L 5 R 259/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 19 R 209/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 259/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Juni 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwenrente. Umstritten ist dabei insbesondere, ob die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) widerlegt ist, wonach zwischen der Klägerin und dem Versicherten eine sog. Versorgungsehe bestanden hat.

Die 1965 geborene Klägerin ist die Witwe des 1967 geborenen und 2011 verstorbenen D. A. (Versicherter). Im August 2008 wurde bei dem Versicherten ein fortgeschrittenes anaplastisches Schilddrüsenkarzinom festgestellt, dass im selben Monat operativ behandelt wurde. Die am 19. Oktober 2009 und 20. Juli 2010 durchgeführten Nachuntersuchungen ergaben keine Anzeichen für ein Rezidiv. Bei der weiteren Nachuntersuchung am 8. Februar 2011 klagte der Versicherte über dumpfe Schmerzen im linken Schulterblatt. Aufgrund einer am 20. Mai 2011 durchgeführten Skelettszintigrafie ergab sich der Verdacht auf Knochenmetastasen, der sich mittels Computertomografien vom 7. und 10. Juni 2011 bestätigte. Am 20. Juni 2011 meldeten die Klägerin und der Versicherte die Eheschließung bei dem Standesamt der Stadt E. an. Die Eheschließung erfolgte zwei Tage später am xx. Juni 2011 (dem 44. Geburtstag des Versicherten). An den Folgen der Krebserkrankung verstarb der Versicherte am xx. Dezember 2011.

Die Klägerin stellte am 1. März 2012 Antrag auf Gewährung von Witwenrente und legte eine ärztliche Bescheinigung der Praxis für Hämatologie und Onkologie (Dr. F.) in F-Stadt vom 9. März 2012 vor.

Durch Bescheid vom 18. Juni 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Witwenrente ab. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI, wonach kein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente bestehe, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Hier sei die Ehe mit dem Versicherten erst nach Jahren des Vorliegens der Erkrankung, für die der Versicherte eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen habe, eingegangen worden. Den vorliegenden medizinischen Unterlagen sei zu entnehmen, dass im Rahmen einer Nachuntersuchung des Versicherten am 7. Juni 2011 und damit noch vor der Eheschließung am xx. Juni 2011 ein Rezidiv der Krebserkrankung festgestellt worden sei, an dem der Versicherte am xx. Dezember 2011 verstorben sei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass eine Versorgungsehe vorliege.

Die Klägerin erhob Widerspruch am 19. Juli 2012 und machte geltend, die gesetzliche Vermutung sei hier widerlegt. Richtig sei, dass der Versicherte eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalten habe. Gerade wegen dieser Erwerbsunfähigkeit und der zunächst bestehenden Erkrankung habe er sie nicht geheiratet, weil er nicht gewollt habe, dass Bekannte und Verwandte dies als eine Form von Versorgungsehe betrachten würden. Mehrfach habe er gegenüber Freunden geäußert, dass er sie heiraten werde, wenn er seine Krankheit besiegt habe. Im Frühjahr 2011 habe der Versicherte die Diagnose erhalten, dass seine Krankheit ausgeheilt sei und er sich insoweit als gesund betrachten könne. Daraufhin sei im Frühjahr 2011 der Entschluss gefasst worden, zu heiraten und als Hochzeitstermin den Geburtstag des Verstorbenen, den xx. Juni 2011, festzulegen. Dass bei dem Versicherten kurz vor diesem Termin die Diagnose eines Rezidivs der Krebserkrankung festgestellt werden würde, habe zum Zeitpunkt des Entschlusses und der Vorbereitung und Organisation der Heirat niemand gewusst. Dies alles widerlege die Vermutung, dass es sich um eine Versorgungsehe gehandelt habe. Dem stünden auch die finanziellen Verhältnisse entgegen, denn der Versicherte habe zu Lebzeiten eine Rente in Höhe von 1.080,00 EUR erhalten, sodass – aufgrund der Unterhaltung einer eigenen Wohnung – für eine Unterstützung der Lebensgemeinschaft mit ihr nichts verblieben sei. Sie, die Klägerin, habe sowohl vor als auch während der Ehe ausschließlich von ihren eigenen Einkünften gelebt, und zwar über Jahre hinweg, ohne dass sie auf fremde Hilfe angewiesen gewesen sei. Auch nach dem Tod des Versicherten lebe sie von diesen Einkünften. Insgesamt gebe es keinen Anlass, davon auszugehen, dass die Heirat aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei.

Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der Stadt G. – Melderegisterauskunft – vom 20. September 2012 ein, wonach der Versicherte am 1. Juni 2011 aus seiner bisherigen Wohnung ausgezogen ist. Darüber hinaus holte die Beklagte eine Auskunft des Standesbeamten (Zeuge H.) der Stadt E. vom 24 September 2012 ein, wonach die Anmeldung der Eheschließung am 20. Juni 2011 und die Eheschließung selbst am xx. Juni 2011 erfolgt seien.

Sodann wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 23. April 2013 den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Vorliegen einer Versorgungsehe werde nach § 46 Abs. 2a SGB VI unterstellt, wenn der Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstorben sei. Die Unterstellung könne im Einzelfall widerlegt werden. Hier habe die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten lediglich sechs Monate gedauert, nämlich vom xx. Juni 2011 bis xx. Dezember 2011, sodass ein Rentenanspruch nur in Betracht komme, wenn die gesetzliche Vermutung widerlegt sei. Dies sei allerdings nicht der Fall. Der Auffassung der Klägerin, es sei zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht mit einem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen gewesen, könne nicht gefolgt werden. Die am 20. Mai 2011 durchgeführte Skelettszintigrafie habe einen hochgradigen Verdacht auf Knochenmetastasen ergeben. Die weitere Diagnostik vom 7. und 10. Juni 2011 habe Knochen- und Lungenmetastasen bestätigt. Eine kurative Behandlung sei bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen. Aus der Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. F. vom 30. November 2012 ergebe sich, dass mit dem Versicherten im Juni 2011 die Prognose und die Behandlungsoptionen besprochen worden seien. Insbesondere sei der Versicherte darüber aufgeklärt worden, dass es keine heilenden Behandlungsmöglichkeiten mehr gegeben habe und dass eine Lebenserwartung von mehreren Jahren nur selten möglich sei. Dr. F. habe bestätigt, dass sich der Versicherte nach seiner Einschätzung über den tödlichen Verlauf seiner Erkrankung bewusst gewesen sei. Die tödlichen Folgen der Krankheit seien bei der Eheschließung am xx. Juni 2011 absehbar gewesen, was dann auch bereits sechs Monate später so eingetroffen sei. Wenn es tatsächlich so gewesen sein sollte, dass der Versicherte die Absicht gehabt habe, mit der Klägerin die Ehe zu schließen, nachdem er seine schwere Krebserkrankung überstanden habe, so hätte die Heirat auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen können. Bereits die Nachuntersuchungen vom 19. Oktober 2009 und 20. Juli 2010 hätten keinen Hinweis auf ein Rezidiv ergeben, sodass die Eheschließung zumindest für das Jahr 2010 hätte geplant werden können. Im Übrigen könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Entschluss zur Heirat bereits im Frühjahr 2011 gefasst und mit der Vorbereitung der Organisation der Heirat begonnen worden sei. Das Standesamt E-Stadt habe bestätigt, dass die Anmeldung zur Eheschließung erst am 20. Juni 2011 und damit zwei Tage vor der Heirat erfolgt sei. Weiter sei der Versicherte erst am 1. Juni 2011 aus seiner eigenen Wohnung ausgezogen und mit der Klägerin zusammengezogen. Wenn bereits in früheren Jahren ernsthafte Heiratsabsichten bestanden hätten, so hätte der Versicherte auch schon früher in die Wohnung der Klägerin einziehen können. Von entscheidungserheblicher Bedeutung sei, dass – sofern ernsthafte Heiratsabsichten bestanden hätten – die Ehe schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte geschlossen werden können. Die Eheschließung sei aber erst erfolgt, nachdem die tödlichen Folgen der Erkrankung im Mai/Juni 2011 abzusehen gewesen seien. Damit greife die Vermutungsregelung des § 46 Abs. 2a SGB VI, die mit dem erforderlichen Nachweis nicht widerlegt worden sei. Schließlich seien auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nicht geeignet, die Annahme einer Versorgungsehe zu widerlegen. Zum einen habe ihr beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt im Jahr 2012 lediglich 1.130,00 EUR monatlich betragen. Zum anderen sei auch die Tatsache, dass Hinterbliebene durchaus in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten, für die Frage der Versorgungsehe unerheblich.

Mit der am 22. Mai 2013 vor dem Sozialgericht Gießen erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trug vor, die Annahme einer Versorgungsehe sei nicht gerechtfertigt. Der Versicherte sei bereits im August 2008 zu ihr in ihre Wohnung in E Stadt-I. gezogen und habe dort seinen Lebensmittelpunkt und mit ihr einen gemeinsamen Hausstand gehabt. Dementsprechend seien auch die Mietnebenkosten angepasst worden. Seine bisherige Wohnung habe er nur aus dem Grund aufrechterhalten, weil dort auch sein Sohn bis Januar 2011 gewohnt habe und von dort aus zu seiner Ausbildungsstelle gelangt sei. Kurz nach Gründung der Lebensgemeinschaft im August 2008 sei bei dem Versicherten ein Schilddrüsenkarzinom festgestellt worden. Trotz der verfestigten Lebensgemeinschaft habe der Versicherte geäußert, dass er erst heiraten werde, wenn er wieder gesund sei. Im Sommer 2010 habe der Versicherte von dem behandelnden Arzt Dr. F. in F-Stadt erfahren, dass es keine Hinweise auf ein Wiederauftreten der Erkrankung gebe, sodass von einer Heilung ausgegangen werden könne. Dies habe zu dem Entschluss der Eheschließung im Frühjahr 2011 geführt. Wenige Tage vor dem Hochzeitstermin sei dann von dem behandelnden Arzt Dr. F. bei einer Kontrolluntersuchung ein Rezidiv der Erkrankung diagnostiziert worden, was dann aber an den Heiratsplänen nichts mehr geändert habe. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie und der Versicherte gehofft, dass eine erfolgreiche Behandlung möglich sei oder zumindest der Krankheitsverlauf erheblich verzögert werden könne. Zum Zeitpunkt des Entschlusses zu heiraten habe keine Erkrankung vorgelegen, die ein baldiges Ableben des Versicherten als wahrscheinlich habe erscheinen lassen. Dass die Neuerkrankung wenige Tage vor dem Heiratstermin dann bekannt geworden sei, ändere hieran nichts. Der Versicherte sei im Übrigen in ihre Familie derart integriert gewesen, dass er für ihren Sohn zu einer Vaterfigur geworden sei. Im weiteren Verlauf legte die Klägerin eine Bescheinigung des Standesamtes der Gemeinde N-Stadt vom 20. August 2013 vor, wonach sie und der Versicherte am 16. Mai 2011 beim Standesamt nachgefragt hätten, ob die Standesbeamtin bevollmächtigt sei, eine Trauung in E-Stadt vorzunehmen, und welche Unterlagen sie für die Anmeldung ihrer Eheschließung benötigten.

Ergänzend zu ihren Ausführungen im Widerspruchsbescheid trug die Beklagte vor, es sei bemerkenswert, dass die Klägerin und der Versicherte im Frühjahr 2011 den Entschluss zur Eheschließung gefasst haben wollten und die Anmeldung zur Eheschließung bei dem Standesamt erst am 20. Juni 2011 – nachdem im Mai 2011 ein Rezidiv der Krebserkrankung bekannt geworden sei – erfolgt sei. Sollte tatsächlich die Eheschließung für den xx. Juni 2011, den Geburtstag des Versicherten, geplant gewesen sein, so wäre diese sicherlich viel früher angemeldet worden, allein um sichergehen zu können, dass an diesem besonderen Datum eine Heirat auch möglich gewesen wäre.

Im Rahmen der Beweiserhebung zog das Sozialgericht zunächst einen Befundbericht des Dr. F., Praxis für Hämatologie und Onkologie vom 21. Oktober 2013 nebst weiteren Berichten aufgrund Untersuchungen vom 25. Oktober 2008, 3. Februar 2009, 20. April 2009, 19. Oktober 2009, 12. Januar 2010, 6. April 2010, 20. Juli 2010, 26. Oktober 2010, 8. Februar 2011, 7. Juni 2011, 12. September 2011 und 5. November 2011 sowie einen Befundbericht des Hausarztes Dr. J. vom 25. Oktober 2013 nebst weiteren Berichten bei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2014 hat das Sozialgericht die Eltern der Klägerin, K. L. und M. L., uneidlich als Zeugen vernommen und sodann durch Urteil vom selben Tag die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2013 verurteilt, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung des D. A. zu bewilligen. Zur Begründung hat es gestützt auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes im Wesentlichen ausgeführt, die gesetzliche Vermutung sei nur dann widerlegt, wenn der Anspruchsteller unter Hinweis auf besondere Umstände den Nachweis führe, dass die Annahme einer sogenannte Versorgungsehe in seinem Fall gerade nicht gerechtfertigt erscheine. Dies könne nur bejaht werden, wenn die Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergebe, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Witwe bzw. dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen. Eine gewichtige Bedeutung komme dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Hier sei der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung mit der Klägerin lebensbedrohlich erkrankt gewesen. Dies spreche zunächst für das Vorliegen einer Versorgungsehe. Allerdings widerlegten die von der Klägerin vorgetragenen Gründe für die konkreten Umstände der Eheschließung trotzdem die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe. Bei einer Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat könne nicht die bei beiden Eheleuten bestehende Absicht belegt werden, es sei der alleinige oder überwiegende Zweck der Ehe gewesen, der Klägerin eine Witwenversorgung zu verschaffen. In der Eheschließung liege nämlich die Verwirklichung des schon vor dem Wiederauftreten der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten gefassten Heiratsentschlusses. Durch die Bescheinigung des Standesamtes N-Stadt sei nachgewiesen, dass die Klägerin und der Versicherte bereits vor Feststellung des Rezidivs die Absicht gehabt hätten zu heiraten. Eine Erkundigung zu den notwendigen Unterlagen durch beide Partner erfolge regelmäßig nur dann, wenn tatsächlich bereits eine ernsthafte Heiratsabsicht bestehe. Dass die Eltern der Klägerin über die Heiratsabsicht zwar spekuliert hätten, diese aber nicht gekannt hätten, spiele keine Rolle.

Gegen das der Beklagten am 10. Juli 2014 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 28. Juli 2014 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Die Beklagte trägt vor, das Sozialgericht habe die Aussage der Mutter der Klägerin unberücksichtigt gelassen, wonach der Verstorbene gegenüber der Zeugin bei mehreren entsprechenden Nachfragen nach einer Heiratsabsicht immer abgewunken und gesagt habe, dass er nicht heiraten wolle. Zum Zeitpunkt der Eheschließung hätten die Klägerin und der Versicherte nicht annehmen können, die Krebserkrankung sei überwunden gewesen, weil bereits ein halbes Jahr vor der Eheschließung erste Gesundheitsbeschwerden aufgetreten seien. Zum Zeitpunkt der Anfrage bei dem Standesamt N-Stadt am 16. Mai 2011 sei bereits eine Knochenszintigrafie des gesamten Skeletts erforderlich geworden. Diese Untersuchung, die zwar erst am 20. Mai 2011 stattgefunden habe, habe dann einen hochgradigen Verdacht auf Knochenmetastasen überwiegend im Becken ergeben. Zum Zeitpunkt der konkreten Anmeldung der Eheschließung am xx. Juni 2011 (mit Heirat zwei Tage später am xx. Juni 2011) seien die Eheleute bereits ausführlich über die lebensbedrohliche Situation durch Dr. F. aufgeklärt worden. Dem Sozialgericht könne auch nicht darin gefolgt werden, dass die Heiratsabsicht bereits mit der Vorsprache bei dem Standesamt N-Stadt genügend nach außen getreten sei. Ein derartiges ernsthaftes Verfolgen der Heiratsabsicht könne erst mit der Anmeldung der Eheschließung am 20. Juni 2011 angenommen werden. Die vorherige Anfrage bei dem Standesamt N-Stadt sei unverbindlich gewesen und während der bereits eingeleiteten Diagnostik erfolgt. Hierdurch sei nicht der Beweis erbracht, dass der Heiratsentschluss unabhängig von der lebensbedrohlichen Erkrankung getroffen worden sei, zumal der Versicherte nach Aussage der Zeugin L. öfter einen Heiratswunsch verneint habe. Das erstinstanzliche Gericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass der Versicherte nach den Angaben der Einwohnermeldeämter erst kurz vor der Eheschließung am 1. Juni 2011 in die Wohnung der Klägerin gezogen sei. Schließlich ergebe sich für die Klägerin, die noch ein minderjähriges Kind zu erziehen habe, durch die Witwenrente ein wirtschaftlicher Vorteil.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Juni 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Versicherte sei bereits 2008 an Krebs erkrankt, insofern hätte es nahe gelegen, wenn beabsichtigt gewesen sei, eine Hinterbliebenenversorgung mit der Heirat zu bewirken, bereits 2008 bei Erkennen der Erkrankung die Ehe zu schließen. Gerade dies sei nicht geschehen. Der behandelnde Arzt Dr. F. habe bestätigt, dass sich bis zum Sommer 2011 kein Hinweis auf ein Wiederauftreten der Erkrankung ergeben habe, sodass von einer Heilung hätte ausgegangen werden können. Erst dies habe sie und den Versicherten veranlasst, die Heirat zu beschließen und in die Tat umzusetzen. Diese innere Tatsache sei dann auch deutlich zutage getreten durch die Nachfrage bei dem Standesamt N-Stadt. Ihre Eltern hätten im Rahmen der Zeugeneinvernahme bekundet, dass sie schon davon ausgegangen seien, dass eine Heirat erfolge, sie hätten nur nicht gewusst wann. Die Beklagte lasse unberücksichtigt, dass der Versicherte mehrfach geäußert habe, er wolle erst heiraten, wenn er wieder gesund sei, gerade weil er nicht den Anschein erwecken wolle, dass er die Klägerin nur heirate, um eine Pflegerin für seine Krankheit zu haben. Zum Zeitpunkt des Heiratsentschlusses seien sie und der Versicherte davon ausgegangen, dass dieser gesund sei und seine Krebserkrankung überwunden habe. Dies ergebe sich aus den ärztlichen Unterlagen, insbesondere aus der Bestätigung des Dr. F. vom 9. März 2012. Die im Februar 2011 aufgetretenen Schulterbeschwerden änderten daran nichts. Das Ergebnis der Knochenszintigrafie sei erst durch den Befund vom 20. Mai 2011 und damit nach dem nach außen geäußerten Heiratsentschluss gemäß der Bestätigung des Standesamtes N-Stadt bekannt geworden. Mit der Anmeldung der Trauung am 20. Juni 2011 und deren Durchführung am xx. Juni 2011 sei lediglich ein bereits länger gefasster Beschluss durchgeführt worden. Weiter sei zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt des ersten Verdachts eines Rezidivs der Erkrankung keineswegs sicher gewesen sei, wie sich die Krankheit entwickeln werde. Sie und ihr verstorbener Ehemann hätten zum Zeitpunkt des Heiratsentschlusses bereits seit 2008 und damit über drei Jahre zusammen gelebt. Für ihren Sohn sei der Versicherte zur Vaterfigur geworden. Ohne das Bestehen einer dauerhaften Lebensgemeinschaft wäre dies nicht möglich gewesen. Es sei auch davon auszugehen, dass der Tod des Versicherten durch ein plötzliches und unerwartetes Ereignis eingetreten sei. Wie Dr. F. bestätigt habe, sei die Krebserkrankung ausgeheilt gewesen. Dass durch eine Witwenrente ein wirtschaftlicher Vorteil entstehe, liege in der Natur der Sache und rechtfertige für sich genommen nicht die Annahme einer Versorgungsehe. Die Klägerin legt ergänzend eine Bestätigung ihrer Eltern, der Zeugen M. L. und K. L., vor, wonach der Versicherte seit August 2008 mit ihrer Tochter in einer von ihnen vermieteten Wohnung gelebt habe. Er sei von Anfang an voll in die Familie integriert gewesen. Die Klägerin legt darüber hinaus eine Bestätigung der Frau O. vor, mit der bestätigt wird, dass sie seit Juni 2008 einen Schlüssel für die Wohnung des Versicherten gehabt habe, um nach der Post zu sehen und sporadisch auch nach dem Sohn P. (Q.?). Der Sohn habe in der Wohnung gelebt, weil er in Ausbildung gewesen sei. Der Versicherte sei zu diesem Zeitpunkt bereits zu seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau gezogen gewesen.

Der Senat hat zunächst einen Erörterungstermin vom 27. September 2016 durchgeführt und die Klägerin angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die entsprechende Niederschrift Bezug genommen.

Sodann hat der Senat Befundunterlagen des Dr. J., die Patientenakte des Dr. F. sowie einen Befundbericht des Wirbelsäulen- und Gelenkzentrums Bad Vilbel (PD Dr. R.) vom 15. November 2016 nebst weiteren Befundunterlagen beigezogen.

Abschließend hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Zeugenaussagen der Standesbeamtin S. (Standesamt der Gemeinde N-Stadt) vom 7. September 2017 und des Standesbeamten H. H. (Standesamt der Stadt E.) vom 14. September 2017.

Wegen aller weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 17. Juni 2014 kann nicht aufrechterhalten bleiben, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2013 ist unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren Beweisaufnahme nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des am xx. Dezember 2011 verstorbenen Versicherten D. A. zu.

Für Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, besteht nach dem Tode des versicherten Ehegatten bei Erfüllung der in § 46 SGB VI im Einzelnen genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen oder Witwer, deren Ehe nicht vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) allerdings keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 46 Abs. 1 oder 2 SGB VI, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Diese durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG)) vom 21. März 2001 (BGBl. I 2001, 403) eingefügte Regelung geht von der Annahme aus, dass der überlebende Ehegatte bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr in den meisten Fällen von seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Eheschließung noch keinen so großen Abstand genommen hat, dass er diese nicht nach dem Tod des anderen Ehegatten fortsetzen oder wieder aufnehmen oder sich eine selbstständige Lebensführung neu erarbeiten könnte. Es wird deshalb die (widerlegbare) gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass die Heirat bei kurzer (weniger als einjähriger) Ehedauer in erster Linie der Versorgung des überlebenden Ehegatten diente und dass somit eine sog. Versorgungsehe vorliegt.

Nachdem ähnliche Regelungen in anderen Bereichen (in der Unfallversicherung: § 65 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII); in der Kriegsopferversorgung: § 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG); in der Beamtenversorgung: § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG)) schon seit vielen Jahren bestanden, war es die Absicht des Gesetzgebers, insoweit für alle Bereiche des Sozialrechts eine einheitliche Regelung zu schaffen (vgl. BT-Drucks. 14/4595, S. 44). Dass der Ausschluss einer Hinterbliebenenrente bei Vorliegen einer sog. Versorgungsehe auch in Ansehung des durch Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierten besonderen Schutzes der Ehe verfassungsgemäß ist, ist bereits höchstrichterlich entschieden und hinreichend geklärt (vgl. BSG vom 23. September 1997, 2 BU 176/97 m.w.N.).

Die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe folgt einer typisierenden Betrachtungsweise und hat in erster Linie den Zweck, den Leistungsträger in jedem Einzelfall einer unter Umständen schwierigen Motivforschung mit aufwändigen Ermittlungen im Bereich der privaten Lebensführung und der allerpersönlichsten Intimsphäre des verstorbenen Ehegatten und des Hinterbliebenen zu entheben (vgl. BVerwGE 34, 149, 153). Da es sich um eine widerlegbare Vermutung handelt, besteht andererseits jedoch für die Anspruchsteller die Möglichkeit, unter Hinweis auf die "besonderen Umstände" den Nachweis zu führen, dass die Annahme einer sog. Versorgungsehe in ihrem Falle gerade nicht gerechtfertigt erscheint. Die Vermutung ist nur dann widerlegt, wenn die Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergibt, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe bzw. dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973, 5 RKnU 11/71). Um die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, ist gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis des Gegenteils zu erbringen. Dies ändert zwar nichts an der sich aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergebenden Amtsermittlungspflicht der Beklagten, führt im Ergebnis jedoch dazu, dass die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nach dem Grundsatz der sog. objektiven Beweislast von den Anspruchstellern zu tragen sind.

Wird geltend gemacht, dass entgegen der gesetzlichen Vermutung keine Versorgungsehe vorgelegen habe, so ist anhand aller Einzelumstände des gegebenen Falles zu prüfen, welche Gesichtspunkte für oder gegen den vom Gesetz zunächst allein im Hinblick auf die kurze Ehedauer vermuteten Versorgungszweck der Ehe sprechen. Hinsichtlich des in § 46 Abs. 2a SGB VI verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffs der "besonderen Umstände" besteht dabei für den Rentenversicherungsträger ein Beurteilungsspielraum, welcher in vollem Umfang der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 3. September 1986, 9a RV 8/84).

Anknüpfungspunkte für die Einzelfallbetrachtung sind zunächst das Lebensalter des verstorbenen Ehegatten sowie die Ursachen, die zu dessen Tod führten. Erfolgte die Eheschließung "in jungen Jahren", so spricht im Hinblick auf die statistische Lebenserwartung des Ehegatten auf den ersten Blick eher weniger für das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe, als wenn die Ehe erst in relativ hohem Lebensalter eingegangen worden ist. Handelte es sich bei der Todesursache um ein unvorhergesehenes Ereignis (z.B. Tod durch Verbrechen, Unfall bzw. nicht vorhersehbare Krankheit wie plötzlichen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Infekt), so deutet dies weniger auf den Versorgungscharakter einer Ehe hin, als wenn im Hinblick auf eine bereits länger bestehende Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem alsbaldigen Tod des Ehegatten gerechnet werden musste.

Selbst wenn einer der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung nach objektiven Maßstäben an einer schweren Erkrankung mit ungünstiger Verlaufsprognose gelitten hat, ist es zwar dennoch denkbar, dass aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände müssen in einem solchen Fall allerdings umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit bei Eheschließung war. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt der Grad des Zweifels an den zu beweisenden "besonderen Umständen" (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R).

Allgemeine Gesichtspunkte, wie sie in mehr oder weniger starker Ausprägung nahezu bei jeder Eheschließung als Motiv eine Rolle spielen können, rechtfertigen für sich genommen noch nicht die Annahme von "besonderen Umständen" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI. Um die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen, reicht es deshalb nicht aus, wenn allein der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen, das Bedürfnis, sich zum Ehepartner zu bekennen oder vergleichbare Beweggründe ausschlaggebend für die Eheschließung gewesen sind (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Januar 1972, L 8 V 202/71). Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob bei einer Gesamtschau der zur Eheschließung führenden Motive zumindest für einen der beiden Ehegatten die vom Gesetz hinsichtlich der Eheschließung widerlegbar vermutete Versorgungsabsicht erkennbar keine bzw. jedenfalls nicht die überwiegende Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973 a.a.O.).

Im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung kann dabei hinsichtlich der Auslegung, wann "besondere Umstände" gegeben sind, die eine Versorgungsehe widerlegen, weitgehend auf die zur gleichen Fragestellung in der Unfallversicherung, in der Kriegsopferversorgung und in der Beamtenversorgung entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (so auch Kamprad in Hauck/Noftz, § 46 SGB VI Rdnr. 38).

Allein der Umstand, dass Ehepartner vor der Eheschließung nach außen erkennbar über einen langen Zeitraum in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben, kann für sich genommen sowohl ein Indiz für als auch gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sein. Wenn Partner über einen viele Jahre umfassenden Zeitraum ohne Trauschein in einer funktionierenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenleben, ohne nachweisbare Vorbereitungen für eine Eheschließung zu treffen, dann kann dies nämlich bedeuten, dass sie das Zusammenleben ohne Eheschließung als Lebensform ganz bewusst gewählt haben oder zumindest für ausreichend halten. Aus diesem Blickwinkel stellt sich dann freilich die Frage, welche Motive - jenseits der vom Gesetz vermuteten Versorgungsabsicht - schließlich dafür ausschlaggebend gewesen sein könnten, dann doch den Gang zum Standesamt anzutreten. Umgekehrt kann allerdings auch argumentiert werden, dass Partner, die sich nach jahrelangem Zusammenleben ohne Trauschein schließlich zur Heirat entschließen, ihren Ehewunsch besonders reiflich überlegt haben und mit der Eheschließung - jenseits der gesetzlich vermuteten Versorgungsabsicht - eher langfristig angelegte Ziele verfolgen. Wer sich vor der Heirat lange Zeit prüft, der geht eher nicht davon aus, dass die Ehe ohnehin nur von kurzer Dauer sein wird. Andererseits kann demjenigen, der kurz entschlossen heiratet, natürlich noch lange nicht einfach unterstellt werden, dass er mit dem baldigen Tod des Ehegatten rechnet. Im Ergebnis kann es deshalb in jedem Einzelfall nicht allein auf die Dauer des Zusammenlebens vor der Eheschließung ankommen können, sondern vielmehr entscheidend darauf, welche weiteren Begleitumstände nach einem mehr oder weniger langen Zusammenleben den Heiratsentschluss maßgeblich herbeigeführt haben.

Das Zusammenleben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann insbesondere dann in einem anderen Lichte erscheinen, wenn der Eheschließung zu einem früheren Zeitpunkt trotz bestehenden Heiratswillens der Partner ein objektives Ehehindernis entgegenstand. Ein solches Ehehindernis besteht insbesondere dann, wenn ein Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft z. B. noch anderweitig verheiratet ist und dementsprechend vor Eingehung einer neuen Ehe darauf warten muss, dass die vorherige Ehe rechtskräftig geschieden wird. In einem solchen Fall kann das vorherige Aufschieben der Heirat freilich nur dann als einleuchtend angesehen werden, wenn die Trauung dann auch wirklich alsbald nach Wegfall des Ehehindernisses nachgeholt wird.

Dies alles vorausgeschickt steht dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch der in § 46 Abs. 2a SGB VI normierte Ausschlusstatbestand entgegen, weil die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten nur vom xx. Juni 2011 bis xx. Dezember 2011 bestanden und somit nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, sodass die Voraussetzungen für die gesetzliche Vermutung einer sog. Versorgungsehe erfüllt sind. Ausgehend von dem aufgezeigten Maßstab ist vorliegend zur Überzeugung des Senats die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht durch den Nachweis "besonderer Umstände" widerlegt. Denn der Senat kann nach Gesamtabwägung der für den Eheschluss im vorliegenden Fall maßgebenden Beweggründe nicht mit der für den Vollbeweis notwendigen Gewissheit feststellen, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben dem vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungscharakter der Ehe zumindest gleichwertige andere Motive vorgelegen haben. Es ist davon auszugehen, dass beiden bei der Eheschließung die Schwere der Krankheit und die eingeschränkte Lebenserwartung des verstorbenen Versicherten bekannt waren. In dieser Konstellation ist, sofern der Versicherte – wie hier – an seiner schweren Erkrankung und nicht an einer plötzlichen und unerwartet hinzugetretenen anderen Erkrankung verstirbt, in der Regel die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt. Im Einzelnen gilt:

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Vortrag der Klägerin zum Zeitpunkt des Heiratsentschlusses nicht konsistent ist. Während sie im Rahmen der Widerspruchsbegründung geltend gemacht hat, im Frühjahr 2011 sei, nach Erhalt der Diagnose, dass die Krebserkrankung ausgeheilt sei, der Entschluss gefasst worden zu heiraten mit Festlegung des Hochzeitstermins auf den Geburtstag des Versicherten am xx. Juni 2011, erfolgte im Klageverfahren Vortrag dahingehend, der Versicherte habe im Sommer 2010 von dem behandelnden Arzt Dr. F. erfahren, dass es keinen Hinweis auf ein Rezidiv gebe, was dann zu dem Entschluss der Eheschließung im Frühjahr 2011 geführt habe. Im Berufungsverfahren hat sich die Klägerin auf die Bestätigung von Dr. F. vom 9. März 2012 gestützt, wonach es bis zum Sommer 2011 keinen Hinweis auf ein Wiederauftreten der Erkrankung gegeben habe, was sie und den Versicherten veranlasst habe, die Heirat zu beschließen und in die Tat umzusetzen. In diesem Zusammenhang unterstellt der Senat den weiteren Vortrag der Klägerin als wahr, der Versicherte habe geäußert, er werde erst heiraten, wenn er wieder gesund sei. Davon ausgehend ist der Klägerin entgegenzuhalten, dass nach der beigezogenen Patientenakte des Dr. F. bereits die Nachuntersuchung vom 19. Oktober 2009 keinen Hinweis auf ein Rezidiv der Krebserkrankung ergeben hat. Dies gilt ebenso für die neun Monate später erfolgte weitere Nachuntersuchung vom 20. Juli 2010. Dementsprechend stellt sich bei unterstelltem Heiratswunsch die Frage, warum nicht spätestens in der Zeit nach dem 20. Juli 2010 mit der Organisation und den Vorbereitungen begonnen worden ist. Hierbei kann nicht übersehen werden, dass die Zeugin L. vor dem Sozialgericht ausgesagt hat, auf die des Öfteren gestellte Frage nach einer Heirat habe der Versicherte immer abgewunken und gesagt, dass er nicht wolle. Ergänzend hat die Zeugin bekundet, bei der Klägerin sei sie im Hinblick auf einen Heiratswunsch sicher gewesen, bei dem Versicherten dagegen nicht, der habe nichts "rausgelassen". Zutreffend hat die Beklagte geltend gemacht, dass diese Aussage im Rahmen der Beweiswürdigung gewichtig zu berücksichtigen ist und hierdurch ein konkreter Heiratswunsch auch des Versicherten gerade nicht bestätigt wird. Ergeben sich bereits aus den vorstehend geschilderten Umständen Zweifel an dem Bestehen von konkreten Heiratsabsichten (vor Kenntnis von dem Rezidiv der Krebserkrankung), setzt sich dies durch den weiteren Verlauf ab Frühjahr 2011 fort. Im Februar 2011 hat der Versicherte Dr. F. erneut aufgesucht und über dumpfe Schmerzen in der linken Schulter geklagt. Im Übrigen blieb die Untersuchung unauffällig, sodass Dr. F. in seinem Bericht vom 15. Februar 2011 abschließend ausgeführt hat, aus den Befunden ergebe sich weiterhin kein Hinweis auf ein Rezidiv der Erkrankung. Auch insoweit hätte sich der Versicherte entsprechend seiner Äußerung, er werde erst heiraten, wenn er wieder gesund sei, veranlasst sehen müssen, nunmehr Heiratspläne konkret in die Tat umzusetzen. Erfolgt ist in zeitlicher Nähe zu der Untersuchung vom Februar 2011 lediglich eine Nachfrage bei der Zeugin S., Standesbeamtin der Gemeinde N-Stadt, die jedoch informell beim Stammtisch im Rahmen des gemeinsamen Vereinslebens stattgefunden hat. Dies stellt noch keine hinreichende Konkretisierung von Heiratsplänen dar. Soweit die Klägerin und der Versicherte die Zeugin S. am 16. Mai 2011 im Standesamt aufgesucht und die für eine Eheschließung notwendigen Unterlagen sowie die Anmeldung und den Ort der Eheschließung besprochen haben, ist dies zwar grundsätzlich geeignet, Hochzeitspläne hinreichend zu konkretisieren. Dennoch führt dies vorliegend in der Gesamtschau nicht zu einer für die Klägerin günstigen Beurteilung. Hierbei ist erneut die Frage aufzuwerfen, warum nicht zu einem früheren Zeitpunkt, jeweils nach unauffälligen Kontrolluntersuchungen, Vorbereitungen zur Eheschließung konkret getroffen worden sind. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte auch zutreffend darauf hingewiesen, dass einer Auswahl des xx. Juni 2011 als Hochzeitstermin wegen des 44. Geburtstages des Versicherten an diesem Tag – wie von der Klägerin vorgetragen – ein wesentlich längerer Vorlauf bei der Terminplanung vorausgegangen wäre, um die Heirat gerade an diesem Tag sicherzustellen. Stattdessen erfolgte die Anmeldung der Eheschließung gerade zwei Tage vorher. Darüber hinaus kann nicht übersehen werden, dass die Vorsprache bei der Zeugin S. im Standesamt N-Stadt zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem der Versicherte bereits Beschwerden im thorakalen Bereich und im Bereich der Wirbelsäule entwickelt hatte, deren Genese, insbesondere ein fraglicher Zusammenhang mit der Karzinomerkrankung, zu klären war. Ausweislich des im Berufungsverfahren beigezogenen Befundberichtes des Wirbelsäulen- und Gelenkzentrums Bad Vilbel vom 15. November 2016 (PD Dr. R.) hat sich der Versicherte dort am 4. Mai 2011 vorgestellt. Die Befunderhebung ergab eine eingeschränkte Atembreite bei segmentalen Störungen thorakal und Druckschmerz paravertebral der BWS sowie multisegmentale Blockaden. Die am 4. Mai 2011 durchgeführte CT-Untersuchung mit dem Ergebnis einer Rippenfraktur TH 1 ist mit dem Versicherten am 17. Mai 2011 besprochen und die Notwendigkeit einer Skelettszintigrafie mitgeteilt worden. Diese fand am 20. Mai 2011 statt und hat nach dem Bericht des Zentrums für Radiologie und Nuklearmedizin O-Stadt und G-Stadt vom 20. Mai 2011 einen hochgradigen Verdacht auf Knochenmetastasen, überwiegend im Becken, ergeben. PD Dr. R. spricht insoweit in seinem Bericht vom 15. November 2016 von einem Verdacht auf multiple Metastasenbildung (Datum seiner Feststellung: 24. Mai 2011). Die Vorsprache der Klägerin und des Versicherten im Standesamt N-Stadt fand mithin während einer akuten Phase notwendiger medizinischer Untersuchungen zur Klärung eines Zusammenhangs der thorakalen Beschwerden und Skelettbeschwerden mit der Karzinomerkrankung statt, deren Notwendigkeit sich bereits aufgrund der Vorstellung des Versicherten im Wirbelsäulen- und Gelenkzentrum Bad Vilbel vom 4. Mai 2011 und damit noch vor dem Aufsuchen der Zeugin S. ergeben hat. Insoweit hat PD Dr. R. im Befundbericht vom 15. November 2016 unter "Therapie 4. Mai 2011" vermerkt, er empfehle die Wiedervorstellung beim behandelnden Arzt bezüglich des Zustandes nach Karzinomresektion, um einen unmittelbaren Zusammenhang (mit den geklagten thorakalen Beschwerden und Skelettbeschwerden) auszuschließen. PD Dr. R. hat mithin angesichts der Krankheitsvorgeschichte den Ausschluss eines Karzinomrezidivs vor Einleitung von Behandlungsmaßnahmen (chirotherapeutisch und medikamentös) für erforderlich gehalten, was im Umkehrschluss bedeutet, dass ab dem 4. Mai 2011 bis zu einem Ausschluss durch weitere Diagnostik mit dem Wiederauftreten der Krebserkrankung gerechnet werden musste. Von einer vollständigen Genesung im Hinblick auf die Krebserkrankung konnte der Versicherte deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Sicherheit ausgehen, auch wenn das Ergebnis der weiteren Untersuchungen am 4. Mai 2011 noch nicht vorlag. Der weitere Verlauf stellt sich nach der Befundlage so dar, dass der Verdacht auf multiple Metastasen aufgrund CT-Untersuchungen des Beckens (vom 7. Juni 2011) und des Thorax (vom 10. Juni 2011) im Wesentlichen bestätigt wurde. Dr. F. gelangte am 16. Juni 2011 zu der zusammenfassenden Beurteilung, dass die Befunde für eine progrediente Metastasierung bei anaplastischem Schilddrüsenkarzinom sprechen. Das Ergebnis ist mit dem Versicherten ausführlich besprochen und insbesondere im Rahmen der Therapieoptionen darauf hingewiesen worden, dass für die bekannten medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten eine Lebensverlängerung bisher nicht sicher belegt sei (Befundbericht vom 16. Juni 2011). In seinem früheren Befundbericht an das Sozialgericht vom 21. Oktober 2013 hat Dr. F. weiter ausgeführt, dass er den Versicherten nach der CT-Untersuchung vom 10. Juni 2011 auf die nicht mehr gegebenen kurativen Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen hat. Aus der Bestätigung von Dr. F. vom 9. März 2012 ergibt sich weiter, dass die Klägerin den Versicherten regelmäßig zu den Untersuchungen begleitet hat. Insgesamt steht deshalb zur Überzeugung des Senats fest, dass sowohl der Versicherte als auch die Klägerin seit dem 16. Juni 2011 über den infausten Krankheitsverlauf informiert waren. Die Anmeldung der Eheschließung erfolgte dann vier Tage später, am 20. Juni 2011, die Eheschließung selbst nach weiteren zwei Tagen am 22 Juni 2011. Damit fand die Eheschließung gewissermaßen im Angesicht des herannahenden Todes des Versicherten statt und es waren dem Versicherten und der Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung die Schwere der Krankheit und die eingeschränkte Lebenserwartung des Versicherten bekannt. Jede andere Einschätzung wäre lebensfremd und stünde nicht im Einklang mit den Mitteilungen von Dr. F. Der Versicherte ist schließlich an dieser Erkrankung auch verstorben. Es hat deshalb bei der regelhaften Bewertung zu verbleiben, dass in dieser Konstellation die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt ist. Es ist nochmals hervorzuheben, dass im Rahmen der für den Vollbeweis notwendigen Gewissheit feststehen muss, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben dem vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungscharakter der Ehe zumindest gleichwertige andere Motive vorgelegen haben. Die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände müssen umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit zum Zeitpunkt der Eheschließung war. Davon ausgehend sind hier - auch wegen des Zeitraums von lediglich sechs Monaten zwischen Eheschließung und Versterben des Versicherten - hohe Anforderungen an die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung zu stellen. Dies berücksichtigend kann aus den ausgeführten Gründen auch nicht entscheidend darauf abgestellt werden, dass die Klägerin und der Versicherte die Zeugin S. noch vor Bestätigung der im Raum stehenden Verdachtsdiagnosen bzw. einem Ausschluss des Karzinomverdachts im Standesamt aufgesucht haben.

Soweit im erstinstanzlichen Verfahren auch der Zeuge L. vernommen und im Berufungsverfahren der Standesbeamte der Stadt E., der Zeuge H., schriftlich befragt worden ist, sind deren Aussagen unergiebig geblieben. Der Zeuge L. hat im Wesentlichen bekundet, er habe von der Heiratsabsicht nichts gewusst und hiervon nur unmittelbar davor über Freunde gehört. Auf Nachfrage hat er seine Angaben relativiert, indem er bekundet hat, er habe schon gewusst, dass geheiratet werden sollte, nur nicht wann. Seine Aussage ist mithin wenig greifbar und nicht durch konkrete Angaben untermauert, sodass sie für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht erheblich sein kann. Dies gilt gleichermaßen für die Aussage des Zeugen H., der lediglich die Anmeldung sowie die Eheschließung bestätigt hat, ergänzt durch den Hinweis, aufgrund des bevorstehenden 44. Geburtstags des Versicherten sei der Termin für die Eheschließung kurzfristig angesetzt worden.

Eine für die Klägerin günstigere Sicht der Dinge gebietet letztlich auch nicht ihr Hinweis auf die finanziellen Verhältnisse, wonach sie stets von ihren eigenen Einkünften gelebt habe und der Versicherte mit einer Rente in Höhe von 1.080,00 EUR zur Unterstützung der Lebensgemeinschaft mit ihr nicht in der Lage gewesen sei. Insoweit kann für die Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht auf die konkrete Bedarfssituation abgestellt werden. Im anderen Fall führte dies dazu, dass die anspruchsvernichtende Vermutung für das Bestehen einer Versorgungsehe jedenfalls von finanziell anderweitig abgesicherten Hinterbliebenen regelmäßig widerlegt werden könnte, wohingegen der finanziell bedürftige Hinterbliebene sich in aller Regel entgegenhalten lassen müsste, dass wegen seiner Bedarfssituation kein Rentenanspruch bestehe. Dies würde das widersinnige Ergebnis nach sich ziehen, dass die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI letztlich nur in Fällen des offenkundigen Versorgungsbedarfs einem Anspruch auf Hinterbliebenenrente entgegenstünde. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es hingegen allein darauf an, dass mit der Eheschließung die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente verfolgt wird (vgl. dazu Senatsentscheidungen vom 13. Dezember 2013, L 5 R 129/13 und 30. November 2015, L 5 R 365/12).

In der Gesamtbetrachtung aller Umstände des hier zu bewertenden Einzelfalles erscheint es vorliegend zwar möglich, dass die Eheschließung nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, dies ist jedoch angesichts der sich aus den Gesamtumständen ergebende durchgreifenden Zweifel nicht im Sinne des Vollbeweises bewiesen.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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