S 35 BA 30/18 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
35
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 35 BA 30/18 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12.04.2018 gegen den Bescheid vom 22.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2018, abgeändert durch Bescheide vom 03.05.2018 und vom 03.07.2018 wird hinsichtlich eines Teilbetrages von 126.287,68 EUR angeordnet.

2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu 37%, die Antragsgegnerin zu 63% zu tragen.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 49.766,99 EUR.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über das Ergebnis einer Betriebsprüfung und die sich daraus ergebende Feststellung, dass die drei Gesellschafter-Geschäftsführer der Antragstellerin im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2015 sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien. Die Antragsgegnerin hat hierfür Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von zuletzt insgesamt 199.067,96 EUR nachgefordert.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und betreibt einen Getränkefachgroßhandel. Gesellschafter-Geschäftsführer sind die drei Brüder C. A., D. A. und E. A., die mit jeweils 33,4 % (C. A. und D. A.) bzw. 33,2 % (E. A.) am Stammkapital der Antragstellerin beteiligt sind. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden. Die drei Gesellschafter-Geschäftsführer sind mit Anstellungsverträgen vom 01.05.1989 (C. A. und D. A.) bzw. vom 01.04.1992 (E. A.) bei der Antragstellerin als Geschäftsführer angestellt. Laut der inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmenden Verträge sind sie jeweils alleingeschäftsführungs- und vertretungsberechtigt und Arbeitgeber im Sinne des Arbeits- und Sozialrechts. Sie haben Weisungen der Gesellschafterversammlung Folge zu leisten.

Aufgrund der während der Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse ordnete die Antragsgegnerin die drei Gesellschafter-Geschäftsführer der Antragstellerin D. A., C. A. und E. A. als abhängig Beschäftigte ein und nicht wie die Antragstellerin als selbständige Unternehmer. Daher wurden mit Bescheid vom 22.06.2017 Nachforderungen zur Sozialversicherung sowie Beiträge für die Umlagen U1 und U2 nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) in Höhe von insgesamt 200.057,66 EUR nacherhoben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 05.07.2017 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2018 zurückgewiesen wurde.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 12.04.2018 Klage erhoben und gleichzeitig den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuordnen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass die angefochtenen Bescheide rechtswidrig seien.

Die Bescheide erfüllten nicht das Bestimmtheitsgebot, da der Verfügungssatz keine konkrete Feststellung zu den einzelnen Versicherungszweigen enthalte.

Die Herren C. und D. A. seien mit der Bahn-BKK einer unzuständigen Einzugsstelle zugeordnet worden, obgleich der Antragsgegnerin die zuständige Einzugsstelle mehrfach mitgeteilt worden sei. Für C. A. sei dies die KKH Kaufmännische Krankenkasse, für D. A. die IKK Classic. Daher sei für C. A. ein Betrag von 45.578,43 EUR, für D. A. ein Betrag von 77.754,43 EUR der falschen Einzugsstelle zugeordnet.

Es würden zu Unrecht Umlagebeiträge zur U1 (Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung) und U2 (Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen für Mutterschaftsleistungen in Höhe von insgesamt 12.913,04 EUR gefordert, da Organmitglieder juristischer Personen nicht zu den Arbeitnehmern zählten.

Außerdem sei die Tätigkeit der drei Gesellschafter-Geschäftsführer unter Berücksichtigung eines Vertrauensschutzes als sozialversicherungsfrei einzustufen.

Für die Herren D. und C. A. ergebe sich dies aus Bescheiden der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) aus den Jahren 1990 bzw. 1991, in denen die Sozialversicherungsfreiheit der Tätigkeit bei der Antragstellerin angenommen worden sei, indem die Berechtigung zur Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt wurde.

Darüber hinaus bestehe hinsichtlich aller drei Gesellschafter-Geschäftsführer ein Vertrauensschutz aufgrund von vorangegangenen Betriebsprüfungen, da hier keine Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung geltend gemacht worden seien.

Auch unabhängig von den vorangegangenen Bescheiden bestehe aufgrund der bis zur Entscheidung vom 29.08.2012 geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der darauf beruhenden gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Geschäftsführern einer Familien-GmbH ein Vertrauensschutztatbestand. Erst ab Veröffentlichung des Besprechungsergebnisses vom 09.04.2014 sei dieser Vertrauensschutztatbestand weggefallen.

Vor dem Hintergrund der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes und des drohenden finanziellen Verlustes sei die Aussetzung der Vollziehung geboten.

Die Antragstellerin beantragt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt den Antrag abzulehnen.

Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Sachverhalt sei im Widerspruchsbescheid hinreichend gewürdigt worden. Ein Vertrauensschutz könne weder aus den Bescheiden der BfA noch aus den vorangegangenen Betriebsprüfungen oder aus Arbeitsanweisungen der Sozialversicherungsträger hergeleitet werden. Die Nachforderung der Umlagen U1 und U2 sei wegen der eindeutigen arbeitsrechtlichen Stellung der Betroffenen geboten.

Die Antragstellerin hat am 09.05.2018 aufgrund des Vortrags der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren den Bescheid vom 22.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2018 dahingehend korrigiert, dass die Nachforderung der Beiträge für Herrn C. A. zur KKH und für Herrn D. A. zur DAK zu erfolgen habe. Mit Bescheid vom 03.07.2018 hat sie den Bescheid nochmals dahingehend korrigiert, dass die Beitragsnachforderung für Herrn D. A. anstatt zur DAK zur IKK Classic zu erfolgen hat. Die aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung hat sich wegen der Änderung der Einzugsstellen auf 199.067,96 EUR geändert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Antragstellerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist statthaft. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage entfällt bei Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Im vorliegenden Verfahren betrifft die Klage der Antragstellerin den Betriebsprüfungsbescheid vom 22.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2018, abgeändert durch Bescheide vom 03.05.2018 und 03.07.2018, mit dem eine Beitragsnachforderung in Höhe von 199.067,96 EUR festgesetzt wurde, so dass Widerspruch und Klage der Antragsteller kraft Gesetzes nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung entfalten. In diesen Fällen kann nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung angeordnet werden.

2. Der Antrag ist im tenorierten Umfang begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage war anzuordnen soweit für Herrn E. A. die Umlage U1 und U2 erhoben wird und hinsichtlich aller Nacherhebungen betreffend die Herren C. und D. A.

Das Gericht entscheidet über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG nach summarischer Prüfung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen nach den Maßstäben des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG. Danach soll die aufschiebende Wirkung angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dafür spricht, dass durch § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Abgabebescheiden bewusst auf den Adressaten verlagert worden ist, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn die Vollziehung bereits dann ausgesetzt würde, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23.4.2012, Az. L 1 KR 95/12 B ER – juris Rn. 17; Beschluss vom 19.09.2012, Az. L 8 KR 205/12 B ER – juris Rn. 30; Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, 11. Auflage 2014, § 86a Rn. 27a m.w.N.). Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23.4.2012, Az. L 1 KR 95/12 B ER – juris Rn. 17; Beschluss vom 19.09.2012, Az. L 8 KR 205/12 B ER – juris Rn. 30; Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, 11. Auflage 2014, § 86a, Rn. 27b m.w.N.).

Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen nach Auffassung des Gerichts hier im tenorierten Umfang vor.

a) Nachforderungen betreffend Herrn E. A. ohne Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz Der Antrag war abzulehnen, soweit er die Nachforderungen für Herrn E. A. betrifft und diese sich nicht auf die Umlagen U1 und U2 nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) beziehen.

Nach summarischer Prüfung bestehen aufgrund der vorliegenden Unterlagen keine ernstlichen Zweifel, dass der Nachforderungsbescheid der Antragsgegnerin insoweit rechtmäßig ist und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin durch die Vollziehung Nachteile entstehen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 S. 4 Viertes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 S. 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen.

Nach summarischer Prüfung des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakte ist das Gericht der Auffassung, dass die Einstufung der Tätigkeit von Herrn E. A. als abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht zu beanstanden ist (aa). Auch ergibt sich nach summarischer Prüfung keine gegenteiligen Bindungswirkung durch einen vorangegangenen Verwaltungsakt oder anderweitigen Vertrauenstatbestand (bb). Auch erkennt das Gericht keinen Verstoß der angefochtenen Verwaltungsakte gegen das Bestimmtheitsgebot (cc).

Es sind auch keine Gründe ersichtlich, aufgrund derer die Vollziehung eine unbillige Härte für die Antragstellering zur Folge hätte (dd).

aa) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Die ständige Rechtsprechung des BSG verlangt in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. statt vieler BSG v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R).

Speziell im Hinblick auf Geschäftsführer einer GmbH gilt, dass diese im Hinblick auf ihre durch § 37 Abs. 1 GmbHG normierte Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung grundsätzlich als abhängig Beschäftigte anzusehen sind, solange sie nicht über die erforderliche Rechtsmacht verfügen, ihnen nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwehren (BSG v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R mwN). Dies ist der Fall bei einer Beteiligung am Stammkapital von größer oder gleich 50%, da in diesem Fall ein Beschluss gegen den Willen des Geschäftsführers nicht möglich ist (BSG v. 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R, BeckRS 2018, 5024). Aber auch bei einer niedrigeren Beteiligung kann eine im Gesellschaftsvertrag verankerte effektive Sperrminorität denselben Effekt haben und Weisungen gegen den Willen des Geschäftsführers dauerhaft ausschließen (BSG 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R (s.o); BSG v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R mwN). Eine solche Konstellation ist vorliegend allerdings nicht gegeben. Mit seiner Beteiligung von 33,2 % am Stammkapital hatte Herr E. A. rechtlich keine Möglichkeit, ihm unliebsame Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Er hätte jederzeit von den beiden anderen Gesellschaftern überstimmt werden können und ihm hätten Weisungen per Beschluss der Gesellschafterversammlung erteilt werden können. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die drei Gesellschafter in den Feststellungsbögen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH übereinstimmend angegeben haben, dass in der Vergangenheit immer einstimmig abgestimmt worden sei. Aus der bloßen Nichtausübung eines Rechts (hier der abweichenden Stimmabgabe) kann nicht geschlossen werden, dass das Recht tatsächlich nicht besteht (BSG v. 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, NZA-RR 2013, 252, Rn. 16). Im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Vorhersehbarkeit von sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen genügt die bloße Möglichkeit der Wahrnehmung eines Rechts (BSG v. 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, NZA-RR 2013, 252, Rn. 32). Vor dem Hintergrund der rechtlichen Weisungsunterworfenheit kommt es vorliegend auf die Prüfung weiterer Merkmale einer selbständigen Tätigkeit nicht mehr an. Die Beklagte hat Herrn E. A. zutreffend als abhängig beschäftigt eingestuft.

bb) Dem steht nach summarischer Prüfung auch kein der Antragstellerin zu gewährender Vertrauensschutz entgegen.

Konkrete Entscheidungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Herrn E. A. wurden im Vorfeld des streitgegenständlichen Bescheids nicht getroffen.

aaa) Insbesondere lässt sich aus der Tatsache, dass die Antragstellerin Herrn E. A. bislang als selbständig Tätigen eingestuft hat und dies in vorangegangenen Betriebsprüfungen nicht beanstandet wurde, kein Vertrauensschutz herleiten.

Die Antragstellerin beruft sich auf einen Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p Abs. 1 SGB IV vom 25.11.2004, wonach die durchgeführte Prüfung keine Feststellungen ergeben hat sowie auf einen Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 30.10.2000. Beide Bescheide enthalten keine Feststellungen oder Ausführungen zu den Gesellschafter-Geschäftsführern. Daraus kann nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer geprüft und als nicht beanstandungswürdig eingestuft wurden.

Wie die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid zu Recht ausführt, hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst bei kleineren Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet sind. Betriebsprüfungen bezwecken nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11). Auch den Prüfberichten kommt keine solche Bedeutung zu. Wenn Rechtssicherheit hinsichtlich der Versicherungspflicht gewünscht ist, haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Recht, in Zweifelsfällen nach § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV eine Entscheidung der Einzugsstelle durch Verwaltungsakt herbeizuführen, an welche die Versicherungsträger gebunden sind (vgl. BSG Urt. v. 14.7.2004 – B 12 KR 10/02 R, BeckRS 2004, 41463, beck-online).

Vor diesem Hintergrund lässt sich weder aus dem Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 30.10.2000 noch aus dem Betriebsprüfungsbescheid vom 25.11.2004 ein Vertrauensschutz hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status ableiten.

Dies gilt für den Lohnsteuernachforderungsbescheid und den zugrunde liegenden Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung selbst dann, wenn – wie die Antragstellerin ausführt – die Lohnsteueraußenprüfung am 05.09.2000 die Direktversicherungen der Gesellschafter-Geschäftsführer zum Gegenstand gehabt haben sollte. Weder Bescheid noch Bericht enthalten irgendwelche konkreten Aussagen zu den Gesellschafter-Geschäftsführern und zu deren sozialversicherungsrechtlichem Status.

Auch der Bescheid gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV vom 25.11.2004, der auf Grundlage einer für den Prüfzeitraum vom 01.03.2000 bis 31.12.2003 stattgefunden Lohnsteueraußenprüfung ergangen ist, begründet keinen Vertrauenstatbestand. Auch dieser Bescheid enthält keine konkreten Aussagen oder Feststellungen zu den Gesellschafter-Geschäftsführern und deren sozialversicherungsrechtlichem Status. Nähere Hintergründe über den Umfang der zugrunde liegenden Lohnsteueraußenprüfung sind nicht bekannt. Auch wenn man davon ausgehen darf, dass der zugrunde liegende Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung umfassend sozialversicherungsrechtlich ausgewertet wurde, lässt dies entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht den Rückschluss zu, dass der Bescheid vom 25.11.2004 einen Vertrauensschutztatbestand hinsichtlich des nicht beanstandeten sozialversicherungsrechtlichen Status der Gesellschafter-Geschäftsführer begründet. Wie oben dargelegt, bezweckt eine Betriebsprüfung gerade nicht eine solche Entlastung. Wäre Rechtssicherheit hinsichtlich der Versicherungspflicht gewünscht gewesen, hätte die Antragstellerin nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV eine Entscheidung der Einzugsstelle durch Verwaltungsakt herbeizuführen können.

bbb) Auch kann sich die Antragstellerin nicht auf einen Vertrauensschutz aufgrund der bis zur Entscheidung vom 29.08.2012 geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der darauf beruhenden gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Geschäftsführern einer Familien-GmbH berufen.

Soweit das BSG im Bereich der Sozialversicherungspflicht vereinzelt (vgl. hierzu u.a. BSG v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, BeckRS 2016, 67680, Rn. 42) davon ausgegangen ist, dass bei Gesellschaftern, die aufgrund rein tatsächlicher Umstände (Fachkenntnisse, familiäre Verbundenheit) die Geschicke der Gesellschaft bestimmen können, kein Beschäftigungsverhältnis besteht, hat das BSG dies aufgegeben (BSG v. 29.08.2012, B 12 R 14/10 R; B 12 KR 25/10 R; BSG v. 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, BSG v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R).

Einen Vertrauensschutz kann die aufgegebene Rechtsprechung nicht begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann kein Prozessbeteiligter darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten (vgl. BVerfG v. 26.04.1988, 1 BvR 669/87; BVerfG v. 02.05.2012, 2 BvL 5/10). Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (BVerfG v. 05.11.2015, 1 BvR 1667/15 mwN).

Hieran mangelt es vorliegend. Ein vereinzeltes zurückgreifen des BSG auf Rechtsprechung, die ursprünglich für andere Gebiete des Sozialversicherungsrechts entwickelt wurde (vgl. hierzu BSG v. 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, BeckRS 2015, 73497, Rn. 29 und 32), stellt keine gefestigte und langjährige Rechtsprechung dar, auf deren Bestand ein schützenswertes Vertrauen bestanden haben könnte. Im Übrigen schließt sich das Gericht vollumfänglich den überzeugenden Ausführungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg v. 22.12.2017, L 10 R 1637/17, Rn. 30 (juris) an, demnach die Anwendung der "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" im Bereich der Sozialversicherungspflicht nur einmal erfolgt ist und seit je her zweifelhaft war.

Soweit die Antragstellerin auf den Aufsatz von Rittweger, Beitragsnachforderungen für geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH, DStR 2017, 1537, hingewiesen hat, ergibt sich hieraus nichts anderes. Der Autor des Aufsatzes geht davon aus, dass ein Vertrauensschutz im Hinblick auf die Aufgabe der "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" zwar nicht unmittelbar aus einer gefestigten BSG-Rechtsprechung herzuleiten sei. Vertrauensschutz solle aber im Hinblick auf die ständige Verwaltungspraxis der Sozialversicherungsträger, wie sie in den gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung niedergelegt ist, angenommen werden. Das Gericht vermag sich dem nicht anzuschließen. Dabei ist maßgeblich, dass die angesprochene Verwaltungspraxis im Wesentlichen der zum Zeitpunkt ihrer Geltung vorhandenen BSG-Rechtsprechung nachgebildet ist. Eine Änderung dieser Rechtsprechung führt regelmäßig zu einer Änderung der Verwaltungspraxis. Dieser Mechanismus ist den Teilnehmern des Rechtsverkehrs bekannt. Daraus folgt, dass Vertrauensschutz im Hinblick auf die Verwaltungspraxis nur insoweit in Betracht kommen kann, als dieser auch für die Rechtsprechung selbst in Betracht kommt. Solange dies nicht der Fall ist, kann kein Betroffener berechtigt darauf vertrauen, dass die Verwaltungspraxis sich nicht in Zukunft ändern werde; vielmehr ist es so, dass sie regelmäßig der BSG-Rechtsprechung folgt. Aufgrund der o.g. Ausführungen ist im vorliegenden Fall gerade nicht von einem Vertrauensschutz auszugehen.

cc) Der beklagte Bescheid verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß § 33 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Antragstellerin macht geltend, der Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides verstoße deswegen gegen das Bestimmtheitsgebot, weil er lediglich eine Absichtserklärung enthalte. Diese Einschätzung ist allerdings nicht zutreffend. Vielmehr ist der Regelungsgehalt des Bescheids eindeutig erkennbar. Dass im Eingangssatz lediglich die Absicht bekundet wird, eine Nachforderung zu erheben ist unschädlich. Der Bescheid enthält an späterer Stelle konkrete Aussagen zu Einzugsstelle und Zahlungsfrist.

dd) Die Vollziehung der Verwaltungsakte stellt auch keine unbillige Härte dar. Auch wenn die Antragstellerin auf die hohe wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits hinweist, ist nicht ersichtlich, dass durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können.

b) Nachforderung der Umlagen U1 und U2 nach dem AAG für Herrn E. A. Hinsichtlich der Umlagebeiträge zur U1 (Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlungen) und U2 (Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen für Mutterschaftsleistungen) nach dem AAG hat das Gericht nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel, ob diese rechtmäßig erhoben wurden. Es sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass die Antragstellerin im streitgegenständlichen Zeitraum für den Gesellschafter-Geschäftsführer E. A. dieser Umlagepflicht nicht unterlag. Das Gericht sieht den Erfolg der Klage insoweit als wahrscheinlicher an als den Misserfolg, so dass die Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids, soweit er die für Herrn E. A. berechnete Umlage U1 und U2, also in Höhe von 3.944,52 EUR, auszusetzen ist.

Die Umlagen U1 bzw. U2 finanzieren den von den Krankenkassen vorzunehmenden Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Umlage U1) und im Fall der Mutterschaft (Umlage U2). Nach § 1 Abs. 1 (Umlage U1) bzw. Abs. 2 (Umlage U2) AAG erstatten die Krankenkassen den Arbeitgebern in Höhe von 80 Prozent bzw. in vollem Umfang die Aufwendungen für die Zahlungen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz bzw. dem Mutterschutzgesetz. Die Mittel zur Durchführung der Umlageverfahren werden von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern jeweils durch gesonderte Umlagen aufgebracht. Die Umlagen sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden bemessen werden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen wären.

Demnach kommt es darauf an, ob Herr E. A. als Arbeitnehmer der Antragstellerin i.S.v. § 7 Abs. 2 AAG anzusehen ist. Wer Arbeitnehmer im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 1 AAG ist, bestimmt sich für den hier maßgeblichen Zeitraum nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts. Wie das BSG in seinem Urteil vom 26. September 2017 – B 1 KR 31/16 R – SozR 4.7862 § 7 Nr. 1 klarstellt, knüpft das Gesetz hier mit Bedacht an den Arbeitnehmerbegriff an und nicht an den Begriff des "Beschäftigten". Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift und wird durch Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bestätigt. Es besteht ein unmittelbarer Regelungszusammenhang des AAG mit der arbeitsrechtlichen Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. dem von der Umlage U2 abgedeckten Leistungsrecht für Schwangere und Mütter. Dass sich für die Umlage U2 ab dem 01.01.2018 insoweit eine Änderung ergeben hat, als das Mutterschutzgesetz nun unmittelbar an den Beschäftigtenbegriff gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV anknüpft, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.

Für die Arbeitnehmereigenschaft kommt es darauf an, ob ein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne besteht. Maßgeblich sind hier die vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten Grundsätze. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist auschlaggebendes Kriterium der Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Weisungsrecht ist wesentlicher Bestandteil eines jeden Arbeitsverhältnisses. Es kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (st. Rspr., vgl. z.B. BAGE 145, 26 = NJW 2013, 2984 = NZA 2013, 903 Rn. 15).

Das BSG hat in der oben zitierten Entscheidung zum AAG dem Hessischen Landessozialgericht folgend für die Frage, ob (vermeintlich) freie Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt dem Anwendungsbereich des AAG unterfallen, festgestellt, dass sich der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Arbeitsrechts nach wesentlich gleichen Kriterien bestimme wie der Begriff des Beschäftigten nach § 7 Abs. 1 SGB IV (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2017, s.o. und das vorgehende Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 06. Oktober 2016 – L 8 KR 101/14 –, juris).

Auch wenn das BAG zur Abgrenzung der selbständigen Tätigkeit ganz ähnliche Kriterien verwendet wie das BSG zur Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung, spricht auf Grundlage der vom BAG aufgestellten Kriterien im vorliegenden Fall – anders als in dem vom BSG und vom Hessischen Landessozialgericht entschiedenen Fall der (vermeintliche) freien Mitarbeiter - allerdings vieles dafür, Herrn E. A. hier nicht als Arbeitnehmer der Antragstellerin einzustufen.

Während es nach gefestigter neuerer Rechtsprechung des BSG zu § 7 Abs. 1 SGB IV bei Gesellschafter-Geschäftsführern, die nach dem Gesellschaftsvertrag den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen sind, wegen dieser rechtlichen Weisungsunterworfenheit auf die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag gar nicht mehr ankommt (s.o. 2. a) aa), vgl. BSG 14.03.2018 BSG, B 12 KR 13/17 R), gibt es eine vergleichbare Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft von Gesellschafter-Geschäftsführern nicht. Zwar vertritt das BAG anders als der BGH nicht die Auffassung, dass GmbH-Geschäftsführer im Verhältnis zur GmbH niemals Arbeitnehmer sein können, sondern es geht davon aus, dass auch das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis sein kann. Doch anders als das BSG stellt das BAG gerade nicht auf die Frage der gesellschaftsrechtlichen Weisungsunterworfenheit ab. Vielmehr hat das BAG entschieden, dass die Frage, ob ein Geschäftsführer in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft steht, davon abhängt,

"ob diese eine über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat. Ein Arbeitsverhältnis liegt nur vor, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen kann." (BAG, Urteil vom 26.05.1999 – AZR 664/98, AP GmbHG § 35 Nr. 10, beck-online)

Auch wenn die allgemeinen Kriterien zur Bestimmung des Arbeitnehmers bzw. des Beschäftigten also sehr ähnlich sind, gibt es nach der bisherigen Rechtsprechung keinen solchen Gleichlauf betreffend die Einstufung eines GmbH-Geschäftsführers. Anders als nach der Rechtsprechung des BSG kommt es für das BAG nicht auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse an, sondern darauf, ob nach dem Anstellungsvertrag eine arbeitsrechtliche Weisungsunterworfenheit besteht.

Vorliegend ist die Weisungsabhängigkeit des Herrn E. A. aber eine rein gesellschaftsrechtliche. Nach dem Anstellungsvertrag vom 06.04.1992 stand der Antragstellerin ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht nicht zu. Aus dem Anstellungsvertrag ergeben sich keine Vorgaben hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit. Vielmehr kann Herr E. A. auf Grundlage des Anstellungsvertrags im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen. Gemäß § 2 des Vertrags obliegt ihm die gesamte Leitung des Betriebs und die innerbetriebliche Organisation. Auch die Tatsache, dass Herrn E. A. nach §§ 6, 7 des Anstellungsvertrags eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle sowie ein Urlaubsanspruch zusteht, spricht nicht gegen seine Weisungsunabhängigkeit. Vielmehr sind diese Klauseln gerade deswegen notwendig, weil das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Bundesurlaubsgesetz für den Geschäftsführer E. A. mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht gelten. Im Übrigen stellt § 7 des Anstellungsvertrags klar, dass es der Bestimmung des Geschäftsführers überlassen bleibt, wann er den Urlaub nimmt und wie er ihn über das Jahr verteilt.

Es ist daher davon auszugehen, dass E. A. kein Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne ist.

In eine andere Richtung deutet auch nicht der Beschluss des BAG vom 17.09.2014 10 AZB 43/14, NZG 2014, 1437. Hier hat das BAG im Zusammenhang mit der Arbeitnehmereigenschaft eines GmbH-Gesellschafters, der nicht gleichzeitig Geschäftsführer ist, auf die gesellschaftsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse abgestellt und entschieden, dass ein mitarbeitender Gesellschafter, der über mehr als 50% der Stimmrechte verfügt, regelmäßig nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft steht. Dies lässt aber keinen Rückschluss auf die Arbeitnehmereigenschaft eines Gesellschafter-Geschäftsführers zu. Vielmehr bestätigt das BAG auch in diesem Beschluss, dass es im Grundsatz maßgeblich auf die arbeitsvertraglichen Umstände ankommt.

Die hier vorgenommene Einschätzung wird auch durch die - wenn auch nicht bindende - Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes in den grundsätzlichen Hinweisen zum Ausgleichverfahren U1 und U2 vom 07.11.2017 bestätigt. Nach Punkt 1.5.2 kommt das U1-Verfahren für GmbH-Geschäftsführer nicht zur Anwendung und für das U2-Verfahren kommt es erst seit der bereits erwähnten Änderung des Mutterschutzgesetzes zum 01.01.2018 auf die Beschäftigteneigenschaft gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV an (Punkt 2.2.2.3).

c) Nachforderungen betreffend die Herren C. und D. A. Anders als für Herrn E. A. spricht nach summarischer Prüfung für die Herren C. und D. A. gewichtige Argumente dafür, dass diese in ihrem Vertrauen hinsichtlich ihrer Sozialversicherungsfreiheit geschützt waren und der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig ist, soweit Sozialversicherungsbeiträge für diese beiden Gesellschafter nacherhoben werden. Das Gericht sieht den Erfolg der Klage insoweit als wahrscheinlicher an als den Misserfolg, so dass die Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids, soweit der die Herren C. und D. A. betrifft, also in Höhe von 122.343,16 EUR, auszusetzen ist.

Aus den gleichen Gründen wie oben für Herrn E. A. ausführlich dargelegt, stehen zwar auch Herr C. und Herr D. A. in einem Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV, allerdings liegen zu deren Gunsten Bescheide vor, die eine Feststellung zu ihrem sozialversicherungsrechtlichen Status treffen.

Die BfA hat mit Bescheid vom 08.02.1990 gegenüber Herrn D. A. und mit Bescheid vom 11.07.1991 gegenüber Herrn C. A. betreffend "Bargeldlose Beitragsentrichtung" jeweils festgestellt: "Sie sind berechtigt, freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten." Grundlage dieser Feststellungen war § 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (AnVNG) in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung. An die Stelle dieser Vorschrift ist ab dem 01.01.1992 § 7 SGB VI getreten. Wie bei § 7 SGB VI war auch bei § 10 AnVNG Tatbestandsvoraussetzung, dass eine Sozialversicherungspflicht nicht besteht.

Die Bescheide der BfA aus den Jahren 1990 bzw. 1991 stehen nach summarischer Prüfung einer gegenteiligen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung für den streitgegenständlichen Zeitraum entgegen.

Bei den Bescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Zwar ist eine Mitteilung über die Zulassung zur bargeldlosen Beitragsentrichtung für sich gesehen noch kein Verwaltungsakt. Die in dieser Mitteilung enthaltene Feststellung der Versicherungsberechtigung ist aber eine Regelung, die gegenüber den Betroffenen, D. und C. A. wirksam und bindend geworden ist (vgl. Fichte in Hauck/Haines SGB VI K § 7 Rn 40). Die Berechtigung oder Nichtberechtigung zur freiwilligen Versicherung ergibt sich zwar unmittelbar aus dem Gesetz und ist nicht von einem entsprechenden Feststellungsbescheid abhängig. Wenn aber der Rentenversicherungsträger im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nach § 8 SGB X die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung wirksam festgestellt hat, ist er an diese Feststellung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung tatsächlich nicht vorliegt, es sei denn dass der Verwaltungsakt nach §§ 44 ff. SGB X beseitigt werden kann (vgl. Kreikebohm SGB VI/Segebrecht § 7 Rn. 13, 30).

Die Feststellung der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung beinhaltet zumindest konkludent die Feststellung, dass eine Versicherungspflicht nicht besteht. Zwar stellen die Bescheide, wie die Antragsgegnerin zutreffend feststellt, keine ausdrückliche Statusfeststellung dar und sie erläutern auch nicht, warum die Herren D. und C. A. nicht versicherungspflichtig sind. Allerdings ist eine freiwillige Versicherung gemäß § 7 SGB Abs. 1 SGB VI bzw. gemäß der Vorgängerregelung § 10 Abs. 1 AnVNG ausschließlich bei Personen möglich, die nicht versicherungspflichtig sind. Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich auch, dass dem "Antrag auf bargeldlose Beitragsentrichtung" Nachweise über die selbständige Erwerbstätigkeit beizufügen und auch tatsächlich beigefügt waren. Es ist deswegen davon auszugehen, dass die BfA im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens Nachprüfungen hinsichtlich der Versicherungspflicht durchgeführt hat und der Feststellung der der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung diesbezüglich ein negatives Ergebnis vorangegangen ist.

Auch wenn die Bescheide der BfA nicht mit einer - damals gesetzlich noch nicht vorgesehenen – Statusfeststellung gemäß § 7a Abs. IV gleichzusetzen sind, beinhalten sie daher dennoch eine Feststellung zum sozialversicherungsrechtlichen Status.

Es spricht nach summarischer Prüfung vieles dafür, dass diese Feststellung auch fortwirkt und einer inhaltlich widersprüchlichen Entscheidung entgegensteht, solange die Bescheide nicht gemäß §§ 44 ff. SGB X aufgehoben sind. Als Rechtsnachfolgerin der BfA sind die Bescheide der Antragsgegnerin auch unmittelbar zuzurechnen. Bevor sie einen inhaltlich widersprechenden Bescheid erlassen kann, müsste sie erst die alten Bescheide aufheben (vgl. hierzu LSG Bayern, Beschluss vom 05.10.2012 – L 5 R 781/12 B ER). Die Bescheide stellen vor dem Hintergrund der aktuellen BSG-Rechtsprechung rechtswidrige, begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung dar. Darauf, ob die Voraussetzungen für deren Zurücknahme gemäß § 45 SGB X vorgelegen hätten, kommt es vorliegend nicht an, da die Antragsgegnerin die Bescheide nicht zurückgenommen hat und diese ohne eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht einfach "überschrieben" werden können. Es spricht aber einiges dafür, dass eine Zurücknahme für die Vergangenheit gemäß § 45 Abs. 2 SGB X daran scheitern würde, dass die Betroffenen D. und C. A. auf Grundlage der Feststellungsbescheide und im Vertrauen hierauf dauerhaft freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung geleistet haben und sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Erlass der Bescheide auch nicht geändert haben.

Vor dem Hintergrund dass damit die Vollziehung für die Nachforderungsbeträge betreffend C. und D. A. auszusetzen ist, erübrigen sich Ausführungen zu den ursprünglich falschen und dann berichtigten Einzugsstellen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 197a Abs. 1 SGG sind im Rahmen der Kostenentscheidung die §§ 154 bis 162 VwGO entsprechend anzuwenden, wenn in einem Rechtszug, wie vorliegend, weder Antragsteller noch Antragsgegner zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Die verhältnismäßige Kostenteilung entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

4. Die Festsetzung erfolgt nach §§ 197a SGG i.V.m. 52 Abs. 1 GKG und richtet sich nach Ermessen des Gerichts nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache. Da es sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, ist als Streitwert nicht der von der Antragsgegnerin nacherhobene Betrag in voller Höhe von 199.067,96 EUR anzusetzen. Vielmehr ist es angemessen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Viertel des Streitwerts der Hauptsache zugrunde zu legen (vgl. BSG, Beschluss vom 29.08.2011, B 6 KA 18/11 R – juris Rn. 21), hier 49.766,99 EUR.
Rechtskraft
Aus
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