L 10 U 809/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 U 5998/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 809/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.02.2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Heilbehandlungskosten streitig.

Der am 1972 geborene Kläger, von Beruf Rechtsanwalt, erlitt am 18.11.2015 in seinen Kanzleiräumen einen Arbeitsunfall, indem er die Treppe hinabstürzte und auf sein Gesäß fiel. Nach einem Telefonat am 19.11.2015 stellte sich der Kläger am 07.12.2015 bei dem Orthopäden Dr. P. vor, der Krankengymnastik verordnete, die durch das PhysioTeam O. in O. in der Zeit vom 04.04. bis 28.04.2016 erbracht und dem Kläger unter dem 28.04.2016 mit insgesamt 162,00 EUR in Rechnung gestellt wurde.

Mit Schreiben vom 03.06.2016 wandte sich der Kläger an die Beklagte und beantragte unter Vorlage der entsprechenden Rechnung vom 28.04.2016 die Erstattung dieser Behandlungskosten. Mit Bescheid vom 06.07.2016 führte die Beklagte aus, ein Anspruch auf Heilbehandlung bestehe bis zum 29.12.2015, unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe nicht bestanden und die über den genannten Zeitpunkt hinausgehenden Beschwerden gingen nicht mehr zu Lasten der Unfallfolgen. Im Übrigen verneinte sie einen Anspruch auf Rente. Zur Begründung führte sie u.a. aus, als Folge des Unfalls habe der Kläger eine Prellung der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie ein abgekapseltes Hämatom im Bereich der Prellung am rechten Os ilium erlitten. Eine LWS-Prellung heile auch in schweren Fällen innerhalb von drei bis sechs Wochen aus, weshalb unter großzügiger Würdigung von Vorschäden eine Behandlungsbedürftigkeit bis 29.12.2015 nachvollziehbar sei. Die anlässlich der durchgeführten Untersuchungen festgestellten umfangreichen Schäden an der LWS, die sie neben einem "Zustand nach Verkehrsunfall 2008" als nicht anerkannte Folgen des Versicherungsfalls aufführte, hätten bereits vor dem Sturz bestanden und seien durch diesen weder verursacht noch richtungsgebend verschlimmert worden. Für die Abkapselung des Hämatoms seien therapeutische Maßnahmen nicht zielführend. Den mit der Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers, das abgekapselte Hämatom habe gezielt mit Krankengymnastik behandelt werden können und er sei seit April beschwerdefrei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2016 zurück.

Die am 07.11.2016 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Begehren erhobene Klage, den Bescheid vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, "die beantragten Leistungen zu gewähren", hat das SG nach Durchführung medizinischer Ermittlungen und Anhörung des Klägers mit Gerichtsbescheid vom 21.02.2018 abgewiesen. Dabei hat es den Antrag des Klägers dahingehend ausgelegt, dass er die Leistungen begehre, über die mit dem angefochtenen Bescheid entschieden wurde, mithin zum einen Verletztenrente und zum anderen Heilbehandlungskosten, wobei der Kläger insoweit Erstattung der Behandlungskosten ausweislich der Rechnung vom 28.04.2016 in Höhe von 162,00 EUR beanspruche. Nicht Streitgegenstand seien die Folgen des Arbeitsunfalls aus 2008; hierüber habe die Beklagte nicht entschieden, zumal die Erwähnung "Zustand nach" unspezifisch und unzureichend sei. In der Rechtsmittelbelehrung ist ausgeführt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Am 01.03.2018 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und wiederum beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, die Beklagte zu verpflichten, ihm "die beantragten Leistungen zu gewähren". Seinem Schriftsatz hat er als Anlage seinen an die Beklagte gerichteten Kostenerstattungsantrag vom 03.06.2016 in Kopie beigefügt. Auf den Hinweis des Senats, dass auch im Berufungsverfahren eine konkrete Antragstellung erforderlich und dieser Antrag zu beziffern sei, sofern eine Kostenerstattung begehrt werde, hat der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 21.02.2018 und den Bescheid vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Heilbehandlungskosten in Höhe von 162,00 EUR zu erstatten.

Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes die Berufungssumme nicht erreicht und ihn zu der Absicht des Senats angehört, die Berufung gemäß § 158 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Hierauf hat er mit Schriftsatz vom 31.05.2018 geltend gemacht, es gehe im Berufungsverfahren nicht nur um eine Beschwer von 162,00 EUR, "sondern um die Abwehr der im angefochtenen Widerspruchsbescheid gemachten Feststellungen zu den Unfallfolgen und den unfallunabhängigen Körperschäden auch aus dem Unfall vom Frühjahr 2008 und den hierzu ergangenen Bescheid der Beklagte." Falls das Gericht den gestellten Berufungsantrag insoweit für zu eng erachten sollte, werde rein vorsorglich beantragt, den Gerichtsbescheid und die angefochtenen Bescheide "mitsamt den nicht im Verfügungssatz des Bescheides vom 06.07.2016 festgestellten Unfallfolgen des Verkehrsunfalls aus 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Heilbehandlungskosten i.H.v. EUR 162,00 zu erstatten."

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Leistungsakten Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig.

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, was nach Satz 2 der Vorschrift durch Beschluss geschehen kann, wenn sie - unter anderem - nicht statthaft ist. So liegt der Fall hier.

Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder 2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Heilbehandlungskosten ausweislich der Rechnung des PhysioTeam O. vom 28.04.2016 in Höhe von 162,00 EUR. Diesen vom Kläger schon vor dem SG geltend gemachten Anspruch hat das SG verneint und eben diesen Anspruch verfolgt der Kläger mit der Berufung weiter. Dies hat der Kläger im Berufungsverfahren auf den Hinweis des Senats, dass der gestellte Antrag (Verpflichtung der Beklagten, ihm "die beantragten Leistungen zu gewähren") unzulässig sei, eine konkrete Antragstellung erforderlich und dieser Antrag, sofern eine Kostenerstattung begehrt werde, zu beziffern sei, klargestellt und seinen Antrag dahingehend konkretisiert, dass die Beklagte verpflichtet werden möge, ihm die Heilbehandlungskosten in Höhe von 162,00 EUR zu erstatten.

Mit diesem Begehren wird der für die Statthaftigkeit einer Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 EUR nicht erreicht, so dass die Berufung unzulässig ist, weil sie im Gerichtsbescheid des SG vom 21.02.2018 nicht zugelassen worden ist.

Eine Zulassung der Berufung ist ausgehend vom Rechtsstandpunkt des SG auch nicht erforderlich gewesen. Denn das SG ist angesichts des gestellten Antrags (Verpflichtung der Beklagten, ihm "die beantragten Leistungen zu gewähren") davon ausgegangen, dass der Kläger mit seiner gegen den Bescheid vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2016 gerichteten Klage zum einen die Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 162,00 EUR und zum anderen die Gewährung von Verletztenrente geltend gemacht hat. Ausgehend hiervon wäre die Berufung ohne Zulassung zulässig gewesen, weshalb das SG auch die für eine zulassungsfreie Berufung übliche Rechtsmittelbelehrung verwendet hat, worin keine Zulassung der Berufung liegt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rdnr. 45 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rspr.). Auch der Kläger selbst geht nicht davon aus, dass das SG die Berufung zugelassen hat.

Soweit der Kläger meint, das SG sei zutreffender Weise von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen, weil die durch die Entscheidung bedingte Beschwer die Grenze von 750 EUR deshalb überschritten habe, weil sein wirtschaftliches Interesse auf Grund seines Begehrens in Bezug auf die Folgen des Verkehrsunfalls aus 2008 unzweifelhaft über den Betrag von 162,00 EUR hinausgegangen sei, trifft dies nicht zu. Denn das SG hat auf Seite 6 des angefochtenen Gerichtsbescheids ausdrücklich und zutreffend dargelegt, dass Folgen des Arbeitsunfalls aus 2008 gerade nicht Streitgegenstand sind, da die Beklagte mit der angefochtenen Entscheidung über Folgen des Verkehrsunfalls aus 2008 nicht entschied.

Entgegen der Auffassung des SG ist zwar die Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 162,00 EUR Gegenstand des Klageverfahrens gewesen, nicht jedoch die Gewährung von Verletztenrente. Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt die Gewährung von Verletztenrente geltend gemacht, weder gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren noch gegenüber dem SG. Mit seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 03.06.2016 beantragte er ausschließlich Erstattung der Kosten ausweislich der Rechnung vom 28.04.2016 über 162,00 EUR und im nachfolgenden Klageverfahren hat er mit seinem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, "die beantragten Leistungen zu gewähren" ersichtlich auf den mit Schreiben vom 03.06.2016 gestellten Antrag Bezug genommen, die in Rede stehenden Behandlungskosten zu erstatten. Einen Anspruch auf Verletztenrente hat der Kläger in keinem seiner Schriftsätze auch nur erwähnt und er hat auch nicht in sonstiger Weise zum Ausdruck gebracht, dass er Verletztenrente beansprucht. Soweit die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden daher von Amts wegen über die Gewährung von Verletztenrente entschied und einen solchen Anspruch ablehnte, ist diese Entscheidung bestandkräftig geworden. Mithin ist schon im Klageberfahren Streitgegenstand allein die Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 162,00 EUR gewesen.

Die Berufung wäre nach alledem nur statthaft gewesen, wenn das SG sie in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zugelassen hätte. Sachdienliches Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid des SG ist daher die Nichtzulassungsbeschwerde gewesen, die der Kläger schließlich vorsorglich erhoben hat und die beim Senat unter dem Aktenzeichen L 10 U 2476/18 anhängig ist.

Soweit der Kläger geltend gemacht hat, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige 750 EUR, weil es ihm - so sein zuletzt mit Schriftsatz vom 31.05.2018 vorsorglich gestellter Antrag - auch um die Aufhebung der nicht im Verfügungssatz des Bescheides vom 06.07.2016 festgestellten Unfallfolgen des Verkehrsunfalls aus 2008 gehe, ist darauf hinzuweisen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels der Zeitpunkt der Einlegung der Berufung ist. Ist die Wertgrenze zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung nicht erreicht, so wird die Berufung auch nicht durch eine spätere Erhöhung des Beschwerdewertes statthaft (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., Rdnr 19 f.). Entsprechend ist die Berufung des Klägers auch nicht durch die nach Hinweis auf deren Unzulässigkeit erfolgte Erweiterung des Anfechtungsantrags statthaft geworden. Letztlich kann damit offenbleiben, ob mit dem gestellten erweiterten Antrag der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 EUR überhaupt überschritten worden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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