Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 SB 6031/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 908/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Der im Jahr 1955 geborene Kläger beantragte am 12.09.2012 die Feststellung des GdB. Er legte den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 15.05.2012 vor, in dem dieser als Diagnosen rezidivierende schwergradige depressive Episoden aufführte. Der Beklagte zog das Rentengutachten des Chirurgen Dr. B. vom 15.05.2012 bei, in dem dieser darlegte, es hätten sich keine das Leistungsvermögen des Klägers einschränkenden Erkrankungen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet finden lassen. Ferner zog der Beklagte den Entlassbericht der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie C. C. vom 19.02.2012 über die vom 02.11.2011 bis zum 11.01.2012 durchgeführte stationäre psychotherapeutische Behandlung bei, in dem im Wesentlichen eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode diagnostiziert und der Verdacht auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung geäußert wurden. Dr. D. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.12.2012 als Funktionsbeeinträchtigungen eine Depression sowie eine Persönlichkeitsstörung mit einem Einzel-GdB von 40 und bewertete den Gesamt-GdB ebenfalls mit 40. Mit Bescheid vom 08.02.2013 stellte der Beklagte den GdB mit 40 seit 12.09.2012 fest.
Im Widerspruchsverfahren zog der Beklagte das Rentengutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. L. vom 09.03.2012 bei, in dem dieser eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mit leichter bis mittelschwerer Episode, und eine somatoforme Schmerzstörung diagnostizierte und ausführte, wegen der noch affektiven Beschwerdesymptomatik, der Schmerzverarbeitungsstörung, der Beeinträchtigung der konzentrativen Belastbarkeit, Umstellungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Konfliktbewältigungsfähigkeit sowie den Schlafstörungen erscheine die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gymnasiallehrer für das Fach Chemie nicht mehr möglich. Dr. E. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.07.2013 als Funktionsbeeinträchtigungen eine Depression, eine Persönlichkeitsstörung, funktionelle Organbeschwerden, muskuläre Verspannungen sowie ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 40 und bewertete den Gesamt-GdB ebenfalls mit 40. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 24.10.2013 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.
Das SG hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die Ärztin für Augenheilkunde F. hat unter dem 03.06.2014 ausgeführt, beim Kläger liege keine Sehbehinderung vor. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. hat mit Schreiben vom 18.06.2014 über eine schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung berichtet und den GdB mit mindestens 50 eingeschätzt. Der Orthopäde Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 08.07.2014 ausgeführt, beim Kläger bestehe kein orthopädisch-pathologischer Befund im Bereich des gesamten Bewegungssystems. Dr. I. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.11.2014 an der bisherigen GdB-Beurteilung festgehalten.
Sodann hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. J., Oberarzt an der Tagesklinik K., vom 25.03.2015 eingeholt. Dieser hat eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mit dysthymer Stimmungslage, vor dem Hintergrund einer narzisstisch strukturierten Persönlichkeit sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Infolge seiner psychischen Erkrankungen liege beim Kläger eine mittelgradig ausgeprägte soziale Anpassungsstörung vor. Er sei noch in der Lage, seinen normalen Alltag zu bewältigen. Störungsbedingt zeige er hierbei jedoch eine Fülle dysfunktionaler Verhaltensmuster, welche seine Lebensqualität und seine Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten. Hieraus resultiere ein GdB von 50. Hierzu hat Dr. O. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.04.2015 ausgeführt, daraus, dass der Kläger zwar nicht mehr berufstätig sei und sich auch sozial zurückgezogen habe, könne man nicht zwangsläufig soziale Anpassungsschwierigkeiten in allen Lebensbereichen ableiten. Immerhin sei der Kläger noch in der Lage, seine neunjährige Tochter, für die er das Sorgerecht habe, zu versorgen. Auch werde der Alltag noch durchaus bewältigt. Ein völliges Darniederliegen von Interessen, wie es bei einer schweren seelischen Störung eher zu erwarten wäre, bestehe ganz offensichtlich nicht. Bei einer schweren seelischen Störung wäre eine ausgeprägtere Befindlichkeitsstörung zu erwarten, während im Gutachten ausgeführt werde, dass eine depressive Störung aktuell eher leicht ausgeprägt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der Einschätzung des Dr. J. liege unter Berücksichtigung des vom Kläger in der gutachterlichen Untersuchung geschilderten Tagesablaufs, des Entlassberichts der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie C. C. und des Gutachtens des Dr. L. lediglich eine mit einem GdB von 40 ausreichend bewertete, stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor.
Hiergegen hat der Kläger am 08.03.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er leide unter anderem an Rücken- und Nackenschmerzen sowie regelmäßig wiederkehrenden mittelschweren Depressionen, verbunden mit Energielosigkeit und Niedergeschlagenheit. Es bestünden Durchschlafstörungen, verbunden mit Sehproblemen, Kontaktschwierigkeiten und Prostataproblemen. Er sei permanent stark angespannt. Zudem bestünden Rheumaschübe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 8. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2013 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe im angefochtenen Gerichtsbescheid den medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt.
Der Senat hat zunächst die im Rentenverfahren eingeholten Gutachten samt Stellungnahmen beigezogen. Der Neurologe und Psychiater Dr. M. hat in seinem Rentengutachten vom 27.01.2014 samt Stellungnahme vom 07.01.2015 vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierungen, wohl in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, eine deutliche Neigung zu psychosomatischer Beschwerdebildung sowie seit langem anhaltend remittierte Panikattacken beschrieben und ausgeführt, organ-neurologisch begründete Störungen lägen nicht vor. Der Anästhesiologe und Schmerztherapeut Dr. N. hat in seinem Rentengutachten vom 20.07.2015 einen unspezifischen Rückenschmerz, eine dissoziative Störung, eine rezidivierende depressive Störung mit derzeit mittelschwerer Episode sowie einen Anhalt für eine Panikstörung beschrieben und ausgeführt, für organische neurologische Störungen bestehe kein Anhalt. Ferner ergibt sich aus den beigezogenen Rentenakten, dass die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 15.04.2014 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer gewährt hat. Dr. O. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.09.2016 ausgeführt, eine schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten in allen Lebensbereichen könne auch weiterhin nicht festgestellt werden.
Der Berichterstatter hat am 14.09.2016 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt.
Sodann hat der Senat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 25.08.2017 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, beim Kläger handele es sich um eine seit der zuletzt durchgeführten Begutachtung weiter akzentuierte und verfestigte Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend narzisstischen, jedoch auch paranoiden und passiv-aggressiven Persönlichkeitsanteilen, die sich auf alle zwischenmenschlichen Kontakte im Alltag gravierend negativ auswirkten. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, es handele sich im aktuellen Zustand um eine mittelschwere bis sehr schwere Störung, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Da auch der Rechtsstreit und die Begutachtungen paranoid verarbeitet würden, schlage er pragmatisch die Erhöhung des GdB von 40 auf 50 ab Anfang 2016, also etwa zeitgleich mit der Erhebung der Berufung, vor.
Daraufhin hat der Senat die Diplom-Psychologin Q. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat mit Schreiben vom 16.11.2017 ausgeführt, der Kläger sei bei ihr vom 18.04.2011 bis zum 30.11.2015 in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Die depressive Symptomatik und die Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung hätten sich deutlich gebessert. Der Kläger habe jedoch weiterhin unter einer erheblichen Schmerzsymptomatik gelitten. Sie hat ferner die von ihr unter dem 17.03.2011, 08.04.2013 und 21.10.2014 erstellten Berichte vorgelegt.
Dr. Götz hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.12.2017 ausgeführt, vor dem Hintergrund, dass die Diplom-Psychologin Q. eine Besserung der Symptomatik angegeben habe und sich aus dem Gutachten des Dr. P. ergebe, dass der Kläger einen Zwei-Personen-Haushalt versorgen könne, sowie detailliertere Angaben zu den aktuellen Lebensumständen im Gutachten des Dr. P. fehlten, seien krankheitsbedingte mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten auch im familiären Bereich nicht ausreichend ableitbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 12.02.2016, mit dem das SG die auf die Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2013 und die Verpflichtung des Beklagten, den GdB des Klägers mit mindestens 50 festzustellen, gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG abgewiesen hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB ist § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese - da Übergangsregelungen fehlen - nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine - also nicht nur für die medizinische - Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass - soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 2904), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist der GdB zutreffend mit 40 bewertet.
Für die Behinderungen des Klägers im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" kommt nach der Überzeugung des Senats kein höherer Einzel-GdB als 40 in Betracht.
Nach den sich aus den Gutachten des Dr. M., des Dr. J., des Dr. N. und des Dr. P. ergebenden Feststellungen des Senats war der Kläger als Chemiker und sodann Lehrer berufstätig. Er ist geschieden, lebt mit seiner elfjährigen Tochter in seiner Eigentumswohnung und bezieht eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Sein durchschnittlicher Tagesablauf besteht darin, dass er gegen 7.00 Uhr aufsteht, sodann seine Tochter weckt, gymnastische Übungen durchführt und das Frühstück für seine Tochter zubereitet. Während seine Tochter in der Schule ist, führt er weitere gymnastische Übungen durch, geht Walken oder kurze Strecken Spazieren, bearbeitet sodann E-Mails an seinem Computer, liest Bücher über Philosophie, Psychologie oder Politik und erledigt - weitgehend selbständig - die anstehenden Dinge, insbesondere den Haushalt. Zwischendurch entspannt er sich bei einer Tasse Kaffee auf seiner Terrasse. Er geht Einkaufen, bereitet das Mittagessen vor, isst mit seiner Tochter zu Mittag und macht danach einen Mittagsschlaf. Am Nachmittag hilft er seiner Tochter bei den Hausaufgaben oder er liest ihr ein Buch vor oder er spielt mit ihr. Sodann bereitet er das Abendessen zu, isst zu Abend, bringt seine Tochter ins Bett und legt sich sodann Schlafen. An Wochenenden und Feiertagen trifft er sich mit Bekannten zum Radfahren oder zum Kochen oder er malt Bilder und lädt Freundinnen für seine Tochter ein. Ferner unternimmt er Reisen, teilweise alleine, teilweise mit seiner Tochter, unter anderem auch nach Thailand.
Der Kläger hat sich im Rahmen der von Dr. J. durchgeführten gutachterlichen Untersuchung als freundlich und im Kontaktverhalten offen, als bewusstseinsklar, allseits orientiert, mit intakter Auffassung, in der Konzentrationsfähigkeit und in den Gedächtnisfunktionen ohne Defizite, mit unauffälligem Gedankengang, ohne inhaltliche Denkstörungen, ohne Sinnesstörungen und ohne Ich-Störungen gezeigt. Der Kläger hat allerdings angegeben, oft traurig, antriebslos, kraftlos und erschöpft zu sein, Schmerzattacken sowie Ängste vor Nähe, Verletzungen und Versagen zu haben, an Schlafstörungen zu leiden sowie keinen Freundeskreis zu haben. Der Sachverständige hat daher in seinem psychischen Befund eine dysthyme Stimmungslage, eine leicht reduzierte Antriebslage, eine vermehrte Erschöpfbarkeit sowie einen sozialen Rückzug beschrieben und darauf aufbauend überzeugend eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mit dysthymer Stimmungslage, vor dem Hintergrund einer narzisstisch strukturierten Persönlichkeit sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.
Demgegenüber folgt der Senat nicht der Einschätzung des Dr. J., hierfür sei ein Einzel-GdB von 50 zu vergeben. Der Senat ist davon überzeugt, dass im Falle des Klägers nur von mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewertenden stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) und noch nicht von mit einem GdB ab 50 zu bewertenden schweren Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7 auszugehen ist. Zwar können mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten schon angenommen werden, wenn eine in den meisten Berufen sich auswirkende psychische Veränderung vorliegt, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt, und für die ferner erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung, aber noch keine Isolierung und noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der zum Beispiel eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte, kennzeichnend sind (Sachverständigenbeirat im Beiratsprotokoll vom 18./19.03.1998, vergleiche Wendler/Schillings in Versorgungsmedizinische Grundsätze, VdK-Kommentar, 8. Auflage, zu VG Nr. 3.6, S. 154 und 155, Nr. 3.7, S. 161). Gegen die Annahme schwerer Störungen spricht aber im Falle des Klägers sein durchaus strukturierter Tagesablauf, seine Fähigkeit, die elfjährige Tochter adäquat zu versorgen und Freizeitaktivitäten durchzuführen, sowie der Umstand, dass er eine regelmäßige fachpsychiatrische, psychotherapeutische oder schmerztherapeutische Behandlung nicht mehr in Anspruch nimmt. So ergibt sich aus den Akten, dass sich der Kläger zunächst bei Dr. A. in psychiatrischer Behandlung, vom 02.11.2011 bis zum 11.01.2012 in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie C. C. in einer stationären psychotherapeutischen Behandlung, am 28.03.2013 bei Dr. R. und am 28.01.2014 und 25.02.2015 bei Dr. G. in psychiatrischer Behandlung sowie vom 18.04.2011 bis zum 30.11.2015 bei der Diplom-Psychologin Q. in psychotherapeutischer Behandlung befunden hat. Darüber hinaus gehende regelmäßige Behandlungen, die die Annahme eines Leidensdruckes rechtfertigen könnten, der seinerseits dazu angetan wäre, beim Kläger von schweren Störungen auszugehen, nimmt er nicht in Anspruch. Dies wohl auch deshalb, da sich nach den Angaben der Diplom-Psychologin Q. die psychische Erkrankung zum Zeitpunkt der Beendigung der Psychotherapie deutlich gebessert hatte. Hinzu kommt, dass der von Dr. J. beschriebene Befund eine aktuell eher leicht ausgeprägte depressive Störung entspricht und sich ein die Annahme schwerer Störungen rechtfertigender sozialer Rückzug den Akten nicht entnehmen lässt. Ferner haben auch die beiden Rentengutachter Dr. M. und Dr. N. überzeugend dargelegt, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig mit qualitativen Einschränkungen durchzuführen.
Zwar registriert der Senat durchaus, dass der Sachverständige Dr. P. im Gegensatz zur Vorbegutachtung den Kläger in seinem Auftreten als mürrisch-vorwurfsvoll und gekränkt sowie in seinen Äußerungen als latent aggressiv beschrieben und dargelegt hat, der psychopathologische Befund sei eindeutig von narzisstischen Persönlichkeitszügen, paranoid wirkenden Anteilen und einer vorwurfsvollen Gereiztheit dominiert. Auch verkennt der Senat nicht, dass Dr. P. vor allem Schwierigkeiten des Klägers, Kontakt aufzunehmen und emotionale Verbindungen herzustellen, für problematisch sowie ihn hierdurch als deutlich eingeengt erachtet hat. Der Senat folgt aber nicht der Einschätzung des Dr. P., dass dieser Befund die Annahme erheblicher sozialer Anpassungsstörungen rechtfertigt, hat der Kläger doch immerhin seit etwa drei Jahren Kontakte zu einer Thailänderin, die er mehrfach in Thailand besuchte, was seine Fähigkeit zur Knüpfung neuer Kontakte bestätigt und gegen eine soziale Isolation spricht. Hinzukommt, dass auch Dr. P. - für den Senat insoweit nachvollziehbar - beim Kläger keine tiefergreifende Depressivität hat erkennen können. So hat der Kläger nach den Darlegungen des Dr. P. aktuell in seiner Reaktionsfähigkeit nicht mehr durch eine Depressivität eingeengt gewirkt. Auch verfügt er über einige Fähigkeiten im Alltag, die - auch aus Sicht des Sachverständigen - eine niedrigere Einstufung des GdB rechtfertigen könnten. Insoweit hat auch Dr. P. darauf abgestellt, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben die Erziehung und Versorgung seiner Tochter vollständig übernimmt, zu Hause mit dem Computer aktiv und mit dem Auto unterwegs ist. Entsprechend dieser Alltagsfähigkeiten sowie der geringen Depressivität und Antriebsstörung treten nach Ansicht des Senats die vom Sachverständigen geschilderten Persönlichkeitsvarianten nicht derart in den Vordergrund, dass sie schwere Anpassungsstörungen rechtfertigen könnten.
Aus diesen Gründen ist die Behinderung im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" allenfalls mit einem Einzel-GdB von 40 zu beurteilen.
Unter Berücksichtigung dieses Einzel-GdB-Wertes lässt sich der Gesamt-GdB nicht höher als mit 40 feststellen. Denn weitere, mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu beurteilende, Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet wären, den GdB um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, sind nicht ersichtlich.
Mithin hat es das SG zu Recht abgelehnt, den Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 50 zu verurteilen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Der im Jahr 1955 geborene Kläger beantragte am 12.09.2012 die Feststellung des GdB. Er legte den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 15.05.2012 vor, in dem dieser als Diagnosen rezidivierende schwergradige depressive Episoden aufführte. Der Beklagte zog das Rentengutachten des Chirurgen Dr. B. vom 15.05.2012 bei, in dem dieser darlegte, es hätten sich keine das Leistungsvermögen des Klägers einschränkenden Erkrankungen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet finden lassen. Ferner zog der Beklagte den Entlassbericht der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie C. C. vom 19.02.2012 über die vom 02.11.2011 bis zum 11.01.2012 durchgeführte stationäre psychotherapeutische Behandlung bei, in dem im Wesentlichen eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode diagnostiziert und der Verdacht auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung geäußert wurden. Dr. D. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.12.2012 als Funktionsbeeinträchtigungen eine Depression sowie eine Persönlichkeitsstörung mit einem Einzel-GdB von 40 und bewertete den Gesamt-GdB ebenfalls mit 40. Mit Bescheid vom 08.02.2013 stellte der Beklagte den GdB mit 40 seit 12.09.2012 fest.
Im Widerspruchsverfahren zog der Beklagte das Rentengutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. L. vom 09.03.2012 bei, in dem dieser eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mit leichter bis mittelschwerer Episode, und eine somatoforme Schmerzstörung diagnostizierte und ausführte, wegen der noch affektiven Beschwerdesymptomatik, der Schmerzverarbeitungsstörung, der Beeinträchtigung der konzentrativen Belastbarkeit, Umstellungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Konfliktbewältigungsfähigkeit sowie den Schlafstörungen erscheine die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gymnasiallehrer für das Fach Chemie nicht mehr möglich. Dr. E. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.07.2013 als Funktionsbeeinträchtigungen eine Depression, eine Persönlichkeitsstörung, funktionelle Organbeschwerden, muskuläre Verspannungen sowie ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 40 und bewertete den Gesamt-GdB ebenfalls mit 40. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 24.10.2013 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.
Das SG hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die Ärztin für Augenheilkunde F. hat unter dem 03.06.2014 ausgeführt, beim Kläger liege keine Sehbehinderung vor. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. hat mit Schreiben vom 18.06.2014 über eine schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung berichtet und den GdB mit mindestens 50 eingeschätzt. Der Orthopäde Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 08.07.2014 ausgeführt, beim Kläger bestehe kein orthopädisch-pathologischer Befund im Bereich des gesamten Bewegungssystems. Dr. I. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.11.2014 an der bisherigen GdB-Beurteilung festgehalten.
Sodann hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. J., Oberarzt an der Tagesklinik K., vom 25.03.2015 eingeholt. Dieser hat eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mit dysthymer Stimmungslage, vor dem Hintergrund einer narzisstisch strukturierten Persönlichkeit sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Infolge seiner psychischen Erkrankungen liege beim Kläger eine mittelgradig ausgeprägte soziale Anpassungsstörung vor. Er sei noch in der Lage, seinen normalen Alltag zu bewältigen. Störungsbedingt zeige er hierbei jedoch eine Fülle dysfunktionaler Verhaltensmuster, welche seine Lebensqualität und seine Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten. Hieraus resultiere ein GdB von 50. Hierzu hat Dr. O. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.04.2015 ausgeführt, daraus, dass der Kläger zwar nicht mehr berufstätig sei und sich auch sozial zurückgezogen habe, könne man nicht zwangsläufig soziale Anpassungsschwierigkeiten in allen Lebensbereichen ableiten. Immerhin sei der Kläger noch in der Lage, seine neunjährige Tochter, für die er das Sorgerecht habe, zu versorgen. Auch werde der Alltag noch durchaus bewältigt. Ein völliges Darniederliegen von Interessen, wie es bei einer schweren seelischen Störung eher zu erwarten wäre, bestehe ganz offensichtlich nicht. Bei einer schweren seelischen Störung wäre eine ausgeprägtere Befindlichkeitsstörung zu erwarten, während im Gutachten ausgeführt werde, dass eine depressive Störung aktuell eher leicht ausgeprägt sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der Einschätzung des Dr. J. liege unter Berücksichtigung des vom Kläger in der gutachterlichen Untersuchung geschilderten Tagesablaufs, des Entlassberichts der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie C. C. und des Gutachtens des Dr. L. lediglich eine mit einem GdB von 40 ausreichend bewertete, stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor.
Hiergegen hat der Kläger am 08.03.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er leide unter anderem an Rücken- und Nackenschmerzen sowie regelmäßig wiederkehrenden mittelschweren Depressionen, verbunden mit Energielosigkeit und Niedergeschlagenheit. Es bestünden Durchschlafstörungen, verbunden mit Sehproblemen, Kontaktschwierigkeiten und Prostataproblemen. Er sei permanent stark angespannt. Zudem bestünden Rheumaschübe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 8. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2013 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe im angefochtenen Gerichtsbescheid den medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt.
Der Senat hat zunächst die im Rentenverfahren eingeholten Gutachten samt Stellungnahmen beigezogen. Der Neurologe und Psychiater Dr. M. hat in seinem Rentengutachten vom 27.01.2014 samt Stellungnahme vom 07.01.2015 vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierungen, wohl in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, eine deutliche Neigung zu psychosomatischer Beschwerdebildung sowie seit langem anhaltend remittierte Panikattacken beschrieben und ausgeführt, organ-neurologisch begründete Störungen lägen nicht vor. Der Anästhesiologe und Schmerztherapeut Dr. N. hat in seinem Rentengutachten vom 20.07.2015 einen unspezifischen Rückenschmerz, eine dissoziative Störung, eine rezidivierende depressive Störung mit derzeit mittelschwerer Episode sowie einen Anhalt für eine Panikstörung beschrieben und ausgeführt, für organische neurologische Störungen bestehe kein Anhalt. Ferner ergibt sich aus den beigezogenen Rentenakten, dass die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 15.04.2014 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer gewährt hat. Dr. O. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.09.2016 ausgeführt, eine schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten in allen Lebensbereichen könne auch weiterhin nicht festgestellt werden.
Der Berichterstatter hat am 14.09.2016 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt.
Sodann hat der Senat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 25.08.2017 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, beim Kläger handele es sich um eine seit der zuletzt durchgeführten Begutachtung weiter akzentuierte und verfestigte Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend narzisstischen, jedoch auch paranoiden und passiv-aggressiven Persönlichkeitsanteilen, die sich auf alle zwischenmenschlichen Kontakte im Alltag gravierend negativ auswirkten. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, es handele sich im aktuellen Zustand um eine mittelschwere bis sehr schwere Störung, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Da auch der Rechtsstreit und die Begutachtungen paranoid verarbeitet würden, schlage er pragmatisch die Erhöhung des GdB von 40 auf 50 ab Anfang 2016, also etwa zeitgleich mit der Erhebung der Berufung, vor.
Daraufhin hat der Senat die Diplom-Psychologin Q. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat mit Schreiben vom 16.11.2017 ausgeführt, der Kläger sei bei ihr vom 18.04.2011 bis zum 30.11.2015 in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Die depressive Symptomatik und die Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung hätten sich deutlich gebessert. Der Kläger habe jedoch weiterhin unter einer erheblichen Schmerzsymptomatik gelitten. Sie hat ferner die von ihr unter dem 17.03.2011, 08.04.2013 und 21.10.2014 erstellten Berichte vorgelegt.
Dr. Götz hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.12.2017 ausgeführt, vor dem Hintergrund, dass die Diplom-Psychologin Q. eine Besserung der Symptomatik angegeben habe und sich aus dem Gutachten des Dr. P. ergebe, dass der Kläger einen Zwei-Personen-Haushalt versorgen könne, sowie detailliertere Angaben zu den aktuellen Lebensumständen im Gutachten des Dr. P. fehlten, seien krankheitsbedingte mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten auch im familiären Bereich nicht ausreichend ableitbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 12.02.2016, mit dem das SG die auf die Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2013 und die Verpflichtung des Beklagten, den GdB des Klägers mit mindestens 50 festzustellen, gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG abgewiesen hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB ist § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese - da Übergangsregelungen fehlen - nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine - also nicht nur für die medizinische - Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass - soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 2904), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist der GdB zutreffend mit 40 bewertet.
Für die Behinderungen des Klägers im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" kommt nach der Überzeugung des Senats kein höherer Einzel-GdB als 40 in Betracht.
Nach den sich aus den Gutachten des Dr. M., des Dr. J., des Dr. N. und des Dr. P. ergebenden Feststellungen des Senats war der Kläger als Chemiker und sodann Lehrer berufstätig. Er ist geschieden, lebt mit seiner elfjährigen Tochter in seiner Eigentumswohnung und bezieht eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Sein durchschnittlicher Tagesablauf besteht darin, dass er gegen 7.00 Uhr aufsteht, sodann seine Tochter weckt, gymnastische Übungen durchführt und das Frühstück für seine Tochter zubereitet. Während seine Tochter in der Schule ist, führt er weitere gymnastische Übungen durch, geht Walken oder kurze Strecken Spazieren, bearbeitet sodann E-Mails an seinem Computer, liest Bücher über Philosophie, Psychologie oder Politik und erledigt - weitgehend selbständig - die anstehenden Dinge, insbesondere den Haushalt. Zwischendurch entspannt er sich bei einer Tasse Kaffee auf seiner Terrasse. Er geht Einkaufen, bereitet das Mittagessen vor, isst mit seiner Tochter zu Mittag und macht danach einen Mittagsschlaf. Am Nachmittag hilft er seiner Tochter bei den Hausaufgaben oder er liest ihr ein Buch vor oder er spielt mit ihr. Sodann bereitet er das Abendessen zu, isst zu Abend, bringt seine Tochter ins Bett und legt sich sodann Schlafen. An Wochenenden und Feiertagen trifft er sich mit Bekannten zum Radfahren oder zum Kochen oder er malt Bilder und lädt Freundinnen für seine Tochter ein. Ferner unternimmt er Reisen, teilweise alleine, teilweise mit seiner Tochter, unter anderem auch nach Thailand.
Der Kläger hat sich im Rahmen der von Dr. J. durchgeführten gutachterlichen Untersuchung als freundlich und im Kontaktverhalten offen, als bewusstseinsklar, allseits orientiert, mit intakter Auffassung, in der Konzentrationsfähigkeit und in den Gedächtnisfunktionen ohne Defizite, mit unauffälligem Gedankengang, ohne inhaltliche Denkstörungen, ohne Sinnesstörungen und ohne Ich-Störungen gezeigt. Der Kläger hat allerdings angegeben, oft traurig, antriebslos, kraftlos und erschöpft zu sein, Schmerzattacken sowie Ängste vor Nähe, Verletzungen und Versagen zu haben, an Schlafstörungen zu leiden sowie keinen Freundeskreis zu haben. Der Sachverständige hat daher in seinem psychischen Befund eine dysthyme Stimmungslage, eine leicht reduzierte Antriebslage, eine vermehrte Erschöpfbarkeit sowie einen sozialen Rückzug beschrieben und darauf aufbauend überzeugend eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mit dysthymer Stimmungslage, vor dem Hintergrund einer narzisstisch strukturierten Persönlichkeit sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.
Demgegenüber folgt der Senat nicht der Einschätzung des Dr. J., hierfür sei ein Einzel-GdB von 50 zu vergeben. Der Senat ist davon überzeugt, dass im Falle des Klägers nur von mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewertenden stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) und noch nicht von mit einem GdB ab 50 zu bewertenden schweren Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7 auszugehen ist. Zwar können mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten schon angenommen werden, wenn eine in den meisten Berufen sich auswirkende psychische Veränderung vorliegt, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt, und für die ferner erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung, aber noch keine Isolierung und noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der zum Beispiel eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte, kennzeichnend sind (Sachverständigenbeirat im Beiratsprotokoll vom 18./19.03.1998, vergleiche Wendler/Schillings in Versorgungsmedizinische Grundsätze, VdK-Kommentar, 8. Auflage, zu VG Nr. 3.6, S. 154 und 155, Nr. 3.7, S. 161). Gegen die Annahme schwerer Störungen spricht aber im Falle des Klägers sein durchaus strukturierter Tagesablauf, seine Fähigkeit, die elfjährige Tochter adäquat zu versorgen und Freizeitaktivitäten durchzuführen, sowie der Umstand, dass er eine regelmäßige fachpsychiatrische, psychotherapeutische oder schmerztherapeutische Behandlung nicht mehr in Anspruch nimmt. So ergibt sich aus den Akten, dass sich der Kläger zunächst bei Dr. A. in psychiatrischer Behandlung, vom 02.11.2011 bis zum 11.01.2012 in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie C. C. in einer stationären psychotherapeutischen Behandlung, am 28.03.2013 bei Dr. R. und am 28.01.2014 und 25.02.2015 bei Dr. G. in psychiatrischer Behandlung sowie vom 18.04.2011 bis zum 30.11.2015 bei der Diplom-Psychologin Q. in psychotherapeutischer Behandlung befunden hat. Darüber hinaus gehende regelmäßige Behandlungen, die die Annahme eines Leidensdruckes rechtfertigen könnten, der seinerseits dazu angetan wäre, beim Kläger von schweren Störungen auszugehen, nimmt er nicht in Anspruch. Dies wohl auch deshalb, da sich nach den Angaben der Diplom-Psychologin Q. die psychische Erkrankung zum Zeitpunkt der Beendigung der Psychotherapie deutlich gebessert hatte. Hinzu kommt, dass der von Dr. J. beschriebene Befund eine aktuell eher leicht ausgeprägte depressive Störung entspricht und sich ein die Annahme schwerer Störungen rechtfertigender sozialer Rückzug den Akten nicht entnehmen lässt. Ferner haben auch die beiden Rentengutachter Dr. M. und Dr. N. überzeugend dargelegt, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig mit qualitativen Einschränkungen durchzuführen.
Zwar registriert der Senat durchaus, dass der Sachverständige Dr. P. im Gegensatz zur Vorbegutachtung den Kläger in seinem Auftreten als mürrisch-vorwurfsvoll und gekränkt sowie in seinen Äußerungen als latent aggressiv beschrieben und dargelegt hat, der psychopathologische Befund sei eindeutig von narzisstischen Persönlichkeitszügen, paranoid wirkenden Anteilen und einer vorwurfsvollen Gereiztheit dominiert. Auch verkennt der Senat nicht, dass Dr. P. vor allem Schwierigkeiten des Klägers, Kontakt aufzunehmen und emotionale Verbindungen herzustellen, für problematisch sowie ihn hierdurch als deutlich eingeengt erachtet hat. Der Senat folgt aber nicht der Einschätzung des Dr. P., dass dieser Befund die Annahme erheblicher sozialer Anpassungsstörungen rechtfertigt, hat der Kläger doch immerhin seit etwa drei Jahren Kontakte zu einer Thailänderin, die er mehrfach in Thailand besuchte, was seine Fähigkeit zur Knüpfung neuer Kontakte bestätigt und gegen eine soziale Isolation spricht. Hinzukommt, dass auch Dr. P. - für den Senat insoweit nachvollziehbar - beim Kläger keine tiefergreifende Depressivität hat erkennen können. So hat der Kläger nach den Darlegungen des Dr. P. aktuell in seiner Reaktionsfähigkeit nicht mehr durch eine Depressivität eingeengt gewirkt. Auch verfügt er über einige Fähigkeiten im Alltag, die - auch aus Sicht des Sachverständigen - eine niedrigere Einstufung des GdB rechtfertigen könnten. Insoweit hat auch Dr. P. darauf abgestellt, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben die Erziehung und Versorgung seiner Tochter vollständig übernimmt, zu Hause mit dem Computer aktiv und mit dem Auto unterwegs ist. Entsprechend dieser Alltagsfähigkeiten sowie der geringen Depressivität und Antriebsstörung treten nach Ansicht des Senats die vom Sachverständigen geschilderten Persönlichkeitsvarianten nicht derart in den Vordergrund, dass sie schwere Anpassungsstörungen rechtfertigen könnten.
Aus diesen Gründen ist die Behinderung im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" allenfalls mit einem Einzel-GdB von 40 zu beurteilen.
Unter Berücksichtigung dieses Einzel-GdB-Wertes lässt sich der Gesamt-GdB nicht höher als mit 40 feststellen. Denn weitere, mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu beurteilende, Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet wären, den GdB um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, sind nicht ersichtlich.
Mithin hat es das SG zu Recht abgelehnt, den Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 50 zu verurteilen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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