Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 P 57/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 P 35/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 4/18 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. August 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um die Zahlung von Pflegegeld nach Pflegestufe I für die Zeit ab 27. Dezember 2011 bis 30. November 2016.
Der 1966 geborene Kläger leidet seit seiner Kindheit unter einer Poliomyelitis. In Deutschland war er bis 2011 als Metallarbeiter beschäftigt. Seit 2014 bezieht er eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Kläger beantragte am 20. Dezember 2011 bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), erstellt durch die Pflegefachkraft C., vom 21. Januar 2012 ein, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 32 Minuten feststellte, und lehnte hierauf gestützt den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 27. Januar 2012 ab, da die zeitlichen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der Pflegekasse bei erheblicher Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe I) nicht erreicht würden. Den Widerspruch des Klägers vom 14. Februar 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2012 zurück.
Der Kläger hat am 26. Juli 2012 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben und die Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I begehrt.
Das Sozialgericht hat die Befundunterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen und sodann ein Pflegegutachten bei Medizinaldirektorin D. in Auftrag gegeben, welches diese nach Begutachtung des Klägers in häuslicher Umgebung erstattet hat. In ihrem Gutachten vom 28. Februar 2014 kommt die Sachverständige D. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht vorlägen. Bei dem Kläger bestehe ein Postpoliosyndrom mit Parese beider Beine, rechts stärker als links, eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Arthropathie der Hüft- und Kniegelenke, Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes sowie ein chronisches Schmerzsyndrom bei Angst und Depression gemischt. Der Kläger habe einen Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Duschen viermal wöchentlich (acht Minuten täglich). Bei der Ernährung habe der Kläger keinen Hilfebedarf. Im Bereich der Mobilität benötige der Kläger Hilfe beim Aufstehen/Zubettgehen zweimal täglich je eine Minute, zweimal täglich beim Ankleiden des Unterkörpers je vier Minuten, beim Entkleiden insgesamt für zweimalige Hilfe vier Minuten pro Tag, beim Stehen und dem Transfer beim Duschen und den Toilettengängen sechsmal täglich Hilfe je eine Minute. Außerdem sei noch Begleitung und Unterstützung beim Gehen ca. 20mal pro Tag, insgesamt zehn Minuten täglich, erforderlich. Insgesamt bestehe einen Hilfebedarf von 38 Minuten. Auf Einwände des Klägers hat Medizinaldirektorin D. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juli 2014 an ihrer Auffassung festgehalten.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten durch Prof. Dr. E. erstellen lassen. Die Sachverständige gelangt aufgrund persönlicher Begutachtung des Klägers in ihrem Gutachten vom 20. Februar 2015 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger Pflegebedürftigkeit im Umfang der Pflegestufe II bestehe (Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Oberkörpers, der Teilwäsche des Unterkörpers, der Teilwäsche Hände/Gesicht, beim Duschen, beim Baden, bei der Zahn- und Mundpflege, beim Kämmen und beim Rasieren von umgerechnet auf den Tag 50,9 Minuten; kein Hilfebedarf bei der Ernährung, allerdings ein Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Entkleiden des Unterkörpers, beim Stehen, Transfer Dusche und WC sowie beim Gehen im Umfang von insgesamt 30 Minuten pro Tag).
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten von Amts wegen bei dem Pflegesachverständigen Dr. F. vom 7. August 2015 – wiederum nach Begutachtung in häuslicher Umgebung – eingeholt. Dr. F. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Hilfebedarf beim Duschen und Baden von insgesamt 8 Minuten täglich sowie ein Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung nach der Darm- und Blasenentleerung fünfmal täglich (fünf Minuten) erforderlich sei. Für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung seien vier Minuten pro Tag erforderlich. Außerdem bestehe ein Hilfebedarf beim An- und Auskleiden von zehn Minuten, beim Stehen von zehn Minuten und beim Aufstehen und Zubettgehen von zwei Minuten. Insgesamt kommt Dr. F. zu einem Hilfebedarf bei der Grundpflege von 39 Minuten pro Tag. Auf weitere Einwände des Klägers hat Dr. F. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 2016 an seiner Auffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 17. August 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Pflegegeld nach Pflegestufe I zu. Dies stehe aufgrund der Gutachten von Frau D. und von Dr. F. sowie dem Gutachten des MDK im Verwaltungsverfahren fest. Der Grundpflegebedarf liege danach unter den für die Pflegestufe I erforderlichen 46 Minuten pro Tag. Frau D. beschreibe in ihrem Gutachten, dass der Kläger manchmal morgens beim Aufstehen aus dem Bett Hilfe benötige. Der Kläger könne Gesicht, Oberkörper und Hände selbst waschen und sich auch die Zähne putzen, sich rasieren und kämmen. Die Toilette benutze er alleine, benötige aber manchmal Hilfe beim Aufstehen und Hinsetzen. Hilfe benötige der Kläger beim Anziehen der Unterhose, der Jogginghose und der Socken, während er sich Unterhemd, Pullover und Strickjacke selber anziehen könne. Beim Duschen sitze er auf einem Duschhocker und seine Frau müsse ihm die Sachen zum Duschen anreichen und ihm helfen. Bei der Untersuchung habe der Kläger im Sitzen mit den Fingerspitzen etwa den Knöchel erreicht. Das Aufstehen aus sitzender Position von der Couch sei ihm selbständig gelungen, indem er sich seitlich auf die Armlehne abgestützt und hochgedrückt habe. Die grobe Kraft in den Händen war seitengleich vorhanden und der Schulter-Schürzengriff gelang beidseits gut, der Arm konnte bis 120 Grad abduziert werden. Das Gangbild war rechtsseitig deutlich hinkend. Aus dieser Beschreibung des Hilfebedarfs durch Frau D. sei der von ihr insgesamt ermittelte Hilfebedarf nachvollziehbar. Der Kläger habe keinerlei Funktionseinschränkungen im Bereich der Hände, so dass er keinen Hilfebedarf bei der Nahrungszubereitung und der Nahrungsaufnahme habe. Er könne sich den Oberkörper, Hände und Gesicht entsprechend selbständig waschen und benötige auch keine Hilfe bei der Zahnpflege und beim Kämmen. Ein Hilfebedarf bestehe nur beim Duschen, beim An- und Entkleiden sowie beim Transfer und Stehen beim Duschen und den Toilettengängen, außerdem sei noch eine Unterstützung beim Gehen erforderlich. Insgesamt sei der von Frau D. ermittelte Grundpflegebedarf von 38 Minuten aufgrund der Funktionseinschränkungen des Klägers zutreffend festgestellt. Auch Dr. F. komme zu einem Grundpflegebedarf von nur 39 Minuten, wobei er allerdings bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung einen Hilfebedarf von vier Minuten berücksichtige, der nicht nachvollziehbar sei, da keine Funktionsstörungen der Hände vorliegen würden; der Kläger habe in den Aufzeichnungen seines Hilfebedarfs für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung auch keinen Zeitwert angegeben. Die Zeiten für die Hilfe beim Duschen und Baden seien in beiden Gutachten identisch. Dr. F. berücksichtige nur zusätzlich einen Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung von fünf Minuten pro Tag. Im Bereich der Mobilität unterschieden sich die Gutachten nur insoweit, dass Frau D. zwei Minuten mehr für das An- und Auskleiden annehme, dafür aber zehn Minuten für das Gehen und sechs Minuten für das Stehen berücksichtige, wohingegen Dr. F. zehn Minuten für das Stehen als Hilfebedarf annehme und dafür keinen Hilfebedarf beim Gehen feststelle. Trotz dieser unterschiedlichen zeitlichen Feststellungen betrage der Hilfebedarf bei der Grundpflege weniger als 46 Minuten. Die Kammer folge nicht dem Gutachten von Prof. Dr. E., welches in keiner Weise nachvollziehbar sei. Diese habe dem Kläger bereits in einem Gutachten 2008 "starke Pflegebedürftigkeit" bescheinigt, obwohl dieser damals als Metallarbeiter ganztags beruflich tätig gewesen sei. Die Sachverständige beschreibe eine kurze Wegstrecke von 15 bis 20 Metern, die der Kläger ohne Pause zurücklegen könne. Dann benötige er auch keinen Hilfebedarf beim Gehen in häuslicher Umgebung, so dass die Feststellungen von Dr. F. zum mangelnden Hilfebedarf beim Gehen bestätigt würden. Der Hilfebedarf bei der Körperpflege von 50,9 Minuten pro Tag sei nicht nachvollziehbar, da der Kläger bei der Oberkörperwäsche keine Hilfe benötige und auch Hände und Gesicht selber waschen könne; außerdem werde nicht sechs Tage die Woche der Ober- und der Unterkörper gewaschen zuzüglich dreimal Duschen und noch einmal Baden. Dies ergebe sich auch nicht aus dem Pflegeprotokoll des Klägers. Da der Kläger in diesem Bereich aber jeweils nur einen Teilhilfebedarf habe, sei der zeitliche Rahmen, den Prof. Dr. E. angebe, völlig überzogen. Auch ein Hilfebedarf bei der Zahnpflege, beim Kämmen und beim Rasieren sei nicht ersichtlich, da der Kläger seinen rechten Arm noch ausreichend anheben könne und auch keine feinmotorischen Störungen der Hände vorlägen. Für das Verlassen der Wohnung sei ebenfalls kein Hilfebedarf erforderlich, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er regelmäßig einmal pro Woche einen Arzt aufsuche und er seit Ende 2012 auch keine Krankengymnastik mehr erhalte. Das Rasieren des Intimbereichs, das vom Kläger als Hilfebedarf geltend gemacht werde, sei nicht zu berücksichtigen. Unter Rasieren verstehen die Pflegerichtlinien die Rasur des Bartes, aber keine Rasur des Körpers, da üblicherweise nur die Rasur des Bartes zu den täglichen Verrichtungen gehöre.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 4. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. November 2016 Berufung eingelegt.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. Februar 2017 mitgeteilt, dass bei dem Kläger aufgrund eines noch im Dezember 2016 gestellten Neuantrags am 30. Januar 2017 eine weitere Begutachtung durch den MDK erfolgt sei. Hierbei habe der MDK einen aktuellen grundpflegerischen Bedarf von 59 Minuten festgestellt. Dementsprechend hat die Beklagte ab 1. Dezember 2016 Pflegestufe I anerkannt und den Kläger zum 1. Januar 2017 in den Pflegegrad 2 übergeleitet.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen und verfolgt im Übrigen sein Begehren weiter.
Er meint, die Voraussetzungen der Pflegestufe I hätten bereits seit Dezember 2011 vorgelegen. Das Gutachten von Medizinaldirektorin D. berücksichtige nicht, dass er nahezu jeden Tag geduscht werde und sich 4mal in der Woche einer Ganzkörperwäsche unterziehe, bei der Teilhilfe erforderlich sei. Ferner fehle ein Teilhilfebedarf beim Richten der Bekleidung von 6 Minuten sowie ein Teilhilfebedarf beim Aufstehen/Zubettgehen von 4 x 2 Minuten, so dass sich insgesamt ein zusätzlicher Wert von 12 Minuten Grundpflegebedarf und damit ein Gesamtwert von 50 Minuten errechne. Auch der MDK habe entsprechende Teilhilfen beim Ankleiden und Entkleiden nicht berücksichtigt. Das Gutachten von Dr. F. bewerte den Hilfebedarf nach Intimhygiene nicht nachvollziehbar mit Null und berücksichtige den Teilhilfebedarf beim Gehen nicht. Unter Einbeziehung eines notwendigen Hilfebedarfs in diesem Bereich von 10 Minuten seien daher zumindest die Voraussetzungen für die Pflegestufe I gegeben. Das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 berücksichtige nunmehr einen Hilfebedarf für Zahn- und Mundpflege, Kämmen und Rasieren mit sieben Minuten; dieser Zeitansatz fehle in den Gutachten von Frau D. und Herrn F. Das neue Gutachten des MDK bestätige zudem den Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung. Das Sozialgericht hätte ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einholen müssen, nachdem das Gutachten von Dr. F. von anderen Anknüpfungstatsachen ausgehe als das Gutachten von Frau D. Außerdem sei beantragt gewesen, alle Gutachter zur mündlichen Verhandlung zu laden, was das Sozialgericht schlicht ignoriert und damit sein rechtliches Gehör verletzt habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gießen vom 17. August 2016 und des Bescheides der Beklagten vom 27. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2012 die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 27. Dezember 2011 bis 30. November 2016 Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die erfolgte neue MDK-Begutachtung lasse keine Rückschlüsse auf den Bedarf in dem streitgegenständlichen zurückliegenden Zeitraum zu. Die von dem Kläger vorgenommene Zusammenrechnung von Minutenwerten aus Erhebungen verschiedener Gutachter sei nicht statthaft, da jedes Gutachten für sich betrachtet jeweils eine Momentaufnahme des Zustandes zum Zeitpunkt der Erhebung sei.
Der Senat hat mit den Beteiligten am 22. Juni 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung des Senats durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gehört worden.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter des Senats, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist zu bestätigen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat in dem noch streitigen Zeitraum vom 27. Dezember 2011 bis 30. November 2016 keinen Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I, da für diesen Zeitraum das für die Pflegestufe I erforderliche Vorliegen eines Grundpflegebedarfs von mehr als 45 Minuten nicht nachgewiesen ist.
Pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung sind nach § 14 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Nach § 14 Abs. 4 SGB XI sind dabei gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 der Vorschrift im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung (Nr. 1), im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung (Nr. 2) sowie im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Nr. 3). Neben diesen drei Bereichen der sogenannten Grundpflege gehören zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen (§ 14 Abs. 4 SGB XI). Die Hilfe zu diesen Verrichtungen besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen (§ 14 Abs. 3 SGB XI). Für die Gewährung von Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz sind pflegebedürftige Personen im Sinne des § 14 SGB XI einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Dabei unterscheidet § 15 SGB XI Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige), die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI) sowie Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige), die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI). Nach § 15 Abs. 3 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesschnitt (gemeint: täglich im Wochenschnitt) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI), in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen mit einem Anteil der Grundpflege von mindestens zwei Stunden (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI).
Vorliegend ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass bei dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum ein für das Erreichen der Pflegestufe I erforderlicher Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täglich im Wochenschnitt bestand. Das hat das Sozialgericht auf der Grundlage der beiden von Amts wegen eingeholten Gutachten der Pflegesachverständigen Medizinaldirektorin D. und Dr. F. überzeugend begründet. Demgegenüber hat es das abweichende Gutachten der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. E. zu Recht als in wesentlichen Teilen nicht nachvollziehbares und zum Beweis eines höheren Grundpflegebedarfs nicht geeignetes Gutachten bewertet. Der Senat macht sich die ausführliche und schlüssige Beweiswürdigung des Sozialgerichts in vollem Umfang zu eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von weiteren Ausführungen ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen und die durch das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 veränderte Sachlage ist lediglich folgendes zu ergänzen:
Soweit der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 2011 einen höheren zeitlichen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Duschens bzw. der Ganzkörperwäsche geltend macht, ist dies nach den Ausführungen der Sachverständigen unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers nicht begründet. Bei dem Kläger besteht aufgrund der Funktionsbeeinträchtigung des rechten Arms ein Hilfebedarf bei der Körperpflege, jedoch kann er mit seinem nicht funktionsbeeinträchtigten linken Arm bei dieser Verrichtung mithelfen, so dass lediglich Teilhilfen zu berücksichtigen sind. Soweit mit der Berufung ein Duschen "nahezu jeden Tag" und zusätzlich eine Ganzkörperwäsche 4 x wöchentlich vorgetragen wird, findet sich dies in keinem Gutachten wieder; für Körperpflegemaßnahmen in diesem Umfang ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich. Insoweit ist lediglich der sowohl von Medizinaldirektorin D. als auch von Dr. F. berücksichtigte Teilhilfebedarf durch Angehörige für das tägliche Waschen bzw. Duschen des Unterkörpers sowie ergänzende Hilfen (Anreichen von Waschartikeln, abtrocknen) von umgerechnet 8 Minuten täglich plausibel.
Das von dem Kläger geltend gemachte Richten der Bekleidung nach Toilette in Form eines Teilhilfebedarfs von 6 Minuten steht im Widerspruch zu den Feststellungen der Sachverständigen D., wonach der dazu ausdrücklich befragte Kläger und seine Familie zum damaligen Zeitpunkt berichteten, dass der Kläger dies selbst durchführen könne (Seite 16 des Gutachtens). Erst bei der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. F. gab der Kläger einen entsprechenden Hilfebedarf an, ohne dass allerdings zu erkennen wäre, dass sich im Vergleich der beiden Gutachten hier ein Unterschied in der gesundheitlichen Situation des Klägers ergeben hätte.
Ein weiterer Teilhilfebedarf beim Aufstehen/Zubettgehen ist nach dem Gutachten der Sachverständigen D. und Dr. F. ebenfalls nicht anzuerkennen. Die Sachverständigen berücksichtigten zweimal täglich Teilhilfe beim Ankleiden und Auskleiden der unteren Extremitäten. Ein viermaliges An- und Ausziehen der Hose, der Schuhe und der Strümpfe wurde von den Sachverständigen nicht beschrieben und erschließt sich auch hinsichtlich der Notwendigkeit nicht.
Soweit der Kläger weiter rügt, Dr. F. berücksichtige den von der Sachverständigen D. festgestellten Teilhilfebedarf beim Gehen nicht, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Hilfebedarf nicht nachgewiesen ist. Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 7. August 2015 ausgeführt, dass dem Kläger das Gehen innerhalb der Wohnung, wie er während der Begutachtung demonstriert habe, ohne Fremdhilfe ausreichend möglich sei (Seite 11 des Gutachtens). Auf Einwände des Klägers hat Dr. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 2016 die Nichtberücksichtigung eines entsprechenden Hilfebedarfs zusätzlich damit begründet, dass er hierzu die Familienmitglieder des Klägers ausdrücklich befragt habe; diese hätten abgegeben, dass sich der Kläger innerhalb der Wohnung ausreichend sicher mit einer Unterarmgehstütze bewegen könne. Angesichts dessen ist der von der Sachverständigen D. angenommene Hilfebedarf für ca. 20mal Begleitung und Unterstützung beim Gehen mit jeweils ½ Minute nicht nachvollziehbar, zumal die Sachverständige D. im Befundteil ihres Gutachtens mitteilt, dass der Kläger stabil und frei stand und – wenn auch erschwert – in der Lage war, barfuß ohne Hilfsmittel zu gehen. In dem Gutachten von Prof. E. wird ausgeführt, der Kläger zeige einen sehr unsicheren, anstrengenden "Watschelgang" mit ausgeprägter Fallneigung sowie Sturzgefahr bei leichten Unebenheiten, gleichzeitig stellt sie aber fest, dass dem Kläger eine Gehstrecke von 15-20 Meter ohne Pausen noch möglich sei. Die Notwendigkeit einer Begleitung beim Gehen auf kurzen Strecken innerhalb der Wohnung wird auch aus ihrem Gutachten nicht deutlich.
Das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 bringt für den hier im Streit stehenden Zeitraum keine neuen Erkenntnisse. Darin wird nunmehr ein Grundpflegebedarf bei der Körperpflege von 28 Minuten, bei der Ernährung von einer Minute und bei der Mobilität von 30 Minuten am Tag angegeben und hieraus ein Gesamtwert von 59 Minuten entsprechend der Pflegestufe I errechnet. Im Gutachten wird ausgeführt, es sei eine allgemeine Verschlechterung eingetreten, der Versicherte könne kaum noch laufen, er sei auf ständige Hilfe seiner Ehefrau angewiesen. Dem Gutachten ist ferner zu entnehmen, dass der MDK-Gutachterin die Vorgutachten aus dem sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorlagen. Insoweit ergeben sich aus dem Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 keine Anhaltspunkte, welche die Ergebnisse der in den Jahren 2014/2015 erstatteten Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen in Zweifel ziehen würden. Soweit im Gutachten vom 30. Januar 2017 ein Hilfebedarf für Zahn- und Mundpflege, Kämmen und Rasieren mit sieben Minuten angenommen wird, lag ein solcher Hilfebedarf im Zeitpunkt der früheren Begutachtungen nach den schlüssigen Darlegungen der Sachverständigen D. und F. nicht vor. Ebenso wenig lässt sich anhand des Gutachtens des MDK feststellen, dass der dort beschriebene verschlechterte Gesundheitszustand des Klägers bereits deutlich vor der Begutachtung vorgelegen haben könnte. Ärztliche Befunde oder anderweitige Unterlagen, die für einen früheren Zeitpunkt eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation belegen könnten, werden im Gutachten nicht erwähnt. Der Kläger hat auch trotz entsprechender Hinweise des Senats im Erörterungstermin nichts vorgetragen, was diesbezüglich einen Anhalt geben könnte. Angesichts des in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts scheiden beim Fehlen hinreichender Anknüpfungstatsachen weitere Ermittlungen des Senats aus. Das gilt auch hinsichtlich des von dem Kläger beantragten weiteren Sachverständigengutachten, da die maßgebliche Pflegesituation, die ein Sachverständiger zu beurteilen hätte, nicht mehr vorhanden ist.
Soweit der Kläger rügt, das Sozialgericht sei seinem Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG nicht nachgegangen, kann dies der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Das Sozialgericht war nicht gehalten, diesem Antrag nachzugehen. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass das Antragsrecht des § 109 SGG verbraucht ist, wenn ein entsprechendes Gutachten eingeholt worden ist und der Kläger keine besonderen Gründe darlegt, welche die Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG belegen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rn. 10b; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Oktober 2013 – L 6 SB 5267/11 –, juris Rn.34). Derartige besondere Gründe sind vorliegend nicht zu erkennen. Alle Sachverständigen haben in ihren Gutachten weitgehend übereinstimmende Feststellungen zur Pflegesituation getroffen. Eine Abweichung ergab sich im Wesentlichen bei der Ermittlung des hieraus abzuleitenden Hilfebedarfs, da die nach § 109 SGG bestellte Sachverständige hier weitaus höhere Zeitansätze zugrunde legte als die von Amts wegen bestellten Sachverständigen. Solche Bewertungsunterschiede sind kein "besonderer Grund", der Anlass für eine nochmalige Begutachtung gäbe, sondern der typische Fall der gerichtlich zu treffenden Streitentscheidung beim Vorliegen mehrerer voneinander in der Bewertung abweichender Gutachten.
Der Vorwurf des Klägers, das Sozialgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, weil es die Sachverständigen trotz eines entsprechenden Antrags nicht zur Befragung in die mündliche Verhandlung geladen habe, geht fehl. Zwar steht jedem Beteiligten grundsätzlich das Recht zu, dem Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet. Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen vorab nicht notwendig konkret formuliert werden, sondern es reicht aus, wenn die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret bezeichnet werden, indem bspw. auf Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten in dem Gutachten hingewiesen wird und hieran anknüpfend Fragen an den oder die Sachverständigen angekündigt werden, die objektiv sachdienlich sind. Sachdienlichkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind; andernfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 13 R 170/10 B –, juris Rn. 15). Liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen (BSG, Beschluss vom 12. April 2005 – B 2 U 222/04 B –, juris Rn. 5). Dies gilt selbst dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts ausreichend und überzeugend ist und es keiner Erläuterung bedarf (vgl. zum Vorstehenden ausführlich BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 13 R 170/10 B –, juris Rn. 11).
Hier hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 beantragt, alle drei Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden, weil diese "in den entscheidungserheblichen Bereichen Körperpflege und Mobilität zu unterschiedlichen und widersprüchlichen Ergebnissen" gelangt seien; dazu hat der Kläger (lediglich) die von den drei Sachverständigen für die Bereiche Körperpflege und Mobilität ermittelten Zeitwerte tabellarisch gegenübergestellt. Eine derart pauschale Begründung gab dem Sozialgericht keinen Anlass, die Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden. Konkrete Fragen oder Vorhalte zu einzelnen Bereichen der Gutachten oder zu den von den Sachverständigen aus ihren Feststellungen gezogenen Schlüssen für den Hilfebedarf kündigte der Kläger nicht an. Die Behauptung, die Gutachten seien widersprüchlich, hat er nicht näher erläutert. Es fehlt jeder Hinweis, in welche konkrete Richtung der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein Fragerecht ausüben wollte. Da der Kläger mit der Berufung seinen diesbezüglichen Vortrag nicht substantiiert, sondern lediglich auf den entsprechenden Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren verwiesen hat, bestand für den Senat auch kein Anlass, im Berufungsverfahren eine entsprechende Anhörung der Sachverständigen vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben, obwohl die Klage infolge des Teilanerkenntnisses der Beklagten teilweise Erfolg hat. Denn die Beklagte hat, nachdem der Kläger außerhalb des gerichtlichen Verfahrens einen Neuantrag gestellt hatte, auf das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 umgehend reagiert und den Kläger entsprechend dem Ergebnis des Gutachtens klaglos gestellt. In einem solchen Fall, in dem die Beklagte auf eine – noch dazu außerhalb des gerichtlichen Verfahrens festgestellte – Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unverzüglich und adäquat reagiert, wäre es nicht sachgerecht, die Beklagte mit Kosten zu belasten (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rn. 13 m.w.N.).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um die Zahlung von Pflegegeld nach Pflegestufe I für die Zeit ab 27. Dezember 2011 bis 30. November 2016.
Der 1966 geborene Kläger leidet seit seiner Kindheit unter einer Poliomyelitis. In Deutschland war er bis 2011 als Metallarbeiter beschäftigt. Seit 2014 bezieht er eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Kläger beantragte am 20. Dezember 2011 bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), erstellt durch die Pflegefachkraft C., vom 21. Januar 2012 ein, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 32 Minuten feststellte, und lehnte hierauf gestützt den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 27. Januar 2012 ab, da die zeitlichen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der Pflegekasse bei erheblicher Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe I) nicht erreicht würden. Den Widerspruch des Klägers vom 14. Februar 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2012 zurück.
Der Kläger hat am 26. Juli 2012 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben und die Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I begehrt.
Das Sozialgericht hat die Befundunterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen und sodann ein Pflegegutachten bei Medizinaldirektorin D. in Auftrag gegeben, welches diese nach Begutachtung des Klägers in häuslicher Umgebung erstattet hat. In ihrem Gutachten vom 28. Februar 2014 kommt die Sachverständige D. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht vorlägen. Bei dem Kläger bestehe ein Postpoliosyndrom mit Parese beider Beine, rechts stärker als links, eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Arthropathie der Hüft- und Kniegelenke, Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes sowie ein chronisches Schmerzsyndrom bei Angst und Depression gemischt. Der Kläger habe einen Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Duschen viermal wöchentlich (acht Minuten täglich). Bei der Ernährung habe der Kläger keinen Hilfebedarf. Im Bereich der Mobilität benötige der Kläger Hilfe beim Aufstehen/Zubettgehen zweimal täglich je eine Minute, zweimal täglich beim Ankleiden des Unterkörpers je vier Minuten, beim Entkleiden insgesamt für zweimalige Hilfe vier Minuten pro Tag, beim Stehen und dem Transfer beim Duschen und den Toilettengängen sechsmal täglich Hilfe je eine Minute. Außerdem sei noch Begleitung und Unterstützung beim Gehen ca. 20mal pro Tag, insgesamt zehn Minuten täglich, erforderlich. Insgesamt bestehe einen Hilfebedarf von 38 Minuten. Auf Einwände des Klägers hat Medizinaldirektorin D. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juli 2014 an ihrer Auffassung festgehalten.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten durch Prof. Dr. E. erstellen lassen. Die Sachverständige gelangt aufgrund persönlicher Begutachtung des Klägers in ihrem Gutachten vom 20. Februar 2015 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger Pflegebedürftigkeit im Umfang der Pflegestufe II bestehe (Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Oberkörpers, der Teilwäsche des Unterkörpers, der Teilwäsche Hände/Gesicht, beim Duschen, beim Baden, bei der Zahn- und Mundpflege, beim Kämmen und beim Rasieren von umgerechnet auf den Tag 50,9 Minuten; kein Hilfebedarf bei der Ernährung, allerdings ein Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Entkleiden des Unterkörpers, beim Stehen, Transfer Dusche und WC sowie beim Gehen im Umfang von insgesamt 30 Minuten pro Tag).
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten von Amts wegen bei dem Pflegesachverständigen Dr. F. vom 7. August 2015 – wiederum nach Begutachtung in häuslicher Umgebung – eingeholt. Dr. F. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Hilfebedarf beim Duschen und Baden von insgesamt 8 Minuten täglich sowie ein Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung nach der Darm- und Blasenentleerung fünfmal täglich (fünf Minuten) erforderlich sei. Für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung seien vier Minuten pro Tag erforderlich. Außerdem bestehe ein Hilfebedarf beim An- und Auskleiden von zehn Minuten, beim Stehen von zehn Minuten und beim Aufstehen und Zubettgehen von zwei Minuten. Insgesamt kommt Dr. F. zu einem Hilfebedarf bei der Grundpflege von 39 Minuten pro Tag. Auf weitere Einwände des Klägers hat Dr. F. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 2016 an seiner Auffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 17. August 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Pflegegeld nach Pflegestufe I zu. Dies stehe aufgrund der Gutachten von Frau D. und von Dr. F. sowie dem Gutachten des MDK im Verwaltungsverfahren fest. Der Grundpflegebedarf liege danach unter den für die Pflegestufe I erforderlichen 46 Minuten pro Tag. Frau D. beschreibe in ihrem Gutachten, dass der Kläger manchmal morgens beim Aufstehen aus dem Bett Hilfe benötige. Der Kläger könne Gesicht, Oberkörper und Hände selbst waschen und sich auch die Zähne putzen, sich rasieren und kämmen. Die Toilette benutze er alleine, benötige aber manchmal Hilfe beim Aufstehen und Hinsetzen. Hilfe benötige der Kläger beim Anziehen der Unterhose, der Jogginghose und der Socken, während er sich Unterhemd, Pullover und Strickjacke selber anziehen könne. Beim Duschen sitze er auf einem Duschhocker und seine Frau müsse ihm die Sachen zum Duschen anreichen und ihm helfen. Bei der Untersuchung habe der Kläger im Sitzen mit den Fingerspitzen etwa den Knöchel erreicht. Das Aufstehen aus sitzender Position von der Couch sei ihm selbständig gelungen, indem er sich seitlich auf die Armlehne abgestützt und hochgedrückt habe. Die grobe Kraft in den Händen war seitengleich vorhanden und der Schulter-Schürzengriff gelang beidseits gut, der Arm konnte bis 120 Grad abduziert werden. Das Gangbild war rechtsseitig deutlich hinkend. Aus dieser Beschreibung des Hilfebedarfs durch Frau D. sei der von ihr insgesamt ermittelte Hilfebedarf nachvollziehbar. Der Kläger habe keinerlei Funktionseinschränkungen im Bereich der Hände, so dass er keinen Hilfebedarf bei der Nahrungszubereitung und der Nahrungsaufnahme habe. Er könne sich den Oberkörper, Hände und Gesicht entsprechend selbständig waschen und benötige auch keine Hilfe bei der Zahnpflege und beim Kämmen. Ein Hilfebedarf bestehe nur beim Duschen, beim An- und Entkleiden sowie beim Transfer und Stehen beim Duschen und den Toilettengängen, außerdem sei noch eine Unterstützung beim Gehen erforderlich. Insgesamt sei der von Frau D. ermittelte Grundpflegebedarf von 38 Minuten aufgrund der Funktionseinschränkungen des Klägers zutreffend festgestellt. Auch Dr. F. komme zu einem Grundpflegebedarf von nur 39 Minuten, wobei er allerdings bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung einen Hilfebedarf von vier Minuten berücksichtige, der nicht nachvollziehbar sei, da keine Funktionsstörungen der Hände vorliegen würden; der Kläger habe in den Aufzeichnungen seines Hilfebedarfs für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung auch keinen Zeitwert angegeben. Die Zeiten für die Hilfe beim Duschen und Baden seien in beiden Gutachten identisch. Dr. F. berücksichtige nur zusätzlich einen Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung von fünf Minuten pro Tag. Im Bereich der Mobilität unterschieden sich die Gutachten nur insoweit, dass Frau D. zwei Minuten mehr für das An- und Auskleiden annehme, dafür aber zehn Minuten für das Gehen und sechs Minuten für das Stehen berücksichtige, wohingegen Dr. F. zehn Minuten für das Stehen als Hilfebedarf annehme und dafür keinen Hilfebedarf beim Gehen feststelle. Trotz dieser unterschiedlichen zeitlichen Feststellungen betrage der Hilfebedarf bei der Grundpflege weniger als 46 Minuten. Die Kammer folge nicht dem Gutachten von Prof. Dr. E., welches in keiner Weise nachvollziehbar sei. Diese habe dem Kläger bereits in einem Gutachten 2008 "starke Pflegebedürftigkeit" bescheinigt, obwohl dieser damals als Metallarbeiter ganztags beruflich tätig gewesen sei. Die Sachverständige beschreibe eine kurze Wegstrecke von 15 bis 20 Metern, die der Kläger ohne Pause zurücklegen könne. Dann benötige er auch keinen Hilfebedarf beim Gehen in häuslicher Umgebung, so dass die Feststellungen von Dr. F. zum mangelnden Hilfebedarf beim Gehen bestätigt würden. Der Hilfebedarf bei der Körperpflege von 50,9 Minuten pro Tag sei nicht nachvollziehbar, da der Kläger bei der Oberkörperwäsche keine Hilfe benötige und auch Hände und Gesicht selber waschen könne; außerdem werde nicht sechs Tage die Woche der Ober- und der Unterkörper gewaschen zuzüglich dreimal Duschen und noch einmal Baden. Dies ergebe sich auch nicht aus dem Pflegeprotokoll des Klägers. Da der Kläger in diesem Bereich aber jeweils nur einen Teilhilfebedarf habe, sei der zeitliche Rahmen, den Prof. Dr. E. angebe, völlig überzogen. Auch ein Hilfebedarf bei der Zahnpflege, beim Kämmen und beim Rasieren sei nicht ersichtlich, da der Kläger seinen rechten Arm noch ausreichend anheben könne und auch keine feinmotorischen Störungen der Hände vorlägen. Für das Verlassen der Wohnung sei ebenfalls kein Hilfebedarf erforderlich, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er regelmäßig einmal pro Woche einen Arzt aufsuche und er seit Ende 2012 auch keine Krankengymnastik mehr erhalte. Das Rasieren des Intimbereichs, das vom Kläger als Hilfebedarf geltend gemacht werde, sei nicht zu berücksichtigen. Unter Rasieren verstehen die Pflegerichtlinien die Rasur des Bartes, aber keine Rasur des Körpers, da üblicherweise nur die Rasur des Bartes zu den täglichen Verrichtungen gehöre.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 4. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. November 2016 Berufung eingelegt.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. Februar 2017 mitgeteilt, dass bei dem Kläger aufgrund eines noch im Dezember 2016 gestellten Neuantrags am 30. Januar 2017 eine weitere Begutachtung durch den MDK erfolgt sei. Hierbei habe der MDK einen aktuellen grundpflegerischen Bedarf von 59 Minuten festgestellt. Dementsprechend hat die Beklagte ab 1. Dezember 2016 Pflegestufe I anerkannt und den Kläger zum 1. Januar 2017 in den Pflegegrad 2 übergeleitet.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen und verfolgt im Übrigen sein Begehren weiter.
Er meint, die Voraussetzungen der Pflegestufe I hätten bereits seit Dezember 2011 vorgelegen. Das Gutachten von Medizinaldirektorin D. berücksichtige nicht, dass er nahezu jeden Tag geduscht werde und sich 4mal in der Woche einer Ganzkörperwäsche unterziehe, bei der Teilhilfe erforderlich sei. Ferner fehle ein Teilhilfebedarf beim Richten der Bekleidung von 6 Minuten sowie ein Teilhilfebedarf beim Aufstehen/Zubettgehen von 4 x 2 Minuten, so dass sich insgesamt ein zusätzlicher Wert von 12 Minuten Grundpflegebedarf und damit ein Gesamtwert von 50 Minuten errechne. Auch der MDK habe entsprechende Teilhilfen beim Ankleiden und Entkleiden nicht berücksichtigt. Das Gutachten von Dr. F. bewerte den Hilfebedarf nach Intimhygiene nicht nachvollziehbar mit Null und berücksichtige den Teilhilfebedarf beim Gehen nicht. Unter Einbeziehung eines notwendigen Hilfebedarfs in diesem Bereich von 10 Minuten seien daher zumindest die Voraussetzungen für die Pflegestufe I gegeben. Das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 berücksichtige nunmehr einen Hilfebedarf für Zahn- und Mundpflege, Kämmen und Rasieren mit sieben Minuten; dieser Zeitansatz fehle in den Gutachten von Frau D. und Herrn F. Das neue Gutachten des MDK bestätige zudem den Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung. Das Sozialgericht hätte ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einholen müssen, nachdem das Gutachten von Dr. F. von anderen Anknüpfungstatsachen ausgehe als das Gutachten von Frau D. Außerdem sei beantragt gewesen, alle Gutachter zur mündlichen Verhandlung zu laden, was das Sozialgericht schlicht ignoriert und damit sein rechtliches Gehör verletzt habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gießen vom 17. August 2016 und des Bescheides der Beklagten vom 27. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2012 die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 27. Dezember 2011 bis 30. November 2016 Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die erfolgte neue MDK-Begutachtung lasse keine Rückschlüsse auf den Bedarf in dem streitgegenständlichen zurückliegenden Zeitraum zu. Die von dem Kläger vorgenommene Zusammenrechnung von Minutenwerten aus Erhebungen verschiedener Gutachter sei nicht statthaft, da jedes Gutachten für sich betrachtet jeweils eine Momentaufnahme des Zustandes zum Zeitpunkt der Erhebung sei.
Der Senat hat mit den Beteiligten am 22. Juni 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung des Senats durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gehört worden.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter des Senats, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist zu bestätigen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat in dem noch streitigen Zeitraum vom 27. Dezember 2011 bis 30. November 2016 keinen Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I, da für diesen Zeitraum das für die Pflegestufe I erforderliche Vorliegen eines Grundpflegebedarfs von mehr als 45 Minuten nicht nachgewiesen ist.
Pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung sind nach § 14 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Nach § 14 Abs. 4 SGB XI sind dabei gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 der Vorschrift im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung (Nr. 1), im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung (Nr. 2) sowie im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Nr. 3). Neben diesen drei Bereichen der sogenannten Grundpflege gehören zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen (§ 14 Abs. 4 SGB XI). Die Hilfe zu diesen Verrichtungen besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen (§ 14 Abs. 3 SGB XI). Für die Gewährung von Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz sind pflegebedürftige Personen im Sinne des § 14 SGB XI einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Dabei unterscheidet § 15 SGB XI Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige), die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI) sowie Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige), die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI). Nach § 15 Abs. 3 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesschnitt (gemeint: täglich im Wochenschnitt) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI), in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen mit einem Anteil der Grundpflege von mindestens zwei Stunden (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI).
Vorliegend ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass bei dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum ein für das Erreichen der Pflegestufe I erforderlicher Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täglich im Wochenschnitt bestand. Das hat das Sozialgericht auf der Grundlage der beiden von Amts wegen eingeholten Gutachten der Pflegesachverständigen Medizinaldirektorin D. und Dr. F. überzeugend begründet. Demgegenüber hat es das abweichende Gutachten der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. E. zu Recht als in wesentlichen Teilen nicht nachvollziehbares und zum Beweis eines höheren Grundpflegebedarfs nicht geeignetes Gutachten bewertet. Der Senat macht sich die ausführliche und schlüssige Beweiswürdigung des Sozialgerichts in vollem Umfang zu eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von weiteren Ausführungen ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen und die durch das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 veränderte Sachlage ist lediglich folgendes zu ergänzen:
Soweit der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 2011 einen höheren zeitlichen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Duschens bzw. der Ganzkörperwäsche geltend macht, ist dies nach den Ausführungen der Sachverständigen unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers nicht begründet. Bei dem Kläger besteht aufgrund der Funktionsbeeinträchtigung des rechten Arms ein Hilfebedarf bei der Körperpflege, jedoch kann er mit seinem nicht funktionsbeeinträchtigten linken Arm bei dieser Verrichtung mithelfen, so dass lediglich Teilhilfen zu berücksichtigen sind. Soweit mit der Berufung ein Duschen "nahezu jeden Tag" und zusätzlich eine Ganzkörperwäsche 4 x wöchentlich vorgetragen wird, findet sich dies in keinem Gutachten wieder; für Körperpflegemaßnahmen in diesem Umfang ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich. Insoweit ist lediglich der sowohl von Medizinaldirektorin D. als auch von Dr. F. berücksichtigte Teilhilfebedarf durch Angehörige für das tägliche Waschen bzw. Duschen des Unterkörpers sowie ergänzende Hilfen (Anreichen von Waschartikeln, abtrocknen) von umgerechnet 8 Minuten täglich plausibel.
Das von dem Kläger geltend gemachte Richten der Bekleidung nach Toilette in Form eines Teilhilfebedarfs von 6 Minuten steht im Widerspruch zu den Feststellungen der Sachverständigen D., wonach der dazu ausdrücklich befragte Kläger und seine Familie zum damaligen Zeitpunkt berichteten, dass der Kläger dies selbst durchführen könne (Seite 16 des Gutachtens). Erst bei der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. F. gab der Kläger einen entsprechenden Hilfebedarf an, ohne dass allerdings zu erkennen wäre, dass sich im Vergleich der beiden Gutachten hier ein Unterschied in der gesundheitlichen Situation des Klägers ergeben hätte.
Ein weiterer Teilhilfebedarf beim Aufstehen/Zubettgehen ist nach dem Gutachten der Sachverständigen D. und Dr. F. ebenfalls nicht anzuerkennen. Die Sachverständigen berücksichtigten zweimal täglich Teilhilfe beim Ankleiden und Auskleiden der unteren Extremitäten. Ein viermaliges An- und Ausziehen der Hose, der Schuhe und der Strümpfe wurde von den Sachverständigen nicht beschrieben und erschließt sich auch hinsichtlich der Notwendigkeit nicht.
Soweit der Kläger weiter rügt, Dr. F. berücksichtige den von der Sachverständigen D. festgestellten Teilhilfebedarf beim Gehen nicht, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Hilfebedarf nicht nachgewiesen ist. Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 7. August 2015 ausgeführt, dass dem Kläger das Gehen innerhalb der Wohnung, wie er während der Begutachtung demonstriert habe, ohne Fremdhilfe ausreichend möglich sei (Seite 11 des Gutachtens). Auf Einwände des Klägers hat Dr. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 2016 die Nichtberücksichtigung eines entsprechenden Hilfebedarfs zusätzlich damit begründet, dass er hierzu die Familienmitglieder des Klägers ausdrücklich befragt habe; diese hätten abgegeben, dass sich der Kläger innerhalb der Wohnung ausreichend sicher mit einer Unterarmgehstütze bewegen könne. Angesichts dessen ist der von der Sachverständigen D. angenommene Hilfebedarf für ca. 20mal Begleitung und Unterstützung beim Gehen mit jeweils ½ Minute nicht nachvollziehbar, zumal die Sachverständige D. im Befundteil ihres Gutachtens mitteilt, dass der Kläger stabil und frei stand und – wenn auch erschwert – in der Lage war, barfuß ohne Hilfsmittel zu gehen. In dem Gutachten von Prof. E. wird ausgeführt, der Kläger zeige einen sehr unsicheren, anstrengenden "Watschelgang" mit ausgeprägter Fallneigung sowie Sturzgefahr bei leichten Unebenheiten, gleichzeitig stellt sie aber fest, dass dem Kläger eine Gehstrecke von 15-20 Meter ohne Pausen noch möglich sei. Die Notwendigkeit einer Begleitung beim Gehen auf kurzen Strecken innerhalb der Wohnung wird auch aus ihrem Gutachten nicht deutlich.
Das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 bringt für den hier im Streit stehenden Zeitraum keine neuen Erkenntnisse. Darin wird nunmehr ein Grundpflegebedarf bei der Körperpflege von 28 Minuten, bei der Ernährung von einer Minute und bei der Mobilität von 30 Minuten am Tag angegeben und hieraus ein Gesamtwert von 59 Minuten entsprechend der Pflegestufe I errechnet. Im Gutachten wird ausgeführt, es sei eine allgemeine Verschlechterung eingetreten, der Versicherte könne kaum noch laufen, er sei auf ständige Hilfe seiner Ehefrau angewiesen. Dem Gutachten ist ferner zu entnehmen, dass der MDK-Gutachterin die Vorgutachten aus dem sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorlagen. Insoweit ergeben sich aus dem Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 keine Anhaltspunkte, welche die Ergebnisse der in den Jahren 2014/2015 erstatteten Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen in Zweifel ziehen würden. Soweit im Gutachten vom 30. Januar 2017 ein Hilfebedarf für Zahn- und Mundpflege, Kämmen und Rasieren mit sieben Minuten angenommen wird, lag ein solcher Hilfebedarf im Zeitpunkt der früheren Begutachtungen nach den schlüssigen Darlegungen der Sachverständigen D. und F. nicht vor. Ebenso wenig lässt sich anhand des Gutachtens des MDK feststellen, dass der dort beschriebene verschlechterte Gesundheitszustand des Klägers bereits deutlich vor der Begutachtung vorgelegen haben könnte. Ärztliche Befunde oder anderweitige Unterlagen, die für einen früheren Zeitpunkt eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation belegen könnten, werden im Gutachten nicht erwähnt. Der Kläger hat auch trotz entsprechender Hinweise des Senats im Erörterungstermin nichts vorgetragen, was diesbezüglich einen Anhalt geben könnte. Angesichts des in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts scheiden beim Fehlen hinreichender Anknüpfungstatsachen weitere Ermittlungen des Senats aus. Das gilt auch hinsichtlich des von dem Kläger beantragten weiteren Sachverständigengutachten, da die maßgebliche Pflegesituation, die ein Sachverständiger zu beurteilen hätte, nicht mehr vorhanden ist.
Soweit der Kläger rügt, das Sozialgericht sei seinem Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG nicht nachgegangen, kann dies der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Das Sozialgericht war nicht gehalten, diesem Antrag nachzugehen. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass das Antragsrecht des § 109 SGG verbraucht ist, wenn ein entsprechendes Gutachten eingeholt worden ist und der Kläger keine besonderen Gründe darlegt, welche die Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG belegen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rn. 10b; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Oktober 2013 – L 6 SB 5267/11 –, juris Rn.34). Derartige besondere Gründe sind vorliegend nicht zu erkennen. Alle Sachverständigen haben in ihren Gutachten weitgehend übereinstimmende Feststellungen zur Pflegesituation getroffen. Eine Abweichung ergab sich im Wesentlichen bei der Ermittlung des hieraus abzuleitenden Hilfebedarfs, da die nach § 109 SGG bestellte Sachverständige hier weitaus höhere Zeitansätze zugrunde legte als die von Amts wegen bestellten Sachverständigen. Solche Bewertungsunterschiede sind kein "besonderer Grund", der Anlass für eine nochmalige Begutachtung gäbe, sondern der typische Fall der gerichtlich zu treffenden Streitentscheidung beim Vorliegen mehrerer voneinander in der Bewertung abweichender Gutachten.
Der Vorwurf des Klägers, das Sozialgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, weil es die Sachverständigen trotz eines entsprechenden Antrags nicht zur Befragung in die mündliche Verhandlung geladen habe, geht fehl. Zwar steht jedem Beteiligten grundsätzlich das Recht zu, dem Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet. Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen vorab nicht notwendig konkret formuliert werden, sondern es reicht aus, wenn die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret bezeichnet werden, indem bspw. auf Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten in dem Gutachten hingewiesen wird und hieran anknüpfend Fragen an den oder die Sachverständigen angekündigt werden, die objektiv sachdienlich sind. Sachdienlichkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind; andernfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 13 R 170/10 B –, juris Rn. 15). Liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen (BSG, Beschluss vom 12. April 2005 – B 2 U 222/04 B –, juris Rn. 5). Dies gilt selbst dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts ausreichend und überzeugend ist und es keiner Erläuterung bedarf (vgl. zum Vorstehenden ausführlich BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 13 R 170/10 B –, juris Rn. 11).
Hier hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 beantragt, alle drei Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden, weil diese "in den entscheidungserheblichen Bereichen Körperpflege und Mobilität zu unterschiedlichen und widersprüchlichen Ergebnissen" gelangt seien; dazu hat der Kläger (lediglich) die von den drei Sachverständigen für die Bereiche Körperpflege und Mobilität ermittelten Zeitwerte tabellarisch gegenübergestellt. Eine derart pauschale Begründung gab dem Sozialgericht keinen Anlass, die Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden. Konkrete Fragen oder Vorhalte zu einzelnen Bereichen der Gutachten oder zu den von den Sachverständigen aus ihren Feststellungen gezogenen Schlüssen für den Hilfebedarf kündigte der Kläger nicht an. Die Behauptung, die Gutachten seien widersprüchlich, hat er nicht näher erläutert. Es fehlt jeder Hinweis, in welche konkrete Richtung der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein Fragerecht ausüben wollte. Da der Kläger mit der Berufung seinen diesbezüglichen Vortrag nicht substantiiert, sondern lediglich auf den entsprechenden Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren verwiesen hat, bestand für den Senat auch kein Anlass, im Berufungsverfahren eine entsprechende Anhörung der Sachverständigen vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben, obwohl die Klage infolge des Teilanerkenntnisses der Beklagten teilweise Erfolg hat. Denn die Beklagte hat, nachdem der Kläger außerhalb des gerichtlichen Verfahrens einen Neuantrag gestellt hatte, auf das Gutachten des MDK vom 30. Januar 2017 umgehend reagiert und den Kläger entsprechend dem Ergebnis des Gutachtens klaglos gestellt. In einem solchen Fall, in dem die Beklagte auf eine – noch dazu außerhalb des gerichtlichen Verfahrens festgestellte – Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unverzüglich und adäquat reagiert, wäre es nicht sachgerecht, die Beklagte mit Kosten zu belasten (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rn. 13 m.w.N.).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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