L 7 SO 2730/18 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 859/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2730/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 29. Juni 2018 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegten Beschwerden der Antragsteller haben keinen Erfolg.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es den miteinander verheirateten Antragstellern, wie die Auslegung ihres Begehrens (§ 123 SGG) unter Heranziehung der Beschwerdebegründung vom 8. August 2018 ergibt, allein noch um den im Rahmen der Leistungsberechnung hinsichtlich der im März 2016 gestellten Anträge auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Ansatz zu bringenden Regelsatz, der bei der hier anzuwendenden Regelbedarfsstufe 2 ab dem 1. Januar 2016 jeweils 364,00 Euro (vgl. § 42 Nr. 1 i.V.m. § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB XII sowie der Anlage zu § 28 SGB XII und § 40 SGB XII, § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung - RBSFV - 2016 vom 22. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1788)) sowie ab dem 1. Januar 2017 jeweils 368,00 Euro (vgl. § 8 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes - RBEG - 2016 vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3159)) betragen hat und sich seit 1. Januar 2018 auf jeweils 374,00 Euro beläuft (§ 2 RBSFV 2018 vom 8. November 2017 (BGBl. I S. 3767)). Grundsicherungsleistungen hatte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. Januar 2017 auf Grund den Bedarf übersteigenden Einkommens abgelehnt, während des Widerspruchsverfahrens jedoch unter Berücksichtigung von jeweils im März fällig werdenden Abfallgebühren für den Monat März 2017 in Höhe von 77, 38 Euro (Teilabhilfebescheid vom 2. März 2018) sowie für den Monat März 2018 in Höhe von 63,97 Euro (Bescheid vom 7. Juni 2018) bewilligt. Wegen der mit den Anträgen vom März 2016 erhobenen Ansprüche sind beim Sozialgericht Ulm (SG) derzeit - soweit ersichtlich - zwei Klageverfahren (S 6 SO 860/18 und S 6 SO 1213/18) anhängig. Die Antragsteller greifen den Beschluss des SG vom 29. Juni 2018 im vorliegenden Beschwerdeverfahren erkennbar nur insoweit an, als sie den bei den Bedarfsberechnungen zugrunde gelegten Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 2 für verfassungswidrig zu niedrig halten, weil der Gesetzgeber die im Vergleich zu einer herkömmlichen Ernährung die durch eine Ernährung auf biologisch-dynamischer Grundlage erhöhten Kosten nicht berücksichtigt habe und der Senat deshalb die Sache unter Aussetzung des Verfahrens dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorlegen solle.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Absatz 1, für Vornahmesachen in Absatz 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).

Vorliegend kommt allenfalls eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 2. Alt. SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf mithin nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und 17. August 2005 a.a.O.).

Die Anordnungsvoraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es fehlt bereits am Anordnungsanspruch, sodass der Anordnungsgrund, der nur bei besonderer Dringlichkeit gegeben ist und hinsichtlich von in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen zusätzlich an weitere Voraussetzungen geknüpft ist, keiner weiteren Erörterung bedarf. Der Antragsgegner hat die den Bedarfsberechnungen zugrunde gelegten Regelsätze zutreffend angewandt. Gegen den Ansatz des Renteneinkommens (§ 19 Abs. 2 i.V.m. § 82 SGB XII) erheben die Antragsteller im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu Recht keine Einwände. Ferner wenden sie sich nicht gegen die vom SG im angefochtenen Beschluss verneinten Voraussetzungen für eine abweichende Regelbedarfsfestsetzung (§27a Abs. 4 SGB XII). Was die von ihnen bemängelte Verfassungswidrigkeit der Regelsätze betrifft, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das BVerfG hat im Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - (BVerfGE 137, 34) mit Gesetzeskraft entschieden, dass die Ermittlung und Fortschreibung der Regelbedarfe, wie sie auch für die Grundsicherungsleistung maßgeblich sind, auf der Grundlage des RBEG 2011 vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 - (juris Rdnrn. 40 ff.); Bundessozialgericht (BSG) BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 17; BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 18; BSG, Urteile vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 189/11 R - und vom 28. März 2013 - B 4 AS 12/12 R und B 4 AS 47/12 R - (alle juris)). Den in den genannten Entscheidungen aufgestellten Maßstäben zur grundrechtlichen Gewährleistung des Existenzminimums ist auch unter den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen genügt. Die Regelsatzfestsetzung für das Jahr 2016, die im Übrigen gegenüber den Jahren 2011 und 2012 (seinerzeit in der Regelbedarfsstufe 2 328,00 Euro bzw. 337,00 Euro) eine deutliche Steigerung erfahren hat (364,00 Euro), steht mit Verfassungsrecht weiterhin in Einklang, ebenso wie die Regelbedarfsermittlung ab 2017 (Regelsatz in der Regelbedarfsstufe 2 368,00 Euro (2017) bzw. 374,00 Euro (2018)) auf der Grundlage des RBEG 2016 (BGBl. I S. 3159). Diese folgt denselben Maßstäben, die dem bereits dem RBEG 2011 zugrunde gelegen haben. Die Prüfaufträge und Überwachungspflichten, die der Gesetzgeber in § 10 RBEG 2011 und das BVerfG im Beschluss vom 23. Juli 2014 vorgegeben und einer Regelbedarfsneuermittlung vorangestellt haben, sind beachtet worden, ohne dass sich hierbei zwingende Änderungsbedarfe ergeben hätten (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juni 2018 - L 19 AS 941/18 B - (juris); ferner Saitzek in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 20 Rdnrn. 43a ff.; Behrend in jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015 (Stand. 22.01.2018), § 20 Rdnrn. 133 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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