L 4 R 935/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1521/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 935/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Februar 2017 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Rechte wegen Erwerbsminderung ab dem 1. August 2013 streitig.

Der 1968 geborene Kläger war zunächst in seinem erlernten Beruf als Steinbildhauer sowie ab 2006 als Arbeiter auf dem städtischen Bauhof versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 7. Mai 2012 bezog er Krankengeld, anschließend vom 13. September 2013 bis 12. September 2014 Arbeitslosengeld I. Danach bestand zumindest bis zum 31. Dezember 2016 durchgehend Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug.

Am 28. März 2012 erfolgte eine valgisierende Tibiakopfumstellungsosteotomie links mit Metallentfernung im Januar 2013. Seit dem 1. April 2012 sind ein Grad der Behinderung von 60 sowie das Merkzeichen G zuerkannt (Bescheid der Versorgungsverwaltung vom 7. Februar 2013).

Vom 12. bis 30. März 2013 befand sich der Kläger in stationärer Rehabilitation mit orthopädischem Schwerpunkt. Im Reha-Entlassungsbericht vom 4. April 2013 diagnostizierte Dr. B. einen Morbus (M.) Sudeck linker Fuß bei chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einen Zustand nach (Z.n.) sekundärer Gonarthrose links (Kreuzbandriss mit 17 Jahren, konservativ), einen Z.n. Tibiakopfumstellungsosteotomie links sowie Schmerzen am Unterschenkel links. In der zuletzt ausgeübten schweren Tätigkeit als Bauhofarbeiter überwiegend gehend und stehend sei der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich einsetzbar. Aus orthopädischer Sicht sei zu erwarten, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Lage sein werde, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit aus wechselnder Ausgangsstellung unter drei Stunden durchzuführen. Vermieden werden sollten Zwangshaltungen oder hüft-/kniegelenksbelastende Tätigkeiten sowie starke Erschütterungen.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach.

Im Rahmen einer Prüfung der Umdeutung des Reha- in einen Rentenantrag zog die Beklagte weitere ärztliche Unterlagen bei. Nach deren Auswertung gelangte Facharzt für Innere Medizin H.-L. in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 14. August 2013 zu der Einschätzung, das Leistungsbild des Reha-Entlassungsberichts sei nicht plausibel. Die Befunde belegten eine langsame, aber positive Entwicklung seit der Rehabilitation. Der Kläger sei für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit zeitweisem Gehen und Stehen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen mehr als sechs Stunden täglich leistungsfähig.

Am 15. August 2013 beantragte der Kläger nach Aufforderung durch die Agentur für Arbeit bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 15. September 2013. Zur Begründung verwies er auf ein Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (CRPS) am linken Fuß nach Tibiakopfumstellungsosteotomie, anhaltende Knieschmerzen und eine depressive Anpassungsstörung. Ergänzend legte er u.a. die gutachterliche Äußerung der Ärztin der Agentur für Arbeit Dr. M. vom 15. Juli 2013 (Leistungsunfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von länger als sechs Monaten), Arztbriefe der Psychologischen Psychotherapeutin Dr. H.-R. vom 6. Dezember 2012 und 15. Juli 2013 (Diagnose: Angst und depressive Reaktion bei Belastungssituation [M. Sudeck, CRPS]), von PD Dr. Ro., Facharzt für Neurologie, physikalische Medizin, spezielle Schmerztherapie, vom 23. Oktober und 17. Dezember 2012, 30. Januar, 29. April, 5. Juli 2013 sowie des Facharztes für Orthopädie Dr. Hi. vom 1. Juli 2013 vor.

Mit Bescheid vom 21. August 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach ihrer medizinischen Beurteilung könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein, so dass keine Erwerbsminderung vorliege.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruches verwies der Kläger insbesondere auf die Einschätzungen von Dr. B. und Dr. M ... Eine vollständige Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit sei den Befunden der behandelnden Ärzte nicht zu entnehmen. Wegen fortbestehender starker Schmerzen seitens des linken Beines müsse er täglich starke Schmerzmittel einnehmen. Diese führten zu erheblichen Konzentrationsmängeln im Alltag und machten auch eine Teilnahme am Straßenverkehr unmöglich. Einfachste Hausarbeiten könne er zwar verrichten, aufwändigere Putzarbeiten erledige jedoch seine Frau. Sein Tagesablauf sei geprägt durch wiederholte schmerzbedingte Ruhepausen. Der Leistungseinschätzung von Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie Dr. U. (dazu unten) sei nicht zu folgen. Dieser berücksichtige die aktuelle Medikation und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen, seine, des Klägers, Angaben zu täglichen "Mobilisierungsspaziergängen" und deren Folgen nicht ausreichend und unzutreffend und habe keinen Tagesablauf erhoben. Die ihm maximal mögliche Gehstrecke betrage 800 m; danach zwängen ihn starke Schmerzen zum Anhalten. Dies sei auch von Facharzt für Neurologie Dr. Sc. (dazu unten) unzureichend berücksichtigt worden. Vorgelegt wurden der Entlassungsbericht von PD Dr. Ro. vom 20. Dezember 2013 sowie ein Arztbrief von Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Prof. Dr. Sch. vom 20. September 2013 (Schmerzsyndrom linker Unterschenkel bei Z.n. Knieumstellungsosteotomie bei medialer Gonarthrose)

Die Beklagte beauftragte zunächst Dr. U. mit der Erstellung eines Gutachtens, das dieser aufgrund einer Untersuchung am 3. Juli 2014 unter dem 8. Juli 2014 erstellte. Darin diagnostizierte er ein chronisches Schmerzsyndrom des linken Kniegelenks bei Z.n. valgisierender Tibiakopfumstellung und nachfolgender Entwicklung eines CRPS sowie begleitender Gonarthrose links, Dysästhesien linker Unterschenkel, linkes Sprunggelenk, linker Fuß bei Z.n. CRPS1 sowie eine endgradige Funktionseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks für die Dorsalextension. Leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen seien dem Kläger vollschichtig zumutbar. Eine Einschränkung der Gehstrecke in rentenberechtigendem Maße liege nicht vor. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei zumutbar. Zu meiden seien Gehen in unebenem Gelände, überwiegendes Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten unter Kälte, Nässe und Zugluft.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. Sc. aufgrund einer Untersuchung am 2. Februar 2015 unter dem 12. Februar 2015 ein neuropsychiatrisches Gutachten, in dem er ein chronisches Schmerzsyndrom des linken Beines nach Umstellungsosteotomie bei Gonarthrose (2012) sowie eine protrahierte Anpassungsstörung diagnostizierte. Leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen oder Gehen seien dem Kläger mehr als sechs Stunden täglich möglich. Ausgeschlossen seien Arbeiten mit relevanten Ansprüchen an die Stand- und Gangsicherheit, mit Treppensteigen, Absturz- oder erhöhter Unfallgefahr, mit Zeitdruck oder mehr als leichter Beanspruchung des Konzentrationsvermögens, des Reaktionsvermögens sowie der Umstellung- und Anpassungsfähigkeit. Arbeiten mit ständigem Publikumsverkehr oder mit Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge könne er nicht leisten. Aus neurologischer Sicht könne er mehrmals täglich Strecken von 1000 m in annehmbarer Zeit zurücklegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Aufgrund der Begutachtungsergebnisse liege eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht vor. Auch eine rentenrelevante Einschränkung des Gehvermögens könne nicht angenommen werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 11. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholte. Ergänzend verwies er auf eine Verdoppelung der Opiatdosis seit November 2016 und legte einen Arztbrief des Facharztes für Neurologie Ri. vom 2. September 2016 vor. Seine privaten Lebensumstände, einschließlich eines Umzugs, habe er den medizinischen Gegebenheiten angepasst.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen der Fachärztin für Chirurgie Dr. L. vom 4. September 2015, 19. Juli und 5. Oktober 2016 entgegen. Hauptproblem sei das von neurologischer Seite zu beurteilende regionale Schmerzsyndrom. Die diesbezügliche Leistungseinschätzung von Dr. Sc. werde von Dr. Ro. als behandelndem Neurologen gestützt. Die von Dr. S., Fachärztin für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie, in deren Gutachten (dazu unten) angenommene Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitspausen auch bei überwiegend sitzender Tätigkeit sei aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für die angenommene Aufhebung der Wegefähigkeit und Fahrtüchtigkeit.

Das SG holte schriftliche Aussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen ein. Hausärztin Dr. G. legte Arztbriefe und Berichte verschiedener Ärzte vor, die der Kläger überwiegend bereits im Verwaltungsverfahren eingereicht hatte. Dr. Hi. gab in seiner Auskunft vom 29. Juli 2015 an, den Kläger u.a. im Juni 2013 und wieder im Februar und Juli 2015 behandelt zu haben. Anfang 2015 sei die Erstdiagnose einer Spondylolisthese L5/S1 mit zusätzlicher Schmerzausstrahlung in das linke Bein sowie im Juli 2015 das Auftreten von Knieschmerzen rechts gestellt worden. Der M. Sudeck des linken Beines sei wesentlich und unverändert. Auch leichte Tätigkeiten könne der Kläger nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dr. Ro. beschrieb in seiner Auskunft vom 20. August 2015 eine unter Behandlung rückläufige Symptomatik eines CRPS des linken Knies und Fußes. Es liege ein Residualzustand mit einem glaubhaften Schmerzsyndrom bei aber rückläufigen vegetativen und sensomotorischen Befunden vor. Wegen der Schmerzen und der residualen sensomotorischen Defizite sei die Einnahme von Gabapentin weiterhin erforderlich. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die festgestellte Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bestehe seit Anfang 2015; zuvor habe wegen des noch floriden CRPS eine höhere Einschränkung bestanden.

Das SG bestellte Dr. Ma., Facharzt für Orthopädie, zum gerichtlichen Sachverständigen, der in seinem aufgrund einer Untersuchung am 17. November 2015 unter dem 18. November 2015 erstatteten Gutachten eine Kniegelenksarthrose links mit vorderer Instabilität nach Defekt des vorderen Kreuzbandes mit 16 Jahren, Z.n. Umstellungsosteotomie, ein abklingendes CRPS des linken Beines mit Funktionsstörung linkes oberes Sprunggelenk, ein patellofemorales Schmerzsyndrom rechtes Kniegelenk, ein Wirbelgleiten der Lendenwirbelsäule (L5/S1) ohne Funktionsstörung, Ausfall des Achillessehnenreflexes ohne sonstige neurologische Ausfälle sowie subjektive Beschwerden der Großzehe rechts bei freier Beweglichkeit diagnostizierte. Schwere oder ständig mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, dauerndes Gehen und Stehen, mehr als gelegentliches Treppensteigen sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten seien nicht mehr leidensgerecht. Leichte körperliche Tätigkeiten könne der Kläger arbeitstäglich acht Stunden erbringen. Betriebsunübliche Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Der Kläger sei in der Lage, täglich viermal einen Fußweg von 500 m jeweils unter 20 Minuten zurückzulegen. Unter Berücksichtigung der aktenkundigen Befunde sei festzustellen, dass seit August 2013 ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben gewesen sei.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestellte das SG Dr. S. zur gerichtlichen Sachverständigen, die in ihrem aufgrund einer Untersuchung am 31. März 2016 unter dem 31. Mai 2016 erstellten Gutachten ein CRPS im Stadium III diagnostizierte. Leichte körperliche Arbeiten mit Tragen von weniger als 10 kg seien dem Kläger möglich. Dauerndes oder überwiegendes Stehen und Gehen sollten vermieden werden; einer sitzenden Tätigkeit könne der Kläger jedoch uneingeschränkt nachgehen. Ausgeschlossen seien Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen sowie insbesondere bei nasskaltem Wetter im Freien. Das Führen von Fahrzeugen mit Personentransport sei aufgrund der Medikation nicht erlaubt. Auch Arbeiten mit Kontrollfunktion und erhöhter oder hoher Verantwortung seien wegen der medikamentenbedingten Auswirkungen auf die Aufmerksamkeitsfähigkeit nicht möglich. Eine sitzende Tätigkeit könne der Kläger für die Dauer von acht Stunden täglich ausüben, bei Arbeiten im Stehen oder Gehen sei eine eingeschränkte Arbeitszeit von ca. vier Stunden täglich möglich. Die reduzierte Arbeitszeit ergebe sich aus der Tatsache, dass bei solchen Tätigkeiten bei längerer Belastung des linken Beines vermehrt Schmerzen aufträten und daher Pausen einzuplanen seien. Bei nicht sitzender Tätigkeit sei in regelmäßigen Abständen nach ca. einer Stunde eine ca. zehnminütige Pause zur Schmerzlinderung durch Hochlagerung des Beines erforderlich. Auch bei einer sitzenden Tätigkeit seien ca. zwei zusätzliche Pausen von 10 bis 15 Minuten zu den gesetzlichen Pausen nötig. Der Kläger sei nicht in der Lage, 500 m in 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Seit November 2013 sei von einem Stadium III des CRPS auszugehen. Aufgrund des bisherigen Verlaufs sei die Wahrscheinlichkeit einer Besserung äußerst gering. Der status quo werde aller Wahrscheinlichkeit nach erhalten bleiben. Die Möglichkeiten einer speziellen Schmerztherapie seien noch nicht ausgeschöpft. Davon sei allenfalls eine Verbesserung der Schmerzsymptomatik von max. 30 % zu erwarten, aber nicht der Funktionalität des linken Beines. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. August 2016 hielt die Sachverständige in Auseinandersetzung mit Einwendungen der Beklagten an ihrer Leistungseinschätzung, insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit zusätzlicher Pausen und der eingeschränkten Wegefähigkeit, fest.

Mit Urteil vom 7. Februar 2017 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April 2015, dem Kläger ab dem 1. August 2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Eine volle Erwerbsminderung liege vor, denn der Kläger könne schon deshalb nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein, weil er über die üblichen Pausen hinausgehende Pausen benötige, um nicht unter unzumutbaren Schmerzen arbeiten zu müssen. Gestützt insbesondere auf das Gutachten von Dr. S. sowie die als glaubhaft erachteten Angaben des Klägers sei erwiesen, dass dieser aufgrund seines CRPS am linken Knie und am linken Sprunggelenk unter belastungsabhängigen Schmerzen leide, die ihm nur noch gestatteten, überwiegend im Sitzen und zeitweise im Gehen und Stehen zu arbeiten. Dabei müsse er zusätzlich zu den üblichen Pausen zweimal täglich für 10 bis 15 Minuten sein Bein höher als seine Hüfte lagern, was unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht während der Arbeitszeit erfolgen könne. Die Erwerbsminderung bestehe auf Dauer. Denn Dr. S. habe überzeugend ausgeführt, dass im Falle des Klägers nach Erreichen des dritten Stadiums des CRPS nicht mehr mit einer Besserung der gesundheitlichen Situation zu rechnen sei.

Gegen dieses ihr am 15. Februar 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. März 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und, gestützt auf eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 1. März 2017, zur Begründung vorgetragen, weder sei von einem der Gutachter eine Auffälligkeit des Gangbildes mit einem besonderen Schonaspekt des linken Beines beschrieben worden noch bestehe eine höhergradige Muskelminderung, die auf eine wesentliche Minderbelastung hindeute. Es ergebe sich somit kein Beleg, dass der Kläger eine Gehstrecke von über 500 m in jeweils unter 20 Minuten viermal am Tag nicht mehr zurücklegen könnte. Die von Dr. S. zugrunde gelegte Müdigkeit beruhe ausschließlich auf Schilderungen des Klägers, wobei in keinem der Gutachten Zeichen einer Müdigkeit oder Erschöpfung während der Begutachtung beschrieben worden seien. Somit ergebe sich keine Begründung für die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen. Bei sitzender Tätigkeit wäre das Bein nicht belastet, so dass kein Grund für eine quantitative Leistungsminderung für überwiegend sitzende Tätigkeiten bestehe. Da Dr. S. davon ausgehe, dass der Kläger eine sitzende Tätigkeit für die Dauer von acht Stunden ausüben könne, rentenrechtlich jedoch arbeitstäglich lediglich mindestens sechs Stunden zugrunde zu legen wären, hätte sie folgerichtig lediglich eine einmalige zusätzliche Pause für erforderlich halten dürfen. Selbst dann läge jedoch kein Erfordernis einer betriebsunüblichen Pause vor, da nach § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vollschichtig tätigen Arbeitnehmern eine Ruhepause von 30 Minuten zustehe, die in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden könne. Ungeachtet der beim Kläger gegebenen Wegefähigkeit sei des Weiteren zu berücksichtigen, dass er über einen Führerschein und einen Pkw verfüge.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Februar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die gesetzlich nach § 4 ArbZG vorgesehenen Pausen reichten nicht aus. Nach jeglicher Anstrengung benötige er Ruhepausen, um die Beine hoch zu lagern. Es sei dann – je nach Anstrengung – das linke Bein ein bis eineinhalb Stunden hochzulagern. Bei unvermeidbaren stärkeren Belastungen, beispielsweise Arztterminen mit langen Wartezeiten, habe er an aufeinanderfolgenden Tagen meist tagelange Episoden mit sehr starken Schmerzschüben. Der Leistungseinschätzung von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, spezielle Schmerztherapie Prof. Dr. Rö. und Facharzt für Orthopädie-Rheumatologie, physikalische und rehabilitative Medizin Priv.-Doz. Dr. Ro. (dazu unten) sei nicht zu folgen. Während der Befragung durch Priv.-Doz. Dr. Ro. habe er unter einer starken psychischen Spannung gestanden, die im weiteren Verlauf nahe an einen Nervenzusammenbruch gekommen sei, was nicht zuletzt der Art und Weise der Befragung geschuldet sei, durch die der Sachverständige einen starken psychischen Druck aufgebaut habe. Er habe ihn ständig zu schnellen Antworten gedrängt und Antworten zu psychischen Problemen abgeschnitten. Bei der Bewegungsuntersuchung des rechten Knies habe er das Bein zweimal über 90° gebeugt, wobei er, der Kläger, jeweils stark zunehmende Schmerzen angegeben habe. Seine ganzen Alltagsaktivitäten müsse er nach dem Umfang der Schmerzen im Fuß ausrichten. Danach bestimme sich seine Handlungsfähigkeit und auch die Wegstrecken, die er zurücklegen könne. Die Aufzählung seiner Tagesaktivitäten im Gutachten erwecke den fälschlichen Eindruck, dass er täglich all diese Unternehmungen tatsächlich durchführe. Eine solche Regelmäßigkeit sei jedoch nicht gegeben. Die von ihm eingelegten Pausen seien nicht ausreichend berücksichtigt. Die Wegefähigkeit sei ebenfalls eine sehr relative. An den zwei Tagen, an denen er zur Physiotherapie in B. W. gehe, müsse er sich jeweils für mindestens eine Stunde hinlegen, da er extrem erschöpft sei. Dass seine Werte hinsichtlich Konzentration und Verarbeitung nachmittags besser waren, sei durch den zeitlichen Abstand der Tests zur Medikamenteneinnahme zu erklären. Des Weiteren habe es am Nachmittag der Begutachtung reichlich Pausen zur Erholung gegeben. Ergänzend hat er Arztbriefe des Arztes Ri. vom 26. April und 5. Dezember 2017, 13. Februar und 6. Juni 2018, der Ärztin für Neurologie Tr. vom 16. Oktober 2017 sowie des Dr. Hi. vom 24. Mai 2018 vorgelegt.

Der Senat hat Prof. Dr. Rö. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt und Priv.-Doz. Dr. Ro. mit der Erstellung eines Zusatzgutachtens betraut. Letzterer hat aufgrund einer Untersuchung am 29. September 2017 unter dem 15. Dezember 2017 folgende Diagnosen gestellt: Komplexes regionales Schmerzsyndrom, CRPS (M. Sudeck) linker Unterschenkel und Fuß, Spätstadium III ohne nachweisbare vegetative Symptome mit geringen residuellen Funktionseinschränkungen, geringe Bewegungseinschränkungen linkes Sprunggelenk, linker Mittelfuß; nach vorderer Kreuzbandruptur in der Jugend posttraumatische Arthrose im linken Kniegelenk Kellgren Grad III (von IV), geringe Retropatellararthrose, Z.n. valgisierender Tibiakopf-Korrekturosteotomie und Metallentfernung, chronische vordere Instabilität mäßigen Grades, muskulär weitgehend kompensierbar, geringe bis mäßige nachweisbare Funktionseinschränkungen; geringe medial beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk Kellgrad Grad I, keine wesentlichen nachweisbaren Funktionseinschränkungen; Zervikobrachialgien (Hals-Schulterschmerzen) links bei geringen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule im Bandscheibenfach HWK 4/5, schmerzhafte Muskelverspannungen, geringe Funktionseinschränkungen; chronische Lumbalgien (Rücken-Becken-Schmerzen) mit pseudoradikulärer Ausstrahlung links bei geringem Wirbelgleiten, Spondylolisthese der Lendenwirbelsäule im Segment L5/S1 Grad I (von IV) nach Meyerding, radiologisch geringfügige Segmentinstabilität ohne Äquivalent bei der körperlichen Untersuchung, mäßige Verschleißerscheinungen im Bandscheibenfach L5/S1, leichte Arthrosen der Zwischengelenke L4 bis S1 und mögliche Enge der Nervenaustrittslöcher und im Wirbelkanal dieser Segmente, kein Nachweis einer Reizung oder Schädigung einer Nervenwurzel, schmerzhafte Muskelverspannungen, geringe nachweisbare Funktionseinschränkungen; psychische Gesundheitsstörungen, Verdacht auf (V.a.) chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, V.a. somatoforme Schmerzstörung. Ausgeschlossen seien Zwangshaltungen mit Rumpfvorhaltung, Hocken und Knien, Anheben von Lasten aus diesen Körperpositionen heraus, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, mit Absturzgefahr, häufiges Treppensteigen, Gehen auf unebenem Gelände, Zwangshaltungen der Halswirbelsäule, anhaltende Armvorhaltung und -seithaltung links, Arbeiten mit der linken Hand über Schulterniveau, Arbeiten in Nässe und Kälte ohne Schutzkleidung. Leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von 8 bis 10 kg könne der Kläger ständig im Sitzen, teilweise im Stehen und teilweise im Gehen mehr als sechsstündig täglich verrichten, idealerweise mit dem möglichen Wechsel der Körperpositionen. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Der Kläger sei unter Benutzung eines Handstockes in der Lage, mehr als 500 m viermal täglich in jeweils deutlich weniger als 15 bis 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie mindestens zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Die jetzt festgestellte Leistungseinschränkung mit qualitativen Leistungsminderungen bestehe jedenfalls seit Anfang bis Mitte 2015. Prof. Dr. Rö. hat im neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinischen Hauptgutachten vom 5. Februar 2018 die Diagnosen einer leichtgradigen, anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, eine Dysthymia sowie eines leichten CRPS Stadium III gestellt. Über die von Priv.-Doz. Dr. Ro. formulierten qualitativen Einschränkungen hinaus seien Akkord- oder Fließbandtätigkeiten, Arbeiten unter Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe sowie in Nachtschicht ausgeschlossen. Leichte körperliche Arbeiten vorzugsweise im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, aber auch ständig im Sitzen, überwiegend im Stehen oder zeitweise im Gehen seien dem Kläger noch mehr als sechs Stunden täglich zumutbar. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht unerlässlich. Beschränkungen des Arbeitsweges bestünden nicht. Allerdings sollte es dem Kläger angesichts der opioidhaltigen Schmerzmittel nicht auferlegt werden, selbständig ein Fahrzeug zu benutzen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihm jedoch möglich. Die qualitativen Leistungseinschränkungen bestünden wohl seit Mitte des Jahres 2015.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn sie wendet sich die Verurteilung zur Gewährung laufender Rentenleistungen für mehr als ein Jahr.

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. August 2013 an den Kläger. Streitbefangen ist der vom SG aufgehobene Bescheid vom 21. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2015.

3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2013.

a) Einer Verurteilung zur Rentengewährung bereits ab dem 1. August 2013 steht bereits entgegen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten im Rentenantrag vom 15. August 2013 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ausdrücklich erst ab dem "15.09.2013", mithin nach Ende des Arbeitslosengeld I-Anspruches begehrt hatte. Für die Zeit vom 1. August bis 14. September 2013 ist die Klage mithin mangels Beschwer durch die angefochtenen Bescheide unzulässig.

b) Für die Zeit ab dem 15. September 2013 ist die Klage zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

aa) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

bb) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in der Lage war und ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen beim Kläger gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.

(1) Beim Kläger besteht vorrangig ein CRPS (nach anderer Nomenklatur M. Sudeck) des linken Beines nach valgisierender Tibiakopfumstellungsosteotomie links am 28. März 2012 mit Metallentfernung im Januar 2013. Dieses befindet sich jedenfalls seit Dezember 2013 in Stadium III. Nach übereinstimmender Darstellung von Prof. Dr. Rö. und Dr. S. ist das Stadium I (entzündliches Stadium) durch Schmerzen, Hypersensitivität und eine diffuse Weichteilschwellung gekennzeichnet (überwärmte, gerötete oder blau-liquide verfärbte Haut). Im Stadium II (dystrophes Stadium) kommt es zu trophischen Hautveränderungen (livide, glänzende Haut, Nagelveränderungen) und einer zunehmenden Weichteilempfindlichkeit. Stadium III (atrophes Stadium) ist durch Muskelatrophie und Kniegelenksversteifungen charakterisiert. Der sachverständigen Zeugenauskunft von Priv.-Doz. Dr. Ro. ist zu entnehmen, dass sich die Symptomatik nach intensiver stationärer Behandlung im Dezember 2013 gebessert hatte. Nach den in seinem Arztbrief vom 20. Dezember 2013 wiedergegebenen Befunden fanden sich keine Überwärmung des linken Beines und Fußes, eine seitengleiche Schweißresektion, im Liegen keine wesentliche Seitendifferenz der Hautdurchblutung. Die Beweglichkeit des Kniegelenks war mit 0/0/140° nachvollziehbar als nicht, die des oberen Sprunggelenks als lediglich endgradig eingeschränkt angegeben. Die Fußhebung war bis 100° mit Kraftgrad 4 (von 5) erreichbar, die Zehenhebung ebenfalls mit Kraftgrad 4, die Fußsenkung mit Kraftgrad 3 bis 4 bei schmerzbedingter Minderinnervation. Am linken Bein bestanden Sensibilitätsstörungen (insbesondere Hypästhesie und Hypalgesie). Das Gangbild wurde als unauffällig angegeben. Lediglich ein Entlastungshinken wurde beobachtet. Bereits im Arztbrief von Prof. Dr. Sch. vom 20. September 2013 über eine Vorstellung am 16. September 2013 wurde zwar eine noch sehr ausgeprägte CRPS-Symptomatik beschrieben, die insbesondere im Rahmen des Schmerzerlebens im Vordergrund stand, deren sekundäre trophische Störungen jedoch bereits weitgehend abgeklungen waren. Im Arztbrief von Priv.-Doz. Dr. Ro. vom 24. Januar 2014 sind fortbestehende vegetative Symptome nicht festgehalten. Zu entnehmen ist eine angegebene Schmerzzunahme und Umstellung der Medikation nach zuvor erfolgter Reduktion. Bei der im Juli 2014 durchgeführten Begutachtung durch Dr. U., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51), stellte dieser keine signifikanten vegetativen Phänomene fest. Zum Zeitpunkt dieser Untersuchung bestand noch eine ausgeprägte Minderberührungsempfindlichkeit sowie Hyperalgesie am linken Fuß sowie am linken Unterschenkel. Priv.-Doz. Dr. Ro. beschrieb eine unter Behandlung rückläufige Symptomatik des CRPS. Zum Zeitpunkt seiner Zeugenaussage vom 20. August 2015 lag ein Residualzustand mit einem glaubhaften Schmerzsyndrom bei aber rückläufigen vegetativen und sensomotorischen Befunden vor. Bei der Untersuchung Anfang 2015 fanden sich noch leichte vegetative dystrophische Störungen mit etwas vermehrter bläulicher Verfärbung des Fußes, wobei die übrigen dokumentierten vegetativen Störungen weitgehend rückläufig waren. Eine Parese bestand nicht, lediglich eine Abschwächung des Achillessehnenreflexes links. Im April und im August 2015 fand sich bei unveränderter Schmerzangabe im körperlichen Untersuchungsbefund lediglich nachmittags eine etwas rötliche Verfärbung des linken Fußes im Vergleich zur Gegenseite. Eine Hauttemperaturenseitendifferenz konnte nicht festgestellt werden. Bei der Kraftprüfung ließen sich volle Kraftgrade für alle Bewegungen erreichen, zum Teil bestand eine schmerzbedingte Tremorüberlagerung. Sensibilitätsstörungen wurden unter dem linken Knie sowie an der Innenseite des Unterschenkels angegeben, darüber hinaus eine Hypästhesie und Hypalgesie an der Außenseite des Fußes. Dies entspricht den Befunderhebungen durch Dr. Sc. im Februar 2015, dessen Gutachten der Senat ebenfalls im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte. Bei der dortigen Untersuchung ergaben sich keine Hinweise für eine ausgeprägte vegetative Störung des linken Beines bei unauffälligem neurovegetativen Tests. Eine wesentliche Schwellung oder Verfärbung des linken Fußes konnte ebenso wenig festgestellt werden wie Auffälligkeiten bei Schwitzen und Trophik. Es fand sich eine wechselhafte Minderinnervation der Fuß- und Zehenhebung sowie der Fuß- und Zehensenkung links. Die Muskulatur der linken Wade und des linken Fußes war im Seitenvergleich nur diskret schwächer ausgeprägt als rechts. Bei der Prüfung der Sensibilität gab der Kläger eine Hypalgesie und Thermhypästhesie sowie geringer auch eine Hypästhesie des gesamten linken Beines unterhalb des distalen Oberschenkeldrittels an. Über dem Fußrücken bestanden Dysästhesien bei Berührung, unter der Fußsohle links wurden Spitzreize als schmerzhaft wahrgenommen. Die Muskeleigenreflexe waren seitengleich lebhaft erhältlich bis auf einen links abgeschwächten Achillessehnenreflex. Im Vordergrund stand diesbezüglich das Schmerzerleben. Bei der Begutachtung durch Dr. Ma. im November 2015 waren vegetative Phänomene nicht mehr nachweisbar. Es lag keine Schwellung vor, keine vermehrte Schweißbildung, lediglich die Zehen des linken Fußes waren etwas kühler als auf der rechten Seite. Eine Überwärmung der linken unteren Extremitäten war ebenfalls nicht nachweisbar. Verblieben war ein neuropathisches Schmerzsyndrom. Dr. S. fand, wie sie selbst ausdrücklich bestätigte, bei ihrer Untersuchung im März 2016 keinen über den Priv.-Doz. Dr. Ro., von Dr. Sc. und Dr. Ma. hinausgehenden pathologischen Befund. Priv.-Doz. Dr. Ro. beschreibt aktuell ein CRPS am linken Unterschenkel und Fuß im Spätstadium III ohne nachweisbare vegetative Symptome mit geringen residuellen Funktionseinschränkungen. Die Muskelprofile am linken Ober- und Unterschenkel war nur geringfügig gemindert. Eine Gefühlsminderung bestand am linken Unterschenkel außenseitig, Fußrücken und sämtlichen Zehen links. Die Schmerzwahrnehmung war jedoch vorhanden. Ödeme, Glanzhaut oder Schweißneigung fanden sich ebenso wenig wie Hinweis auf eine wesentliche arterielle oder venöse Durchblutungsstörung. Lediglich eine leicht vermehrte Venenzeichnung am Fußrücken beidseits fiel auf. Beide Beine und Füße waren gleichseitig durchwärmt. Prof. Dr. Rö. hat darüber hinausgehende pathologische Befunde nicht festgestellt und ebenfalls ein – leichtes – CRPS Stadium III diagnostiziert. Danach ist die Angabe von Dr. Hi. vom 29. Juli 2015, der M. Sudeck des linken Beines sei unverändert, nicht nachvollziehbar; im Übrigen erfolgte bei diesem Arzt im Zeitraum zwischen Juni 2013 und Februar 2015 keine Vorstellung des Klägers.

Die Umstellungsosteotomie am linken Kniegelenk selbst war erfolgreich. Dies entnimmt der Senat dem Arztbrief von Prof. Dr. Sch. vom 20. September 2013, in dem das Knie vonseiten der Operation als "optimal" bezeichnet wurde. Nach überzeugender Darstellung von Priv.-Doz. Dr. Ro. zeigte sich im Röntgenbefund, dass die Osteotomie knöchern sicher und belastbar verheilt ist. Danach besteht eine Arthrose im linken Kniegelenk Kellgren Grad III, geringe Retropatellararthrose sowie chronische vordere Instabilität mäßigen Grades. Letztere ist muskulär weitgehend kompensierbar. Die Beweglichkeit im linken Kniegelenk bestand von 0/0/120° (bei Normalwert 120/150°) ohne Hinweise auf akute Meniskussymptomatik oder Reizzustand erachtete Priv.-Doz. Dr. Ro. überzeugend als funktional nicht relevant. Dies entspricht dem Befund von Dr. U. (dort 0/0/135° bei zum dortigen Untersuchungszeitpunkt leichten Erguss), Dr. Ma. (0/0/135°) und Dr. S. (funktionalirrelevantes Beugedefizit von 20°). Des Weiteren besteht im Zusammenhang mit dem CRPS eine Funktionsstörung des linken oberen Sprunggelenks für die Dorsalextension, allerdings nur eine geringfügige. Das Abrollen des Fußes ist dadurch nicht relevant eingeschränkt. Dies entnimmt der Senat der übereinstimmenden Darstellung von Dr. U., Dr. Ma., Dr. S. und Priv.-Doz. Dr. Ro ... Im rechten Kniegelenk besteht eine geringe Arthrose ohne wesentliche Funktionseinschränkungen. Dies entnimmt der Senat der überstimmenden Erhebungen von Dr. Ma. und Priv.-Doz. Dr. Ro ... Letzterer beschrieb eine Einschränkung der Beweglichkeit im rechten Kniegelenk auf 0/5/130° mit einschießenden Schmerzen an der Kniekehle. Bei Dr. Ma. fand sich noch eine bessere Beweglichkeit von 0/0/135°. Von Dr. U. wurde keine relevanten Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt.

Bei geringen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule bestehen Zervikobrachialgien links mit schmerzhaften Muskelverspannungen, aber nur geringen Funktionseinschränkungen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Ro ... Danach war die Beweglichkeit der Halswirbelsäule aktiv und passiv nicht wesentlich eingeschränkt. Nur bei der Rückneigung wurden Schmerzen angegeben. Es bestanden aber keine Schmerzausstrahlungen in Schultern oder Arme. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen ein geringes Wirbelgleiten (Spondylolisthese L5/S1 Grad I von IV nach Meyerding) und mäßige Verschleißerscheinungen in diesem Bereich. Dies führt jedoch nur zu geringen Funktionseinschränkungen sowie schmerzhaften Muskelverspannungen. Dies entnimmt der Senat der überzeugenden Darstellung von Priv.-Doz. Dr. Ro ... Danach fand der radiologische Befund auf eine geringfügige Bewegungsinstabilität im Bereich der geringen Spondylolisthese kein Äquivalent bei der körperlichen Untersuchung bei freier Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule ohne Angaben von Bewegungsschmerzen und Hinweise auf eine Zwischenstabilisierung oder Abstützreaktion beim Wiederaufrichten aus der Rumpfbeugung. Das An- und Entkleiden erfolgte ohne sichtbare Behinderungen oder Schmerzäußerungen. Der Langsitz wurde aktiv vollständig ohne Schmerzangaben eingenommen. Eine typische Ischialgie mit Schmerzausstrahlung in das linke Bein, Nervendehnschmerzen oder Nervenwurzelreizung waren nicht festzustellen. Es fanden sich keine Hinweise auf motorische Paresen an den unteren Extremitäten. Dies entspricht den bereits von Dr. Ma. und Dr. U. erhobenen Befunden. Die von Dr. Hi. zwischenzeitlich angegebene Schmerzausstrahlung in das linke Bein hat sich somit nicht bestätigt.

Neben dem CRPS besteht beim Kläger des Weiteren eine leichtgradige, anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Dysthymia. Dies entnimmt der Senat dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. Rö ... Bei der dortigen Untersuchung war die Antriebslage unauffällig. Nur beim Besprechen der Schmerzsymptomatik kam es zu einem subdepressiven Stimmungsumschwung bei ansonsten unbeeinträchtigter Stimmung. Die affektive Modulationsfähigkeit war nicht eingeschränkt. Die Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsdauer waren unauffällig, ebenso die mnestischen Funktionen. Soweit Dr. Sc. von einer protrahierten Anpassungsstörung ausgeht, handelt es sich nur um eine andere diagnostische Zuordnung. Wesentlich abweichende Befunde oder weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen hat dieser nicht beschrieben. Psychisch fand sich ein unauffälliger Befund mit ausgeglichener bis lediglich leicht gedrückter Stimmung. Auffassung und Aufmerksamkeit waren ebenso wie Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit normal.

Nach Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. Rö. bestehen Migräneanfälle mit einer Frequenz von einem Anfall innerhalb von drei bis vier Monaten.

(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen des Klägers in qualitativer Hinsicht ein. Überzeugend hat Priv.-Doz. Dr. Ro. wegen der verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen durch das CRPS, der Gesundheitsstörungen an den Kniegelenken und der Wirbelsäule schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen mit Rumpfvorhaltung, Hocken und Knien, Anheben von Lasten aus diesen Körperpositionen heraus, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, mit Absturzgefahr, häufiges Treppensteigen, Gehen auf unebenem Gelände, Zwangshaltungen der Halswirbelsäule, anhaltende Armvorhaltung und seithaltung links, Arbeiten mit der linken Hand über Schulterniveau, Arbeiten in Nässe und Kälte überzeugend ausgeschlossen. Arbeiten überwiegend im Stehen oder im Gehen sind nicht mehr leidensgerecht. Diese Einschränkungen werden im Wesentlichen übereinstimmend auch von den weiteren Gutachtern und Sachverständigen angenommen. Der überzeugenden Einschätzung von Prof. Dr. Rö. folgend, sind des Weiteren Arbeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandtätigkeiten ausgeschlossen. Zugunsten des Klägers übernimmt der Senat darüber hinaus die von Dr. Sc. und Dr. S. insbesondere wegen der medikamentenbedingten Auswirkungen auf die Aufmerksamkeitsfähigkeit für notwendig erachteten Ausschlüsse von Tätigkeiten mit Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie erhöhter oder hoher Verantwortung.

(3) Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; er ist weiterhin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit insbesondere auf die überzeugenden Gutachten von Dr. U., Dr. Sc., Dr. Ma., Priv.-Doz. Dr. Ro. und Prof. Dr. Rö ... Ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen nahm auch Dr. S. nicht an. Alle den Kläger im vorliegenden Verfahren begutachtenden Ärzte haben ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten unter Beachtung der o.g. qualitativen Ausschlüsse beschrieben. Bestätigt wurde dies auch von Priv.-Doz. Dr. Ro ...

Der abweichenden Auffassung von Dr. Hi. vermag der Senat nicht zu folgen. Wie bereits oben dargelegt, ließen sich die von diesem angeführte aktivierte Kniegelenksarthrose, die Lendenwirbelsäulenstörung mit Schmerzausstrahlung ins linke Bein sowie insbesondere ein unverändertes CRPS nicht bestätigen. Die Leistungseinschätzung von Dr. B. im Reha-Entlassungsbericht vom 4. April 2013 überzeugt zumindest für den hier streitigen Zeitraum angesichts der oben dargelegten Entwicklung und Rückbildung des CRPS im weiteren Verlauf nicht. Gleiches gilt für die gutachterliche Äußerung der Ärztin der Agentur für Arbeit Dr. M. vom 15. Juli 2013. Diese wohl nach Aktenlage erstellte Einschätzung lässt bereits nicht erkennen, worauf sie gestützt ist. Befunde werden nicht angeführt.

Den ganz im Vordergrund stehenden Beschwerden aufgrund des CRPS im Stadium III wird durch die oben genannten qualitativen Ausschlüsse ausreichend Rechnung getragen. Wie dargelegt, sind die verbliebenen funktionellen Einbußen nur noch geringfügig ausgeprägt. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit steht das hiermit verbundene Schmerzerleben des Klägers im Mittelpunkt. Insoweit ergibt sich eine Überschneidung mit der Bewertung der somatoformen Schmerzstörung. Für den Senat überzeugend hat Prof. Dr. Rö. dargelegt, dass neben den Ergebnissen der neurologischen Untersuchung auch die Angaben des Klägers zum Tagesablauf zeigen, dass es sich nur um ein leichtes CRPS handelt. In gleicher Weise sprach danach die Analyse der Alltagsaktivitäten für eine lediglich leichtgradige Ausprägung der somatoformen Schmerzstörung. Denn diese zeigte, dass es dem Kläger noch möglich war, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen. Gestützt wird diese Bewertung nach anschaulicher Darstellung von Prof. Dr. Rö. durch den nur leichtgradig gestörten psychischen Befund. Ein solcher wurde, wie oben dargestellt, bereits von Dr. Sc. erhoben. Auch die von diesem und den Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren erhobenen Angaben des Klägers zur Gestaltung seines Tagesablaufs und seiner Alltagsaktivitäten sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Danach weist der Kläger durchgehend einen strukturierten Tagesablauf mit Haushalts- sowie Büro- oder anderen Tätigkeiten am PC und regelmäßigen Spaziergängen auf. Er war in der Lage, Hobbies (Gitarrespielen, Lesen, gewisse Gartenarbeiten) nachzugehen und den Bau und Umzug in das neue Haus zu organisieren. Auch Dr. S. hat ausdrücklich einen strukturierten Tagesablauf festgestellt. Zwar hat der Kläger durchweg auch angegeben, über den Tag hinweg Ruhepausen einzulegen, und im Weiteren darauf hingewiesen, dass er die angeführten Tätigkeiten nicht alle täglich durchführe. Dennoch zeigen diese Angaben beim Kläger trotz der Schmerzstörung vorhandene Ressourcen. Dabei ist auch zu beachten, dass die tatsächlich durchgeführten Verrichtungen teils belastender wirken als die hier relevanten körperlich leichten Tätigkeiten mit den oben genannten qualitativen Ausschlüssen, so das Bettenmachen, das Besorgen der Wäsche (auch bei offenbar hochgestellten Maschinen), das Unkrautjäten und Sträucherschneiden (in Hochbeeten im Stehen) und längere Spaziergänge. Unterstrichen wird dies des Weiteren durch den Ablauf der Begutachtungen. So konnte der Kläger während der Anamneseerhebung (teilweise fast zwei Stunden) jeweils ohne wesentliche Positionswechsel durchgehend sitzen. Eine vorzeitige Ermüdung oder Erschöpfung wurde von keinem der Gutachter und Sachverständigen beschrieben, auch nicht von Dr. S ... Ausdrücklich weist Prof. Dr. Rö. darauf hin, dass der Kläger während der gesamten Exploration aufmerksam und konzentriert wirkte. Im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung kam es nicht zu einem Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit. Zwar hat der Kläger eingewandt, dass bei dieser Begutachtung wiederholte Pausen möglich waren. Andererseits hat er selbst ausführlich dargelegt, die Begutachtung als sehr belastend erlebt zu haben. Neben einer Anfahrtsdauer im Pkw einer Bekannten von einer Stunde ohne Pausen stellte die umfangreiche körperliche und psychische Untersuchung nachvollziehbar erhebliche Anforderungen, die über die aus den angesonnenen Tätigkeiten deutlich hinausgehen. Soweit Dr. Ri. im Arztbrief vom 26. April 2017 von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit ausgeht, ist nicht ersichtlich, inwieweit hier lediglich Angaben des Klägers zugrunde gelegt wurden. Eine befundbezogene Bewertung ist nicht erkennbar. Der unter dem 5. Dezember 2017 wiedergegebene Befund lässt keine signifikante Abweichung gegenüber den von Priv.-Doz. Dr. Ro. und Prof. Dr. Rö. erhobenen Befunden erkennen.

Zur Überzeugung des Senats besteht dieses Leistungsbild aufgrund des CRPS jedenfalls seit Dezember 2013. Zwar haben Priv.-Doz. Dr. Ro. und Prof. Dr. Rö. in ihren Gutachten jeweils nur eine Beurteilung für die Zeit ab Anfang 2015 abgegeben. Eine weitergehende Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit für die davorliegende Zeit ist dem aber nicht zu entnehmen und ergibt sich auch nicht aus den von ihnen herangezogenen Vorbefunden. Priv.-Doz. Dr. Ro. hat ausgeführt, die festgestellte Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bestehe seit Anfang 2015; zuvor habe wegen des noch floriden CRPS eine höhere Einschränkung bestanden. Dass damit eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens verbunden sein soll, ist dem nicht eindeutig zu entnehmen. Angesichts der oben geschilderten Ausprägung des CPRS seit Dezember 2013 und des Begutachtungsergebnisses von Dr. U. im Juli 2014 ist eine solche Einschränkung für den Senat auch nicht nachvollziehbar. Er folgt dabei der gutbegründeten Einschätzung von Dr. Ma ... Die Entlassung aus der stationären Behandlung bei Dr. Ro. im Dezember 2013 als arbeitsunfähig steht dem nicht entgegen. Die auf den zuletzt ausgeübten Beruf als Bauhofarbeiter mit schweren Tätigkeiten bezogene Arbeitsunfähigkeit lässt keine Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten zu. Der Senat kann offenlassen, ob das CRPS vor Dezember 2013 zu einer weitergehenden Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit auch in zeitlicher Hinsicht führte. Denn zum Zeitpunkt des begehrten Rentenbeginns lag angesichts des Rückbildungsprozesses jedenfalls keine dauerhafte (über sechs Monate, vgl. § 101 Abs. 1 SGB VI) Einschränkung mehr vor.

Die Wirbelsäulenbeschwerden ohne Hinweise auf Nervenwurzelreizungen oder sensomotorischen Defizite sowie die nur geringfügigen Funktionseinschränkungen an den Knien bedingen keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Die entnimmt der Senat dem überzeugenden Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Ro ... Die vom Kläger erhobenen Einwände gegen dessen Begutachtung sind nicht geeignet, dessen Befunderhebung und Bewertung in Frage zu stellen. Die vom Kläger angegebenen Migräneanfälle mit einer Frequenz von einem Anfall innerhalb von drei bis vier Monaten begründen nachvollziehbar eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, aber keine dauerhafte Erwerbsminderung.

(4) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben, insbesondere besteht entgegen der Annahme des SG keine Notwendigkeit zusätzlicher, betriebsunüblicher Pausen.

Entgegen der Annahme des SG nahm auch die Sachverständige Dr. S. notwendige Pausen zur Hochlagerung des Beines nur bei stehender Tätigkeit an. Bei einer sitzenden Tätigkeit begründete sie die angenommenen zusätzlichen Pausen mit der Möglichkeit einer Entlastung durch Positionswechsel. Auch dieser Einschätzung vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Die Leistungsbeurteilung ist schon in sich widersprüchlich. So führt die Sachverständige Dr. S. zunächst aus, einer sitzenden Tätigkeit könne der Kläger "uneingeschränkt" nachgehen und zwar mit einer Arbeitszeit von acht Stunden täglich. Die später angeführte Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitspausen auch bei einer sitzenden Tätigkeit stellt jedoch gerade eine Einschränkung dar, die zuvor verneint wurde ("uneingeschränkt"). Des Weiteren setzt sich die Sachverständige nicht damit auseinander, dass der rentenrechtliche Maßstab nicht eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden – die sie als möglich erachtet –, sondern von lediglich von mindestens sechs Stunden vorgibt. Zutreffend weist Dr. L. darauf hin, dass auch bei einer überwiegend im Sitzen ausgeübten Tätigkeit ausreichend Positionswechsel zur Entlastung möglich sind. In Übereinstimmung damit verneinte Priv.-Doz. Dr. Ro. ausdrücklich die Notwendigkeit zusätzlicher, betriebsunüblicher Pausen bei einer sitzenden, teilweise auch stehenden oder gehenden Tätigkeit. Dies ist angesichts der dargestellten rückläufigen Befunde beim CRPS, dem langen entlastungsfreien Sitzen während der Begutachtung und dem Fehlen von Anzeichen vorzeitiger Ermüdung oder Erschöpfung in allen vorliegenden Gutachten überzeugend.

(6) Auch die Wegefähigkeit des Klägers war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Der Kläger war und ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Die aufgrund des CRPS verbliebenen und die Gesundheitsstörungen an den Kniegelenken bedingten funktionalen Einschränkungen vorwiegend des linken Beines sind nicht erheblich ausgeprägt. Das Beugedefizit im Kniegelenk ist nach übereinstimmender Beurteilung aller Gutachter und Sachverständigen funktional nicht relevant. Die Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk links beeinträchtigt nicht das Abrollen des Fußes. Dies hat auch Dr. S. festgestellt. Bereits Dr. U. stellte – bei zum Untersuchungszeitpunkt bestehendem leichten Erguss im linken Knie – nur ein leicht hinkendes Gangbild fest. Bei der Begutachtung durch Dr. Sc. bot der Kläger lediglich ein leichtes, wechselhaft ausgeprägtes, unspezifisches Schonhinken links. Dr. Ma. beschrieb das Gangbild ebenerdig ohne Gehilfen als flüssig und ohne Schonhinken. Der Kläger betrat das Untersuchungszimmer mit zwei Unterarmgehstützen und zeigte dabei ein flüssiges Gangbild. Auch bei Dr. S. fand sich ein flüssiges Gangbild. Priv.-Doz. Dr. Ro. beschrieb für den Weg zum Untersuchungszimmer ein mit Gehstock zügiges, kleinschrittiges Gangbild ohne Schwanken. Eine wesentlich sichtbare Gangstörung oder ein eindeutiges Hinken bestand nicht. Bei der Untersuchung selbst zeigte sich ohne Handstock oder Unterarmgehstützen ein sicheres Gangbild ohne Fallneigung. In diesen Feststellungen zum Gangbild bilden sich auch die verbliebenen Gefühlsstörungen im linken Bein und Fuß ab. Dr. S. führt zur Begründung zunächst schlüssig an, für die Beurteilung sei nicht nur die körperliche Bewegungseinschränkung, sondern auch die Schmerzerkrankung zu beachten. Sie verwies auf die von ihr durchgeführte Gehprobe. Während der klinischen Untersuchung sei eine Wegstrecke von ca. 200 m getestet worden. Im Verlauf der Gehstrecke, die ohne Pausen zurückgelegt worden sei, seien Schmerzen im betroffenen Bein links aufgetreten. Im weiteren Verlauf habe der Kläger aufgrund der Schmerzen glaubhaft unter starker Übelkeit gelitten. Die Sachverständige gab hingegen nicht an, in welcher Zeit diese angegebenen 200 m zurückgelegt wurden. Ferner geht die Sachverständige nicht darauf ein, inwieweit eine frühere Pause die zumutbare Wegstrecke hätte verlängern können. Bei der weiteren Beurteilung stützt sich die Sachverständige allein auf die Angaben des Klägers. Dass diese nicht ausreichen, um eine verlässliche Einschätzung abzugeben, zeigen die Begutachtungen durch Priv.-Doz. Dr. Ro. und Prof. Dr. Rö ... Hier gab der Kläger selbst an, bei regelmäßigen Hundespaziergängen zweimal täglich mit dem Handstock rechts und Sitzpausen im Park eine Wegstrecke von 800 bis 1000 m in 30 bis 40 Minuten zu bewältigen, danach benötige er eine Pause. An anderer Stelle gab er an, wegen Schmerzen im linken Knie nicht weiter als 1000 m oder länger als 20 bis 30 Minuten gehen zu können. In seiner Stellungnahme hierzu räumte der Kläger ein, es sei für ihn fast unmöglich, klar definierte Distanzen oder Zeiten anzugeben. Beim begleiteten Gang in den Park und Übungspark der Klinik im Rahmen der Begutachtung ging dieser mit Handstock ohne Schwindel oder Schwanken. Pausen wurden nicht verlangt. Gegen Ende war der Kläger nur leicht außer Atem. Die standardisierte Gehstrecke von 500 m legte er in dieser Art innerhalb von acht Minuten zurück. Die Ein- und Ausstiegssimulation für öffentliche Verkehrsmittel mit hohen Stufen bewältigte er mit Gehstock. Damit ist die Wegefähigkeit gegeben.

(7) Aus der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 60 folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 – 5b BJ 156/87 –, juris, Rn. 3).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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