S 11 SB 2077/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 2077/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein höherer GdB als 30 ergibt sich für die entzündlich-rheumatische Erkrankung vorliegend nicht, da im Wesentlichen nur ein Befall der Hand- und Fingergelenke ohne gravierende entzündliche Veränderungen vorliegt.
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 verpflichtet, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 ab Antragstellung festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Der Beklagte erstattet der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu 1/3. Gründe:

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) im Sinne des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

Die am 1953 geborene Klägerin stellte am 01. August 2016 einen Erstantrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung beim Landratsamt Rastatt (LRA). Das LRA zog Befundunterlagen der behandelnden Fachärzte bei und anerkannte durch Bescheid vom 23. November 2016 einen GdB von 30 seit dem 01. August 2016. In der dem Bescheid zugrundeliegende Stellungnahme berücksichtigte der versorgungsmedizinische Dienst folgende Gesundheitsstörungen:

1.01 Entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke Einzel-GdB 30

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie habe eine Operation an ihrem Handgelenk gehabt.

Das LRA hörte erneut seinen ärztlichen Dienst an, der an seinen bisherigen Feststellungen festhielt. Der Beklagte wies den Widerspruch daraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2017 als unbegründet zurück.

Aus diesem Grund hat die Klägerin am 21. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit welcher sie die Anerkennung eines GdB von 50 weiter verfolgt. Zur Klagebegründung trägt sie u.a. vor, die rheumatoide Arthritis verschlechtere sich zunehmend. Es handele sich um eine entzündlich-rheumatische Erkrankung mit mittelgradigen Auswirkungen, da dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden sowie eine therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität vorliegen würden, was einen GdB von 50 bedingen würde. Sie leide zudem an den Folgen einer reaktiven Depression; sie befinde sich bereits seit Herbst 2016 diesbezüglich in Therapie. Zudem bestehe bei ihr eine Sigmadivertikulitis. Ihrer Klagebegründung hat sie den vorläufigen Entlassbrief des Klinikums Mittelbaden vom 10. Juli 2017 beigefügt.

Das Gericht hat im Rahmen der Beweiserhebung die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. V. hat ausgeführt, sie schätze den GdB für die entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke auf 40. Die rheumatoide Arthritis könne nicht richtig behandelt werden, da unter der Immunsuppression schwere Probleme mit der Sigmadivertikulitis aufgetreten seien. Ihrer Aussage hat sie weitere ärztliche Unterlagen beigefügt. Der Hausarzt Dr. L. hat unter Vorlage von medizinischen Unterlagen keine GdB-Einschätzung getroffen. Der Arzt für Allgemeinmedizin und Psychosomatik Dr. W. hat den GdB auf 50-60 bei Berücksichtigung der seelischen Niedergestimmtheit geschätzt.

Das Gericht hat anschließend die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie/Rheumatologie Dr. S. veranlasst. Dieser hat als Gesundheitsstörungen eine entzündliche rheumatische Erkrankung der Gelenke (Einzel-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Wirbelsäulenfehlstatik (Einzel-GdB 10) sowie eine chronische Schmerzstörung mit psychosomatischer Überlagerung im Rahmen einer reaktiven Depression (Einzel-GdB 20) festgestellt und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 zu verpflichten, bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 ab Antragstellung festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er stützt sich auf die im Gerichtsverfahren vorgelegte versorgungsmedizinische Stellungnahme des Dr. R. vom 20. Juli 2018 und hält die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.

Das Gericht hat den endgültigen Entlassungsbrief des Klinikums M. vom 18. September 2017 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 17. August bis 30. August 2017 beigezogen, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Das Gericht hat zudem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2018 ergänzend befragt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2018 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Soweit der Beklagte die Feststellung eines Gesamt-GdB von 40 abgelehnt hat, ist der Bescheid vom 23. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 SGG). Soweit die Klägerin im Übrigen die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 begehrt, ist die Klage unbegründet, da sie hierauf keinen Anspruch hat.

1. Gem. § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden (Art.26 Abs.1 S. 1 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234)) Fassung des Art. 2 Nr. 2 BTHG stellt auf Antrag des behinderten Menschen der Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).

Gem. § 153 Abs. 2 SGB IX wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates u.a. die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit - wie aktuell - noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der auf Grund des § 30 Absatz 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX).

Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (§ 2 Abs.1 S. 1 SGB IX). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Sätze 5 und 6 SGB IX).

Bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist deren Gesamtauswirkung unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen für die Feststellung des GdB maßgebend (§ 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei ist zu beachten, dass die Auswirkungen einzelner Funktionsbeeinträchtigungen einander verstärken, sich überschneiden, aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (vgl. BSG v. 24.04.2008 - B 9/9a SB10/06 R -, BSG SozR 3-3870 § 4 Nrn. 5 und 19 sowie BSGE 48, 82, 84). Gleichgültig ist, auf welche Ursache die Behinderung zurückzuführen ist (§ 4 Abs. 1 SGB IX); entscheidend ist, dass sie Krankheitswert haben.

2. Orientiert an diesen Maßstäben bedingen die Funktionseinschränkungen der Klägerin schon einen Gesamt-GdB von 40. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf das Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere auf das Sachverständigengutachten des Dr. S ...

a) Die bei der Klägerin vorliegende entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke begründet nach den überzeugenden Feststellungen des Gutachters Dr. S. , die sich die Kammer nach kritischer Würdigung zu eigen macht, im Funktionssystem "Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten" einen GdB von 30.

Nach Teil B Nr. 18.2.1. der VG ist bei entzündlich-rheumatischen Krankheiten ohne wesentliche Funktionseinschränkung mit leichten Beschwerden ein GdB von 10, mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) ein GdB von 20-40 und mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) ein GdB von 50-70 anzusetzen.

Nach den umfassenden Befunderhebungen des Dr. S. hat dieser geringe Auswirkungen beschrieben und das Vorliegen mittelgradiger Auswirkungen, die einen GdB von 50 begründen könnten, nachvollziehbar verneint. Für die Kammer ist die Annahme eines GdB von 30, der sich im mittleren Rahmen der Bewertungseinheit bei geringen Auswirkungen befindet, zu Recht erfolgt. So leidet die Klägerin an einer rheumatoiden Arthritis mit vorwiegendem Befall der Hand- und Fingergelenke; hingegen haben sich im Bereich der unteren Gliedmaßen keine Gesundheitsbeeinträchtigungen gezeigt. Da die Klägerin aber auch im Bereich der Handgelenke lediglich nur endgradig funktionelle Defizite gezeigt hat und zudem auch keine sensiblen Ausfallerscheinungen an den Extremitäten erkennbar waren, sind dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen und Beschwerden gerade nicht festzustellen. Auch röntgenologisch haben sich die entzündlichen Veränderungen im Bereich der Fingergelenke, Handgelenke und sonstigen Gelenke nach den Feststellungen des Sachverständigen in Grenzen gehalten, wobei sich im Bereich der Schulter gar keine entzündlichen Veränderungen gezeigt haben. So haben sich zwar bei der Überprüfung der Funktionalität der Fingergelenke im Rahmen der Begutachtung beim Faustschluss Einschränkungen der Funktionsfähigkeit bei einem inkompletten Faustschluss gezeigt. Gravierende entzündliche Veränderungen liegen indes nicht vor, vor allem noch keine destruierenden Veränderungen im Bereich der einzelnen Fingergelenke. Im Bereich der unteren Extremitäten hat der Gutachter S. eine Großzehengelenksarthrose rechts deutlicher ausgeprägt wie linksseitig mit lediglich endgradiger Funktionseinschränkung festgestellt. Da damit im Wesentlichen nur ein Teil der oberen Extremitäten befallen ist und die entzündlichen Veränderungen noch nicht mit mittelgradigen Auswirkungen einhergehen, ist eine höhere Bewertung des GdB auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes zu bilden, dass seit 2016 eine wechselnde Basistherapie aufgrund mehrfach nicht eingetretener Wirksamkeit durchgeführt werden musste.

b) Auf psychiatrischem Fachgebiet ist im Funktionssystem "Gehirn und Psyche" ein GdB von 20 zu bilden. Der Sachverständige S. , der auch Facharzt für spezielle Schmerztherapie und Psychotherapie ist, hat bei der Klägerin einer chronischen Schmerzstörung sowie eine reaktive Depression festgestellt.

Nach Teil B Nr. 3.7 der VG begründen leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen Einzel-GdB von 0 bis 20. Ein Einzel-GdB von 30 bis 40 kommt erst bei stärker behindernden Störungen in Betracht, die mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einhergehen. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist zur Überzeugung des Gerichts nicht nachgewiesen. So beschreibt Dr. S. eine chronische Schmerzstörung mit psychosomatischer Komponente, die derzeit leicht bis mittelschwerer ausgeprägt sei. Gegen die Annahme einer bereits wesentlich eingeschränkten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit spricht auch, dass die Klägerin noch in der Lage ist ihrer Arbeitstätigkeit im Umfang von acht Stunden drei Mal wöchentlich nachzugehen. Da die Klägerin nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung nunmehr seit Februar 2018 in fachärztlicher Behandlung auf psychiatrischem Fachgebiet ist und auch eine antidepressive Medikation erfolgt, ist jedenfalls ein GdB von 20 ausgefüllt. Soweit sich bei der Klägerin aufgrund der entzündlichen rheumatischen Erkrankung nach den Feststellungen des Sachverständigen S. eine chronische Schmerzstörung herausgebildet hat und diese sich erheblich mit der reaktiven Depression überlagert, ist dies mit einem GdB von 20 angemessen, aber auch ausreichend bewertet. So sind einerseits die Schmerzzustände, die aufgrund der rheumatischen Erkrankung bestehen, bereits bei dem GdB von 30 mitbewertet. Da eine gewisse Überlappung hinsichtlich der Schmerzzustände vorliegt, kann jedenfalls noch kein GdB von 30 begründet werden. Zumal die Klägerin selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben hat, im Vordergrund stünden die rheumatischen Beschwerden.

c) Hinsichtlich der von Dr. S. festgestellten degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule hat der Versorgungsarzt Dr. R. zutreffend einen weiteren GdB von 10 nach Teil B Nr. 18.9 der VG für die gering ausgeprägten funktionellen Auswirkungen anerkannt. So hat der Sachverständige S. neurologische Ausfallerscheinungen verneint und festgestellt, es würden keine gravierend über die Altersnorm hinausgehenden Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule vorliegen. Dahingehendes ergibt sich auch nicht aus der Akte mangels orthopädischer Behandlung und ist zudem von der Klägerin auch nicht vorgetragen.

d) Im Funktionssystem "untere Gliedmaße" lässt sich hingegen nach den Feststellungen der Kammer kein weiterer GdB bilden. So hat der Gutachter S. bei der Klägerin zwar eine Großzehengrundgelenksarthrose rechts deutlicher ausgeprägt wie linksseitig mit endgradiger Funktionseinschränkung bei diskreter Spreizfußbildung diagnostiziert; hieraus lässt sich aber nach Teil B Nr. 18.14 der VG kein eigenständiger GdB bilden, da die Fußdeformität ohne wesentliche statische Auswirkungen bleibt.

d) Ebenso nachvollziehbar hat der Beklagte mit Verweis auf die Einschätzung des Versorgungsarztes Dr. R. keinen eigenständigen GdB für die Pankreatitis mit infizierter Pankreasfistel gebildet und darauf verwiesen, dass es sich dabei nicht um eine dauerhafte Behinderung handelt, die länger als sechs Monate besteht.

e) Gleichsam verhält es sich mit der ausweislich des Entlassungsbriefs des Klinikums B. (18. September 2017) behandelten Sigmadivertikulitis, die keinen eigenen GdB bedingt.

3. Ausgehend von dieser Beurteilung der einzelnen Beeinträchtigungen der Klägerin entsprechen ihre Behinderungen einem Gesamt-GdB von 40. Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der Versorgungsmedizin-Verordnung in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10, Juris Rn. 25 m.w.N.). Die einzelnen GdB-Werte dürfen für die Bildung des Gesamt-GdB weder addiert, noch mit anderen Rechenmethoden gebildet werden. Ausschlaggebend sind stattdessen die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV).

Aus den Einzel-GdB-Werten von einmal 30 (rheumatische Erkrankung), einmal 20 (Psyche) und einmal 10 ist unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Maßstabs bereits ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden. Zu dieser Überzeugung gelangt die Kammer insbesondere aufgrund des voll ausgefüllten GdB von 30 auf rheumatologischem Fachgebiet und dem GdB von 20 für die Psyche, der vorliegend schon erhöhend wirkt. Hierbei hat die Kammer die nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters S. berücksichtigt, wonach die Schmerzstörung mit erheblichen psychosomatischer Überlagerung die bereits bestehenden Beeinträchtigungen der Klägerin durch die rheumatoide Arthritis deutlich verstärkt und hochtriggert. So liegt zwar eine Überschneidung zwischen den einzelnen Funktionssystemen vor, jedoch führt diese teilweise zu einer gegenseitigen Verstärkung, was nach Rechtsauffassung der Kammer mit der Bildung eines Gesamt-GdB von 40 angemessen, aber auch ausreichend bewertet ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Auch wenn die Klägerin bei angestrebtem GdB von 50 und festgestelltem GdB von 40 statt 30 rechnerisch zur Hälfte erfolgreich war, ist eine Übernahme ihrer außergerichtlichen Kosten zur Hälfte gleichwohl nicht gerechtfertigt, da nach ständiger Rechtsprechung der hier nicht erreichten Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) höhere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 – L 6 SB 4445/14 –, Rn. 46, nach juris).
Rechtskraft
Aus
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