L 1 JVEG 487/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 487/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung des Erinnerungsführers anlässlich des Verhandlungstermins vom 9. Dezember 2015 wird auf 22,50 EUR festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Der Erinnerungsführer begehrte im Hauptsacheverfahren L 12 SF 1393/14 EK Schadensersatz wegen der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens. Durch Verfügung vom 3. November 2015 ordnete der Vorsitzende des 12. Senats des Thüringer Landessozialgerichts das persönliche Erscheinen des Erinnerungsführers zum Verhandlungstermin am 9. Dezember 2015 um 11:00 Uhr an.

Nach Zustellung dieser Verfügung mit Postzustellungsurkunde am 6. November 2015 teilte der Erinnerungsführer der Geschäftsstelle des 12. Senats mit Schreiben vom 11. November 2015 mit, dass er am Verhandlungstag aus der Sch.straße 28 in T. anreise. Er halte sich bis über den Jahreswechsel dort bei Bekannten auf. Es wurde angefragt, ob die Ladung aufrecht erhalten bleibt. Dem Kläger wurde durch gerichtliche Verfügung vom 24. November 2015 mitgeteilt, dass der Termin aufrecht erhalten bleibt. Am 9. Dezember 2015 nahm der Erinne-rungsführer an der mündlichen Verhandlung von 11.25 Uhr bis 12.32 Uhr teil.

In seinem beim Thüringer Landessozialgericht am 4. März 2016 eingegangenem Antrag auf Erstattung vom 14. Dezember 2015 machte der Erinnerungsführer einen Gesamtbetrag von 696,70 EUR geltend (Fahrtkosten 332,70 EUR unter Zugrundelegung einer Fahrtstrecke von T. bis E. hin und zurück von 1.109 Kilometern, Zehrgeld 24,00 EUR, Haushaltführungsentschädigung 340,00 EUR (17 Stunden x 20,00 EUR)). Er gab dabei an, am 9. Dezember 2015 seine Reise um 04:00 Uhr angetreten und diese um 21:06 Uhr beendet zu haben. Am 18. April 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) eine Gesamtentschädigung in Höhe von 71,50 EUR fest. Zu gewähren sei eine Hausfrauenentschädigung nach einer Zeitspanne von 3,5 Stunden x 14,00 EUR in Höhe von 49,00 EUR und Fahrtkosten ausgehend von dem Wohnort I. in Höhe von 22,50 EUR (90 Kilometer x 0,25 EUR). Die Kilometerzahl von T. bis E. könne keine Berücksichtigung finden. Der Erinnerungsführer sei verpflichtet gewesen, den anderen Abreiseort mitzuteilen und auch zu begründen, warum die Anreise nur von dort aus möglich sei. Der Hauptwohnsitz liege in I ...

Am 24. April 2017 hat der Erinnerungsführer sinngemäß einen Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt und diesen trotz mehrfacher Ankündigung bis jetzt nicht begründet. Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Entschädigung anlässlich des Verhandlungstermins am 9. Dezember 2015 auf 696,70 EUR festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner hält eine Entschädigung in Höhe von 34,75 EUR für angemessen. Einen Haushaltsführungsschaden könne der Erinnerungsführer nicht geltend machen. Es sei ferner nicht dargelegt, dass der Antragsteller am 9. Dezember 2015 kein Erwerbsersatzeinkommen bezogen habe. Es bestehe daher nur ein Anspruch auf Entschädigung des Zeitversäumnisses in Höhe von 12,25 EUR (3,5 Stunden je 3,50 EUR). Fahrtkosten seien nur in Höhe von 22,50 EUR zu entschädigen. Das Gericht habe dem Kläger nicht bestätigt, dass die Mehrkosten für die An-reise von T. nach E. übernommen werden. Mehrkosten seien nur dann zu ersetzen, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt gewesen sei. Dafür reiche das Verbringen des Jahreswechsels bei Bekannten ersichtlich nicht.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des 1. Senats.

Auf die Erinnerung war die Entschädigung auf 22,50 EUR festzusetzen.

Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1).

Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).

Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Februar 2018 – L 1 JVEG 867/15, zitiert nach Juris). Das Verbot der "reformatio in peius" gilt nicht.

Die Entschädigung des Erinnerungsführers errechnet sich wie folgt:

Die Fahrtkosten sind in einer Höhe von 22,50 EUR für die Fahrt vom Hauptwohnsitz des Erinnerungsführers in I. nach E. zu erstatten. Nach § 191 Abs. 1 SGG i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG werden den Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen. Wird die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigten Ort angetreten oder wird zu einem anderen als zu diesem Ort zurückgefahren, werden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war (§ 5 Abs. 5 JVEG). Zu berücksichtigen ist dabei der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der im Bereich des gesamten Kostenrechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. ThürLSG Beschluss vom 27. September 2005 - L 6 SF 408/05; Hartmann, Kostengesetze, 48. Auflage 2018, § 5 JVEG, Rn. 2). Zwar hat der Erinnerungsführer dem 12. Senat durch Schriftsatz vom 11. November 2015 mitgeteilt, dass er am 9. Dezember 2015 aus T. zum Gerichtstermin anreist, und der Senat hat dem Erinnerungsführer daraufhin informiert, dass der Gerichtstermin aufrecht erhalten bleibt. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Erinnerungsführer durch besondere, nicht von ihm zu vertretende Umstände genötigt war, die Reise von einem anderen als dem in der Ladung bezeichneten Ort anzutreten. Diese Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - L 6 SF 1383/11 E; Beschluss vom 28. November 2013 - L 6 SF 1212/13 E jeweils zitiert nach Juris). Derartige besondere Umstände sind hier nicht erkennbar. Nach seinen eigenen Angaben diente der Aufenthalt in T. dazu, sich dort bei Bekannten bis über den Jahreswechsel aufzuhalten. Die Ladung zum Termin am 9. Dezember 2015 war dem Erinnerungsführer am 6. November 2015 zugestellt worden. Insofern verblieben dem Erinnerungsführer ausreichend Möglichkeiten seinen Aufenthalt in T., der anscheinend dem Ziel diente, die Feiertage Ende Dezember 2015 bei Bekannten zu verbringen, so zu gestalten, dass eine Kollision mit dem Gerichtstermin am 9. Dezember 2015 nicht bestand. Der geplante Aufenthalt in T. hatte ausschließlich private Gründe. Umstände in der Privatsphäre können jedoch nicht dazu führen, dass die Staatskasse eine höhere Entschädigung als im Normalfall vom Gesetz vorgesehen leisten muss. Insbesondere kann in diesen Fällen nicht davon die Rede sein, dass der Erinnerungsführer durch besondere Umstände im Sinne des § 5 Abs. 5 JVEG zu einer Anreise aus T. genötigt war.

Nicht zuletzt bestehen auch erhebliche Zweifel, ob der Erinnerungsführer tatsächlich am 9. Dezember 2015 aus T. angereist ist. Denn der Erinnerungsführer hat in seinem PKH-Antrag vom 1. Juni 2012 (Az.: L 12 SF 1035/12 EK) und auch in seinem Kostenentschädigungsantrag vom 4. März 2016 angegeben, mittellos gewesen zu sein. In letzterem hat er ausdrücklich ausgeführt, dass ihm die Reisekosten von seiner Mutter darlehnsweise vorgeschossen worden sein sollen. Bei dieser Sachlage würde ein wirtschaftlich denkender Beteiligter nicht so verfahren wie der Erinnerungsführer. Dies kann jedoch nach dem oben genannten Ergebnis dahinstehen.

Entgegen den Ausführungen in der Festsetzung der UdG vom 18. April 2016 kann der Erinnerungsführer eine Entschädigung nach § 21 JVEG für Nachteile bei der Haushaltsführung gemäß Satz 2 der Vorschrift nicht beanspruchen. Nach § 21 S. 1 JVEG erhalten Zeugen bzw. Beteiligte, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung von 14 Euro je Stunde, wenn sie nicht erwerbstätig sind oder wenn sie teilzeitbeschäftigt sind und außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen täglichen Arbeitszeit herangezogen werden Nach § 21 Satz 2 JVEG stehen Zeugen, die ein Erwerbsersatzeinkommen beziehen, erwerbstätigen Zeugen gleich. Ausweislich einer Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 4. Oktober 2011 (beigezogen aus dem anhängigen Verfahren L 12 R 846/16) bezieht der Erinnerungsführer seit dem 1. Januar 2011 bis laufend Rente wegen voller Erwerbsminderung, ab 1. Juli 2011 in Höhe von 848,48 Euro nach Abzug der Beiträge zur Sozialversicherung. Ein entsprechender Anspruch besteht im Übrigen bereits seit dem 1. September 2003. Die Rente wurde in früheren Zeiten aufgrund von anzurechnendem Einkommen teilweise gemäß § 96a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht gezahlt. Seit dem 1. April 2010 wird die Rente allerdings laufend gezahlt. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass diese Rentenzahlung im PKH-Antrag vom 1. Juni 2012 (Az.: L 12 SF 1035/12 EK) vom Erinnerungsführer nicht angegeben worden ist.

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG scheidet deshalb ebenfalls aus. Der Erinnerungsführer hatte im relevanten Zeitpunkt keine Arbeit und bezog - wie dargelegt- Erwerbsminderungsrente. Insofern hat er keinen Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG. Danach beträgt die Entschädigung 3,50 EUR je Stunde, soweit weder für einen Verdienstausfall noch für Nachteile bei der Haushaltsführung eine Entschädigung zu gewähren ist, es sei denn, es ist dem Zeugen (bzw. Beteiligten) durch seine Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden. Fehlt es – wie hier - an entsprechenden Angaben, kann bei einem Rentner davon ausgegangen werden (vgl, Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13. April 2005 – L 6 SF 2/05 –; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. April 2009 – L 6 SB 161/08 –; SG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – S 1 KO 3624/17 –, jeweils zitiert nach Juris). Als Rentner kann der Erinnerungsführer frei über seine Zeit verfügen. Eventuelle Einschränkungen in der Freizeitgestaltung infolge der Durchführung der mündlichen Verhandlung in eigener Sache können nicht als entschädigungspflichtiger Nachteil angesehen werden.

Verpflegungskosten sind ebenfalls nicht zu erstatten. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie in Folge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Einkom-menssteuergesetz (EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Nach der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG kann erst bei einer Abwesenheit von mindestens acht Stunden ein Tagegeld bewilligt werden. Der Erinnerungsführer erreicht diese Mindestdauer der Abwesenheit vom Wohnort ausgehend von einer Fahrt vom Haupt-wohnsitz I. nicht.

Die Entschädigung des Erinnerungsführers für die Teilnahme am Gerichtstermin ist daher auf insgesamt 22,50 EUR festzusetzen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Die Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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