S 1 KO 2459/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KO 2459/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine erhebliche Überschreitung des Kostenvorschusses liegt jedenfalls bei einer Überschreitung der beanspruchten Vergütung von 20% oberhalb des Kostenvorschusses vor.

Hat der gerichtliche Sachverständige auf die Überschreitung schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, nicht rechtzeitig hingewiesen, ist seine Vergütung auf die Höhe des Kostenvorschusses zu kürzen.
Die Vergütung des Antragstellers für sein im Verfahren S X R XXXX/17 erstelltes Sachverständigengutachten vom 05. Juli 2018 wird auf 1500,- EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Vergütung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach den Bestimmungen des Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetzes (JVEG) bei einer Überschreitung des vom Gericht zuvor angeforderten Kostenvorschusses umstritten.

Im Hauptsacheverfahren S X R XXXX/17 ist zwischen den dortigen Beteiligten die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung anstelle einer solchen wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit umstritten. Die Vorsitzende der X. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe ernannte den Antragsteller mit Verfügung vom 24. April 2018 auf Antrag und im Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum gerichtlichen Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung. Der Gutachtensauftrag enthält unter anderem den Hinweis, der vom Gericht angeforderte Kostenvorschuss belaufe sich auf 1500,- EUR. Erwüchsen voraussichtlich Kosten, die den angeforderten Kostenvorschuss erheblich überstiegen, müsse der Antragsteller rechtzeitig hierauf hinweisen; andernfalls könne dies zu einer Kürzung seiner Entschädigung führen.

Auf die Mitteilung des Antragstellers vom 24.05.2018 genehmigte die Vorsitzende der X. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe - ohne zuvor Rücksprache mit dem Kläger oder seinen Prozessbevollmächtigten zu halten - die Einholung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens bei der vom Antragsteller vorgeschlagenen Psychologischen Psychotherapeutin.

Für das Zusatzgutachten fielen Kosten i.H.v. 706,- EUR an, welche in voller Höhe erstattet wurden.

Mit Schreiben vom 09. Juli 2018 machte der Antragsteller für sein am 05. Juli 2018 erstelltes Gutachten im Umfang von 56 Seiten eine Vergütung von insgesamt 2639,40 EUR geltend. Dabei legte er einen Zeitaufwand von insgesamt 25 Stunden zu Grunde und beantragte eine Vergütung nach der Honorargruppe M3 zuzüglich Schreibgebühren, Kosten für das Anfertigen von Fotokopien sowie Portokosten.

Aufgrund von Einwendungen der Bezirksrevisorin beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (Schreiben vom 23.07.2018) setzte die Kostenbeamtin die Vergütung des Antragstellers auf (lediglich) 794,- EUR fest; die geltend gemachte Vergütung überschreite den Kostenvorschuss erheblich. Deshalb sei seine Vergütung auf den eingezahlten Vorschuss, abzüglich der Vergütung für das Zusatzgutachten, zu kürzen (Schreiben vom 26.07.2018).

Mit seinem am 30. Juli 2018 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat der Antragsteller die richterliche Festsetzung seiner Vergütung beantragt und hierzu vorgetragen, die geltend gemachten Kosten seien nachweislich entstanden; eine Kürzung auf ein Drittel der Summe sei nicht akzeptabel.

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 03. August 2018) und sie dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt.

Von der ihr eingeräumten Möglichkeit (Verfügung vom 06. August 2018) einer ergänzenden Stellungnahme hat die Bezirksrevisorin keinen Gebrauch gemacht.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Prozess- und Kostenakten Bezug genommen.

II.

Die Vergütung des Antragstellers für sein medizinisches Sachverständigengutachten vom 05. Juli 2018 im Verfahren S X R XXXX/17 ist gemäß §§ 4 Abs. 1 S. 1 und 8a Abs. 4 JVEG auf insgesamt 1500,- EUR festzusetzen. Dem darüber hinausgehenden Antrag steht § 8a Abs. 4 JVEG entgegen. Danach erhält der Sachverständige die Vergütung nur in Höhe des angeforderten Auslagenvorschusses, wenn die von ihm abgerechnete Vergütung diesen zur Verfügung stehenden Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Sachverständige hierauf nicht rechtzeitig im Sinne des § 407a Abs. 4 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) hingewiesen hat.

Die vom Antragsteller mit Rechnung vom 09. Juli 2018 geltend gemachte Vergütung von 2639,40 EUR, die auch in dieser Höhe plausibel ist, überschreitet allerdings den durch den Kläger des Hauptsacheverfahrens geleisteten Kostenvorschuss von 1500,- EUR erheblich. Von einer solchen erheblichen Überschreitung ist jedenfalls bei einer Überschreitung des Auslagenvorschusses von 20 % auszugehen (vgl. BT-Drucks. 17/11471 (neu), S. 260, linke Spalte; siehe hierzu auch OLG Hamm vom 04. Januar 2018 – 25 W 300/17 – und vom 24. Juli 2014 – I-24 W 220/12, 24 W 220/12 -, OLG Düsseldorf vom 23. März 2017 – I-10 W 5/17, 10 W 5/17 -, Bay. LSG vom 10. November 2016 – L 15 RF 29/16 – und vom 11. November 2015 – L 15 RF 43/15 -, OLG Oldenburg vom 24. Februar 2017 – 5 W 15/17 - und LG Neuruppin vom 28. Februar.2017 – 1 O 34/16 - (jeweils Juris); ferner Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 8a JVEG, Rn. 64). Vorliegend überschreitet die vom Antragsteller beanspruchte Vergütung den zur Verfügung stehenden Auslagenvorschuss sogar um rund 75 %. Die Vergütung des Antragstellers war deshalb nach der eindeutigen Intention des Gesetzgebers gemäß § 8a Abs. 4 JVEG "mit dem Betrag des Vorschusses zu kappen" (vgl. BT-Drucks. 17/11471 (neu), S. 260, linke Spalte). Denn der Gesetzgeber hat sich insoweit bewusst für eine durchaus jedenfalls auch pönalisierende Wirkung der Vergütungskürzung entschieden (vgl. OLG Hamm und LG Neuruppin, jeweils a.a.O.).

Der Antragsteller war auch in dem Gutachtensauftrag vom 24. April 2018 auf die Höhe des zur Verfügung stehenden Auslagenvorschusses, außerdem auf die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Kostenerhöhungsanzeige an das Gericht ausdrücklich hingewiesen worden. Da er nicht rechtzeitig auf die (hier: Ganz) erhebliche Überschreitung hingewiesen hat, hat er auch gegen seine Mitteilungspflicht § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO verstoßen. Er hat die Verletzung der Hinweispflicht auch zu vertreten (§ 8a Abs. 5 JVEG). Verschuldensmaßstab ist insoweit Vorsatz oder - was genügt - Fahrlässigkeit (vgl. BT-Drucks. 17/11471 (neu), S. 260, linke Spalte). Von einer Widerlegung des vom Gesetzgeber vermuteten Verschuldens des Vergütungsberechtigten kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn dieser keine Kenntnis von der Höhe des Auslagenvorschusses gehabt hat (vgl. Bay. LSG, a.a.O. m.w.N.). Ungeachtet der Höhe der Vergütung für das von ihm selbst erstellte Sachverständigengutachten konnte der Antragsteller jedenfalls nach Erteilung der Zustimmung der Vorsitzenden der X. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe zur Einholung eines neuropsychologische Zusatzgutachtens bereits am 25. April 2018 erkennbar nicht mehr davon ausgehen, dass der vom Kläger des Hauptsacheverfahrens eingezahlte Kostenvorschuss i.H.v. 1500,- EUR für die Erstellung beider Gutachten ausreichte.

Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 8a Abs. 4 JVEG kommt deshalb nur eine Festsetzung der Vergütung in Höhe des Auslagenvorschusses in Betracht.

Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin beim LSG Baden-Württemberg wie auch der Kostenbeamtin des Sozialgerichts Karlsruhe kann es dem Antragsteller dagegen nicht zum Nachteil gereichen, dass im Hauptsacheverfahren auf seinen Vorschlag hin ein neuropsychologische Zusatzgutachten eingeholt wurde, für das ebenfalls eine Vergütung - hier: I.H.v. 706,- EUR - angefallen ist (wobei das erkennende Gericht offen lässt, ob mangels zuvor erteilten Einverständnisses des Klägers des Hauptsacheverfahrens das Zusatzgutachten überhaupt gemäß § 109 SGG erstellt worden ist). Denn es war für die Vorsitzende der X. Kammer jedenfalls ohne weiteres erkennbar, dass dieses Zusatzgutachten nicht kostenfrei erstellt werden kann und deshalb der vom Kläger des Hauptsacheverfahrens geleistete Kostenvorschuss für die Vergütung sowohl des Zusatz- als auch des Hauptgutachtens nicht ausreichen wird. Die Vorsitzende hätte deshalb - gegebenenfalls nach Rückfrage bei dem Antragsteller - beim Kläger des Hauptsacheverfahrens bzw. über dessen Prozessbevollmächtigte einen weiteren Kostenvorschuss für die Erstellung des Zusatzgutachtens anfordern müssen. Soweit sie dies unterlassen hat, ist dies dem Antragsteller nicht dadurch anzulasten, dass von der auf den Kostenvorschuss begrenzten Vergütung für sein eigenes Gutachten noch die Aufwendungen für das Zusatzgutachten in Abzug gebracht werden.

Die Entscheidung über die Gebühren und Kosten folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
Rechtskraft
Aus
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