L 3 AL 210/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 1 AL 215/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 210/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Begebenheiten tatsächlicher Art (hier: Abschluss des Weiterbildungsvertrages mit dem Bildungsträger und die tatsächliche Teilnahme an der dann gebuchten Weiterbildung) lassen sich in der Regel nicht durch einen Herstellungsanspruch ersetzen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die weitere Zahlung von Arbeitslosengeld.

Der am 1969 geborene Kläger meldete sich am 19. Dezember 2014 mit Wirkung zum 1. Januar 2015 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er war vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2014 als Vertriebsleiter bei der Firma Y ... GmbH beschäftigt gewesen. Sein berücksichtigungsfähiges beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt betrug vom 1. Dezember 2013 bis zum 30. November 2014 insgesamt 71.250,00 EUR.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2014 und Änderungsbescheid vom 26. Januar 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Dezember 2015 für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 69,18 EUR auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 195,96 EUR.

In der Folge wurde der Kläger durch den Mitarbeiter der Beklagten, den Zeugen X ..., betreut. Es wurden mehrere Eingliederungsvereinbarungen geschlossen. Am 20. Oktober 2015 wurde der Kläger auf seine Frage nach Möglichkeiten der beruflichen Qualifizierung auf das Portal KursNet verwiesen und dessen Handhabung erläutert.

Der Kläger fragte mit E-Mail vom 16. November 2015 bei der Beklagten unter Hinweis auf die Bildungsangebote von KursNet, ob die Veranstaltung noch in 2015 starten oder sogar beendet sein müsse, um eine Kostenübernahme zu gewährleisten. Er teilte mit, dass der Kurs 3-Vertriebsleiter schon am 23. November 2015 starten würde und nach Rücksprache mit dem Veranstalter auch noch buchbar sei. Benötigt werde nur schnellstmöglich der Bildungsgutschein. Er fragte zudem, welcher Antrag notwendig oder welche Voraussetzungen er erfüllen müsse, damit es zu einer Teilnahem an der Veranstaltung kommen könne.

Der Zeuge X ... teilte dem Kläger am 17. November 2015 telefonisch mit, dass der Starttermin 23. November 2015 zu kurzfristig sei. Auf die Frage, ob die Qualifizierung nach Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld noch möglich sei, teilte er mit, dass dies grundsätzlich über die Agentur für Arbeit möglich sei, wenn kein Arbeitslosengeld II beantragt werde. Weitere Hinweise zu den Auswirkungen auf die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs bei Beginn der Weiterbildung während des Bezuges von Arbeitslosengeld erfolgten nicht. Der Kläger erklärte, dass er auch Weiterbildungsangebote ab Dezember 2015 oder Januar 2016 in die Suche einbeziehen werde. Auf eventuelle Nachteile wurde er nicht hingewiesen.

Mit Schreiben vom 18. November 2015 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld voraussichtlich am 30. Dezember 2015 ende.

Während des persönlichen Beratungsgesprächs am 24. November 2015 wurden weitere Weiterbildungsangebote "grob gesichtet". Der Aktenvermerk hierzu weist aus: "Herr Z ... selbst kann im Rahmen des heutigen Gespräches nicht entscheiden, welches Angebot er bevorzugt – Kd. erbittet nochmals Bedenkzeit".

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 wurde dem Kläger durch die Beklagte der Bildungsgutschein Nr. für die Gültigkeitsdauer vom 17. Dezember 2015 bis zum 31. Januar 2016 für das Bildungsangebot vom 9. Dezember 2015 "Business Development Management" erteilt. Auf Leistungen zum Lebensunterhalt bestehe kein Anspruch. Die Lehrgangskosten nach § 84 des Sozialgesetzbuches5 Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) würden bei Vorlage des Gutscheins vor Teilnahmebeginn an den Träger erstatten.

Das an den Kläger von der W ... GmbH übersandte Bildungsangebot Nr. vom 9. Dezember 2015, welches bis zum 15. Januar 2016 gültig war, weist als geeignet und möglich den mit einem nächstmöglichen Starttermin am 11. Januar 2016 und einem Ende der Maßnahme am 15. April 2016 bezeichneten Lehrgang mit der Nummer mit 434 Unterrichtseinheiten und Kosten in Höhe von 3.081,40 EUR aus.

Auch im Rahmen der weiteren persönlichen Beratungsgespräche am 9. Dezember 2015 und 21. Dezember 2015 wurde der Kläger nicht darauf hingewiesen, welche Auswirkungen ein Maßnahmebeginn vor oder nach dem 30. Dezember 2015 auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld haben würde.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Zahlung von Arbeitslosengeld eingestellt worden sei, da der Anspruch durch Zahlung für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Dezember 2015 erschöpft sei.

Der Kläger nahm an der Weiterbildungsmaßnahme vom 4. Januar 2016 bis zum 8. April 2016 teil. Die Lehrgangskosten wurden von der Beklagten an den Träger erstattet.

Mit Schreiben vom 15. März 2016 beantragte der Kläger die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld ab dem 31. Dezember 2015. Auf seinen bereits im November 2015 gestellten Antrag auf Weiterbildung hin sei ihm zwar ein Bildungsgutschein gewährt worden. Man habe jedoch versäumt, das Arbeitslosengeld weiter zu gewähren.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung mit Bescheid vom 16. März 2016 ab, da der am 1. Januar 2015 erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft sei. Der Kläger sei seither weniger als 12 Monate versicherungspflichtig gewesen sei und erfülle somit keine neue Anwartschaftszeit.

Der Kläger wandte sich mit Widerspruch vom 14. April 2016 gegen die Ablehnung. Die Gespräche zum Thema der Bildungsmaßnahme seien am 17. November 2015 per Mail sowie am 24. November und 9. Dezember 2015 persönlich geführt worden. Zur Frage, wann die Bildungsveranstaltung frühestens gebucht werden könne, sei zunächst keine Aussage getroffen worden. Erst nach dem Auslaufen des Bezugs des Arbeitslosengeldes sei im Januar 2016 ein entsprechender Bildungsgutschein erstellt worden, obwohl unter Beachtung der Grundsätze des § 20 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) eine frühere Teilnahme unter Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes möglich gewesen wäre und der Arbeitslosengeldbescheid hätte abgeändert werden müssen. Es liege eine Verletzung des Beratungsauftrages zu seinen Lasten vor. Er sei zu keinem Zeitpunkt darüber aufgeklärt worden, unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit bestanden hätte, über den 30. Dezember 2015 hinaus Arbeitslosengeld zu gewähren. Das Merkblatt 6 sei erst am 17. Dezember 2015 mit der Gewährung des Bildungsgutscheins übergeben worden. Bei zutreffender Bearbeitung hätte die Bildungsmaßnahme bereits im November 2015 beginnen können. Die Beratung durch den Sachbearbeiter sei erkennbar mit dem Ziel geführt worden, weitere Zahlungen zu vermeiden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2016 zurück. Eine Weitergewährung des Arbeitslosengeldes über den 30. Dezember 2015 hinaus sei nicht möglich. Ansprüche aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bestünden nicht, da weder ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln, noch Beratungsfehler vorgelegen hätten. Objektiv hätte gar keine Möglichkeit bestanden, früher eine Bildungsmaßnahme anzutreten, so dass eine Herauszögerung des Maßnahmebeginns durch fehlerhaftes Verwaltungshandeln nicht festgestellt werden könne. Der Kläger habe um die Beendigung des Leistungsbezuges gewusst und sich bewusst für eine Bildungsmaßnahme nach dem Ende des Leistungsbezuges entschieden.

Der Kläger hat am 12. September 2016 Klage erhoben. Er sei vom zuständigen Kundenbetreuer fehlerhaft nie darauf hingewiesen worden, dass die Möglichkeit bestanden hätte; den Zeitraum der Weiterbildungsmaßnahme als Verlängerung des Bewilligungszeitraumes zu erhalten.

Das Sozialgericht hat den Mitarbeiter der Beklagten, X ..., als Zeuge vernommen und die Klage mit Urteil vom 24. November 2016 abgewiesen. Zu Beginn der Maßnahme sei der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ausgeschöpft gewesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob eine etwaige Verletzung der Hinweis- und Beratungspflicht seitens der Beklagten vorliege. Der Leistungsanspruch lasse sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlängern.

Der Kläger hat gegen das ihm am 30. November 2016 zugestellte Urteil am 28. Dezember 2016 Berufung eingelegt. Nach dem Gespräch am 20. Oktober 2015 habe er bereits am 16. November 2015 den am 23. November 2015 beginnenden Kurs 3 als zielführend identifiziert. Im Rahmen des nächsten Gesprächs am 23. November 2015 seien weitere Weiterbildungsangebote mit Start im Dezember, zum Beispiel bei der BDM am 7. und 21. Dezember 2015, vorgelegt worden. Eine Entscheidung habe seitens der Beklagten nicht erfolgen können, da der Sachbearbeiter zu überlastet gewesen sei. Im Rahmen des nächsten Gesprächs am 9. Dezember 2015 sei die Maßnahme Nr. 119-124-15 mit 14-tägigem Startterminen zum 21. Dezember 2015 oder 11. Januar 2016 vorgelegt worden. Die Maßnahme sei eindeutig identifiziert gewesen. Die sofortige Klärung und Erstellung des Gutscheines sei verweigert worden. Erst im Rahmen des nächsten Gesprächs am 17. Dezember 2015 sei der Bildungsgutschein für den 11. Januar 2016 unproblematisch erteilt sowie erstmals das Merkblatt 6 erwähnt und übergeben worden. Aufgrund der späten Übergabe des Merkblattes sei es ihm, dem Kläger, nicht mehr möglich gewesen, einen früheren Maßnahmebeginn, der durchaus möglich gewesen wäre, zu buchen. Es sei allein die Frage des Bezuges von Arbeitslosengeld II angesprochen worden. Das offensichtlich zielgerichtete Verschweigen der günstigeren Gestaltungsmöglichkeiten werde angegriffen und die Gewährung der Leistung im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geltend gemacht. Der Ablauf deute darauf hin, einen Maßnahmebeginn erst nach Ablauf des Bezugszeitraums zulassen zu wollen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Leipzig vom 24. November 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2016 zu verurteilen, dem Kläger vom 31. Dezember 2015 an ein Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 69,18 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es werde dem Vorwurf entgegengetreten, dass seitens der Beklagten gezielt und gesteuert darauf hingewirkt worden sei, dem Kläger erst nach dem Ausschöpfen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld eine Weiterbildungsmaßnahme zu bewilligen, um Leistungen "einzusparen". Entsprechend der erstinstanzlichen Entscheidung könne jedoch dahingestellt bleiben, ob ein Beratungsfehler vorliege. Im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könnten lediglich die Antragstellung nachgeholt oder Erklärungen fingiert werden. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld scheitere jedoch an dem Umstand, dass er vor Beginn und somit vor der tatsächlichen Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme bereits erschöpft gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Berufungsantrag bedarf der Auslegung (vgl. § 123 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Zu entscheiden ist über eine vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG). Der Kläger begehrt so gestellt zu werden, als hätte er die Weiterbildungsmaßnahme noch während des ab dem 1. Januar 2015 erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld begonnen. Er begehrt auf dieser Grundlage ausdrücklich die weitere Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 31. Dezember 2015 in Höhe von täglich 69,18 EUR in dann gesetzlich geschuldetem Umfang; mindestens bis zur Beendigung der tatsächlich vom 4. Januar 2016 bis zum 8. April 2016 absolvierten Maßnahme. Insoweit begehrt er die Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 16. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2016 sowie die Abänderung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 22. Dezember 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Januar 2015 mit dem Ziel, dass ihm Arbeitslosengeld über 360 Kalendertage hinaus für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme bewilligt wird.

II. Die so verstandene Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft. Bei Zugrundelegung des begehrten täglichen Leistungsbetrages in Höhe von 69,18 EUR und des begehrten Leistungszeitraums von über drei Monaten liegt der Beschwerdewert unzweifelhaft über 750,00 EUR (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2016 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Arbeitslosengeldes.

1. Völlig unstreitig und auch nach Prüfung durch den Senat zutreffend wurde dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 22. Dezember 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Januar 2015 Arbeitslosengeld ab dem 1. Januar 2015 für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 69,18 EUR bewilligt und in vollem Umfang in Anspruch genommen. Gleichfalls ist unstreitig und offensichtlich, dass der Anspruch von 360 Kalendertagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung der hier verfahrensgegenständlichen weiteren Ansprüche und Beginns der Weiterbildungsmaßnahme am 4. Januar 2016 erschöpft war und eine neue Anwartschaftszeit denklogisch nicht erfüllt sein konnte, da der Kläger im unmittelbaren Anschluss die Fortzahlung von Arbeitslosengeld begehrt. Auch ist unstreitig, dass ein weiterer Anspruch über die bewilligten 360 Kalendertage Arbeitslosengeld hinaus auch für die Dauer der Weiterbildung nach der gesetzlichen Regelung nur besteht, wenn die Weiterbildungsmaßnahme während des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld tatsächlich begonnen worden wäre.

2. Der Umstand, dass der Kläger die Weiterbildungsmaßnahme tatsächlich erst nach Ablauf des Arbeitslosengeldbezuges absolviert hat, kann auch über den sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht überwunden werden und zu einem Anspruch des Klägers führen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm gegenüber dem Anspruchsteller obliegende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt hat. Dabei gehören zu den Nebenpflichten, deren Verletzung einen Herstellungsanspruch begründen kann, vor allem die Pflichten zur Beratung (vgl. § 14 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]), Auskunft (vgl. § 15 SGB I), Belehrung und verständnisvollen Förderung des Versicherten. Diese Pflichten sind verletzt, wenn sie, obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat, nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind. Der Leistungsträger ist unter Umständen jedoch auch zu einer Spontanberatung verpflichtet. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (sogenannter Schutzzweckzusammenhang). Erforderlich ist ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung, das die Entscheidung des Versicherten über die Wahrnehmung seiner Rechte fehlgeleitet hat. Schließlich muss es möglich sein; den durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R – SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 39, m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R – SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = juris, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 3. November 2016 – L 3 AL 163/14 – juris Rdnr. 54, m. w. N.; Hassel, in: Brand, SGB III [8. Aufl., 2018], § 323 Anh Rdnr. 28, ff.).

b) Die Beklagte ist verpflichtet, den Leistungsnehmer auch ohne ausdrückliches Beratungsbegehren zu beraten, wenn offensichtlich ist, dass eine bestimmte klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeit vorteilhaft sein könnte und ein verständiger Versicherter diese mutmaßlich nützen würde.

Für eine Beratungspflichtverletzung könnte vorliegend sprechen, dass die Beklagte trotz der zeitlichen Nähe zur Einstellung der Arbeitslosengeldzahlung wegen der Erschöpfung des Anspruchs und der vom Kläger konkretisierten Maßnahmen im Rahmen einer Spontanberatung nicht darauf aufmerksam machte, dass es sich auf die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld günstig auswirken würde, wenn die Weiterbildungsmaßnahme vor dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges beginnen würde. Auch könnte die Nachfrage des Klägers nach einer Fördermöglichkeit nach Beendigung des Arbeitslosengeldbezuges die Frage einer eventuellen Auswirkung auf den Umfang des Arbeitslosengeldanspruchs umfasst haben, so dass dann von einem Beratungsbegehren auszugehen wäre. Schließlich hätte sich dem Zeugen X ... bei seiner Antwort am 17. November 2015, dass über die Agentur für Arbeit eine "Qualifizierung nach Ende des Alg-Bezuges noch möglich" sei, wenn kein Arbeitslosengeld II beantragt werde, möglicherweise nicht nur die Frage der Zuständigkeitsverteilung zwischen Agentur für Arbeit und Jobcenter stellen müssen, sondern beim Stichwort "Arbeitslosengeld II" auch die Frage, ob der Lebensunterhalt des Klägers während der Maßnahme ohne Bezug von Sozialleistungen gesichert ist.

in der Situation des Klägers hätte wohl jeder Versicherte bei entsprechender Beratung eine Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld angestrebt und sich nicht nur schneller entschieden, sondern alles daran gesetzt, einen früheren Maßnahmebeginn – gegebenenfalls über Beschwerden oder gerichtliche Entscheidungen – zu erlangen. Diesbezüglich weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass er bereits mit E-Mail vom 16. November 2015 und somit lange vor Ablauf des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in der Lage war, eine Entscheidung zu treffen.

Vorliegend kann jedoch dahinstehen, ob es zu einer Verletzung einer gegenüber dem Kläger bestehenden Haupt- oder Nebenpflicht durch die Beklagte gekommen ist, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist.

c) Dem Anspruch steht nämlich bereits dem Grunde nach entgegen, dass das vom Kläger behauptete pflichtwidrige Verwaltungshandeln nicht durch eine zulässige Amtshandlung mit der Folge eines dann bestehenden Leistungsanspruchs ersetzt werden kann.

(1) In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist geklärt, dass für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum verbleibt, wenn ein eingetretener Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1995 – 7 RAr 22/94BSGE 76, 84 ff. = SozR 3-8825 § 2 Nr. 3 = juris Rdnr. 35). Abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden, unvollständigen oder unrichtigen Beratung ist daher erforderlich, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, zu beseitigen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 RBSGE 92, 241 ff. = SozR 4-2600 § 58 Nr 3 = juris Rdnr. 24). Begebenheiten tatsächlicher Art lassen sich daher auch in der Regel nicht durch einen Herstellungsanspruch ersetzen (vgl. Nachweise zur Rechtsprechung des BSG bei Hassel, a. a. O., Rdnr. 38; vgl. auch Sächs. LSG, Beschluss vom 14. August 2014 – L 3 AL 1/13 B PKH – juris Rdnr. 23).

So hat das Bundessozialgericht zu einem vergleichbaren Sachverhalt mit Beschluss vom 5. Juli 2006 (Az. B 11a AL 5/06 BH, juris Rdnr. 6) ausgeführt, dass auch die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme als tatbestandliche Voraussetzung eines Anspruchs auf Übergangsgeld nach § 160 SGB III nicht durch eine Amtshandlung ersetzbar ist; es hat die Revision nicht zugelassen und die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. In dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt bezog der Kläger bis zur Erschöpfung des Anspruchs originäre Arbeitslosenhilfe und nahm später an einer beruflichen Rehabilitation teil. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit der Trainingsmaßnahme ab, weil der Kläger nicht entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen bis zum Beginn der Teilnahme Arbeitslosenhilfe bezogen habe und die Gesamtumstände keine schnellere Bearbeitung zugelassen hätten. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auf die vom Kläger wiederholt vorgebrachten Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit der Bearbeitung seines Antrags für das Klagebegehren nicht ankommen könne. Die für den Zahlungsanspruch notwendige Teilnahme an der Maßnahme könne nicht durch eine Amtshandlung ersetzt werden.

(2) Auch vorliegend macht der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend, der rechtmäßig nur bewilligt werden kann, wenn ein anderer tatsächlicher Sachverhalt angenommen/unterstellt werden würde, der sich nicht allein in einer früheren Antragstellung und/oder einer rechtmäßigen Amtshandlung erschöpft. Der Kläger begehrt die Annahme, er hätte die zum 23. November 2015 beginnende Maßnahme (Kurs 3), jedenfalls eine vor dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges beginnende Maßnahme, und nicht die tatsächlich vereinbarte und besuchte Weiterbildung in Anspruch genommen. Nur unter dieser Voraussetzung bestünde ein Anspruch auf Arbeitslosengeld über den bewilligten Zeitraum hinaus auch während der durchgeführten Weiterbildungsmaßname.

Dies stellt jedoch einen fiktiven Sachverhalt dar, der nicht allein voraussetzt, dass die Beklagte der früheren Weiterbildungsmaßnahme zustimmt und einen Bildungsgutschein ausgestellt hätte. Vielmehr wäre zusätzlich der Abschluss des Weiterbildungsvertrages mit dem Bildungsträger und somit mit einem Dritten und die tatsächliche Teilnahme an der dann gebuchten Weiterbildung erforderlich. Dies sind jedoch Begebenheiten tatsächlicher Art, die nicht allein vom Verwaltungshandeln der Beklagten abhängig waren.

In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch kein Raum.

d) Zur Frage, ob für die Forderung des Klägers auf Ausgleich des geltend gemachten Schadens die Voraussetzungen nach dem Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes (GG) gegeben sind, trifft der erkennende Senat keine Entscheidung (vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 24. September 2015 – L 3 AL 175/13 – juris Rdnr. 29 ff.). Denn aus Artikel 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) ergibt sich die alleinige Entscheidungszuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Amtshaftungsansprüche (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 437/12 B – juris Rdnr. 13). Vorliegend ist der erkennende Senat auch nicht ausnahmsweise nach § 17a Abs. 5 GVG berufen, über den Amtshaftungsanspruch zu entscheiden. Nach der genannten Regelung prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil das Sozialgericht keine "Entscheidung in der Hauptsache" im Sinne von § 17a Abs. 5 GVG über einen Amtshaftungsanspruch getroffen hat.

Eine Teilverweisung der Klage, soweit als Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Forderung ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommt, an das zuständige Zivilgericht ist nicht möglich (vgl. BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 63/10 B – SozR 4-1500 § 153 Nr. 11 = juris, jeweils Rdnr. 23, m. w. N.; BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 437/12 B – juris Rdnr. 10, m. w. N.; BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 – B 13 R 454/12 B – juris Rdnr. 21, m. w. N.; BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – B 14 AS 8/14 B – juris Rdnr. 5, m. w. N.). Denn eine Rechtswegverweisung ist nur wegen eines Anspruches, nicht aber wegen einer bloßen Anspruchsgrundlage, möglich.

Rechtsnachteile entstehen dem Kläger durch die Unzulässigkeit der Teilverweisung nicht. Denn das Bundessozialgericht hat in der zitierten Rechtsprechung (vgl. BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2010, a. a. O., Rdnr. 24; BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012, a. a. O., juris Rdnr. 11) auch ausgeführt, dass der Regelung in § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG zu entnehmen ist, dass auch eine Klageerhebung beim unzuständigen Gericht die Rechtshängigkeit mit den dazugehörigen Wirkungen, zum Beispiel der Verjährungshemmung (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) eintreten lässt, und dass dies ebenso für eine vor dem Sozialgericht erhobene Amtshaftungsklage dann gilt, wenn die Klage daneben auf weitere materielle Ansprüche gestützt wird (vgl. § 213 BGB).

Soweit der Kläger zukünftig Amtshaftungsansprüche geltend machen sollte, obliegt die Entscheidung somit dem gesetzlichen Richter (vgl. Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG), mithin dem instanziell (vgl. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG) und örtliche zuständigen Landgericht (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012, a. a. O., m. w. N.).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung bleibt unberührt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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