L 2 R 381/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 R 249/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 381/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. August 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Der 1957 geborene Kläger hat in den Jahren 1973 bis 1976 eine Ausbildung als Rollladenbauer absolviert und erfolgreich mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. Nachfolgend war er bis 2011 als Fenster- und Rollladenbauer tätig. Seit dem 1. August 2011 ist der Kläger arbeitssuchend gemeldet. Er bezieht seit dem 1. Januar 2013 Arbeitslosengeld II.

Der Kläger stellte am 6. August 2013 Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung und gab dabei an, er halte sich seit 2011 wegen eines Bandscheibenvorfalles sowie chronischer Enddarmprobleme für erwerbsgemindert. Er könne keinerlei Arbeiten mehr verrichten.

Die Beklagte wertete diverse Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie das für das Jobcenter erstellte Gutachten des Prof. Dr. C. vom 14. März 2013 aus und veranlasste sodann die Erstellung eines Gutachtens ihres sozialmedizinischen Dienstes vom 5. Dezember 2013 (Herr D., Internist, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen). Der Gutachter stellte die Diagnosen

1. schmerzhafte Belastungsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen,
2. chronisches Analekzem,
3. Knorpelschaden der Kniescheibe und möglicher weiterer Kniebinnenschaden links,
4. angeborene Sehminderung des linken Auges,
5. medikamentös behandelter Bluthochdruck,
6. Ekzemleiden,
7. Senkspreizfuß beidseits,
8. Handgelenksverschleiß rechts,
9. Hörminderung beidseits, Tinnitus

und führte aus, aufgrund der beschriebenen Leiden sei das Leistungsvermögen eingeschränkt, nicht aber aufgehoben. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen und Gehen vollschichtig bzw. 6 Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Dabei seien die folgenden qualitativen Einschränkungen zu beachten: Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, mit der Möglichkeit, gelegentlich aufzustehen, ohne häufiges Bücken, ohne ständig wiederholende gleichförmige Bewegungen mit den Händen, ohne Einwirkung durch Lärm, ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen, ohne Anforderungen an das räumliche Sehvermögen, in wohl temperierten Räumen, ohne Nachtschicht. Darüber hinaus führte der Gutachter D. aus, soweit Prof. Dr. C. in seinem für das Jobcenter erstellten Gutachten von einem 3- bis unter 6-stündigen Leistungsvermögen ausgegangen sei, fehlten dem sogenannten Gutachten Anamnese, Befunde, Diagnosen und Epikrise, sodass dazu nicht sinnvoll Stellung genommen werden könne.

Darauf gestützt lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11. Dezember 2013 den Rentenantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, der Kläger erfülle nicht die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente. Nach der medizinischen Beurteilung könne er noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Der vor dem 2. Januar 1961 geborene Kläger erfülle auch nicht die Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der Kläger erhob Widerspruch am 9. Januar 2014, den er in der Folgezeit nicht weiter begründete.

Durch Widerspruchsbescheid vom 23. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe zwar im Zeitpunkt der Rentenantragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt, er sei jedoch weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Der Kläger könne noch 6 Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten mit Einschränkungen ausüben. Es liege auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, sodass es deswegen der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedürfe. Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht aufgrund des Widerspruches, da dieser nicht weiter begründet worden sei. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Der Kläger sei zwar nach dem von dem Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Als Facharbeiter dürfe der Kläger jedoch auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die zu der Gruppe der Facharbeiterberufe oder der Gruppe der angelernten Arbeiter gehörten. Darüber hinaus könne er auch auf Tätigkeiten der Gruppe der ungelernten Arbeiter verwiesen werden, wenn sich die Tätigkeiten aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des Betriebes oder im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders herausheben würden. Zur Abwendung von Berufsunfähigkeit sei der Kläger auf folgende Tätigkeiten verweisbar: Mitarbeiter einer Poststelle, eines Betriebes oder Behörde, Warenaufmacher/Versandfertigmacher, Pförtner. Die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes falle in den Risikobereich der Arbeitsförderung und nicht in den der gesetzlichen Rentenversicherung

Mit der am 23. Mai 2014 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und trug vor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei er vollumfänglich erwerbsgemindert. Dies ergebe sich bereits aus dem Gutachten des Jobcenters, wonach er lediglich noch leichte Arbeiten im zeitlichen Umfang von weniger als 6 Stunden täglich verrichten könne. Darüber hinaus liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, sodass die Beklagte verpflichtet sei, zumindest eine Verweisungstätigkeit zu benennen.

Demgegenüber hielt die Beklagte an ihrer ablehnenden Auffassung fest unter Hinweis auf Ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Im Rahmen der Beweiserhebung zog das Sozialgericht zunächst Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 1. Juli 2014 (Eingang), des Hautarztes Dr. F. vom 8. Juli 2014, des Chirurgen Prof. Dr. G. vom 2. Juli 2014 und des Orthopäden Dr. H. vom 9. Juli 2014 bei. Sodann gab das Sozialgericht die Erstellung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens bei Dr. J., Arzt für Orthopädie, in Auftrag. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 3. März 2015 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 26. Februar 2015 bei den Diagnosen

1. degenerative Skelettveränderungen der HWS mit wiederkehrenden HWS-und Schulter-Nacken-Beschwerden,
2. degenerative Veränderungen der LWS mit wiederkehrenden schmerzhaften Bewegungs- und Belastungsstörungen der LWS,
3. Beschwerden bei der endgradigen vorderen und seitlichen Armhebung in beiden Schultern bei Bursitis subacromialis beidseits,
4. degenerative Handgelenkveränderungen rechts mit wiederkehrenden Beschwerden,
5. Dupuytren’sche Kontraktur I. Grades 4. Hohlhandstrahl beidseits,
6. Spreizfuß und Hammerzehen, links mehr als rechts, Rezidiv eines operierten Hallux valgus links Diagnosen auf nicht orthopädischem Gebiet:
7. Sehminderung linkes Auge,
8. Tinnitus beidseits nach dreimaligen Hörsturzereignissen,
9. Hauterkrankung rechter Handrücken,
10. medikamentös behandelter Bluthochdruck

zu der sozialmedizinischen Beurteilung, dem Wirbelsäulenleiden sowie den Schulter- und Handgelenkbeschwerden beidseits komme ein erwerbsmindernder Dauereinfluss von mindestens 6-monatiger Dauer zu. Unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen sei der Kläger noch in der Lage, regelmäßig zumindest 6 Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten zu verrichten. Mittelschwere Arbeiten seien dagegen nur unter 6 Stunden arbeitstäglich zumutbar. Dies gelte für Tätigkeiten innerhalb von geschlossenen, temperierten Räumen, ohne Einfluss von Kälte, Zugluft und Nässe, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten, die die Brusthöhe nach oben überschreiten, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie ohne Arbeiten in einer mittleren oder tiefen Hocke. Dr. J. führte weiter aus, der Beurteilung des quantitativen und qualitativen Leistungsvermögens im Gutachten vom 5. Dezember 2013 (Herr D.) sei aus seiner Sicht nicht zu widersprechen. Im Übrigen sei der Kläger gesundheitlich in der Lage, von seiner Wohnung aus öffentliche Verkehrsmittel aufzusuchen und zu benutzen. Hierbei könne er Fußwegstrecken von viermal täglich mehr als 500 m innerhalb einer Zeit von jeweils 20 min zurücklegen. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe bereits vor dem 1. Februar 2013. Letztlich sei die Einholung eines Gutachtens auf anderen medizinischen Fachgebieten nicht erforderlich.

Der Kläger äußerte sich mit Schriftsätzen vom 30. März 2015 und 14. April 2015 zu dem Gutachten des Sachverständigen unter Vorlage von Bescheinigungen des Hausarztes Dr. E. vom 16. März 2015 und des Orthopäden K. vom 1. April 2015. Hierauf holte das Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. J. vom 26. Mai 2015 ein. Dieser führte aus, er sehe in den vorgelegten Bescheinigungen keine überzeugenden Befundbeschreibungen, die Anlass sein könnten, seine Stellungnahme zu den Beweisfragen zu korrigieren.

Durch Urteil vom 13. August 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nach den gesetzlichen Maßstäben nicht erwerbsgemindert. Zwar werde sein Leistungsvermögen durch Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Dem Kläger seien jedoch bei Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen mindestens 6 Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten zumutbar. Dies ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten des Dr. J., der die Befunde aufgrund körperlicher Untersuchung und ausführlicher Exploration vollständig erhoben und daraus zutreffend seine Leistungsbeurteilung gefolgert habe. Die von dem Kläger vorgelegten Atteste stünden dem nicht entgegen. So habe sich der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. E. zu dem degenerativen Wirbelsäulensyndrom fachfremd geäußert. Zu dem Attest des Dr. K. habe Dr. J. zutreffend ausgeführt, dass die von Dr. K. angesprochenen Schmerzen mit den Angaben des Klägers in Übereinstimmung stehen würden, nicht jedoch mit den Ergebnissen seiner Begutachtung. Der Sachverständige habe Inkonsistenzen erkennen können hinsichtlich der Schmerzangaben und auch hinsichtlich der Bewegungsmaße in beobachteten und unbeobachteten Situationen. Das verbliebene Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr pro Arbeitstag schließe den Anspruch auf Rente wegen teilweiser und auch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er nicht berufsunfähig sei. Entsprechend seiner zuletzt ausgeübten Beschäftigung sei der Kläger der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Die Beklagte habe ihn zutreffend auf die Tätigkeit eines Mitarbeiters einer Poststelle, eines Betriebes oder einer Behörde, eines Warenaufmacher oder eines Pförtners verwiesen. Eine Verweisung hierauf sei dem Kläger sozial und auch gesundheitlich zumutbar. Die Tätigkeiten würden mit dem im Rahmen des Klageverfahrens ermittelten Restleistungsvermögen in Übereinstimmung stehen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 23. November 2015 mittels Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil am 8. Dezember 2015 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, er sei von dem zuständigen Jobcenter aufgefordert worden, einen Antrag auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) zu stellen, da er nicht erwerbsfähig sei. Die Rechtsauffassung des Jobcenters sowie die ärztlichen Stellungnahmen vom 11. Dezember 2015 und 14. Dezember 2015 belegten, dass die Klage entgegen dem erstinstanzlich erstellten Gutachten begründet sei. Der Kläger regt an, ein erneutes orthopädisches Gutachten einzuholen. Ergänzend legt er Befundberichte des HNO-Arztes Dr. L. vom 11. Dezember 2015, seines Hausarztes Dr. E. vom 14. Dezember 2015 und des Urologen Dr. M. vom 29. Oktober 2015 vor.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. August 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. August 2013 Rente wegen Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält daran fest, dass ein Rentenanspruch des Klägers nicht bestehe, und legt auf Anforderung des Senats einen Versicherungsverlauf des Klägers vom 12. Januar 2016 vor.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes Beweis erhoben durch Beiziehung von Befundberichten des Dr. E. vom 11. Juli 2016 und des Dr. H. vom 11. Juli 2016 sowie einer gutachterlichen Stellungnahme des Versorgungsamtes Darmstadt vom 26. November 2012.

Sodann hat der Senat weiter Beweis erhoben durch Einholung einer Stellungnahme bei dem Sachverständigen Dr. J. vom 7. Oktober 2016. Dr. J. führte darin aus, sämtliche aktuell vorgelegten Berichte und Befundunterlagen würden das internistische (kardiologische, lungenfachärztliche und allgemeininternistische/allgemeinmedizinische) Fachgebiet betreffen. Hieraus sei nicht erkennbar, dass auf internistischem bzw. urologischem Gebiet Erkrankungen mit Funktionsstörungen vorlägen, welche eine gegenüber der Beurteilung im Gutachten andere quantitative Leistungsbeurteilung begründen könnten. Er halte deshalb weiterhin Ermittlungen auf anderen medizinischen Fachgebieten zur Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens nicht für erforderlich.

Darüber hinaus hat der Senat eine berufskundliche Auskunft bei der Bundesagentur für Arbeit – Regionaldirektion Hessen – vom 27. Februar 2017 zu der Frage der in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten eingeholt.

Abschließend ist den Beteiligten das Schreiben des Verbandes Großhandel, Außenhandel, Verlage und Dienstleistungen e.V. (AGH) vom 25. Januar 2011 nebst Gehalts- und Lohntarifvertrag vom 23. Oktober 2009 übersandt und hierzu mitgeteilt worden, dass diese (in einem anderen gleichgelagerten Verfahren beigezogenen) Unterlagen zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht werden.

Wegen aller weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht durch Urteil vom 13. August 2015 abgewiesen, der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2014 ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu.

Gemäß § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der für den Nachweis der sog. Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche 5-Jahres-Zeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungs- und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von 3 Jahren dann nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge (z. B. wegen eines Arbeitsunfalls) vorzeitig erfüllt ist. Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufungsfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.

Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von 5 Jahren zurückgelegt ist.

Hiervon ausgehend hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Er erfüllt zwar die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI und auch die Voraussetzung eine lückenlosen Belegung der Zeit seit dem 1. Januar 1984 im Sinne des § 241 Abs. 2 SGB VI, wie dies der von der Beklagten vorgelegte Versicherungsverlauf vom 12. Januar 2016 im Einzelnen ausweist.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil er weder teilweise noch voll erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ist. Der Kläger ist nach dem Ergebnis der im erstinstanzlichen Verfahren sowie ergänzend im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden Erkrankungen noch in der Lage, regelmäßig mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten innerhalb von geschlossenen, temperierten Räumen, ohne Einfluss von Kälte, Zugluft und Nässe, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten, die die Brusthöhe nach oben überschreiten, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie ohne Arbeiten in einer mittleren oder tiefen Hocke zu verrichten. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen Dr. J. und der im Berufungsverfahren zu den beigezogenen aktuellen Befundberichten eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen. Die Leistungsbeurteilung wird nach eingehender Befunderhebung mit nachvollziehbarer und für den Senat einleuchtender, ausführlicher Begründung aus den gestellten Diagnosen abgeleitet. So hat Dr. J. in seinem Gutachten vom 3. März 2015 im Einzelnen ausgeführt, dass die HWS-Beweglichkeit bei der Erhebung der Vorgeschichte regelrecht gewesen, die Halswirbelsäule während des Untersuchungsgangs jedoch nahezu nicht bewegt worden sei. Nervenwurzelirritationen seien klinisch-neurologisch nicht feststellbar gewesen. Die degenerativen Skelettveränderungen im unteren HWS-Bereich würden hinsichtlich ihrer Schwereausprägung dem Altersmaß nicht bzw. nicht wesentlich vorauseilen. Insgesamt ergebe sich eine geringe Einschränkung der Belastbarkeit der HWS- und Schulter-Nacken-Region. Die Druckempfindlichkeit in diesem Bereich sei diagnostisch nicht verwertbar, da sie bereits bei leichtem Fingerdruck angegeben worden sei. Die Rumpfwirbelsäule sei in ihrer Belastbarkeit gering, nicht jedoch im Vergleich zur Altersnorm höhergradig eingeschränkt. Die Schulterbeschwerden und Schulterfunktionsstörung hätten Einschränkungen für beide Arme hinsichtlich der Arbeitshöhe und der Arbeitsschwere zur Folge. So seien (lediglich) körperlich schwere oder vorwiegend schwere Arbeiten und Arbeiten, die die Brusthöhe nach oben überschreiten, nicht zumutbar. Die Handgelenksbeweglichkeit und -stabilität seien beidseits regelrecht. Ebenso unauffällig sei der Fingerbefund. Bei der klinischen Untersuchung seien die Hüft-, Knie- und Sprunggelenke regelrecht beweglich und belastbar gewesen. Soweit im Ergebnis der Sachverständige Dr. J. zu der Beurteilung gelangt ist, der Kläger sei noch in der Lage, leichte Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen zumindest 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten, ist dies für den Senat schlüssig und überzeugend. Eine andere Sicht der Dinge gebieten auch nicht die im Berufungsverfahren beigezogenen aktuellen Befundberichte der behandelnden Ärzte (Hausarzt, Internist bzw. Kardiologe/Pneumologe, Orthopäde, Urologe), die von Dr. J. ausgewertet worden sind. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Oktober 2016 hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass die Befundmitteilungen nicht geeignet sind, eine gegenüber Gutachten abweichende quantitative Leistungsbeurteilung zu begründen. Darüber hinaus hat Dr. J. an seiner Auffassung festgehalten, dass weitere Ermittlungen auf anderen medizinischen Fachgebieten zur Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens nicht erforderlich sind. Zu einer solchen Äußerung ist der Sachverständige auch als Orthopäde fachlich kompetent. Insofern ist grundsätzlich jeder Arzt in der Lage, über sein medizinisches Fachgebiet hinaus fachfremde Befunde und Diagnosen zumindest orientierend mit zu würdigen. Dementsprechend enthalten in aller Regel die gerichtlicherseits einem medizinischen Sachverständigen gestellten Beweisfragen im Rentenverfahren auch die Frage nach dem Erfordernis einer Begutachtung auf einem anderen medizinischen Fachgebiet.

Eine für den Kläger günstige Beurteilung ergibt sich im Übrigen auch nicht aus dem im Rentenantragsverfahren erstellten Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 5. Dezember 2013 (Herr D.). Der Gutachter ist Internist mit den Zusatzbezeichnungen Sozialmedizin und Rehabilitationswesen und hat neben den orthopädischen Leiden des Klägers auch alle weiteren Erkrankungen (chronisches Analekzem, Sehminderung des linken Auges, Bluthochdruck, Ekzemleiden und Hörminderung mit Tinnitus) berücksichtigt und in seine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung einbezogen. Im Ergebnis hat Herr D. den Kläger ebenfalls noch für fähig erachtet, leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Zur Hörminderung hat der Gutachter D. zudem ausgeführt, dass diese nicht durch Hörgeräte ausgeglichen sei. Bei der Untersuchung sei bei Fehlen störender Umgebungsgeräusche eine Unterhaltung in Zimmerlautstärke problemlos möglich gewesen. An den Tinnitus habe sich der Kläger gewöhnt. Aus der seit Geburt bestehenden hochgradigen Sehminderung des linken Auges hat Herr D. gefolgert, dass Arbeiten verbunden mit Anforderungen an das räumliche Sehvermögen für den Kläger nicht in Betracht kommen.

Anhaltspunkte dahingehend, dass die Gutachten des Sachverständigen Dr. J. und des Gutachters D. entscheidungserhebliche schwere Mängel aufweisen, in sich widersprüchlich sind, von unzulässigen Voraussetzungen ausgehen oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachdienlichkeit der Gutachten erwecken, sind weder von dem Kläger aufgezeigt worden noch sonst für den Senat erkennbar. In der Gesamtschau brauchte sich das Berufungsgericht – entsprechend der von Dr. J. gegebenen Empfehlung – zu weiteren Ermittlungen auf anderem medizinischen Fachgebiet nicht gedrängt zu fühlen.

Unter Berücksichtigung des nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch vorhandenen Leistungsvermögens ist der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Denn er kann noch mindestens 6 Stunden täglich unter den in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein und muss sich zur Verwertung seines Restleistungsvermögens auf sämtliche – ihm in gesundheitlicher Hinsicht (objektiv) zumutbaren – Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten, die sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müssen, grundsätzlich nicht geboten. Denn es gibt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Vielzahl von ungelernten Tätigkeiten, die nur mit leichten körperlichen Anforderungen verbunden sind. Das ist offenkundig und braucht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich nicht in jedem Einzelfall aufs Neue belegt zu werden. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass es in der Regel auch für Versicherte, deren Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist, noch Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang gibt.

Schließlich kann der Kläger auch nicht damit gehört werden, dass seine Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar ist. Denn es gibt zur Überzeugung des Gerichts auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt noch eine nennenswerte Zahl von Tätigkeiten, die er trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben kann. Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens liegen bei dem Kläger insbesondere auch keine ins Gewicht fallenden besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Insoweit bedarf es im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einer besonders eingehenden Prüfung lediglich dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus fällt (vgl. BSG, Urteile vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 u. vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79). Derart gravierende Einschränkungen liegen bei dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber gerade nicht vor, denn bei ihm besteht weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung.

Ob die für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich. Die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie der Kläger noch zumindest 6 Stunden arbeitstäglich einsatzfähig ist, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für ihn offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 10. Dezember 1976, GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76) kann bei Versicherten, die noch zumindest 6 Stunden arbeitstäglich einsatzfähig sind, grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 43 Abs. 3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer - ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn Versicherte nach ihrem Gesundheitszustand nicht dazu in der Lage sind, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn sie außerstande sind, Arbeitsplätze dieser Art von ihrer Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteile vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79 u. 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R).

Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere liegt eine rentenrechtlich bedeutsame Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers nicht vor, ebenso benötigt er keine betriebsunüblichen Pausen. Hierbei stützt sich der Senat ebenso auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. und des Gutachters D.

Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, in den vorliegenden Gutachten oder im sonstigen medizinischen Berichtswesen bislang nicht berücksichtigter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit ernsthaft ins Gewicht fallendem erwerbsmindernden Dauereinfluss, aufgrund derer eine andere Sicht der Dinge geboten erscheinen könnte, sind weder von dem Kläger aufgezeigt worden noch sonst erkennbar. Der Senat hält deshalb das Leistungsvermögen des Klägers mit den von medizinischer Seite insgesamt getroffenen Feststellungen für ausreichend aufgeklärt und weitere Begutachtungen von Amts wegen für nicht mehr geboten.

Mit dem beschriebenen Restleistungsvermögen ist der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.

Für den 1957 geborenen Kläger ergibt sich auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte, die

1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2. berufsunfähig

sind.

Berufsunfähig sind der Vorschrift des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zufolge Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst gemäß § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist der Vorschrift des § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI zufolge nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nicht berufsunfähig im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen. Wie dargelegt, kann er nämlich noch zumindest sechs Stunden täglich mit den genannten Einschränkungen einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger noch in der Lage ist, seinen bisherigen Beruf bzw. seine zuletzt verrichtete Tätigkeit weiter auszuüben, denn allein der Umstand, im bisherigen Beruf nicht mehr tätig sein zu können, führt noch nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit.

Das Gesetz räumt den Versicherten einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann ein, wenn sie ihren versicherungspflichtig ausgeübten - "bisherigen Beruf" bzw. ihre "bisherige Berufstätigkeit" nicht mehr ausüben können. Vielmehr wird von den Versicherten verlangt, dass sie - immer bezogen auf ihren bisherigen Beruf - auch einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nehmen und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer (ggf. auch) geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden geben (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1976, 5/12 RJ 132/75). Nur wer sich nicht in dieser Weise auf einen anderen, ihm subjektiv zumutbaren Beruf verweisen lassen muss, ist berufsunfähig im Sinne des Gesetzes.

"Zugemutet werden" im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI können den Versicherten alle von ihnen nach ihren gesundheitlichen Kräften und ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausführbaren, auch berufsfremden Tätigkeiten, die nach der im Gesetz angeführten positiven Kennzeichnung - Ausbildung und deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, d.h. nach ihrer Qualität - dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (vgl. hierzu: BSG, Urteile vom 25. März 1966, 5 RKn 77/64, vom 26. September 1974, 5 RJ 98/72, vom 19. Januar 1978, 4 RJ 81/77 u. vom 15. März 1978, 1/5 RJ 128/76 - ständige Rechtsprechung).

Das zur Ausfüllung dieser Grundsätze von der Rechtsprechung entwickelte sog. Mehrstufenschema unterscheidet dabei für Arbeiterberufe - als unterste Gruppe - die Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten, die mittlere Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten, schließlich die Gruppe mit dem Leitberuf der Gelernten (Facharbeiter) und darüber die zahlenmäßig kleine Gruppe mit dem Leitberuf der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. der Facharbeiter mit besonders qualifizierten Tätigkeiten. Als im Sinne von § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jeweils den Abstieg zur nächstniedrigeren Gruppe angenommen. Hiernach können z.B. Versicherte, die nach ihrem bisherigen Beruf in die Gruppe mit dem Leitberuf der Facharbeiter fallen, auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten (sonstigen Ausbildungsberufe) verwiesen werden, in aller Regel jedoch nicht ohne weiteres auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten (vgl. BSG, Urteile vom 30. März 1977, 5 RJ 98/76 u. vom 24. März 1983, 1 RA 15/82 m.w.N. - ständige Rechtsprechung). Unabhängig davon können Versicherte mit dem Leitberuf der Ungelernten auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24. März 1983 a.a.O. m.w.N. ständige Rechtsprechung). Innerhalb der – vielschichtigen und inhomogenen – Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten ist eine Abgrenzung dergestalt zu beachten, dass dem unteren Bereich alle Tätigkeiten mit einer Anlernzeit von drei bis 12 Monaten und dem oberen Bereich die Tätigkeiten mit einer Anlernzeit von über 12 bis 24 Monaten zuzuordnen sind (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93 m.w.N.). Ein Angelernter des oberen Bereichs genießt ebenfalls Berufsschutz, sodass ihm zumindest eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret zu benennen ist, sofern er im bisherigen Beruf nicht mehr tätig sein kann. Subjektiv zumutbar ist einem Angehörigen der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich zunächst eine Tätigkeit, die in der Regel der Gruppe mit dem Leitbild des Angelernten (unterer Bereich) zuzurechnen ist. Aber auch durch Qualitätsmerkmale herausgehoben ungelernte Tätigkeiten kommen in Betracht (BSG, Urteil vom 29. März 1994 a.a.O.).

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum sogenannten Mehrstufenschema und unter Berücksichtigung des Ausbildungs- und Berufsverlaufs ist dem Kläger aufgrund seiner Ausbildung und anschließenden Tätigkeit als Rollladen- und Fensterbauer ein qualifizierter Berufsschutz zuzubilligen, weil er der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen ist. Dies wird auch von der Beklagten nicht infrage gestellt, die bereits im angefochtenen Widerspruchsbescheid die Auffassung geäußert hat, der Kläger genieße Berufsschutz als Facharbeiter.

Ist der Kläger damit der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen, muss er sich im Sinne des Mehrstufenschemas nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen zur Verwertung seines Restleistungsvermögens sozial zumutbar auf all diejenigen Tätigkeiten verweisen lassen, die zu den Facharbeiterberufen und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten Dauer erfordern, wenn er dazu gesundheitlich im Stande und beruflich fähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteile vom 15. Februar 1979, 5 RJ 112/77 u. vom 17. November 1987, 5b RJ 10/87). Darüber hinaus muss sich der Kläger als Facharbeiter aber auch auf Tätigkeiten aus der Gruppe der ungelernten Arbeiter verweisen lassen, wenn sich die betreffenden Tätigkeiten aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des Betriebes und im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders herausheben. Dabei sollen diese ungelernten Tätigkeiten wegen ihrer Qualität tariflich etwa gleich hoch wie die sonstigen Ausbildungsberufe eingestuft sein (vgl. BSG, Urteile vom 1. Februar 1984, 5b RJ 80/83, vom 30. September 1987, 5b RJ 20/86 u. vom 12. September 1991, 5 RJ 34/90).

Als solche Tätigkeit kommt bei dem Kläger nach der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit – Regionaldirektion Hessen – vom 27. Februar 2017 zumindest diejenige eines Warenaufmachers und Versandfertigmachers in Betracht. Die wesentlichen Aufgaben von Warenaufmachern bzw. Versandfertigmachern umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im Einzelnen sind zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu den Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen. Für diese Tätigkeiten sind in der Regel keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich. Warenaufmacher und Versandfertigmacher können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich (beispielhafte Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik). Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein (z.B. für beidhändiges Arbeiten).

Sämtliche der bei dem Kläger zu beachtenden qualitativen Einschränkungen, vornehmlich auf orthopädischem Gebiet, sind in Ansehung der vorbeschriebenen leichten Tätigkeiten bei der Arbeitsausübung beachtet, so dass der Kläger in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung der Tätigkeit eines Warenaufmachers und Versandfertigmachers wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich in der Lage ist.

Dies gilt auch, soweit der Gutachter D. zusätzliche qualitative Einschränkungen (ohne Einwirkung durch Lärm, ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen, ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen bzw. ohne Anforderungen an das räumliche Sehvermögen) genannt hat, denn diese Einschränkungen sind mit dem beschriebenen Anforderungsprofil eines Warenaufmachers und Versandfertigmachers vereinbar.

Im Übrigen muss sich der Kläger auch subjektiv auf diese Tätigkeit verweisen lassen. Dies ergibt sich aus der dem Senat vorliegenden Tarifauskunft, die den Beteiligten übersandt und die vom Senat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist.

Wie sich aus der Auskunft des Verbandes Großhandel, Außenhandel, Verlage und Dienstleistungen Hessen e.V. (AGH) vom 25. Januar 2011 ergibt, werden Warenaufmacher und Versandfertigmacher in die Lohngruppe 2 und die verwandte Tätigkeit des Kommissionierers in die Lohngruppe 3 eingruppiert. Unter Zugrundelegung dieser Auskunft ist der Senat davon überzeugt, dass die Tätigkeit eines Warenaufmachers und Versandfertigmachers nach ihrem Wert und ihrer Bedeutung für die Tarifvertragsparteien aufgrund der Eingruppierung in den einschlägigen Lohngruppen auch einem Facharbeiter zumutbar ist (ebenso: 5. Senat des Hessischen Landessozialgerichts, Urteil vom 15. April 2011, L 5 R 331/09).

Damit sind im Hinblick auf das Vorliegen einer sowohl objektiv als auch subjektiv zumutbaren Verweisungstätigkeit die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht erfüllt.

Die Berufung war insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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