Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3114/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3011/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.06.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die Gewährung von Verletztenrente wegen der anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4106 (im Folgenden: BK 4106; Erkrankungen der tiefen Atemwege und der Lunge durch Aluminium und seine Verbindungen) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 der BKV streitig.
Der am 1946 geborene, aus der T. stammende Kläger siedelte im Jahr 1972 ins Bundesgebiet über und war nachfolgend nahezu durchgehend von November 1972 bis 31.12.1999 bei verschiedenen Firmen als Schweißer beschäftigt, zunächst als Punktschweißer, nachfolgend als Stahlschweißer und zuletzt seit Februar 1979 bei der Firma W. L. GmbH & Co. KG als Aluminiumschweißer. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde wegen hoher Arbeitsunfähigkeitszeiten (Wirbelsäulenbeschwerden, Erkältungen, Gicht, vgl. Bl. 60 VerwA) des Klägers durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 31.12.1999 beendet. Nachfolgend war der Kläger arbeitslos. Seit Oktober 2003 bezieht er eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger litt an einem Rektumkarzinom, das im August 2003 operativ entfernt wurde. Im Rahmen von Nachuntersuchungen fielen im Oktober 2003 röntgenologisch Lungenrundherde auf, worauf angesichts des Verdachts auf Lungenmetastasen eine diagnostische Tracheobronchoskopie durchgeführt und beidseits Keilsegmente der Lunge (Oberlappen rechts, Mittellappen, Unterlappen links) sowie einzelne Lymphknoten entfernt wurden, deren histologische Untersuchung jedoch keinen Anhalt für eine Malignität erbrachte (vgl. Behandlungsbericht vom 28.10.2003, Bl. 46 f. VerwA).
Wegen des röntgenologischen Lungenbefundes zeigte die behandelnde Ärztin des Klägers H. unter dem 15.06.2003 den Verdacht auf eine BK an, verwies auf diesen Zufallsbefund sowie darauf, dass der Kläger als Aluminiumschweißer tätig gewesen sei und als BK eine Lungenfibrose, Hartmetalllunge bzw. Schweißerlunge in Betracht komme. Im Rahmen der weiteren Sachaufklärung erstattete Prof. Dr. M. , Institut für Pathologie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. in B. , ein Gutachten, in dem er zu der Auffassung gelangte, dass die Voraussetzungen für die Aluminium-assoziierte BK 4106 vorlägen (vgl. Bl. 37 ff. VerwA). Auch der nachfolgend mit einer Begutachtung des Klägers beauftragte Priv.-Doz. Dr. S. , seinerzeit kommissarischer Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der J ... -Universität G ... , der den Kläger im Juli 2004 untersuchte, bejahte das Vorliegen einer BK 4106, im Übrigen eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) im Sinne einer sog. Sidero-Fibrose. Ausgehend davon, dass sich bei der lungenfunktionsanalytischen Untersuchung keine relevante Einschränkung der Lungenfunktion zeigte, schätzte der Gutachter die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit weniger als 20 vom Hundert (v.H.) ein.
Mit Bescheid vom 10.09.2004 anerkannte die Beklagte die Lungenerkrankung des Klägers teilweise als berufsbedingt, wobei es sich bei dem berufsbedingten Anteil um eine BK 4106 handele. Als Folge der BK anerkannte sie eine Aluminiumspeicherung im Lungengewebe ohne Funktionsbeeinträchtigungen von Lunge, Bronchien, Herz und Kreislauf. Gleichzeitig lehnte sie einen Anspruch auf Rente ab, ebenso Leistungen im Rahmen des § 3 BKV, da die schädigende Tätigkeit bei der W. L. GmbH & Co nicht ursächlich wegen der BK 4106 aufgegeben worden sei, sondern wegen der Darmtumorerkrankung. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004), worauf der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhob (S 7 U 3653/04).
Mit weiteren Bescheiden (Bescheid vom 27.04.2004 und Widerspruchsbescheid vom 13.07.2004) lehnte die Beklagte die Anerkennung der Darmerkrankung als BK und als Wie-BK ab, ebenso mit Bescheid vom 10.05.2004 und Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 die Anerkennung einer BK nach Nr. 2402 (Erkrankung durch ionisierende Strahlen). Auch insoweit erhob der Kläger jeweils beim SG Klage (S 7 U 2309/04 und S 7 U 3284/04), wobei das SG die Verfahren S 7 U 3653/04 und S 7 U 3284/04 mit Beschluss vom 11.02.2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu dem Verfahren S 7 U 2309/04 verband. Das SG holte ein weiteres Gutachten bei Priv.-Doz. Dr. S. ein, der den Kläger im März 2005 untersuchte. Da sich bei den durchgeführten Untersuchungen wiederum keine relevanten Lungenfunktionseinschränkungen objektivieren ließen, schätzte er die MdE bezüglich der BK 4106 erneut mit weniger als 20 v.H. ein. Wie schon anlässlich der Voruntersuchung sah er die sich zeigende erhebliche Belastungseinschränkung des Klägers auch nunmehr (Belastungsabbruch bereits zu Beginn der Belastungsstufe mit 50 Watt) im Zusammenhang mit der schweren Tumorerkrankung, was durch die Verlaufsuntersuchung bestätigt werde. Mit Urteil vom 03.06.2008 wies das SG die Klagen ab und führte u.a. aus, Anspruch auf Verletztenrente wegen der BK 4106 bestehe nicht, da keine Lungenfunktionseinschränkung zu verifizieren sei, die die die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. rechtfertige. Leistungen gemäß § 3 BKV seien nicht zu gewähren, da die Tätigkeit bei der W. L. GmbH & Co durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet worden sei, nicht aber wegen der BK 4106. Im Berufungsverfahren (L 9 U 3676/08) vor dem Landessozialgericht (LSG) holte der 9. Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das arbeitsmedizinische Gutachten nach Aktenlage des Dr. N. ein, der sich der Einschätzung der Vorgutachter anschloss, dass bisher lungenfunktionsanalytisch keine Einschränkung der Atemfunktion zu erkennen sei, die eine MdE um wenigstens 20 v.H. begründen könnte. Mit Urteil vom 25.01.2011 wies das LSG die Berufung des Klägers u.a. mit der Begründung zurück, aus der BK 4106 resultiere keine messbare MdE und Leistungen nach § 3 BKV seien nicht zu erbringen, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der BK 4106 und der Aufgabe der Tätigkeit bestanden habe.
Nachdem die Beklagte es mit weiterem Bescheid vom 12.10.2004 und Widerspruchsbescheid vom 25.02.2005 auch abgelehnt hatte, die Staublungenerkrankung durch Eisenstaub/Schweißerlunge (Sidero-Pneumokoniose) als BK sowie als Wie-BK anzuerkennen und die dagegen vor dem SG erhobene Klage S 7 U 953/05 erfolglos geblieben war (Urteil vom 01.07.2008), holte der 9. Senat des LSG in dem anschließenden Berufungsverfahren L 9 U 3910/08 auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten nach Aktenlage des Prof. Dr. W. , ehem. Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der J ... -Universität G ... , ein, der hinsichtlich der Sidero-Pneumokoniose sowohl eine BK als auch eine Wie-BK verneinte. Im Hinblick auf die Kombinationswirkungen, insbesondere den aluminiumhaltigen Schweißrauchen und dem Ozon in Gasform, schlug er in dem "außerordentlich schwierigen Einzelfall" jedoch vor, die MdE der BK 4106 als Kombinationsschaden seit Oktober 2003 mit 20 v.H. zu bewerten. Er begründete dies damit, dass histopathologisch in nicht weniger als drei Lungenresektaten ein "schwerwiegendes Bild" nachgewiesen sei, auf Grund dessen man davon ausgehen müsse, dass "deutliche Funktionsstörungen bereits messbar sind", sowie den noch relativ geringen Lungenfunktionseinschränkungen in Ruhe anlässlich der Untersuchungen in den Jahren 2004 und 2005. Mit Urteil vom 30.03.2011 wies das LSG die Berufung des Klägers zurück.
Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtstreits ist der Antrag des Klägers vom 04.05.2011, mit dem er unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Prof. Dr. W. zur MdE bezüglich der BK 4106 der Sache nach die Überprüfung des Bescheids vom 10.09.2004 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend machte.
Mit Bescheid vom 16.05.2011 lehnte die Beklagte eine Überprüfung des Bescheids vom 10.09.2004 ab. Sie berief sich auf die Bindungswirkung des genannten Bescheides. Der Kläger habe weder neue Tatsachen noch neue Erkenntnisse vorgebracht und das LSG habe mit Urteil vom 25.01.2011 rechtskräftig entschieden, dass wegen der BK 4106 kein Anspruch auf eine Rente bestehe. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. 07.2011).
Am 24.08.2011 hat der Kläger dagegen beim SG Klage erhoben, die das SG mit Urteil vom 30.06.2015 abgewiesen hat. Die Beklagte habe es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 10.09.2004 aufzuheben und dem Kläger Verletztenrente sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren. So habe Prof. Dr. S. anlässlich seiner beiden Untersuchungen keine Lungenfunktionseinschränkung objektivieren können, die die Bemessung mit einer MdE um zumindest 20 v.H. rechtfertigten würde. Dieser Einschätzung habe sich Dr. N. angeschlossen. Die Beurteilungen dieser Gutachter würden insbesondere nicht durch die Ausführungen des Prof. Dr. W. in Zweifel gezogen, zumal er den Einschätzungen des Prof. Dr. S. vollinhaltlich zugestimmt und selbst keine Befunde erhoben habe. Dass und aus welchen Gründen Leistungen aus § 3 Abs. 2 BKV nicht in Betracht kämen, habe bereits das LSG in seinem Urteil vom 25.01.2011 zutreffend ausgeführt.
Am 20.07.2015 hat der Kläger dagegen beim LSG Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. S. histologisch eine außergewöhnlich hohe Aluminiumspeicherung in der Lunge festgesellt habe und die Schlussfolgerung des Prof. Dr. W. , wonach ein Kombinationsschaden als BK 4106 vorliege, der eine MdE um 20 v.H. rechtfertige, nicht bestritten werden könne. Der Kombinationsschaden sei in wesentlicher Mitursächlichkeit der Aluminose insgesamt mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten. Hinsichtlich der Übergangsleistungen reiche es im Übrigen aus, wenn in die gefährdende Tätigkeit nicht mehr zurückgekehrt werde.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.06.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2011 zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 01.10.2003 sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren, hilfsweise ein Gutachten gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. B. , Institut für Arbeitsmedizin, C. Universitätsklinikum B., T. 69, B. zu der Frage eines Vorliegens der BK 4106 einzuholen (vgl. Schriftsätze vom 02.03.2017 und 26.09.2018).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie der erwähnten weiteren Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es mit diesen Bescheiden zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 abzuändern und dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren. Denn die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen lagen nicht vor.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Dabei werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 4 SGB X Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht.
Für die im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gebotene Prüfung der Rechtswidrigkeit ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des in Rede stehenden Bescheids bzw. Widerspruchsbescheids maßgeblich. Die Rechtmäßigkeit des die Gewährung von Verletztenrente sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ablehnenden Bescheids - vorliegend des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 - beurteilt sich mithin nach der zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSG, Urteil vom 14.11.2002, B 13 RJ 47/01 R in juris Rdnr. 19 m.w.N.). Spätere Veränderungen im Gesundheitszustand des Versicherten sind somit nicht zu berücksichtigen.
Unter Zugrundelegung dessen wandte die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 das Recht weder unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich nachträglich als unrichtig erweist. Die Beklagte lehnte seinerzeit vielmehr zu Recht sowohl die Gewährung von Verletztenrente als auch Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ab.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Anspruch auf eine Rente Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ausgehend hiervon hat das SG zutreffend dargelegt, dass sich durch die von Priv.-Doz. Dr. S. im Juli 2004 und März 2005 erfolgten Untersuchungen keine relevanten Lungenfunktionseinschränkungen objektivieren ließen (keine restriktive und obstruktive Ventilationsstörung, keine Lungenüberblähung, Sauerstoffpartialdruck in Ruhe und unter leichter Belastung unauffällig), weshalb aus der anerkannten BK 4106 keine messbare MdE mit Anspruch auf eine Verletztenrente resultiert. Auch Dr. N. leitete ausweislich seines nachfolgend erstatteten Gutachtens nach Aktenlage aus den von Priv.-Doz. Dr. S. erhobenen Lungenfunktionsbefunden keine Einschränkung der Atemfunktion mit einer MdE in einem rentenberechtigenden Grade ab. Auch hierauf hat das SG gleichermaßen zutreffend hingewiesen. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. In dem dargelegten Sinne äußerten sich im Übrigen bereits das SG in seinem die Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 abweisenden Urteil vom 03.06.2008 (S 7 U 3676/08) und das LSG in seinem die Berufung des Klägers zurückweisenden Urteil vom 25.01.2011 (L 9 U 3676/08). Vor diesem Hintergrund bedarf es diesbezüglich keiner weiteren Erwägungen.
Soweit der Kläger sich auf die Ausführungen des Prof. Dr. W. in seinem im Berufungsverfahren L 9 U 3910/08 erstatteten Gutachten stützt, in dem er von einer BK 4106 als Kombinationsschaden ausging und vorschlug, die MdE mit 20 v.H. zu bewerten, lässt sich hieraus keine abweichende Beurteilung herleiten. Zu Recht hat das SG insoweit dargelegt, dass sich mit dem histopathologisch gesicherten "schwerwiegenden Bild", selbst wenn dieses auf bereits messbare Funktionsstörungen hinweisen sollte, keine MdE in einem rentenberechtigenden Grade begründen lässt, wenn sich relevante Lungenfunktionseinschränkungen gerade nicht objektivieren lassen und sich die vermutete Schwere der Funktionsstörungen gerade nicht feststellen lässt. Der Vorschlag des Prof. Dr. W. , die MdE mit 20 v.H. zu bewerten, entbehrt daher einer rechtlichen Grundlage und steht in Widerspruch zu den oben dargelegten Grundsätzen zur Bemessung der MdE, wonach nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der daraus resultierende Funktionsverlust zu bewerten ist. Zwar war zum Zeitpunkt der Untersuchungen durch Priv.-Doz. Dr. S. im Juli 2004 bzw. März 2005 die pulmo-kardiale Leistungsbreite des Klägers auf Grund des Trainingsverlustes durch die lebenserhaltenden Therapiemaßnahmen (chirurgische Tumorentfernung unter Anlage eines künstlichen Darmausgangs im August 2003, zweifache polychemotherapeutische Nachbehandlung Dezember 2003 bis März 2004, Zustand nach Bestrahlung der Becken-Darmregion mit nachfolgenden Hüftgelenksbeschwerden, chirurgisch-operative Rückverlagerung des künstlichen Darmausgangs 2004) noch stark eingeschränkt und angesichts der notwendig gewordenen Abbrüche der jeweiligen Belastung waren letztlich nur die Lungenfunktionseinschränkungen in Körperruhe - so Prof. Dr. W. - zu erheben, weshalb nicht auszuschließen ist, dass sich bei stärkerer Belastung Funktionseinschränkungen gezeigt hätten, die die Bemessung mit einer MdE in rentenberechtigendem Grade erlaubt hätten. Allerdings handelt es sich insoweit lediglich um eine Möglichkeit, da rentenrelevante Funktionseinschränkungen gerade nicht festzustellen waren. Da die mit Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 als BK anerkannte Lungenerkrankung auch nicht das Ergebnis einer wegen pulmonalen Beschwerden durchgeführten Diagnostik war, es sich vielmehr um einen Zufallsbefund handelte, der im Rahmen von Kontrolluntersuchungen vor dem Hintergrund des im August 2003 operativ entfernten Rektumkarzinoms objektiviert wurde, kann schließlich auch nicht ohne weiteres auf eine gewisse Schwere der Funktionseinschränkungen geschlossen werden. Letztlich müssen anspruchsbegründende Tatsachen, wie vorliegend das Ausmaß der krankheitsbedingten Funktionseinschränkung, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Dem Vorschlag des Prof. Dr. W. , die MdE für die Folgen der anerkannte BK 4106 ab Oktober 2003, mithin ab dem Zeitpunkt der röntgenologisch dokumentierten Lungenrundherde und histologisch objektivierten Ablagerungen, mit 20 v.H. zu bewerten, kann nach alledem nicht gefolgt werden. Da Prof. Dr. W. keine eigenen Untersuchungen durchführte, lässt sich seine Beurteilung auch nicht mit einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung begründen. Allerdings wäre eine solche im Rahmen des anhängigen Verfahrens ohnehin ohne Bedeutung, da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 - wie bereits dargelegt - auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist und nachfolgend eingetretene Änderungen nicht von Bedeutung sind. Insgesamt lässt sich aus den von Priv.-Doz. Dr. S. erhobenen Lungenfunktionswerten somit keine MdE um wenigstens 20 v.H. herleiten - auch Prof. Dr. W. behauptet dies nicht -, so dass sich der Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Prof. Dr. W. nicht als rechtsfehlerhaft erweist.
Der Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 erweist sich auch insoweit nicht als rechtswidrig, als die Beklagte damit die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ablehnte. Nach dieser Regelung hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit einstellt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, für ihn nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Danach ist neben dem Bestehen einer konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. So muss einerseits zwischen der drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung und der Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 20.02.2001, B 2 U 10/00 R in SozR 3-5670 § 3 Nr. 5).
Ausgehend hiervon ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Übergangsleistungen verneinte. Denn ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der BK 4106 und der Aufgabe der Tätigkeit des Klägers bei der W. L. GmbH & Co. KG zum 31.12.1999 bestand nicht. Insoweit hat das SG in der angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf die Ausführungen des LSG in dem Berufungsverfahren L 9 U 3676/08 zutreffend dargelegt, dass der Kläger seine Tätigkeit als Aluminiumschweißer nicht wegen einer drohenden BK oder der später anerkannten BK 4106 aufgab, das Arbeitsverhältnis vielmehr wegen hoher Krankheitszeiten, die in keinem Zusammenhang mit der BK 4106 standen, durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet wurde. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, für die Gewährung von Übergangsleistungen reiche es aus, wenn in die gefährdende Tätigkeit nicht mehr zurückgekehrt werde, trifft dies - wie die obigen Darlegungen zu dem erforderlichen doppelten Kausalzusammenhang deutlich machen - gerade nicht zu. Vielmehr ist das Erfordernis des "Unterlassens der gefährdenden Tätigkeit" in § 3 BKV anders zu beurteilen, als die in verschiedenen BK-Nrn. enthaltene Voraussetzung ("zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben"). Während in letzterem Fall in typisierender Weise der Schweregrad der Krankheit beschrieben wird, wodurch sich der objektive Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit ergibt, will § 3 BKV eine Anreizfunktion zum Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit geben, weshalb die subjektive Reaktion des Versicherten im Vordergrund steht (vgl. BSG a.a.O.). Entsprechend reicht es für den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der "Gefahr" im Sinne des § 3 BKV und dem Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit nicht aus, nachträglich lediglich objektiv die Aufgabe der Tätigkeit festzustellen.
Den sinngemäß gestellten Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. B. lehnt der Senat ab. Die Frage des Vorliegens der BK 4106, zu der der Sachverständige gehört werden soll (vgl. Schriftsatz vom 26.09.2018), ist in dem anhängigen Verfahren nicht entscheidungserheblich. Denn bereits auf Grund des Bescheides der Beklagten vom 10.09.2004 steht bestandskräftig fest, dass der Kläger an einer BK nach Nr. 4106 der BKV leidet. Eines entsprechenden Nachweises durch Sachverständigenbeweis bedarf es daher nicht mehr.
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die Gewährung von Verletztenrente wegen der anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4106 (im Folgenden: BK 4106; Erkrankungen der tiefen Atemwege und der Lunge durch Aluminium und seine Verbindungen) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 der BKV streitig.
Der am 1946 geborene, aus der T. stammende Kläger siedelte im Jahr 1972 ins Bundesgebiet über und war nachfolgend nahezu durchgehend von November 1972 bis 31.12.1999 bei verschiedenen Firmen als Schweißer beschäftigt, zunächst als Punktschweißer, nachfolgend als Stahlschweißer und zuletzt seit Februar 1979 bei der Firma W. L. GmbH & Co. KG als Aluminiumschweißer. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde wegen hoher Arbeitsunfähigkeitszeiten (Wirbelsäulenbeschwerden, Erkältungen, Gicht, vgl. Bl. 60 VerwA) des Klägers durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 31.12.1999 beendet. Nachfolgend war der Kläger arbeitslos. Seit Oktober 2003 bezieht er eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger litt an einem Rektumkarzinom, das im August 2003 operativ entfernt wurde. Im Rahmen von Nachuntersuchungen fielen im Oktober 2003 röntgenologisch Lungenrundherde auf, worauf angesichts des Verdachts auf Lungenmetastasen eine diagnostische Tracheobronchoskopie durchgeführt und beidseits Keilsegmente der Lunge (Oberlappen rechts, Mittellappen, Unterlappen links) sowie einzelne Lymphknoten entfernt wurden, deren histologische Untersuchung jedoch keinen Anhalt für eine Malignität erbrachte (vgl. Behandlungsbericht vom 28.10.2003, Bl. 46 f. VerwA).
Wegen des röntgenologischen Lungenbefundes zeigte die behandelnde Ärztin des Klägers H. unter dem 15.06.2003 den Verdacht auf eine BK an, verwies auf diesen Zufallsbefund sowie darauf, dass der Kläger als Aluminiumschweißer tätig gewesen sei und als BK eine Lungenfibrose, Hartmetalllunge bzw. Schweißerlunge in Betracht komme. Im Rahmen der weiteren Sachaufklärung erstattete Prof. Dr. M. , Institut für Pathologie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. in B. , ein Gutachten, in dem er zu der Auffassung gelangte, dass die Voraussetzungen für die Aluminium-assoziierte BK 4106 vorlägen (vgl. Bl. 37 ff. VerwA). Auch der nachfolgend mit einer Begutachtung des Klägers beauftragte Priv.-Doz. Dr. S. , seinerzeit kommissarischer Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der J ... -Universität G ... , der den Kläger im Juli 2004 untersuchte, bejahte das Vorliegen einer BK 4106, im Übrigen eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) im Sinne einer sog. Sidero-Fibrose. Ausgehend davon, dass sich bei der lungenfunktionsanalytischen Untersuchung keine relevante Einschränkung der Lungenfunktion zeigte, schätzte der Gutachter die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit weniger als 20 vom Hundert (v.H.) ein.
Mit Bescheid vom 10.09.2004 anerkannte die Beklagte die Lungenerkrankung des Klägers teilweise als berufsbedingt, wobei es sich bei dem berufsbedingten Anteil um eine BK 4106 handele. Als Folge der BK anerkannte sie eine Aluminiumspeicherung im Lungengewebe ohne Funktionsbeeinträchtigungen von Lunge, Bronchien, Herz und Kreislauf. Gleichzeitig lehnte sie einen Anspruch auf Rente ab, ebenso Leistungen im Rahmen des § 3 BKV, da die schädigende Tätigkeit bei der W. L. GmbH & Co nicht ursächlich wegen der BK 4106 aufgegeben worden sei, sondern wegen der Darmtumorerkrankung. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004), worauf der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhob (S 7 U 3653/04).
Mit weiteren Bescheiden (Bescheid vom 27.04.2004 und Widerspruchsbescheid vom 13.07.2004) lehnte die Beklagte die Anerkennung der Darmerkrankung als BK und als Wie-BK ab, ebenso mit Bescheid vom 10.05.2004 und Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 die Anerkennung einer BK nach Nr. 2402 (Erkrankung durch ionisierende Strahlen). Auch insoweit erhob der Kläger jeweils beim SG Klage (S 7 U 2309/04 und S 7 U 3284/04), wobei das SG die Verfahren S 7 U 3653/04 und S 7 U 3284/04 mit Beschluss vom 11.02.2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu dem Verfahren S 7 U 2309/04 verband. Das SG holte ein weiteres Gutachten bei Priv.-Doz. Dr. S. ein, der den Kläger im März 2005 untersuchte. Da sich bei den durchgeführten Untersuchungen wiederum keine relevanten Lungenfunktionseinschränkungen objektivieren ließen, schätzte er die MdE bezüglich der BK 4106 erneut mit weniger als 20 v.H. ein. Wie schon anlässlich der Voruntersuchung sah er die sich zeigende erhebliche Belastungseinschränkung des Klägers auch nunmehr (Belastungsabbruch bereits zu Beginn der Belastungsstufe mit 50 Watt) im Zusammenhang mit der schweren Tumorerkrankung, was durch die Verlaufsuntersuchung bestätigt werde. Mit Urteil vom 03.06.2008 wies das SG die Klagen ab und führte u.a. aus, Anspruch auf Verletztenrente wegen der BK 4106 bestehe nicht, da keine Lungenfunktionseinschränkung zu verifizieren sei, die die die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. rechtfertige. Leistungen gemäß § 3 BKV seien nicht zu gewähren, da die Tätigkeit bei der W. L. GmbH & Co durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet worden sei, nicht aber wegen der BK 4106. Im Berufungsverfahren (L 9 U 3676/08) vor dem Landessozialgericht (LSG) holte der 9. Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das arbeitsmedizinische Gutachten nach Aktenlage des Dr. N. ein, der sich der Einschätzung der Vorgutachter anschloss, dass bisher lungenfunktionsanalytisch keine Einschränkung der Atemfunktion zu erkennen sei, die eine MdE um wenigstens 20 v.H. begründen könnte. Mit Urteil vom 25.01.2011 wies das LSG die Berufung des Klägers u.a. mit der Begründung zurück, aus der BK 4106 resultiere keine messbare MdE und Leistungen nach § 3 BKV seien nicht zu erbringen, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der BK 4106 und der Aufgabe der Tätigkeit bestanden habe.
Nachdem die Beklagte es mit weiterem Bescheid vom 12.10.2004 und Widerspruchsbescheid vom 25.02.2005 auch abgelehnt hatte, die Staublungenerkrankung durch Eisenstaub/Schweißerlunge (Sidero-Pneumokoniose) als BK sowie als Wie-BK anzuerkennen und die dagegen vor dem SG erhobene Klage S 7 U 953/05 erfolglos geblieben war (Urteil vom 01.07.2008), holte der 9. Senat des LSG in dem anschließenden Berufungsverfahren L 9 U 3910/08 auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten nach Aktenlage des Prof. Dr. W. , ehem. Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der J ... -Universität G ... , ein, der hinsichtlich der Sidero-Pneumokoniose sowohl eine BK als auch eine Wie-BK verneinte. Im Hinblick auf die Kombinationswirkungen, insbesondere den aluminiumhaltigen Schweißrauchen und dem Ozon in Gasform, schlug er in dem "außerordentlich schwierigen Einzelfall" jedoch vor, die MdE der BK 4106 als Kombinationsschaden seit Oktober 2003 mit 20 v.H. zu bewerten. Er begründete dies damit, dass histopathologisch in nicht weniger als drei Lungenresektaten ein "schwerwiegendes Bild" nachgewiesen sei, auf Grund dessen man davon ausgehen müsse, dass "deutliche Funktionsstörungen bereits messbar sind", sowie den noch relativ geringen Lungenfunktionseinschränkungen in Ruhe anlässlich der Untersuchungen in den Jahren 2004 und 2005. Mit Urteil vom 30.03.2011 wies das LSG die Berufung des Klägers zurück.
Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtstreits ist der Antrag des Klägers vom 04.05.2011, mit dem er unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Prof. Dr. W. zur MdE bezüglich der BK 4106 der Sache nach die Überprüfung des Bescheids vom 10.09.2004 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend machte.
Mit Bescheid vom 16.05.2011 lehnte die Beklagte eine Überprüfung des Bescheids vom 10.09.2004 ab. Sie berief sich auf die Bindungswirkung des genannten Bescheides. Der Kläger habe weder neue Tatsachen noch neue Erkenntnisse vorgebracht und das LSG habe mit Urteil vom 25.01.2011 rechtskräftig entschieden, dass wegen der BK 4106 kein Anspruch auf eine Rente bestehe. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. 07.2011).
Am 24.08.2011 hat der Kläger dagegen beim SG Klage erhoben, die das SG mit Urteil vom 30.06.2015 abgewiesen hat. Die Beklagte habe es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 10.09.2004 aufzuheben und dem Kläger Verletztenrente sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren. So habe Prof. Dr. S. anlässlich seiner beiden Untersuchungen keine Lungenfunktionseinschränkung objektivieren können, die die Bemessung mit einer MdE um zumindest 20 v.H. rechtfertigten würde. Dieser Einschätzung habe sich Dr. N. angeschlossen. Die Beurteilungen dieser Gutachter würden insbesondere nicht durch die Ausführungen des Prof. Dr. W. in Zweifel gezogen, zumal er den Einschätzungen des Prof. Dr. S. vollinhaltlich zugestimmt und selbst keine Befunde erhoben habe. Dass und aus welchen Gründen Leistungen aus § 3 Abs. 2 BKV nicht in Betracht kämen, habe bereits das LSG in seinem Urteil vom 25.01.2011 zutreffend ausgeführt.
Am 20.07.2015 hat der Kläger dagegen beim LSG Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. S. histologisch eine außergewöhnlich hohe Aluminiumspeicherung in der Lunge festgesellt habe und die Schlussfolgerung des Prof. Dr. W. , wonach ein Kombinationsschaden als BK 4106 vorliege, der eine MdE um 20 v.H. rechtfertige, nicht bestritten werden könne. Der Kombinationsschaden sei in wesentlicher Mitursächlichkeit der Aluminose insgesamt mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten. Hinsichtlich der Übergangsleistungen reiche es im Übrigen aus, wenn in die gefährdende Tätigkeit nicht mehr zurückgekehrt werde.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.06.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2011 zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 01.10.2003 sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren, hilfsweise ein Gutachten gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. B. , Institut für Arbeitsmedizin, C. Universitätsklinikum B., T. 69, B. zu der Frage eines Vorliegens der BK 4106 einzuholen (vgl. Schriftsätze vom 02.03.2017 und 26.09.2018).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie der erwähnten weiteren Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es mit diesen Bescheiden zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 abzuändern und dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu gewähren. Denn die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen lagen nicht vor.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Dabei werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 4 SGB X Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht.
Für die im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gebotene Prüfung der Rechtswidrigkeit ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des in Rede stehenden Bescheids bzw. Widerspruchsbescheids maßgeblich. Die Rechtmäßigkeit des die Gewährung von Verletztenrente sowie Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ablehnenden Bescheids - vorliegend des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 - beurteilt sich mithin nach der zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSG, Urteil vom 14.11.2002, B 13 RJ 47/01 R in juris Rdnr. 19 m.w.N.). Spätere Veränderungen im Gesundheitszustand des Versicherten sind somit nicht zu berücksichtigen.
Unter Zugrundelegung dessen wandte die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 das Recht weder unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich nachträglich als unrichtig erweist. Die Beklagte lehnte seinerzeit vielmehr zu Recht sowohl die Gewährung von Verletztenrente als auch Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ab.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Anspruch auf eine Rente Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ausgehend hiervon hat das SG zutreffend dargelegt, dass sich durch die von Priv.-Doz. Dr. S. im Juli 2004 und März 2005 erfolgten Untersuchungen keine relevanten Lungenfunktionseinschränkungen objektivieren ließen (keine restriktive und obstruktive Ventilationsstörung, keine Lungenüberblähung, Sauerstoffpartialdruck in Ruhe und unter leichter Belastung unauffällig), weshalb aus der anerkannten BK 4106 keine messbare MdE mit Anspruch auf eine Verletztenrente resultiert. Auch Dr. N. leitete ausweislich seines nachfolgend erstatteten Gutachtens nach Aktenlage aus den von Priv.-Doz. Dr. S. erhobenen Lungenfunktionsbefunden keine Einschränkung der Atemfunktion mit einer MdE in einem rentenberechtigenden Grade ab. Auch hierauf hat das SG gleichermaßen zutreffend hingewiesen. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. In dem dargelegten Sinne äußerten sich im Übrigen bereits das SG in seinem die Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 abweisenden Urteil vom 03.06.2008 (S 7 U 3676/08) und das LSG in seinem die Berufung des Klägers zurückweisenden Urteil vom 25.01.2011 (L 9 U 3676/08). Vor diesem Hintergrund bedarf es diesbezüglich keiner weiteren Erwägungen.
Soweit der Kläger sich auf die Ausführungen des Prof. Dr. W. in seinem im Berufungsverfahren L 9 U 3910/08 erstatteten Gutachten stützt, in dem er von einer BK 4106 als Kombinationsschaden ausging und vorschlug, die MdE mit 20 v.H. zu bewerten, lässt sich hieraus keine abweichende Beurteilung herleiten. Zu Recht hat das SG insoweit dargelegt, dass sich mit dem histopathologisch gesicherten "schwerwiegenden Bild", selbst wenn dieses auf bereits messbare Funktionsstörungen hinweisen sollte, keine MdE in einem rentenberechtigenden Grade begründen lässt, wenn sich relevante Lungenfunktionseinschränkungen gerade nicht objektivieren lassen und sich die vermutete Schwere der Funktionsstörungen gerade nicht feststellen lässt. Der Vorschlag des Prof. Dr. W. , die MdE mit 20 v.H. zu bewerten, entbehrt daher einer rechtlichen Grundlage und steht in Widerspruch zu den oben dargelegten Grundsätzen zur Bemessung der MdE, wonach nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der daraus resultierende Funktionsverlust zu bewerten ist. Zwar war zum Zeitpunkt der Untersuchungen durch Priv.-Doz. Dr. S. im Juli 2004 bzw. März 2005 die pulmo-kardiale Leistungsbreite des Klägers auf Grund des Trainingsverlustes durch die lebenserhaltenden Therapiemaßnahmen (chirurgische Tumorentfernung unter Anlage eines künstlichen Darmausgangs im August 2003, zweifache polychemotherapeutische Nachbehandlung Dezember 2003 bis März 2004, Zustand nach Bestrahlung der Becken-Darmregion mit nachfolgenden Hüftgelenksbeschwerden, chirurgisch-operative Rückverlagerung des künstlichen Darmausgangs 2004) noch stark eingeschränkt und angesichts der notwendig gewordenen Abbrüche der jeweiligen Belastung waren letztlich nur die Lungenfunktionseinschränkungen in Körperruhe - so Prof. Dr. W. - zu erheben, weshalb nicht auszuschließen ist, dass sich bei stärkerer Belastung Funktionseinschränkungen gezeigt hätten, die die Bemessung mit einer MdE in rentenberechtigendem Grade erlaubt hätten. Allerdings handelt es sich insoweit lediglich um eine Möglichkeit, da rentenrelevante Funktionseinschränkungen gerade nicht festzustellen waren. Da die mit Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 als BK anerkannte Lungenerkrankung auch nicht das Ergebnis einer wegen pulmonalen Beschwerden durchgeführten Diagnostik war, es sich vielmehr um einen Zufallsbefund handelte, der im Rahmen von Kontrolluntersuchungen vor dem Hintergrund des im August 2003 operativ entfernten Rektumkarzinoms objektiviert wurde, kann schließlich auch nicht ohne weiteres auf eine gewisse Schwere der Funktionseinschränkungen geschlossen werden. Letztlich müssen anspruchsbegründende Tatsachen, wie vorliegend das Ausmaß der krankheitsbedingten Funktionseinschränkung, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Dem Vorschlag des Prof. Dr. W. , die MdE für die Folgen der anerkannte BK 4106 ab Oktober 2003, mithin ab dem Zeitpunkt der röntgenologisch dokumentierten Lungenrundherde und histologisch objektivierten Ablagerungen, mit 20 v.H. zu bewerten, kann nach alledem nicht gefolgt werden. Da Prof. Dr. W. keine eigenen Untersuchungen durchführte, lässt sich seine Beurteilung auch nicht mit einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung begründen. Allerdings wäre eine solche im Rahmen des anhängigen Verfahrens ohnehin ohne Bedeutung, da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 - wie bereits dargelegt - auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist und nachfolgend eingetretene Änderungen nicht von Bedeutung sind. Insgesamt lässt sich aus den von Priv.-Doz. Dr. S. erhobenen Lungenfunktionswerten somit keine MdE um wenigstens 20 v.H. herleiten - auch Prof. Dr. W. behauptet dies nicht -, so dass sich der Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Prof. Dr. W. nicht als rechtsfehlerhaft erweist.
Der Bescheid vom 10.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2004 erweist sich auch insoweit nicht als rechtswidrig, als die Beklagte damit die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ablehnte. Nach dieser Regelung hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit einstellt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, für ihn nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Danach ist neben dem Bestehen einer konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. So muss einerseits zwischen der drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung und der Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 20.02.2001, B 2 U 10/00 R in SozR 3-5670 § 3 Nr. 5).
Ausgehend hiervon ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Übergangsleistungen verneinte. Denn ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der BK 4106 und der Aufgabe der Tätigkeit des Klägers bei der W. L. GmbH & Co. KG zum 31.12.1999 bestand nicht. Insoweit hat das SG in der angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf die Ausführungen des LSG in dem Berufungsverfahren L 9 U 3676/08 zutreffend dargelegt, dass der Kläger seine Tätigkeit als Aluminiumschweißer nicht wegen einer drohenden BK oder der später anerkannten BK 4106 aufgab, das Arbeitsverhältnis vielmehr wegen hoher Krankheitszeiten, die in keinem Zusammenhang mit der BK 4106 standen, durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet wurde. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, für die Gewährung von Übergangsleistungen reiche es aus, wenn in die gefährdende Tätigkeit nicht mehr zurückgekehrt werde, trifft dies - wie die obigen Darlegungen zu dem erforderlichen doppelten Kausalzusammenhang deutlich machen - gerade nicht zu. Vielmehr ist das Erfordernis des "Unterlassens der gefährdenden Tätigkeit" in § 3 BKV anders zu beurteilen, als die in verschiedenen BK-Nrn. enthaltene Voraussetzung ("zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben"). Während in letzterem Fall in typisierender Weise der Schweregrad der Krankheit beschrieben wird, wodurch sich der objektive Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit ergibt, will § 3 BKV eine Anreizfunktion zum Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit geben, weshalb die subjektive Reaktion des Versicherten im Vordergrund steht (vgl. BSG a.a.O.). Entsprechend reicht es für den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der "Gefahr" im Sinne des § 3 BKV und dem Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit nicht aus, nachträglich lediglich objektiv die Aufgabe der Tätigkeit festzustellen.
Den sinngemäß gestellten Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. B. lehnt der Senat ab. Die Frage des Vorliegens der BK 4106, zu der der Sachverständige gehört werden soll (vgl. Schriftsatz vom 26.09.2018), ist in dem anhängigen Verfahren nicht entscheidungserheblich. Denn bereits auf Grund des Bescheides der Beklagten vom 10.09.2004 steht bestandskräftig fest, dass der Kläger an einer BK nach Nr. 4106 der BKV leidet. Eines entsprechenden Nachweises durch Sachverständigenbeweis bedarf es daher nicht mehr.
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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