S 4 AS 2688/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2688/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1169/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23.05.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 23.05.2018 hat das Sozialgericht (SG) Cottbus die Klage der Kläger auf Übernahme der Kosten für die Reparatur des Aufzuges an ihrem Haus i.H.v. 531,04 EUR abgewiesen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten nach § 22 Abs. 2 S. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hätten. Zwar seien die Kläger Leistungsberechtigte nach dem SGB II, jedoch handele es sich bei den Reparaturkosten nicht um einen Bedarf der Kläger. Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II erfasse lediglich das zur Sicherung der Substanz Notwendige, um die Bewohnbarkeit des Hauses aufrecht zu erhalten. Die Kläger nutzten das Kellergeschoss für ihre Wohnzwecke nicht, vielmehr befänden sich dort nur Räume für die behinderte Tochter, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre und nicht in Leistungsbezug beim Beklagten stehe, sowie ein gewerblicher Arbeitsraum der Klägerin. Abgesehen davon sei es für die Kläger auch zumutbar, die an der Außenseite gelegene überdachte Treppe zu benutzen. Ein möglicherweise in Betracht kommender Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II scheide aus, da die Vorschrift nur laufende Bedarfe umfasse. Auch ein Anspruch gemäß § 24 Abs. 3 SGB II (Bedarf für Reparatur von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen) sei nicht gegeben, denn auch dabei handele es sich um einen individuellen Bedarf der Tochter und nicht der Kläger.

Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 31.05.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.06.2018 beim Landessozialgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (NZB). Die Kläger tragen vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die unbestimmten Rechtsbegriffe "unabweisbare Aufwendungen" und "Angemessenheit" des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II seien auslegungs- und klärungsbedürftig. Im vorliegenden Fall gehe es um die Frage, inwieweit bei Geltendmachung unabweisbarer bzw. angemessener Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbstbewohntem Wohneigentum Umstände berücksichtigt werden müssten, die sich aus dem Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft mit einem behinderten Menschen, welchem die Kläger zum Unterhalt verpflichtet seien, ergäben, auch wenn das behinderte Mitglied der Haushaltsgemeinschaft nicht leistungsberechtigt i.S.d. SGB II sei.

Der Beklagte hat erwidert, dass die von den Klägern aufgeführten unbestimmten Rechtsbegriffe durch weitreichende Entscheidungen des Bundessozialgerichts ausgefüllt seien. Die Ausführungen der Kläger beschränkten sich auf das Individualinteresse an einer Entscheidung unter Berücksichtigung ihrer konkreten Wohn- und Lebenssituation, das jedoch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründe. Im Übrigen handele es sich bei der Reparatur des Aufzugs um keinen Bedarf zur Sicherung der Unterkunft der Kläger, so dass es der Rechtsfrage zur Unabweisbarkeit und Angemessenheit der Reparaturaufwendungen auch an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit fehle.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die NZB ist zulässig, als der streitige Betrag von 531,04 EUR nicht die für die zulassungsfreie Berufung erforderliche Summe von mehr als 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG) erreicht.

Die NZB ist nicht begründet. Gründe zur Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu, denn sie wirft keine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Grundsätzlich bedeutsam i.S.d. des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist eine Rechtsfrage nicht, deren Beantwortung sich aus den Vorschriften der einschlägigen Gesetze ergibt.

Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II gehört zur Regelung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im SGB II und ist daher an die Leistungsberechtigung gemäß § 7 SGB II gekoppelt. Die leistungsberechtigten Kläger selbst sind aber in ihrer Beweglichkeit nicht eingeschränkt und bedürfen daher keines Aufzugs, um sich in ihrem Haus bewegen zu können.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht aus dem Umstand herzuleiten, dass sie als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II zugleich Eltern einer schwerbehinderten, bei ihnen lebenden Tochter sind, die zur Fortbewegung im Haus auf den Treppenlift angewiesen ist. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II regelt diesen Fall nicht. Das dort genannte Tatbestandsmerkmal der "unabweisbaren Aufwendungen" und der "Angemessenheit" stehen im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Leistungsberechtigung desjenigen, bei dem die Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur anfallen, und umfassen ausschließlich solche besonders dringlichen Aufwendungen, die für die Sicherung der Substanz und die Bewohnbarkeit - und zwar gemessen an den Bedürfnissen der Leistungsbezieher, also hier der Kläger zu 1. und 2. - unerlässlich sind.

Soweit das SGB II auch Vorschriften enthält, nach denen auch erwerbsunfähige Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Leistungen erhalten können (§ 7 Abs. 2 SGB II), fällt die Tochter der Kläger nicht unter diesem Personenkreis, denn sie ist nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und hat keinen Anspruch auf Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 SGB II, wobei auch § 19 die Einschränkung enthält, dass Sozialgeld nur dann zu zahlen ist, wenn die erwerbsunfähige Person keinen Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des 12. Buches hat.

Da die Tochter der Kläger hier nicht Klägerin ist, ist im vorliegenden Verfahren auch nicht darüber zu befinden, ob für den Einbau und notwendige Reparaturen des Treppenlifts, der für die Gehbehinderte zur Fortbewegung im Haus erforderlich ist, andere Anspruchsgrundlagen im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen einschlägig sein könnten, etwa Leistungen zur Ausstattung bzw. Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht (z.B. die §§ 53 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX); vgl. zum Einbau eines Fahrstuhls als Maßnahme der Eingliederungshilfe BSG, Urteil vom 20.09.2012, B 8 SO 15/11 R, juris).

Die mit der Klage angesprochenen Aspekte betreffen mithin die Rechtmäßigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall, insbesondere die Frage, ob die Vorschrift des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II auch solche Reparaturaufwendungen an Hilfsmitteln erfasst, auf die ein behindertes Mitglied der Haushaltsgemeinschaft, das nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört, angewiesen ist. Diese Frage ist unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Urteil vom 23.05.2018 (S. 3, 4) zu verneinen.

Die Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Die Kläger bezeichnen keinen vom SG aufgestellten Rechtssatz, mit dem von einem Rechtssatz eines oberen Gerichts abgewichen worden wäre. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen. Ein Verfahrensmangel i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist ein Verstoß des Gerichts gegen Vorschriften beim prozessualen Vorgehen auf dem Weg zur Entscheidung. Ein derartiger Verstoß gegen prozessuale Vorschriften ist weder gerügt worden, noch aus dem Akteninhalt ersichtlich. Insbesondere kommt hier nicht eine grundsätzlich mögliche notwendige Beiladung eines anderen Leistungsträgers in Betracht, da ein möglicher Bedarf der schwerbehinderten Tochter, die selbst nicht zu den Beteiligten dieses Verfahrens gehört, hier nicht zu prüfen ist.

Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 4 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.

Das Urteil des Sozialgerichts wird mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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