S 4 KR 109/18 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 KR 109/18 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 554/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, für die häusliche Krankenpflege ihrer Versicherten C., D., E., F. und G. im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 30. April 2018 vorläufig eine Vergütung in Höhe von 366.451 EUR an die Antragstellerin zu zahlen.

2. Zu einer Auszahlung von mehr als 50 % des Zahlbetrages gem. Nr. 1 ist die Antragsgegnerin lediglich Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung der Antragstellerin gem. § 108 Abs. 1 ZPO in Höhe von mindestens 50 % des Zahlbetrags gemäß Nr. 1 verpflichtet.

3. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 60 %, die Antragsgegnerin 40 %.

4. Der Streitwert wird auf 306.863,05 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Antragstellerin auf vorläufige Vergütung von Pflegeleistungen für Versicherte der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin erbringt mit ihren Beschäftigten Leistungen der häuslichen Krankenpflege für verschiedene Krankenversicherungen, darunter auch für die Antragsgegnerin. Diesbezüglich ist sie dem Rahmenvertrag zwischen dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. und den Krankenversicherungen über häusliche Krankenpflege gemäß § 132a Abs. 2 SGB V vom 1. Mai 2006 (im Folgenden nur: Rahmenvertrag) in Hessen beigetreten. Eine darüber hinausgehende (ergänzende) Einzelvereinbarung zwischen den Beteiligten über die Erbringung intensivmedizinischer Krankenpflege ist trotz mehrerer Verhandlungsphasen bisher nicht zustande gekommen - und zwar auch nicht, anders als mit verschiedenen anderen Krankenversicherungen, in Form einer Zwischenvereinbarung.

Gleichwohl erbrachte die Antragstellerin intensivmedizinische Pflegeleistungen über in der Regel 24 Stunden täglich für sieben Versicherte der Beklagten, nämlich für C. C., F. F., J. J., D. D., H. H., G. G. und E. E. Für sämtliche dieser Versicherten lagen und liegen ärztliche Verordnungen für die häusliche Krankenpflege vor und die Antragstellerin hat keine Leistungen außerhalb des Zeitraums ärztlicher Verordnung erbracht. Bis auf die Herren C. und F. sind die fünf übrigen Versicherten zwischenzeitlich verstorben.

Diese Leistungen stellte die Antragstellerin der Antragsgegnerin monatsweise für die vorbezeichneten Versicherten in Rechnung und zwar mit folgenden versichertenbezogenen Gesamtsummen im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 30. April 2018:
C. 231.402,31 EUR
F. 481.185,00 EUR
J. 22.017,47 EUR
D. 163.722,12 EUR
H. 172.388,65 EUR
G. 134.006,00 EUR
E. 23.517,38 EUR
1.228.238,93 EUR

Diese Gesamtsumme beruht auf der Zugrundelegung eines Vergütungssatzes pro Stunde von 43,35 EUR und bezüglich der drei letzten Rechnungen betreffend den Versicherten G. von 43,55 EUR. Rechnerisch ergeben sich damit Leistungen der Antragstellerin im Umfang von ca. 28.326 Stunden. Wegen der Einzelsummen und den Abrechnungszeiträumen wird auf die Aufstellung in der Antragsschrift vom 18. Mai 2018 verwiesen.

Die Beträge wurden von der Antragstellerin unterschiedlich geltend gemacht. Einerseits stellte sie die Beträge unmittelbar der Antragstellerin in Rechnung und zwar wie folgt:
C. (alle Rechnungen) 231.402,31 EUR
F. (Leistungen für April 2018) 25.533,15 EUR
D. (alle Rechnungen) 163.722,12 EUR
G. (Leistungen April bis Juni 2017) 68.504,15 EUR
E. (alle Rechnungen) 23.517,38 EUR
512.679,11 EUR

In der Erwartung, dass die Antragsgegnerin an ihrer Praxis einer Zahlungsverweigerung festhalten würde, stellte die Antragstellerin andererseits ihre Leistungen unmittelbar den Versicherten in Rechnung, damit diese auf dem Weg der Kostenerstattung eine Zahlungspflicht der Antragsgegnerin herbeiführen können – und zwar wie folgt:
F. (Leistungen Januar 2017 bis März 2018) 455.651,85 EUR
J. (alle Rechnungen) 22.017,47 EUR
H. (alle Rechnungen) 172.388,65 EUR
G. (Leistungen Januar bis März 2017) 65.501,85 EUR
715.559,82 EUR

Die Antragsgegnerin hat die Leistungserbringung zur Erfüllung ihrer eigenen Sachleistungverpflichtung gegenüber ihren Versicherten in Anspruch genommen, jedoch auf keine der vorbezeichneten Rechnungen irgendeine Zahlung geleistet.

Mit Antragsschriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 18. Mai 2018, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, macht die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zahlung der vorbezeichneten Rechnungsbeträge mit einer Gesamtsumme von 920.589,16 EUR insgesamt geltend. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die den Rechnungen zugrundeliegenden Leistungen sämtlich im geltend gemachten Umfang erbracht worden seien und zwar entsprechend den Regelungen des Rahmenvertrages, wobei die jeweils eingesetzten Pflegekräfte die für ihre Tätigkeit erforderliche Qualifikation besessen hätten. Die jeweilige Qualifikation sei den für die eingesetzten Pflegekräfte ausgestellten Zeugnissen zu entnehmen, die, wie bereits auch vorprozessual im Rahmen verschiedener Verhandlungsstadien angeboten, jederzeit durch die Antragsgegnerin am Verwaltungssitz der Antragstellerin oder der Antragsgegnerin eingesehen werden könnten. Zudem habe es der Antragstellerin jederzeit offen gestanden, die pflegerische Situation vor Ort bei den Versicherten in Augenschein zu nehmen. Hiervon sei jedoch kein Gebrauch gemacht worden.

Der Antragstellerin stünden die geltend gemachten Rechnungsforderungen zu. Gemäß § 5 Abs. 3 des Rahmenvertrages übernehme die Krankenkasse die ärztlich verordneten Leistungen, soweit sie von einem Pflegedienst erbracht worden seien. Das zusätzlich zum Rahmenvertrag keine Einzelvereinbarung mit der Antragsgegnerin habe geschlossen werden können, habe Letztere zu verantworten. Sie habe einen Entwurf einer solchen Einzelvereinbarung vorgelegt, der einseitig bevor teilende Regelungen zu ihren Gunsten enthalte und es der Antragstellerin unmöglich mache, die Vereinbarung zu schließen. Abweichungen vom Entwurf lehne die Antragstellerin durchweg ab. Auch eine vorläufige Einigung sei nicht zustande gekommen. Dies sei umso unverständlicher, als bis zum Ende des Jahres 2016 seitens der Antragsgegnerin ohne weiteres ein Stundensatz von 31,00 EUR an die Betriebsvorgängerin der Antragstellerin gezahlt worden sei.

Im Hinblick auf den Anordnungsgrund sei es offensichtlich, dass kein Pflegedienst oder irgendein Unternehmen über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr Leistungen erbringen könne, ohne entsprechende Vergütungen zu erhalten, die mehr als 1,2 Millionen Euro ausmachten. Die Antragstellerin sei auf die Zahlungen angewiesen, um ihren eigenen Verbindlichkeiten nachkommen zu können. So seien zuletzt, auch durch die Antragsgegnerin, bereits Insolvenzanträge gegen die Antragstellerin gestellt worden, die nur durch erhebliche Beiträge des geschäftsführenden Gesellschafters abgewendet werden konnten. Die offenen Verbindlichkeiten der Antragstellerin machten allein mehr als ihren durchschnittlichen Quartalsumsatz aus.

Im Hinblick auf den Umstand, dass die Antragstellerin die streitgegenständliche Vergütung der von ihr erbrachten Leistungen zum Teil unmittelbar gegenüber den Versicherten geltend gemacht habe, nicht aber gegenüber der Antragsgegnerin hat, die Antragstellerin unter dem 2. Juli 2018 ein selbstständiges Garantieversprechen dahingehend abgegeben, "dass sie im Falle der Zahlung durch die Antragsgegnerin für die von der Antragstellerin unstreitig ordnungsgemäß erbrachten Leistungen, die auch gegenüber dem Versicherten abgerechnet wurden (um auf diesen Weg eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V erreichen zu können) und der Antragsgegnerin einschließlich aller für die ordnungsgemäße Rechnungstellung erforderlichen Unterlagen vorliegen, unverzüglich eine Gutschrift in entsprechender Höhe an die Versicherten" erteilen werde.

Die Antragstellerin beantragt
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an die Antragstellerin eine vorläufige Vergütung für erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege für die Versicherten der Antragsgegnerin C., F., J., H., E., G. und D. in Höhe von mindestens 920.589,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus einem Betrag in Höhe von 8.190,00 EUR seit dem 01.04.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 12.090,00 EUR seit dem 15.05.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 10.920,00 EUR seit dem 12.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 12.090,00 EUR seit dem 11.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 11.700,00 EUR seit dem 11.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 12.090,00 EUR seit dem 09.08.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 12.090.00 EUR seit dem 15.09.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 11.505,00 EUR seit dem 18.10.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 11.310,00 EUR seit dem 10.01.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 11.700,00 EUR seit dem 20.12.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 12.090,00 EUR seit dem 17.01.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 11.895,00 EUR seit dem 16.02.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 12.398,75 EUR seit dem 17.03.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 11.716,25 EUR seit dem 19.04.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 11.700,00 EUR seit Rechtshängigkeit,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.03.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 21.840,00 EUR seit dem 15.04.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.05.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 10.367,50 EUR seit dem 15.06.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 23.400,00 EUR seit dem 15.08.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.09.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 23.920,00 EUR seit dem 15.10.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 23.400,00 EUR seit dem 15.11.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.12.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 23.400,00 EUR seit dem 15.01.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.02.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.03.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 21.840,00 EUR seit dem 15.04.2010,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.05.2018,
aus einem Betrag in Höhe von 19.142,50 EUR seit Rechtshängigkeit,
aus einem Betrag in Höhe von 4.923,75 0 seit dem 15.03.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 4.875,00 EUR seit dem 15.04.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 6.708,00 EUR seit dem 15.05.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 13.04.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 21.840,00 EUR seit dem 24.10.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 11.04.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 23.400,00 EUR seit dem 12.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 21.003,13 EUR seit dem 11.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 8.141,25 EUR seit dem 11.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 24.180,00 EUR seit dem 15.03.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 21.840,00 EUR seit dem 15.04.2017,
aus einem Betrag in Hölle von 24.180,00 EUR seit dem 15.05.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 23.243,03 EUR seit dem 15.06.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 10.140,00 EUR seit dem 15.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 16.493,75 EUR seit dem 15.08.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 9.165,00 EUR seit dem 15.11.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 5.135,00 EUR seit dem 15.04.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 21.840,00 EUR seit dem 15.04.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 22.132,50 EUR seit dem 15.05.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 23.400,00 EUR seit dem 12.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 22.132,50 EUR seit dem 11.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 5.590,00 EUR seit dem 11.07.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 6.532,50 EUR seit dem 01.05.2017,
aus einem Betrag in Höhe von 11.098,75 EUR seit dem 13.05.2017,
zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

Sie hält den vorliegenden Antrag grundsätzlich für unzulässig, da er im Erfolgsfalle die endgültige Entscheidung in unzulässiger Weise vorwegnehmen würde. Im Übrigen fehle der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch, der nur dann gegeben sei, wenn der zu sichernde Anspruch der Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zustehe. Dies sei nicht der Fall. In der Vergangenheit sei der Geschäftsführer der Antragstellerin in gleicher Funktion bei dem Pflegedienst K. A-Stadt tätig gewesen, der die hier betroffenen Versicherten F., J., D. und H. bereits betreut habe; dieses Unternehmen habe seine Tätigkeit zum 31. Dezember 2016 eingestellt, Worüber die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 27. Dezember 2016 informiert worden sei; gleichzeitig sei mitgeteilt worden, dass die Versicherten nunmehr von der Antragstellerin betreut würden. Für die Vergütung der von der Antragstellerin als erbracht beschriebenen Leistungen habe es einer Einzelvereinbarung bedurft, wie sich aus Anlage 2i des Rahmenvertrags ergebe. Eine solche Einzelvereinbarung sei jedoch nicht zustande gekommen. Gemäß Nr. 24 der Anlage 2i gälten im Gegensatz zu anderen Maßnahmen der Häuslichen Krankenpflege für diese Art der Leistungen besondere Regeln. Insbesondere seien hinsichtlich der Qualifikation und der Vergütungshöhe für jeden individuellen Leistungsfall eine Einzelvereinbarungen abzuschließen. Richtig sei, dass verschiedene Verhandlungen über eine solche Einzelvereinbarung geführt worden seien, die Antragstellerin sei jedoch nicht bereit gewesen, ausreichende Unterlagen vorzulegen, die eine Prüfung der Grundlagen der von ihr geforderten Vergütung ermöglicht hätten.

Zudem sei der Geschäftsführer der Antragstellerin darauf hingewiesen worden, dass es ihm offenstehe, eine Schiedsperson gemäß § 132a Abs. 4 S. 7f. SGB V anzurufen, wovon dieser jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. Auch habe nicht die Möglichkeit bestanden, in der Vergangenheit die Leistungen der Antragstellerin zu prüfen, da sich die Antragstellerin nach wie vor weigere, die personalisierte Qualifikationsnachweise für das eingesetzte Pflegepersonal zur Verfügung zu stellen.

Auch fehle der Antragstellerin der notwendige Anordnungsgrund, da eine Eilbedürftigkeit von Zahlungen für die Vergangenheit regelmäßig nicht vorliege.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

1. Der Antrag ist zulässig, im steht auch nicht der Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Durch die lediglich vorläufig tenorierte Zahlungspflicht, verbunden mit der Zug um Zug zu erbringenden Sicherheitsleistung, ist gewährleistet, dass keine endgültige Vergütungsleistung durch die Antragsgegnerin erfolgen wird.

2. Der Antrag ist auch im tenorierten Umfang begründet.

a) Die streitgegenständlichen Vergütungsansprüche der Antragstellerin bezüglich der für die Versicherten C., D. und E. insgesamt sowie für den Versicherten F. für April 2018 und G. für den Zeitraum April bis Juni 2017 ergeben sich aus § 132a SGB V in Verbindung mit § 5 Abs. 3 des Rahmenvertrages. Es ist zwischen den Beteiligten in keiner Weise umstritten, dass die von der Antragstellerin erbrachten Leistungen – ungeachtet des Einwands der Antragsgegnerin, dass die Qualitätsanforderungen an die erbrachten Leistungen letztlich bisher nicht geprüft werden konnten – als solche zunächst einmal erbracht worden sind und auch medizinisch notwendig waren. Ebenso hat die Antragstellerin die entsprechenden ärztlichen Verordnungen vorgelegt, die im Übrigen von der Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellt worden sind oder deren Genehmigung von ihr infrage gestellt worden wären. Gleichzeitig obliegt die Auswahl des Pflegedienstes den jeweiligen Versicherten, so dass es auch nicht darauf ankommt, ob die Antragsgegnerin gerade die Antragstellerin als leistungserbringenden Pflegedienst befürwortet.

b) Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass zwischen den Beteiligten bezüglich der intensivmedizinischen Pflegeleistungen nicht vorab eine Einzelvereinbarung bezüglich der hier streitgegenständlichen Versicherten abgeschlossen worden ist. Allerdings ist der Antragsgegnerin zunächst zuzugeben, dass ausweislich der Anlage 2i zu §§ 23 Abs. 3, 42 Abs. 1 des Rahmenvertrages gemäß dessen Nr. 24 sowohl die Qualifikation des einzusetzenden Pflegepersonals wie auch die Vergütung den Regelungen eine Einzelvereinbarung vorbehalten sein sollen. Eine solche Vereinbarung ist zwischen den Beteiligten jedoch nicht zustande gekommen. Allerdings vermag dies den Vergütungsanspruch der Antragstellerin als solchen nicht generell auszuschließen.

Soweit sich die Antragsgegnerin für ihre Auffassung zunächst auf das Urteil des BSG vom vom 20. April 2016 (B 3 KR 18/15 R, juris) stützt, überzeugt dies zunächst schon deshalb nicht, weil diese Entscheidung sowohl zu einer anderen Rechtslage ergangen ist als auch zu einer anderen tatsächlichen Situation. Insbesondere fehlte es in dem vom BSG entschiedenen Fall an einer Rahmenvereinbarung, wie sie für Hessen vorliegt und die die Beteiligten bindet. Die Rechtsgrundlosigkeit einer Vergütungsforderung, die das BSG daher zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, ist im hier streitgegenständlichen Fall so nicht gegeben.

Allerdings hat das BSG sodann (juris Rn. 24 ff.) ausgeführt:

"Ohne vertragliche Regelung wird - soweit diese Leistung vom Vertragsarzt verordnet wird und medizinisch erforderlich ist - eine Einzelvereinbarung abgeschlossen, in der sich die Höhe der Vergütung nach den im konkreten Einzelfall erforderlichen medizinischen (und ggf. pflegerischen) Leistungen richtet. Dies basiert darauf, dass bei dieser Leistung der Aufwand und die Anforderungen an die Leistungserbringung je nach Einzelfall ganz unterschiedlich sein können. Vielfach trägt auch die Pflegekasse oder der Versicherte selbst oder ein anderer Träger einen Teil der Kosten; diese sind dann an der Vereinbarung zu beteiligen. Gerade im Bereich dieser besonders zeitaufwendigen und damit teuren Leistung der häuslichen Krankenpflege können sich daher auch solche Leistungserbringer, die mit der Krankenkasse ihres Patienten einen gültigen Versorgungs- und Vergütungsvertrag geschlossen haben, nicht darauf verlassen, dass die allein aufgrund der ärztlichen Verordnung erbrachte Leistung ohne Weiteres vergütet wird, wenn sich in dem Vergütungsvertrag keine Regelung zu dieser Leistung findet. Es sind dann vor der Leistungserbringung Absprachen mit der Krankenkasse erforderlich.

Die Vertragspartner dieser Verträge halten die Nichteinigung in Bezug auf eine generelle Vergütung für die spezielle Krankenbeobachtung für 24 Stunden täglich offenbar für sachgerecht, sonst könnten sie nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V den Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson festlegen lassen.

Gerade im Bereich der häuslichen Krankenpflege für 24 Stunden täglich kann daher eine Leistung nur dann dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen, wenn sie auf einer konkreten Vergütungsvereinbarung beruht. Das wird nicht nur an der Komplexität der Leistung deutlich, sondern auch daran, dass bei nachträglicher Festsetzung einer angemessenen Vergütung unklar bleibt, ob diese an den üblichen Verträgen der Klägerin oder der Beklagten oder der Ortskrankenkasse am Wohnsitz des Versicherten zu bemessen ist."

Der Senat leitet hier aus der Besonderheit der 24-Stunden-Pflege die zwingende Notwendigkeit einer Vergütungsvereinbarung ab, die dazu führen soll, dass ein Leistungserbringer dann keinen (zwingenden) Anspruch auf Vergütung hat, wenn sich in einem entsprechenden Vertrag keine diesbezügliche Regelung findet. Dies spricht zunächst dafür, dass aus dem Rahmenvertrag selbst, anders als die Antragstellerin meint, kein Vergütungsanspruch abgeleitet werden kann, weil dieser gerade für die 24-Stunden-Pflege in Anlage 2i ausdrücklich keine Vergütungsregelung vorsieht, sondern sie von einer Einzelvereinbarung abhängig macht. Freilich erwägt das Gericht auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, lehnt dies für den ihm vorliegenden Fall aber auch insoweit ab, als der Leistungserbringer gegebenenfalls einen Anspruch auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages gehabt hätte. Ein solcher Anspruch habe nicht bestehen können, bevor "nicht die Sach- und Rechtslage – insbesondere die medizinische Notwendigkeit der Versorgung des Versicherten mit häuslicher Krankenpflege – abschließend geklärt" gewesen sei. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben, da Zweifel an der Notwendigkeit der Verordnung der entsprechend erbrachten Leistungen zu Gunsten der Versicherten nicht bestehen.

Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer sich nicht der Auffassung anzuschließen, dass für die hier streitgegenständlichen Versicherten ausnahmslos nur dann eine Vergütung seitens der Antragstellerin verlangt werden könnte, wenn eine solche Einzelvereinbarung (vorab) konkret für jeden Versicherten geschlossen worden wäre. Das von der Antragsgegnerin mit einer solchen Einzelvereinbarung verfolgte Ziel, die Qualität der klägerischen Leistung sicherzustellen, ist als solches im Interesse der Versicherten natürlich ohne Weiteres berechtigt. Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob diese Qualitätssicherungsvereinbarungen – und eine weitere Einzelvereinbarung über die Vergütung, die natürlich in Abhängigkeit der jeweiligen Qualitätsanforderungen und dem daraus folgenden Personaleinsatz zu bestimmen wäre – für einen Vergütungsanspruch konstitutiv sind. Dies eröffnete den Kostenträgern grundsätzlich die Möglichkeit, einseitig Vorgaben an die Leistungserbringer zu machen, denen diese sich nicht entziehen können. Dies belegt plastisch auch der vorliegende Fall, in dem die Antragsgegnerin in keiner Weise bereit ist, von ihren Forderungen abzurücken. Sie nimmt daher sehenden Auges die Leistungen der Antragstellerin in Anspruch, um den Sachleistungsansprüchen zu genügen, die sie an sich selbst gegenüber ihren Versicherten zu erfüllen hat.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin auf dem Abschluss einer Einzelvereinbarung nur unter den Bedingungen besteht, die sie neuerdings den Leistungserbringern zu stellen pflegt. Ihr genügt die Zustimmung zu einer Vereinbarung nicht, die zu den Bedingungen erfolgt, die sie in früheren Zeiten ihren Vertragspartnern stellte und zu deren Abschluss die Antragstellerin aufgrund ihrer ausdrücklichen Erklärung im Erörterungstermin vom 19. Juni 2018 jederzeit bereit wäre. Insbesondere soweit die Antragsgegnerin über die Vorlagen als solche hinaus die Überlassung der Qualifikationsnachweise des von der Antragstellerin eingesetzten Pflegepersonals verlangen will und den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung hiervon abhängig macht, spricht vieles dafür, dass dies mit den Grundsätzen von Treu und Glauben aus § 242 BGB, die über § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V auch auf die Beziehungen zwischen den Beteiligten anzuwenden sind, nicht vereinbar sein. Denn unabhängig davon, welche Anforderungen die Anlage 2i zum Rahmenvertrag für die 24-Stunden-Intensivpflege enthält, ist nicht erkennbar, dass sie über die Nachweispflicht gemäß § 23 Abs. 5 des Rahmenvertrages hinaus weitergehende Dokumentation oder Belegpflichten enthalten müsste.

Nach alledem ist die Kammer der Auffassung, dass das Fehlen einer Einzelvereinbarung im vorliegenden Fall einen Vergütungsanspruch der Antragstellerin nicht grundsätzlich entgegengehalten werden kann. Soweit die Antragsgegnerin geltend machen, dass gegebenenfalls die Qualifikation des eingesetzten Pflegepersonals der Antragstellerin nicht den Anforderungen an die Pflege der streitgegenständlichen Versicherten genügt habe, so wird dies im Rahmen des Hauptsacheverfahrens selbstverständlich aufzuklären und gegebenenfalls nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu entscheiden sein.

Insoweit hat jedoch die Antragsgegnerin weder vorgetragen, selbst konkretisierte Zweifel an der Qualifikation des eingesetzten Personals zu haben, noch hat sie dargetan, dass die Versicherten selbst oder ihre Angehörigen solche Zweifel formuliert hätten. Im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruchs für eine einstweilige Anordnung liegt daher nach Auffassung der Kammer die hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine genügende Qualifikation des Pflegepersonals und damit letztlich auch eines Anspruchs auf Vergütung seitens der Antragstellerin vor.

Soweit das BSG in der vorbezeichneten Entscheidung vom 20. April 2016 Unsicherheiten über die Höhe der Vergütung als Ausschlussgrund für einen Vergütungsanspruch überhaupt heranzieht, folgt dem die Kammer nicht. Es gehört zum Alltag gerichtlicher Aufklärung, auch jenseits der Vergütung von Leistungserbringern im Gesundheitswesen, die Angemessenheit einer Vergütung und die hierfür entscheiden Parameter zu ermitteln, gegebenenfalls durch Hinzuziehung von Sachverständigen. Warum Unsicherheiten im Hinblick auf eine Vergütung der Höhe nach zugleich derartig "durchschlagend" sein sollen, dass sie den Anspruch auch dem Grunde nach infrage stellen oder gar vernichten, erschließt sich in keiner Weise. Vielmehr bestehen keinerlei Bedenken, dass die Frage der korrekten Höhe der Vergütung auch im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geklärt werden kann.

c) Hat somit die Antragstellerin dem Grunde nach Anspruch auf die Vergütung, bleibt die Frage der Höhe zu klären. Im Rahmen der hier nur vorläufigen Entscheidung legt die Kammer auf der Basis der Erkenntnisse aus dem Erörterungstermin vom 19. Juni 2018 einen Stundensatz von 31,00 EUR; dabei orientiert sie sich an derjenigen Vergütungshöhe, die die Antragsgegnerin bis zum Ende des Jahres 2016 an den zuvor vom Geschäftsführer der Antragstellerin geführten Pflegedienst K. A-Stadt gezahlt hatte.

d) Ein Anspruch der Antragstellerin scheidet jedoch insoweit aus, als sie bisher keinen Vergütungsanspruch unmittelbar gegen die Antragsgegnerin geltend gemacht, sondern ihre Leistungen den Versicherten selbst in Rechnung gestellt hat. Denn ein solcher Anspruch besteht gerade gegen die Antragsgegnerin des vorliegenden Verfahrens dann nicht. Ihr gegenüber fehlt es schlicht an der Fälligkeit der Forderungen, so dass das selbständige Garantieversprechen, das die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten an das Gericht vom 2. Juli 2018 abgegeben hat, insoweit kein anderes Ergebnis rechtfertigen kann. Der Verzicht auf eine Forderung gegenüber einem Dritten vermag nicht die Fälligkeit der entsprechenden, bisher aber insoweit nicht in Rechnung gestellten Forderungen unmittelbar gegen die hiesige Antragsgegnerin zu begründen.

e) Folglich kann der Antragstellerin nur für folgende Leistungen eine vorläufige Vergütung zugesprochen werden:
Versicherter C. insgesamt 5.338 Stunden
Versicherter F. April 2018 589 Stunden
Versicherter D. insgesamt 3.778 Stunden
Versicherter G. April bis Juni 2017 1.573 Stunden
Versicherter E. insgesamt 543 Stunden
11.821 Stunden

Die hier zugrunde gelegte Stundenzahl ergibt sich, wenn die zuvor unter Abschnitt I. der Gründe ermittelten Gesamtrechnungsbeträge, die gegenüber der Antragsgegnerin direkt geltend gemacht worden sind, durch den insoweit von der Antragsgegnerin den Rechnungen zugrunde gelegten Stundensätze von 43,35 EUR bzw. für den Versicherten G. von 43,55 EUR teilt. Multipliziert mit dem Stundensatz von 31,00 EUR ergibt dies den tenorierten Zahlbetrag von 366.451 EUR.

f) Die Kammer sieht davon ab, der Antragstellerin auch den geltend gemachten Zinsanspruch zuzusprechen. Hierfür besteht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kein Bedürfnis.

3. Letztlich steht der Antragstellerin auch ein Antragsgrund zur Seite. Wie das LSG Berlin-Brandenburg bezüglich einer ebenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrten Vergütungszahlung eines Pflegedienstes in seinem Beschluss vom 28. Juni 2017 (L 1 KR 146/17 B ER – juris Rn. 25) ausgeführt hat, genügt es für die Bejahung eines Antragsgrundes, dass die Antragstellerin glaubhaft macht, dass sie auf die Zahlungen der Antragsgegnerin angewiesen ist, um ihre eigenen Verbindlichkeiten erfüllen zu können. Dies hat die Antragstellerin durch die Vorlage der eidestattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 16. Mai 2018 getan, in der dieser erklärt, dass das Ausstehen der streitgegenständlichen Vergütungszahlungen der Antragsgegnerin zu einer massiven Existenzgefährdung der Antragstellerin führt. Diese Existenzgefährdung wird zudem objektiv durch den Umstand belegt, dass bereits mehrere Insolvenzanträge gegen die Antragstellerin vorgelegen haben, darunter ein solcher der Antragsgegnerin. Dass die Antragstellerin vor dem Hintergrund einer Beschäftigtenzahl von ca. 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den damit offenkundig vorliegenden Personalkostenverpflichtungen keine Außenstände in Millionenhöhe ohne Auswirkungen auf ihre Liquidität verkraften kann, bedarf zudem keiner weiteren Begründung.

4. Im Rahmen ihres Ermessens (§ 938 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 86b Abs. 2 SGG) hält es die Kammer nicht zuletzt wegen des für den Antragsgrund berücksichtigten Insolvenzrisikos für geboten, die Antragstellerin zur Sicherung eines etwaigen Rückforderungsanspruchs der Antragsgegnerin zur Beibringung einer Sicherheit zumindest in Höhe von 50 % des tenorierten Zahlbetrags zu verpflichten. Daher ist die Auszahlung von mehr als 50 % der vorläufig zu leistenden Vergütung davon abhängig zu machen, dass die Antragstellerin eine entsprechende Sicherheit leistet.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG.

III.

Den Streitwert hat die Kammer aufgrund der lediglich vorläufigen Regelung nach einem Drittel der Antragsforderung bemessen.
Rechtskraft
Aus
Saved