Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 2614/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 644/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 7. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im vorliegenden Berufungsverfahren von der Beklagten die Erstattung eines Betrags von 17.985,12 Euro; vornehmlich zu klären sind Fragen des Prozessrechts.
Der in 1951 geborene ledige Kläger leidet an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Seit Oktober 2013 ist eine Betreuung eingerichtet, die im März 2018 um den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung erweitert wurde; ein Einwilligungsvorbehalt ist nicht angeordnet. Zur Betreuerin bestellt ist die Rechtsanwältin D., deren Aufgabenkreis nunmehr Folgendes umfasst: "Vermögenssorge, insbesondere von Renten-, Versicherungs-, Sozialangelegenheiten und sonstigen Versorgungsangelegenheiten, Abschluss eines Heimvertrages und die Vertretung gegenüber Heimen, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge einschließlich der Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff" (vgl. Beschluss des Amtsgerichts - Betreuungsgericht - R. vom 28. März 2018).
Der Kläger, ein gelernter Industriekaufmann, lebte mit seiner Mutter (verstorben in 2013) bis zu deren Tod in dem in deren Alleineigentum stehenden Reiheneckhaus in der M. Straße in R.; Alleinerbe des Reihenhausanwesens wurde der Kläger. Schon Jahre vorher betrieb der Kläger seine Aufnahme in die stationäre Einrichtung "S. G.". Einen ersten Antrag stellte der Kläger bei der Beklagten im März 2005, weitere Anträge folgten am 13. Oktober 2009, 3. November 2011 und 11. September 2012; alle diese Anträge nahm er wieder zurück oder stellte sie ruhend, nachdem von der Beklagten veranlasste Ermittlungen ergeben hatten, dass eine stationäre Aufnahme nicht erforderlich sei, vielmehr tagesstrukturierende Maßnahmen, beispielweise in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen, sowie eine ambulante Betreuung im Rahmen eines Ambulant betreuten Wohnens, die geeignete Hilfe seien. Einen nochmaligen Antrag vom 28. März 2013 auf Gewährung stationärer Hilfe im S. G. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2013 ab; der Widerspruch des Klägers wurde mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 5. August 2013 zurückgewiesen.
Nach dem Tod der Mutter sprach der Kläger in einer Helferkonferenz am 20. September 2013 erneut die Aufnahme in das S. G. an; von Seiten der Beklagten wurde er darauf hingewiesen, dass das Reihenhaus im Fall der Heimunterbringung einzusetzendes Vermögen darstelle. Dennoch entschied sich der Kläger für die Aufnahme in die stationäre Einrichtung, die im November 2013 erfolgte. Das Reiheneckhaus wurde in der Folgezeit veräußert, sodass der Kläger den Aufenthalt im S. G. aus eigenen Mitteln bestreiten konnte. Die dem Kläger bis Herbst 2013 gewährten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurden wegen des vorhandenen Vermögens ebenfalls eingestellt. Zum 1. Mai 2014 verließ der Kläger die stationäre Einrichtung wieder, nachdem er mit Unterstützung seiner Betreuerin einen Wohnraum im betreuten Wohnen in der B. Straße in R. gefunden hatte. Der Kläger verfügt weiterhin über Vermögen, sodass er weder auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist noch sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen muss.
Am 18. August 2017 sprach der Kläger bei der Grundsicherungssachbearbeiterin in der Abteilung Soziale Leistungen der Beklagten vor und bat um Vorlage eines "Befundberichts" aus dem Jahr 2004. Die Sachbearbeiterin konnte den angesprochenen Bericht, bei dem es sich wohl um das seinerzeit von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im Rahmen eines Amtshilfeersuchens zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit erhobene Gutachten des in K. u. T. praktizierenden Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 11. Juni 2004 handelte, zunächst in ihren Akten nicht finden. Kopie dieses Gutachtens hatte der Kläger bereits im Februar 2005 von der BfA erhalten gehabt.
Am 30. Oktober 2017 hat der Kläger zum Sozialgericht R. (SG) Klage erhoben. Mit der Klageschrift hat er u.a. geltend gemacht: "Rückerstattung der Geldkosten von Schloß G. 1. November 2013 - 30. April 2014 (Nervenklinik R.)" und ferner: "Sozialamt verweigert mündliche und schriftliche Auskunft betreffend ärztliche Untersuchung Juni 2004 auf wessen Veranlassung diese Tätigkeit angeordnet wurde". Auf die richterliche Verfügung vom 21. Dezember 2017, gegen welchen Bescheid sich die Klage richte, hat der Kläger sodann am 3. Januar 2018 u.a. mitgeteilt, dass es ihm um "Bestellung von Medizinsachverständigen für -Gutachten zwecks Überprüfung von Arztbefundbericht [Dr. med. A. M. - Nervenarzt] Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit" und außerdem um "vollständige Rückerstattung a) Schloss G. [Kostenbeleg liegt bei] 2013 - 2014, b) Mietgeld - seit 1990 [Wohnung]" gehe. Mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Vorbringen des Klägers und den zahlreichen zu den Akten gereichten Unterlagen könne ein Klagebegehren nicht entnommen werden; die Klage sei deshalb unzulässig.
Gegen diesen dem Kläger am 9. Februar 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. Februar 2018 beim SG eine "Rechtsbeschwerde [Justizirrtum]" formuliert und ergänzend vorgebracht: "Zur Vollständigkeit fehlen noch (1) Mindestens 2 Medizin-gutachten (2) Sozial-rechtsmedizinischer Bescheid [gesunde Zigeuner [Asylanten und Ausländer] müssen nicht nach K.-T. Nervenärztliche Untersuchung". Die Betreuerin, Rechtanwältin D., hat auf die richterliche Verfügung vom 21. Februar 2018 mit Schriftsatz vom 26. Februar 2018 mitgeteilt, dass sie in den Rechtsstreit nicht eintrete. Die in der Folgezeit von dem Kläger am 24. April 2018 bevollmächtigten Rechtsanwälte Z. und S., R., haben nach Akteneinsicht mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 dargetan, dass der Kläger von der Beklagten als zuständigem Sozialhilfeträger die Erstattung der von ihm an das S. G. bezahlten Beträge von insgesamt 17.985,12 Euro begehre. Ebenfalls mit dem genannten Schriftsatz haben die Rechtsanwälte das Mandat niedergelegt und weiter mitgeteilt, dass der Kläger seine Berufung fortgeführt wissen wolle.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 7. Februar 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die für den stationären Aufenthalt im S. G. aufgewandten Beträge von insgesamt 17.985,12 Euro zu erstatten.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsätzen vom 23. April und 8. Juni 2018 geäußert. Sie hat keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. September 2018 konnte der Senat verhandeln und entscheiden, da er in der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. August 2018 (zugestellt am 13. August 2018) darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG und hierzu Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 26. Juni 2014 - B 12 KR 67/13 B - (juris Rdnr. 7); BSG, Beschluss vom 3. Juli 2017 - B 13 R 34/16 BH - (juris Rdnr. 10)).
II. Das Begehren des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Der Senat wertet das beim SG am 13. Februar 2018 eingegangene Schreiben des Klägers vom selben Tage zu dessen Gunsten als Rechtsmittel der Berufung (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), obwohl er dort den Begriff der "Rechtsbeschwerde" verwendet hat. Denn Prozesshandlungen - so auch die Einlegung eines Rechtsmittels - sind entsprechend dem in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden, wie er nach den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen verstanden werden musste, auszulegen (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 2; BSG SozR 4-1500 151 Nr. 3). Bei der Auslegung einer Prozesserklärung ist daher grundsätzlich nicht allein am Wortlaut zu haften, sondern anhand des maßgebenden objektiven Erklärungswerts zu würdigen, was der Beteiligte mit der Prozesshandlung erkennbar gemeint hat. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Kläger mit seinem Schreiben den allein statthaften Rechtsbehelf einlegen wollte. Hier lag mit dem von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG am 25. Januar 2018 zur Zustellung mittels Postzustellungsurkunde herausgegebenen Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2018 eine gerichtliche Entscheidung vor, gegen welche allein das Rechtsmittel der Berufung (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) gegeben war. Dass der Kläger eine gerichtliche Überprüfung des Gerichtsbescheids durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg als Berufungsgericht (sog. Devolutiveffekt oder Anfallswirkung) erreichen wollte, wird im Übrigen durch den von ihm im Schreiben vom 13. Januar 2018 im Klammerzusatz verwendeten Begriff des "Justizirrtums" unterstrichen.
2. Der Senat konnte über das Rechtsmittel des Klägers entscheiden, obwohl für diesen eine Betreuung (§ 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) eingerichtet ist, die u.a. den Aufgabenkreis der "Vermögenssorge", insbesondere auch von "Sozialangelegenheiten" umfasst. Denn seine Betreuerin ist nicht in den Prozess eingetreten, wozu sie nach § 1902 BGB befugt gewesen wäre, sodass die Rechtsfolge des § 71 Abs. 6 SGG i.V.m. § 53 der Zivilprozessordnung (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 10. Juli 2013 - B 5 R 185/13 B - (juris Rdnr. 3)) hier nicht eingreift; auch ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) liegt nicht vor. Ferner rechtfertigen die vorliegenden Unterlagen die Annahme einer Prozessunfähigkeit des Klägers nicht. Prozessunfähig sind gemäß § 71 Abs. 1 SGG Personen, die sich nicht durch Verträge verpflichten können, die also nicht geschäftsfähig im Sinne des § 104 BGB sind (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr. 32 (juris Rdnr. 7)). Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein Betroffener nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Es reicht nicht aus, dass der Betroffene seit längerem an geistigen oder seelischen Störungen leidet (BSG, Beschluss vom 14. August 2017 - B 12 KR 103/14 B - (juris Rdnr. 4)). Diese sehr strengen Voraussetzungen sind hier zu verneinen. Der Kläger neigt zwar auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur zu impulsiven Handlungen. Seine Urteils- und Kritikfähigkeit hat jedoch schon der Neurologe und Psychiater Dr. M. im Gutachten vom 11. Juni 2004 als unbeeinträchtigt beurteilt; er zeigte sich dort bewusstseinsklar, zu Ort, Zeit, Person und Situation orientiert, ferner ohne formale und inhaltliche Denkstörungen. Dass seine freie Willensbestimmung infolge seiner Erkrankung erheblich beeinträchtigt oder gar aufgehoben wäre, ergibt sich aus dem Gutachten gleichfalls nicht, ebenso wenig wie aus den weiteren vom Kläger zu den Akten gereichten ärztlichen Äußerungen. Dass der Kläger - trotz z.T. eigenwilliger Rechtsvorstellungen - zu überlegten Handlungen in der Lage ist, belegt schon die Tatsache, dass er sich während des berufungsgerichtlichen Verfahrens um eine Prozessvertretung durch einen Rechtsanwalt bemüht hat. Es war ihm auch möglich, dem Rechtsanwalt deutlich zu machen, was er mit der vorliegenden Berufung erreichen möchte. Die Rechtsmitteleinlegung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 7. Februar 2018, ihm zugestellt am 9. Februar 2018, hatte der Kläger im Übrigen umgehend nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung in die Wege geleitet; das Rechtsmittel ist noch am selben Tag der Abfassung der Schrift am 13. Februar 2018 beim SG eingegangen.
3. Über die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers vermag der Senat dennoch nicht sachlich zu entscheiden. Dabei ist im Rahmen des § 123 SGG zunächst wiederum zu prüfen, worauf sich das an das Gericht herangetragene Rechtsschutzbegehren des Klägers überhaupt bezieht. Dieses war unter Zugrundelegung des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers sowie seiner knappen Formulierungen in der Berufungsschrift vom 13. Februar 2018 durchaus nicht eindeutig und in erheblichem Maße auslegungsbedürftig. Allerdings haben die den Kläger im Berufungsverfahren vorübergehend als Prozessbevollmächtigte vertretenden Rechtsanwälte Z. und S. in ihrem Schriftsatz vom 25. April 2018 klargestellt, welches Begehren der Kläger gerichtlich verfolgt. Es geht ihm nun allein noch darum, von der Beklagten einen Betrag von 17.985,12 Euro "erstattet" zu erhalten, den er anscheinend für die Kosten seines Aufenthalts in der stationären Einrichtung S. G. in der Zeit von November 2013 bis April 2014 insgesamt aufgewendet hat. Ein entsprechendes Anliegen hatte der Kläger andeutungsweise bereits in der Klageschrift sowie in seinem Schreiben vom 3. Januar 2018 an das SG formuliert.
4. Der Senat ist an einer Sachentscheidung des dergestalt konkretisierten klägerischen Begehrens indessen gehindert, weil die prozessrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Das Begehren ist bereits unzulässig, weil es mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) nicht statthaft verfolgt werden kann. Denn die vom Kläger erstrebte Kostenerstattung erfordert zunächst die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens als einer in § 78 SGG normierten Klagevoraussetzung (vgl. dazu BSGE 59, 228, 229 = SozR 4100 § 134 Nr. 29). Eine derartige Verwaltungsentscheidung mit Regelungscharakter (§ 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)) liegt aber nicht vor. Deshalb mangelt es auch an der besonderen Klagevoraussetzung des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG (Klagebefugnis). Die Klagebefugnis fehlt von vornherein, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte deswegen nicht in Betracht kommt, weil mit Bezug auf das Klagebegehren eine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung nicht getroffen worden ist (vgl. BSG SozR 4-1500 § 77 Nr. 1 (Rdnr. 13); BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R - (juris Rdnr. 12)). Da über den hier prozessual erhobenen Anspruch eine Verwaltungsentscheidung im Sinne des § 31 SGB X nicht vorliegt, ist die Klage wegen Fehlens der Prozessvoraussetzungen unzulässig. Sonach ist der Senat an einer inhaltlichen Prüfung des klägerischen Begehrens gehindert.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
6. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im vorliegenden Berufungsverfahren von der Beklagten die Erstattung eines Betrags von 17.985,12 Euro; vornehmlich zu klären sind Fragen des Prozessrechts.
Der in 1951 geborene ledige Kläger leidet an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Seit Oktober 2013 ist eine Betreuung eingerichtet, die im März 2018 um den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung erweitert wurde; ein Einwilligungsvorbehalt ist nicht angeordnet. Zur Betreuerin bestellt ist die Rechtsanwältin D., deren Aufgabenkreis nunmehr Folgendes umfasst: "Vermögenssorge, insbesondere von Renten-, Versicherungs-, Sozialangelegenheiten und sonstigen Versorgungsangelegenheiten, Abschluss eines Heimvertrages und die Vertretung gegenüber Heimen, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge einschließlich der Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff" (vgl. Beschluss des Amtsgerichts - Betreuungsgericht - R. vom 28. März 2018).
Der Kläger, ein gelernter Industriekaufmann, lebte mit seiner Mutter (verstorben in 2013) bis zu deren Tod in dem in deren Alleineigentum stehenden Reiheneckhaus in der M. Straße in R.; Alleinerbe des Reihenhausanwesens wurde der Kläger. Schon Jahre vorher betrieb der Kläger seine Aufnahme in die stationäre Einrichtung "S. G.". Einen ersten Antrag stellte der Kläger bei der Beklagten im März 2005, weitere Anträge folgten am 13. Oktober 2009, 3. November 2011 und 11. September 2012; alle diese Anträge nahm er wieder zurück oder stellte sie ruhend, nachdem von der Beklagten veranlasste Ermittlungen ergeben hatten, dass eine stationäre Aufnahme nicht erforderlich sei, vielmehr tagesstrukturierende Maßnahmen, beispielweise in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen, sowie eine ambulante Betreuung im Rahmen eines Ambulant betreuten Wohnens, die geeignete Hilfe seien. Einen nochmaligen Antrag vom 28. März 2013 auf Gewährung stationärer Hilfe im S. G. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2013 ab; der Widerspruch des Klägers wurde mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 5. August 2013 zurückgewiesen.
Nach dem Tod der Mutter sprach der Kläger in einer Helferkonferenz am 20. September 2013 erneut die Aufnahme in das S. G. an; von Seiten der Beklagten wurde er darauf hingewiesen, dass das Reihenhaus im Fall der Heimunterbringung einzusetzendes Vermögen darstelle. Dennoch entschied sich der Kläger für die Aufnahme in die stationäre Einrichtung, die im November 2013 erfolgte. Das Reiheneckhaus wurde in der Folgezeit veräußert, sodass der Kläger den Aufenthalt im S. G. aus eigenen Mitteln bestreiten konnte. Die dem Kläger bis Herbst 2013 gewährten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurden wegen des vorhandenen Vermögens ebenfalls eingestellt. Zum 1. Mai 2014 verließ der Kläger die stationäre Einrichtung wieder, nachdem er mit Unterstützung seiner Betreuerin einen Wohnraum im betreuten Wohnen in der B. Straße in R. gefunden hatte. Der Kläger verfügt weiterhin über Vermögen, sodass er weder auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist noch sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen muss.
Am 18. August 2017 sprach der Kläger bei der Grundsicherungssachbearbeiterin in der Abteilung Soziale Leistungen der Beklagten vor und bat um Vorlage eines "Befundberichts" aus dem Jahr 2004. Die Sachbearbeiterin konnte den angesprochenen Bericht, bei dem es sich wohl um das seinerzeit von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im Rahmen eines Amtshilfeersuchens zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit erhobene Gutachten des in K. u. T. praktizierenden Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 11. Juni 2004 handelte, zunächst in ihren Akten nicht finden. Kopie dieses Gutachtens hatte der Kläger bereits im Februar 2005 von der BfA erhalten gehabt.
Am 30. Oktober 2017 hat der Kläger zum Sozialgericht R. (SG) Klage erhoben. Mit der Klageschrift hat er u.a. geltend gemacht: "Rückerstattung der Geldkosten von Schloß G. 1. November 2013 - 30. April 2014 (Nervenklinik R.)" und ferner: "Sozialamt verweigert mündliche und schriftliche Auskunft betreffend ärztliche Untersuchung Juni 2004 auf wessen Veranlassung diese Tätigkeit angeordnet wurde". Auf die richterliche Verfügung vom 21. Dezember 2017, gegen welchen Bescheid sich die Klage richte, hat der Kläger sodann am 3. Januar 2018 u.a. mitgeteilt, dass es ihm um "Bestellung von Medizinsachverständigen für -Gutachten zwecks Überprüfung von Arztbefundbericht [Dr. med. A. M. - Nervenarzt] Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit" und außerdem um "vollständige Rückerstattung a) Schloss G. [Kostenbeleg liegt bei] 2013 - 2014, b) Mietgeld - seit 1990 [Wohnung]" gehe. Mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Vorbringen des Klägers und den zahlreichen zu den Akten gereichten Unterlagen könne ein Klagebegehren nicht entnommen werden; die Klage sei deshalb unzulässig.
Gegen diesen dem Kläger am 9. Februar 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. Februar 2018 beim SG eine "Rechtsbeschwerde [Justizirrtum]" formuliert und ergänzend vorgebracht: "Zur Vollständigkeit fehlen noch (1) Mindestens 2 Medizin-gutachten (2) Sozial-rechtsmedizinischer Bescheid [gesunde Zigeuner [Asylanten und Ausländer] müssen nicht nach K.-T. Nervenärztliche Untersuchung". Die Betreuerin, Rechtanwältin D., hat auf die richterliche Verfügung vom 21. Februar 2018 mit Schriftsatz vom 26. Februar 2018 mitgeteilt, dass sie in den Rechtsstreit nicht eintrete. Die in der Folgezeit von dem Kläger am 24. April 2018 bevollmächtigten Rechtsanwälte Z. und S., R., haben nach Akteneinsicht mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 dargetan, dass der Kläger von der Beklagten als zuständigem Sozialhilfeträger die Erstattung der von ihm an das S. G. bezahlten Beträge von insgesamt 17.985,12 Euro begehre. Ebenfalls mit dem genannten Schriftsatz haben die Rechtsanwälte das Mandat niedergelegt und weiter mitgeteilt, dass der Kläger seine Berufung fortgeführt wissen wolle.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 7. Februar 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die für den stationären Aufenthalt im S. G. aufgewandten Beträge von insgesamt 17.985,12 Euro zu erstatten.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsätzen vom 23. April und 8. Juni 2018 geäußert. Sie hat keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. September 2018 konnte der Senat verhandeln und entscheiden, da er in der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. August 2018 (zugestellt am 13. August 2018) darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG und hierzu Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 26. Juni 2014 - B 12 KR 67/13 B - (juris Rdnr. 7); BSG, Beschluss vom 3. Juli 2017 - B 13 R 34/16 BH - (juris Rdnr. 10)).
II. Das Begehren des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Der Senat wertet das beim SG am 13. Februar 2018 eingegangene Schreiben des Klägers vom selben Tage zu dessen Gunsten als Rechtsmittel der Berufung (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), obwohl er dort den Begriff der "Rechtsbeschwerde" verwendet hat. Denn Prozesshandlungen - so auch die Einlegung eines Rechtsmittels - sind entsprechend dem in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden, wie er nach den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen verstanden werden musste, auszulegen (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 2; BSG SozR 4-1500 151 Nr. 3). Bei der Auslegung einer Prozesserklärung ist daher grundsätzlich nicht allein am Wortlaut zu haften, sondern anhand des maßgebenden objektiven Erklärungswerts zu würdigen, was der Beteiligte mit der Prozesshandlung erkennbar gemeint hat. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Kläger mit seinem Schreiben den allein statthaften Rechtsbehelf einlegen wollte. Hier lag mit dem von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG am 25. Januar 2018 zur Zustellung mittels Postzustellungsurkunde herausgegebenen Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2018 eine gerichtliche Entscheidung vor, gegen welche allein das Rechtsmittel der Berufung (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) gegeben war. Dass der Kläger eine gerichtliche Überprüfung des Gerichtsbescheids durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg als Berufungsgericht (sog. Devolutiveffekt oder Anfallswirkung) erreichen wollte, wird im Übrigen durch den von ihm im Schreiben vom 13. Januar 2018 im Klammerzusatz verwendeten Begriff des "Justizirrtums" unterstrichen.
2. Der Senat konnte über das Rechtsmittel des Klägers entscheiden, obwohl für diesen eine Betreuung (§ 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) eingerichtet ist, die u.a. den Aufgabenkreis der "Vermögenssorge", insbesondere auch von "Sozialangelegenheiten" umfasst. Denn seine Betreuerin ist nicht in den Prozess eingetreten, wozu sie nach § 1902 BGB befugt gewesen wäre, sodass die Rechtsfolge des § 71 Abs. 6 SGG i.V.m. § 53 der Zivilprozessordnung (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 10. Juli 2013 - B 5 R 185/13 B - (juris Rdnr. 3)) hier nicht eingreift; auch ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) liegt nicht vor. Ferner rechtfertigen die vorliegenden Unterlagen die Annahme einer Prozessunfähigkeit des Klägers nicht. Prozessunfähig sind gemäß § 71 Abs. 1 SGG Personen, die sich nicht durch Verträge verpflichten können, die also nicht geschäftsfähig im Sinne des § 104 BGB sind (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr. 32 (juris Rdnr. 7)). Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein Betroffener nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Es reicht nicht aus, dass der Betroffene seit längerem an geistigen oder seelischen Störungen leidet (BSG, Beschluss vom 14. August 2017 - B 12 KR 103/14 B - (juris Rdnr. 4)). Diese sehr strengen Voraussetzungen sind hier zu verneinen. Der Kläger neigt zwar auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur zu impulsiven Handlungen. Seine Urteils- und Kritikfähigkeit hat jedoch schon der Neurologe und Psychiater Dr. M. im Gutachten vom 11. Juni 2004 als unbeeinträchtigt beurteilt; er zeigte sich dort bewusstseinsklar, zu Ort, Zeit, Person und Situation orientiert, ferner ohne formale und inhaltliche Denkstörungen. Dass seine freie Willensbestimmung infolge seiner Erkrankung erheblich beeinträchtigt oder gar aufgehoben wäre, ergibt sich aus dem Gutachten gleichfalls nicht, ebenso wenig wie aus den weiteren vom Kläger zu den Akten gereichten ärztlichen Äußerungen. Dass der Kläger - trotz z.T. eigenwilliger Rechtsvorstellungen - zu überlegten Handlungen in der Lage ist, belegt schon die Tatsache, dass er sich während des berufungsgerichtlichen Verfahrens um eine Prozessvertretung durch einen Rechtsanwalt bemüht hat. Es war ihm auch möglich, dem Rechtsanwalt deutlich zu machen, was er mit der vorliegenden Berufung erreichen möchte. Die Rechtsmitteleinlegung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 7. Februar 2018, ihm zugestellt am 9. Februar 2018, hatte der Kläger im Übrigen umgehend nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung in die Wege geleitet; das Rechtsmittel ist noch am selben Tag der Abfassung der Schrift am 13. Februar 2018 beim SG eingegangen.
3. Über die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers vermag der Senat dennoch nicht sachlich zu entscheiden. Dabei ist im Rahmen des § 123 SGG zunächst wiederum zu prüfen, worauf sich das an das Gericht herangetragene Rechtsschutzbegehren des Klägers überhaupt bezieht. Dieses war unter Zugrundelegung des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers sowie seiner knappen Formulierungen in der Berufungsschrift vom 13. Februar 2018 durchaus nicht eindeutig und in erheblichem Maße auslegungsbedürftig. Allerdings haben die den Kläger im Berufungsverfahren vorübergehend als Prozessbevollmächtigte vertretenden Rechtsanwälte Z. und S. in ihrem Schriftsatz vom 25. April 2018 klargestellt, welches Begehren der Kläger gerichtlich verfolgt. Es geht ihm nun allein noch darum, von der Beklagten einen Betrag von 17.985,12 Euro "erstattet" zu erhalten, den er anscheinend für die Kosten seines Aufenthalts in der stationären Einrichtung S. G. in der Zeit von November 2013 bis April 2014 insgesamt aufgewendet hat. Ein entsprechendes Anliegen hatte der Kläger andeutungsweise bereits in der Klageschrift sowie in seinem Schreiben vom 3. Januar 2018 an das SG formuliert.
4. Der Senat ist an einer Sachentscheidung des dergestalt konkretisierten klägerischen Begehrens indessen gehindert, weil die prozessrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Das Begehren ist bereits unzulässig, weil es mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) nicht statthaft verfolgt werden kann. Denn die vom Kläger erstrebte Kostenerstattung erfordert zunächst die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens als einer in § 78 SGG normierten Klagevoraussetzung (vgl. dazu BSGE 59, 228, 229 = SozR 4100 § 134 Nr. 29). Eine derartige Verwaltungsentscheidung mit Regelungscharakter (§ 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)) liegt aber nicht vor. Deshalb mangelt es auch an der besonderen Klagevoraussetzung des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG (Klagebefugnis). Die Klagebefugnis fehlt von vornherein, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte deswegen nicht in Betracht kommt, weil mit Bezug auf das Klagebegehren eine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung nicht getroffen worden ist (vgl. BSG SozR 4-1500 § 77 Nr. 1 (Rdnr. 13); BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R - (juris Rdnr. 12)). Da über den hier prozessual erhobenen Anspruch eine Verwaltungsentscheidung im Sinne des § 31 SGB X nicht vorliegt, ist die Klage wegen Fehlens der Prozessvoraussetzungen unzulässig. Sonach ist der Senat an einer inhaltlichen Prüfung des klägerischen Begehrens gehindert.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
6. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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