S 8 KR 1199/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 1199/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Verfahrenskosten werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Behandlung (7.412,97 EUR) und insoweit insbesondere über die Frage, ob die Behandlung vom Versorgungsauftrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin (L-I X gGmbH) gedeckt war.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin verfügte über einen Versorgungsauftrag für das Fachgebiet ´Chirurgie´. Sie führte vom 2.9.2009 bis zum 11.9.2009 für die bei der Beklagten versicherten N C, geboren 1957, eine stationäre Behandlung durch mit bzw. zur Implantation einer Kniegelenks-Totalendoprothese bei sonstiger primärer Gonarthrose. Sie stellte der Beklagten diese Behandlung unter dem 21.9.2009 i.H.v. 7.412,97 EUR in Rechnung.

Nachdem die Beklagte diese Rechnung nicht beglich, hat sie Klage beim Sozialgericht erhoben, den die Klägerin als Rechtsnachfolgerin fortsetzt. Den Einwand der Beklagten, dass die durchgeführte Behandlung als orthopädische nicht vom Versorgungsauftrag der Rechtsvorgängerin ´Chirurgie´ umfasst gewesen sei, weist die Klägerin zurück. Maßgeblich für den Versorgungsauftrag sei das Fachgebiet, für das die Vorgängerin der Klägerin im Krankenhausplan aufgenommen gewesen sei. Da der Krankenhausplan sich hinsichtlich der Definition der Fachgebiete nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammern richte und seit der Weiterbildungsordnung 2005 das Fachgebiet Chirurgie auch die Orthopädie mit umfasse, habe sich ihr Versorgungsauftrag 2009 auch auf orthopädische Behandlungen erstreckt. Dies sei auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung des BSG zur statischen Verweisung des Landeskrankenhausplanes der Fall: Für die Feststellung des Versorgungsauftrags könne der Landeskrankenhausplan selber als rein internes Steuerungsinstrument nicht maßgeblich sein. Vielmehr sei der Inhalt des Außenwirkung entfaltenden Feststellungsbescheids über die Aufnahme in den Landeskrankenhausplan, bei ihr der Feststellungsbescheid vom 1.10.2007, maßgeblich. Mit der dortigen Festlegung des Versorgungsgebietes ´Chirurgie´ seien nicht nur chirurgische Behandlungen im engeren Sinne, sondern auch orthopädische Behandlungen mit eingeschlossen. Denn der Feststellungsbescheid vom 1.10.2007 beziehe sich auf den Landeskrankenhausplan NRW 2001 in der im Oktober 2007 geltenden Fassung, d.h. heißt auf die durch jüngere Fortschreibungen aktualisierte Fassung. Der Krankenhausplan NRW 2001 sei jedenfalls durch den im Termin der mündlichen Verhandlung vorgelegten Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 2.11.2005 fortgeschrieben worden. Zu diesem Zeitpunkt, 2.11.2005, sei bereits die für die Definition der einzelnen Fachgebiete maßgebliche Weiterbildungsordnung für Ärzte dahingehend geändert gewesen, dass das Gebiet Chirurgie anders als zuvor nunmehr auch das Fachgebiet Orthopädie mit umfasse (Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein vom 1.10.2005). Diese Änderung sei durch die mit Bescheid vom 2.11.2005 erfolgte Fortschreibung Gegenstand des Landeskrankenhausplanes geworden. Zudem bezieht sich die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens auf näher zitierte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.412,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit sowie weiterer Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz bis zur Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den geltend gemachten für Zahlungsanspruch für unbegründet. Die durchgeführte Behandlung im Jahre 2009 sei nicht vom damaligen Versorgungsauftrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin umfasst gewesen. Für die Festlegung des Versorgungsauftrags komme es nicht auf die aktuelle Fassung der Weiterbildungsordnung an. Vielmehr sei die im Jahr 2001 geltende Fassung maßgeblich gewesen, in der die Chirurgie und die Orthopädie zwei verschiedene Fachgebiete gewesen seien. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handele es sich bei der Verweisung des Landeskrankenhausplans auf die Weiterbildungsordnung um eine statische und nicht um eine dynamische Verweisung. Somit sei die Weiterbildungsordnung in der Fassung von 2001 bzw. 1995 maßgeblich gewesen. Die Implantation einer Endoprothese habe eine orthopädische Behandlung dargestellt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu, §§ 109, 39 SGB V. Kliniken können eine Vergütung für stationäre Behandlungen außerhalb von Notfallbehandlungen nur im Rahmen ihres Versorgungsauftrages erbringen und abrechnen, § 109 SGB V, § 8 KHEntgG (BSG, Urteil vom 24.1.2008 – B 3 KR 17/07 R -).

Die Klägerin verfügte im Behandlungszeitraum, im Jahr 2009, über keinen Versorgungsauftrag für die durchgeführte orthopädische Behandlung. Beim Implantieren einer Endoprothese ohne vorangegangenen Unfall – hier Behandlung einer primären Gonarthrose - handelt es sich um eine orthopädische Behandlung (BSG, Urteil vom 27.11.2014 – B 3 KR 1/13 R -).

Maßgeblich für die Feststellung des Versorgungsauftrags ist der gegenüber dem einzelnen Krankenhaus erteilte Feststellungsbescheid i.V.m. dem Landeskrankenhausplan.

Im Jahr 2009 galt noch der Landeskrankenhausplan NRW 2001, dem die Fachgebiete Chirurgie und Orthopädie ausdrücklich als zwei unterschiedliche Fachgebiete zu Grunde lagen (Chirurgie: Gefäßchirurgie, Thoraxchirurgie, Unfallchirurgie, Viszeralchirurgie; Orthopädie: Rheumatologie). Zu einer Änderung dieser Gebietseinteilung ist es entgegen dem klägerischen Standpunkt weder durch die Änderung der Weiterbildungsordnung Nordrhein zum 1.10.2005 noch der von der Klägerin geltend gemachten Fortschreibung des Landeskrankenhausplanes durch den Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 2.11.2005 gekommen.

Die Änderung der Weiterbildungsordnung Nordrhein (oder Westfalen-Lippe zum 1.4.2005) führte nicht unmittelbar zu einer Änderung der Gebietseinteilung des Landeskrankenhausplans. Insoweit verweist die Beklagte zu Recht auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das von einer so genannten statischen Verweisung ausgeht (Urteile vom 27.11.2014 – B 3 KR 1/13 R – und vom 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R -). Darüber hinaus kann nach Auffassung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Verfasser des Krankenhausplanes in unbedingter Weise und mit einer Übertragung eins zu eins an die Weiterbildungsordnungen binden wollten bzw. gebunden haben. Denn bei der Erstellung des Landeskrankenhausplanes NRW 2001 stellten die Weiterbildungsordnungen lediglich einen Orientierungsmaßstab dar ("orientieren sich an den Weiterbildungsordnungen") und wurden die Fachgebiete vielmehr darüber hinaus "gesondert festgelegt", Planungsgrundsatz 3 (Seite 30). Dementsprechend hatte der Landeskrankenhausplan auch eine eigene konkrete Liste der festgelegten Teilgebiete aufgeführt, auf die ausdrücklich im Rahmen der Planungsgrundsätze Bezug genommen wurde (Seite 32, 72). Dass es sich bei der Inbezugnahme auf die Weiterbildungsordnung lediglich um eine Orientierung handelt und keine zwingende Bindung, ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass in diesem Plan abweichend von den Weiterbildungsordnungen das Fach Geriatrie aufgenommen worden war (Punkt 3.4.6, Seite 39). Dass der Planungsausschuss sowohl im Jahr 2007 (Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin vom 1.10.2007) als auch im Jahr 2009 (Behandlungszeitraum) von zwei eigenständig geplanten Bereichen der Chirurgie und Orthopädie ausgegangen ist, ergibt sich darüber hinaus aus dem Landeskrankenhausplan 2015, indem die Verfasser ausführen: "Im Jahr 2010 standen für die stationäre Versorgung im Bereich der Chirurgie, eingerechnet sind die Kapazitäten für den bisher eigenständig geplanten Bereich der Orthopädie, 32.845 Betten zur Verfügung." (Punkt 5.2.2.1, Seite 74; Unterstreichung von der Verfasserin).

Aus diesem Grund kann auch der von der Klägerin zu Recht für maßgeblich gehaltene Feststellungsbescheid vom 1.10.2007 mit der dortigen Anlage ("Gebiete: Chirurgie, 43 Betten") nicht dahingehend ausgelegt werden, dass damit ein Versorgungsauftrag sowohl für chirurgische als auch für orthopädische Behandlungen festgelegt worden ist. Denn Inhalt dieses Bescheides ist nicht die Feststellung der Versorgungsgebiete unter Bezugnahme auf die (aktuelle) Weiterbildungsordnung, sondern die Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes NRW. Damit sind jedoch die Maßgaben des Landeskrankenhausplanes mit dem oben dargelegten Inhalt verbindlich.

Zu einer anderen Entscheidung konnte aus dem gleichen Grund auch nicht die von der Klägerin geltend gemachte Fortschreibung des Landeskrankenhausplanes durch den Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 2.11.2005 führen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass der Landeskrankenhausplan NRW 2001 die Weiterbildungsordnung – wie oben ausgeführt - nicht als verbindliches Element aufgenommen hat. Des Weiteren erscheint es auch nicht plausibel, dass der Erlass eines Feststellungsbescheides der Bezirksregierung Arnsberg gegenüber einem einzelnen Krankenhaus, der ein regionales Planungskonzept (Brustzentrum im Kreis Unna) betrifft, ohne weitergehende Regelung eine das gesamte Bundesland NRW betreffende Umstrukturierung der Abteilungen Chirurgie und Orthopädie mit einer diesbezüglich erforderlichen eigenen und weitgehenden Kalkulation – ggf. ungeprüft - zur Folge haben soll, auch wenn es sich insoweit um eine Fortschreibung des Landeskrankenhausplans handelt. Zu dieser Konsequenz würde jedoch die Argumentation der Klägerin führen.

Ob diese Entscheidung der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des OVG NRW entgegensteht, war dem Gericht nicht ausreichend ersichtlich. Einzelne Formulierungen in den zitierten Entscheidungen mögen dieses durchaus als möglich erscheinen lassen. Ob das OVG NRW bei einer Problemstellung wie im vorliegenden Fall diese Formulierungen gewählt hätte, erscheint jedoch nicht ausreichend klar und nahe liegend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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