit als Betriebsausgaben zu überprüfen seien. Dies zeige, dass auch die Schwierigkeit der Tätigkeit nicht als unterdurchschnittlich eingestuft werden könne. Die Beschwerdegegner hätten auch einen bezifferten Klageantrag gestellt. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei ebenfalls überdurchschnittlich gewesen. Auch die Einigungsgebühr sei in voller Höhe zu berücksichtigen. Zutreffend sei, dass es sich bei der Regelung im Vergleich, wonach der Beklagte die Einigungsgebühr nicht trage, um einen Vertrag zu Lasten Dritter gehandelt habe. Da die Vereinbarung gegenüber der Staatskasse nichtig sei, bestehe die Rückgriffsmöglichkeit gegenüber dem Beklagten nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG weiterhin. Die UdG habe auch die übrigen Gebührenpositionen zutreffend berücksichtigt, die Festsetzung der zu erstattenden Vergütung sei daher nicht zu beanstanden. Das SG hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen den am 8. Juni 2017 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 14. Juni 2017 Beschwerde eingelegt und die Festsetzung der Vergütung auf 993,03 EUR beantragt. Streitig sei, welche Wirkungen eine vergleichsweise Regelung der Beteiligten, mit welcher die Erstattung bestimmter Gebühren ausgeschlossen werde, auf den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse habe. Er macht weiterhin geltend, der Vergleich widerspreche Treu und Glauben nach § 242 BGB. Eine Auszahlung der Einigungsgebühr durch die Staatskasse könne danach nicht oder nur teilweise erbracht werden. Die Beschwerdegegner verweisen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 14. Juni 2017) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab dem 1. August 2013, denn die Beiordnung der Beschwerdegegner ist nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. August 2013 (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG) erfolgt.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und zulässig. Das SG hat die Beschwerde nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 3 RVG zugelassen.
Die Beschwerde ist begründet. Gegenstand der Überprüfung ist die gesamte Kostenfestsetzung (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2015 - Az.: L 6 SF 331/15 B und vom 9. Dezember 2015 - Az.: L 6 SF 1286/15 B m.w.N., nach juris).
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Kläger war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Bezüglich der Höhe der Verfahrensgebühr nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG wird in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Die Höhe der festgesetzten Terminsgebühr nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG (280,00 EUR) hat der Beschwerdeführer nicht beanstandet. Anhaltspunkte dafür, dass die geltend gemachte Vergütung nicht angemessen wäre, bestehen nicht.
Die Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG ist in Höhe von 3/5 der Mittelgebühr (= 180,00 EUR) festzusetzen. Bezüglich des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen.
Die Geltendmachung der Erledigungsgebühr in Höhe von weiteren 2/5 (120,00 EUR) ist nach dem allgemein geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetz-buchs (BGB)) unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Mai 2018 - L 1 SF 215/16, nach juris).
Kostenschuldner des Gebührenanspruchs der Beschwerdegegner ist hier die Staatskasse. Hat sie den im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälten die ihnen aus der Staatskasse nach §§ 45 Abs. 1, 46, 48 Abs. 1 RVG zustehende Vergütung ausgezahlt, geht den PKH-Rechtsanwälten nach § 126 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 193 Abs. 2 und Abs. 3 SGG zustehende Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Gegner auf die Staatskasse über (§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG). Durch den Übergang soll die Staatskasse einen Ausgleich für ihre Aufwendungen zu Gunsten der Partei erhalten. Er setzt allerdings voraus, dass überhaupt die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Gegner gegeben sind. Dies erfordert eine Kostenentscheidung oder eine Regelung in einem Vergleich, nach dem der Gegner der bedürftigen Partei zur Erstattung außergerichtlicher Kosten verpflichtet ist (vgl. Hansen, RVGreport 12/2015, Seite 459). Die Beklagte hatte sich hier in der Hauptsache vergleichsweise verpflichtet 2/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu tragen. Dieser, vertreten durch die Beschwerdegegner, verzichtete gegenüber der Beklagten im Gegenzug ausdrücklich auf die Geltendmachung der Vergleichsgebühr (=Erledigungsgebühr). Aufgrund dieser Erklärung besteht für den Kläger gegen den Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der Gebühr; ein Anspruchsübergang konnte nicht erfolgen.
Es widerspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben), wenn Rechtsanwälte - wie hier die Beschwerdegegner - aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter ihrer Beiordnung eine Vergütung fordern, obwohl sie oder ihr Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. April 2008 - L 1 B 33/07 AL, nach juris), nicht nachgekommen sind und durch eine Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch von vornherein unmöglich machen (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 13. Mai 2015 - S 133 SF 6211/13, Rn. 9, 10 m.w.N., nach juris; ähnlich Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 23. Auflage 2017, § 55 Rn. 55; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Aufl. 2015 § 45 Rdnr. 33 Rn. 31, Fölsch/Schnapp in Anwaltkommentar RVG, 6. Auflage 2012, § 45 Rn. 45). Es genügt, dass die Rechtsanwälte oder der Mandant dabei in dem Bewusstsein handeln, die Staatskasse ohne einen zwingenden sachlichen Grund zu beeinträchtigen; eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich.
Ein solcher Fall ist hier gegeben: Der Kläger hat durch die Kostenvereinbarung vom 2. De-zember 2015 die Beklagte übermäßig entlastet und vor einer Inanspruchnahme seitens der Staatskasse geschützt. Ein sachlicher Grund für den Verzicht auf die Erledigungsgebühr gegenüber der Beklagten ist der Niederschrift des SG nicht zu entnehmen. Die Beschwerdegeg-ner sind aber offensichtlich davon ausgegangen, dass sie dem Grunde nach eine Erledigungsgebühr von der Beklagten beanspruchen können, andernfalls hätten sie diese nicht von dem Beschwerdeführer beansprucht.
Zusätzlich zu vergüten sind die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG, die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG, die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV-RVG, das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nrn. 7003, 7005 VV-RVG und die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG. Sie sind zwischen den Beteiligten nicht streitig. Damit errechnet sich die Vergütung der Beschwerdegegner wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 180,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR &8531; Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 15,00 EUR &8531; Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 8,33 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 31,15 EUR Post-/Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 834,48 EUR Umsatzsteuer 158,55 EUR Summe 993,03 EUR
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I. Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht (SG) Altenburg anhängig gewesene Verfahren (Az.: S 27 AS 290/14), in dem die Beschwerdegegner den Kläger vertraten.
Der Kläger beanstandete in dem Klageverfahren die Höhe der ihm mit Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2014 bewil-ligten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sei in geringerer Höhe anzurechnen. Mit Beschluss vom 2. März 2015 bewilligte das SG dem Kläger ab dem 20. Februar 2015 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Bei-ordnung der Beschwerdegegner ohne Kostenbeteiligung.
In der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2015, die von 8:42 Uhr bis 9:25 Uhr dauer-te, schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli (2012) 193,74 EUR nachzahlt und sie die notwendigen Kosten des Klägers in Höhe von 2/5 trägt. Davon ausgenommen ist die Vergleichsgebühr der Prozessbevollmächtigten.
Am 7. Dezember 2015 beantragten die Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebüh-ren aus der Staatskasse: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR &8531; Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 15,00 EUR &8531; Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 8,33 EUR Akteneinsicht Nr. 7000 VV RVG (91 Kopien) 31,15 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 994,48 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 181,35 EUR Gesamtsumme 1.135,83 EUR
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) veranlasste die Auszahlung der geltend gemachten Vergütung.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 24. Oktober 2016 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahrensgebühr in Höhe von &8532; der Mittelgebühr (200,00 EUR) festzusetzen. Die Einigungsgebühr sei ebenfalls nur in Höhe von &8532; der Mittelgebühr (200,00 EUR) angemessen. Der Anspruch auf Erstattung aus der Staatskasse sei in Höhe von 2/5 (80,00 EUR) verwirkt. Es widerspreche nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB Treu und Glauben und führe im Ergebnis dazu, dass eine Auszahlung der Einigungsgebühr durch die Staatskasse nicht oder nur teilweise erbracht werden müsse, wenn der Rechtsanwalt aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordere, obwohl er oder der Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen, nicht nachkomme und vielmehr ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch sogar von vornherein unmöglich mache. Er beantrage die Festsetzung der Vergütung auf 802,63 EUR. Dem sind die Beschwerdegegner entgegengetreten. Die Einigungsgebühr sei in jedem Fall in Höhe des Anteils von 3/5 zu zahlen. Im Übrigen stehe es den Beteiligten frei, einen Vergleich, welchen Inhalts auch immer, abzuschließen. Dies müsse ebenso bei erfolgter Bewilligung von PKH gelten.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2017 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr (300,00 EUR) angemessen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätig-keit seien als durchschnittlich einzustufen. Die Einkommensberechnung bei Selbstständigen sei besonders komplex, gerade wenn wie hier verschiedene Positionen auf ihre Abzugsfähig-keit als Betriebsausgaben zu überprüfen seien. Dies zeige, dass auch die Schwierigkeit der Tätigkeit nicht als unterdurchschnittlich eingestuft werden könne. Die Beschwerdegegner hätten auch einen bezifferten Klageantrag gestellt. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei ebenfalls überdurchschnittlich gewesen. Auch die Einigungsgebühr sei in voller Höhe zu berücksichtigen. Zutreffend sei, dass es sich bei der Regelung im Vergleich, wonach der Beklagte die Einigungsgebühr nicht trage, um einen Vertrag zu Lasten Dritter gehandelt habe. Da die Vereinbarung gegenüber der Staatskasse nichtig sei, bestehe die Rückgriffsmöglichkeit gegenüber dem Beklagten nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG weiterhin. Die UdG habe auch die übrigen Gebührenpositionen zutreffend berücksichtigt, die Festsetzung der zu erstattenden Vergütung sei daher nicht zu beanstanden. Das SG hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen den am 8. Juni 2017 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 14. Juni 2017 Beschwerde eingelegt und die Festsetzung der Vergütung auf 993,03 EUR beantragt. Streitig sei, welche Wirkungen eine vergleichsweise Regelung der Beteiligten, mit welcher die Erstattung bestimmter Gebühren ausgeschlossen werde, auf den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse habe. Er macht weiterhin geltend, der Vergleich widerspreche Treu und Glauben nach § 242 BGB. Eine Auszahlung der Einigungsgebühr durch die Staatskasse könne danach nicht oder nur teilweise erbracht werden. Die Beschwerdegegner verweisen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 14. Juni 2017) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab dem 1. August 2013, denn die Beiordnung der Beschwerdegegner ist nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. August 2013 (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG) erfolgt.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und zulässig. Das SG hat die Beschwerde nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 3 RVG zugelassen.
Die Beschwerde ist begründet. Gegenstand der Überprüfung ist die gesamte Kostenfestsetzung (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2015 - Az.: L 6 SF 331/15 B und vom 9. Dezember 2015 - Az.: L 6 SF 1286/15 B m.w.N., nach juris).
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Kläger war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).
Bezüglich der Höhe der Verfahrensgebühr nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG wird in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Die Höhe der festgesetzten Terminsgebühr nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG (280,00 EUR) hat der Beschwerdeführer nicht beanstandet. Anhaltspunkte dafür, dass die geltend gemachte Vergütung nicht angemessen wäre, bestehen nicht.
Die Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG ist in Höhe von 3/5 der Mittelgebühr (= 180,00 EUR) festzusetzen. Bezüglich des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen.
Die Geltendmachung der Erledigungsgebühr in Höhe von weiteren 2/5 (120,00 EUR) ist nach dem allgemein geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetz-buchs (BGB)) unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Mai 2018 - L 1 SF 215/16, nach juris).
Kostenschuldner des Gebührenanspruchs der Beschwerdegegner ist hier die Staatskasse. Hat sie den im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälten die ihnen aus der Staatskasse nach §§ 45 Abs. 1, 46, 48 Abs. 1 RVG zustehende Vergütung ausgezahlt, geht den PKH-Rechtsanwälten nach § 126 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 193 Abs. 2 und Abs. 3 SGG zustehende Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Gegner auf die Staatskasse über (§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG). Durch den Übergang soll die Staatskasse einen Ausgleich für ihre Aufwendungen zu Gunsten der Partei erhalten. Er setzt allerdings voraus, dass überhaupt die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Gegner gegeben sind. Dies erfordert eine Kostenentscheidung oder eine Regelung in einem Vergleich, nach dem der Gegner der bedürftigen Partei zur Erstattung außergerichtlicher Kosten verpflichtet ist (vgl. Hansen, RVGreport 12/2015, Seite 459). Die Beklagte hatte sich hier in der Hauptsache vergleichsweise verpflichtet 2/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu tragen. Dieser, vertreten durch die Beschwerdegegner, verzichtete gegenüber der Beklagten im Gegenzug ausdrücklich auf die Geltendmachung der Vergleichsgebühr (=Erledigungsgebühr). Aufgrund dieser Erklärung besteht für den Kläger gegen den Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der Gebühr; ein Anspruchsübergang konnte nicht erfolgen.
Es widerspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben), wenn Rechtsanwälte - wie hier die Beschwerdegegner - aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter ihrer Beiordnung eine Vergütung fordern, obwohl sie oder ihr Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. April 2008 - L 1 B 33/07 AL, nach juris), nicht nachgekommen sind und durch eine Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch von vornherein unmöglich machen (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 13. Mai 2015 - S 133 SF 6211/13, Rn. 9, 10 m.w.N., nach juris; ähnlich Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 23. Auflage 2017, § 55 Rn. 55; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Aufl. 2015 § 45 Rdnr. 33 Rn. 31, Fölsch/Schnapp in Anwaltkommentar RVG, 6. Auflage 2012, § 45 Rn. 45). Es genügt, dass die Rechtsanwälte oder der Mandant dabei in dem Bewusstsein handeln, die Staatskasse ohne einen zwingenden sachlichen Grund zu beeinträchtigen; eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich.
Ein solcher Fall ist hier gegeben: Der Kläger hat durch die Kostenvereinbarung vom 2. De-zember 2015 die Beklagte übermäßig entlastet und vor einer Inanspruchnahme seitens der Staatskasse geschützt. Ein sachlicher Grund für den Verzicht auf die Erledigungsgebühr gegenüber der Beklagten ist der Niederschrift des SG nicht zu entnehmen. Die Beschwerdegeg-ner sind aber offensichtlich davon ausgegangen, dass sie dem Grunde nach eine Erledigungsgebühr von der Beklagten beanspruchen können, andernfalls hätten sie diese nicht von dem Beschwerdeführer beansprucht.
Zusätzlich zu vergüten sind die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG, die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG, die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV-RVG, das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nrn. 7003, 7005 VV-RVG und die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG. Sie sind zwischen den Beteiligten nicht streitig. Damit errechnet sich die Vergütung der Beschwerdegegner wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 180,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR &8531; Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 15,00 EUR &8531; Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 8,33 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 31,15 EUR Post-/Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 834,48 EUR Umsatzsteuer 158,55 EUR Summe 993,03 EUR
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
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