Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 23 SB 1472/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1899/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der 1963 geborene Kläger deutscher Staatsangehörigkeit, der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, beantragte erstmals am 2. Juli 2002 die Feststellung des GdB, woraufhin ihm nach versorgungsärztlicher Auswertung der beigezogenen Befundberichte mit Bescheid vom 26. August 2002 ein GdB von 50 seit 2. Juli 2002 zuerkannt wurde, während Merkzeichen nicht festgestellt wurden. Dem lag maßgeblich ein Teil-GdB von 50 für eine seelische Krankheit zugrunde, die nach zwei stationären Aufenthalten in der Psychiatrischen Tagesklinik B. in den Jahren 2000 und 2001 vom behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. als unbedingt medikamentenpflichtige, bipolare Zyklothymie mit überwiegend manischen Phasen bezeichnet wurde. Bereits am 23. Dezember 2002 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF". Nachdem dies bis im Widerspruchsverfahren erfolglos geblieben war, erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht F. (S 5 SB 1838/05), die mit einem Vergleich endete. Diesen führte das Landratsamt W. (LRA) mit Bescheid vom 16. August 2006 aus und stellte den GdB mit 70 seit 23. Dezember 2002 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "seelische Krankheit" (Teil-GdB 60), "Schlafapnoe-Syndrom" (Teil-GdB 20) und "Bronchialasthma" (Teil-GdB 10) fest.
Am 2. Juni 2014 beantragte er neben der Neufeststellung des GdB die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF". Nach Einholung von Befundberichten und Prüfung durch den versorgungsärztlichen Dienst lehnte das LRA den Antrag mit Bescheid vom 4. September 2014 mit der Begründung ab, dass eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei und die Voraussetzungen der begehrten Merkzeichen nicht vorlägen. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und begehrte die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Er legte ein Attest seines Hausarztes und Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 13. Oktober 2014 vor, wonach er wegen einer seelischen Erkrankung mit körperlichen Auswirkungen (bipolare Störung mit erhöhter Tagesmüdigkeit) auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sei. Zudem übersandte er ein Schreiben der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. vom 4. November 2014, die berichtete, dass bei ihm Ein- und Durchschlafstörungen mit erhöhter Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit bei bipolarer affektiver Erkrankung und Schlafapnoe-Syndrom imponierten. Diese bedingten, dass er aktuell auf das Führen eines Kraftfahrzeuges verzichten müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2015 wies das Regierungspräsidium S. den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27. März 2015 beim Sozialgericht F. (SG) Klage erhoben, die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" weiterverfolgt und geltend gemacht, dass nach der Bestätigung von Dr. P. an beiden Beinen ein Kreuzbandriss bestehe, was eine schwere Funktionsbehinderung darstelle und er deswegen seit Jahren auf Schmerzmittel, Gehhilfen und Schuheinlagen angewiesen sei. Nachdem das SG den ebenfalls gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt hat, hat der Kläger in der dagegen zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben Beschwerde die Auskunft der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie F. vom 5. August 2015 vorgelegt, wonach er an einer bipolar-affektiven Erkrankung und einem Schlafapnoe-Syndrom leide. Die Erkrankungen führten zu einer erhöhten Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit, so dass er kein Fahrzeug führen könne und auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen sei. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben (L 6 SB 2686/15 B).
Daraufhin hat der Kläger unter anderem einen Befundbericht der H. Klink T. vom 29. Dezember 2015 vorgelegt, wonach die Brust- und Lendenwirbelsäule sowie die Knie beidseits frei beweglich und das Lasègue-Zeichen beidseits negativ seien, und erneut einen PKH-Antrag gestellt, den das SG abgelehnt und das LSG die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen hat (L 6 SB 942/16 B).
Das SG hat dann schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt. Dr. P. hat am 9. Januar 2017 mitgeteilt, dass normale Gehstrecken im Ortsverkehr zurückgelegt werden könnten. Einschränkungen des Gehvermögens seien nie vorgetragen worden und auch nicht vorstellbar. Es bestehe eine gut eingestellte Schlafapnoe, der Alltag sei nicht gestört. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie F. hat am 29. Januar 2017 ausgeführt, dass der Kläger seit 1994 an einer bipolaren Störung mit in den letzten Jahren depressiven Episoden und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und abhängigen Zügen leide. Diese Erkrankungen führten jedoch nicht zu einer Gehstörung. Dr. S. (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) hat in seiner Auskunft vom 7. Februar 2017 keine Angaben zu einer möglichen Wegstrecke machen können, er hat jedoch berichtet, dass keine Bewegungseinschränkungen bestünden. Beim Kläger lägen ein Zustand nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes beidseits 2007 und 2009, beginnende Gonarthrose beidseits und Senk-Spreizfüße vor. Die Chefärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie der H. Klinik T. Dr. H. hat am 8. März 2017 über die Untersuchung am 19. Januar 2017 mitgeteilt, dass die Beweglichkeit der Knie beidseits jeweils 0-0-140° betrage. Die Bewältigung einer Strecke von 2000 Meter in einer Gehzeit von 30 Minuten sei möglich. Eine Erkrankung mit schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion liege nicht vor.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. April 2017 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den Arztauskünften übereinstimmend kein Hinweis darauf ergebe, dass der Kläger infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt sei.
Gegen die ihm am 27. April 2017 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 3. Mai 2017 Berufung beim SG eingelegt, sein Begehren weiterverfolgt und Arztberichte über die Behandlung nach einem Motorradunfall eingereicht, den er am 31. Mai 2017 erlitten habe. Im Bericht vom 20. Oktober 2017 führt Dr. R. (Chefarzt des Spitals B.) aus, dass der Kläger auch vier Monate und drei Wochen nach dem Unfall mit Prellung beider Kniegelenke und Sprunggelenke sowie von Mittelfuß und Großzehe links nach wie vor an Unterarmgehstützen laufe. Die unteren Extremitäten wirkten von außen unbeeinträchtigt. Weder eine Ödemschwellung noch eine Gelenksschwellung lägen vor. Die Beweglichkeit im Kniegelenk betrage beidseits jeweils 0-0-135°, die der oberen Sprunggelenke für Extension/Flexion beidseits jeweils 15-0-45°. Die Kniegelenke hätten stabile Kollateralbänder gezeigt. Der Lachmann-Test habe beidseits einen festen Anschlag ergeben. Die Meniskuszeichen seien negativ gewesen. Die Röntgendiagnostik von Fußwurzel und Mittelfuß, Knie- und Sprunggelenken habe keine Frakturen ergeben. Die Angabe des Klägers, beide Beine nicht vollständig und ohne Krücken belasten zu können, sei durch die festgestellten klinischen und radiologischen Befunde nicht erklärt. Im Bericht des Universitätsklinikums F. vom 27. Oktober 2017 über die dortige MRT-Untersuchung werden u.a. ein Kniegelenkserguss links und ein Bone bruise des Talus im linken Sprunggelenk aufgeführt, welches keine Instabilität und einen freien Bewegungsumfang zeige. Eine chirurgische Intervention sei nicht zielführend. Über ein CT vom 12. Dezember 2017 hat das Universitätsklinikum F. ausgeführt, dass moderate degenerative Veränderungen der Sprunggelenke bestünden, hingegen kein Nachweis einer frischen Fraktur und keine Luxation.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 24. April 2017 und den Bescheid vom 4. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihm die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen, hilfsweise ein Sachverständigengutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz bei Dr. S. K., Z.-Straße xx, xxxxx B., einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er macht im Wesentlichen geltend, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" weiterhin nicht bestünden, nachdem den vorgelegten Befundberichten eine freie Kniegelenksbeweglichkeit zu entnehmen sei.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2018 hat der Senat das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers mangels Erfolgsaussichten abgelehnt.
Der Kläger hat daraufhin unter Verweis auf die bereits eingereichten Befundunterlagen mitgeteilt, er sitze seit Monaten im Rollstuhl und könne nicht mehr laufen. Zuletzt hat er den Bericht des Facharztes für Radiologie PD Dr. G. über ein CT des linken Sprunggelenkes am 9. Januar 2018 vorgelegt, wonach eine nicht konsolidierte Fraktur des Processus posterior tali bestehe und der dringende Verdacht auf ein zweites Frakturgeschehen unter Darstellung einer konkaven Defektzone für die lateralen Anteile der anterioren Talusgelenkfläche. Zudem hat der Kläger das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom 21. März 2018 eingereicht, in dem die Pflegefachkraft W. zu dem Ergebnis kommt, dass aufgrund der Diagnosen einer nicht näher bezeichneten Demenz und einer nicht näher bezeichneten bipolaren affektiven Störung der Pflegegrad 3 vorliege. Der Uhrenzeichentest sei pathologisch gewesen, der Kläger habe Angaben zum Tagesgeschehen oder Nachrichten nicht adäquat äußern und seinen Tagesablauf nicht vollständig beschreiben können.
Mit am 10. April 2018 zugestellter Verfügung hat der Senat dem Kläger eine Frist bis zum 4. Mai 2018 gesetzt, um für einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Arzt zu benennen und einen Kostenvorschuss einzuzahlen. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2018 hat der Kläger nunmehr rechtsanwaltlich vertreten Dr. K. benannt und ausgeführt, dass die Folgen des Motorradunfalls vom 31. Mai 2017 bislang nicht angemessen gewürdigt worden seien. Es seien nämlich diese, die im Zusammenwirken mit der zuvor schon vorhandenen Behinderung dazu führten, dass er nunmehr vollständig auf einen Rollstuhl angewiesen und von daher das Merkzeichen "G" mehr als berechtigt sei.
Am 19. Juni 2018 hat der Kläger schließlich noch ein mit "Attest zur Gehunfähigkeit" überschriebenes Schriftstück vom selben Tag eingereicht, das die Unterschrift des Assistenzarztes H. vom Universitätsklinikum F. trägt und in dem es heißt, dass dem Kläger bescheinigt werde, er sei weiterhin "aufgrund einer Erkrankung" gehunfähig und somit zwingend auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2018 hat zudem der Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Mandat niedergelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach § 143 SGG statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger keine Sach-, Dienst- oder Geldleistung begehrt, sondern eine Feststellung. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden.
Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässige Klage auf Zuerkennung der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch darauf besteht nicht. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Alleiniger Streitgegenstand ist dabei die Zuerkennung des Merkzeichens "G", da der Kläger bereits im Widerspruchsverfahren sein Begehren hierauf beschränkt hatte und die Ablehnung der anderen Merkzeichen sowie der Neufeststellung des GdB dadurch bestandskräftig wurde (§ 77 SGG).
Den Antrag des Klägers, ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG bei Dr. K. einzuholen, lehnt der Senat nach § 109 Abs. 2 SGG ab, weil sich durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dem Kläger war mit am 10. April 2018 zugestellter Verfügung aufgegeben worden, für einen Antrag nach § 109 SGG bis zum 4. Mai 2018 einen Kostenvorschuss einzuzahlen und einen Arzt zu benennen. Ein Kostenvorschuss ist nicht eingegangen und Dr. K. erst am 1. Juni 2018 benannt worden. Der Kläger hat die gesetzte Frist mithin für beide Punkte nicht eingehalten, was mangels Darlegung anderer Anhaltspunkte auf grober Nachlässigkeit beruht.
Weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen war im Hinblick auf die vom Kläger eingereichten zahlreichen Befundberichte seiner behandelnden Ärzte nicht veranlasst.
Im Falle des Klägers sind nunmehr die neuen Vorschriften der §§ 152 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) anzuwenden, die das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt hat, wobei sich die Vorschriften über die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (vgl. § 146 Abs. 1 SGB IX a.F. und § 229 Abs. 1 SGB IX n.F.) inhaltlich wenig verändert haben.
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 152 Abs. 4 SGB IX) und stellen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 152 Abs. 5 SGB IX).
Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Menschen mit Schwerbehinderung, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 230 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 228 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert in § 228 Abs. 1 Satz 1, § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris, Rz. 12).
Die nähere Präzisierung des Personenkreises schwerbehinderter Menschen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ergibt sich aus der auf der Grundlage des § 153 Abs. 2 SGB IX zu erlassenden Rechtsverordnung. Solange diese Rechtsverordnung nicht erlassen ist, gelten nach der Übergangsregelung in § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierbei handelt es sich um die seit dem 1. Januar 2009 geltenden "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG), der Anlage zur Versorgungsmedizin-VO vom 10. Dezember 2008 (VersMedV, BGBl. I S. 2412). Diese Regelungen gelten zur objektiven Gleichbehandlung aller behinderten Menschen als Rechtssätze unmittelbar (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, juris, Rz. 10 m.w.N.).
Gemäß den Grundsätzen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche (VG, Teil D Nr. 1 Buchstabe b Satz 1) ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (Loytved, in jurisPR-SozR 12/2015 Anm. 3; anders bei dem Nachteilsausgleich "aG", vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris, Rz. 16 f.). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – also altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe b Satz 2). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG, Teil D Nr. 1 Buchstabe b Sätze 3 und 4). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten darüber hinaus die VG, Teil D Nr. 1 Buchstaben d, e und f. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind danach unter anderem als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe d Satz 1). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe d Satz 3), die ebenfalls mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten sind. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle (VG, Teil D Nr. 1 Buchstabe e) und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe f), die grundsätzlich nur ab einem Behinderungsgrad von wenigsten 70 Merkzeichenrelevanz entfalten (vgl. zu allem im Einzelnen Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 SB 2196/15 -, juris, Rz. 29).
Nach diesen Maßstäben leidet der Kläger nicht an einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Weder liegen bei ihm auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch sind Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 eingetreten, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Auch sind bei ihm keine inneren Leiden oder Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit vorhanden, die zu einer solchen Einschränkung des Gehvermögens geführt haben.
Sowohl nach den vom Kläger vorgelegten Arztauskünften als auch nach den vom SG eingeholten aktuelleren Zeugenaussagen ist er in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (mithin Strecken von etwa zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde). Dies haben sowohl sein Hausarzt Dr. P. als auch seine Nervenärztin F. bekundet. Weder die Schlafapnoe-Erkrankung, die nach Auskunft des Hausarztes zu keiner Störung des Alltags führt, noch die bipolare Störung mit in den letzten Jahren depressiven Episoden und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und abhängigen Zügen bedingen danach eine Gehstörung.
Auch der Zustand nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes beidseits 2007 und 2009, die beginnende Gonarthrose beidseits und die Senk-Spreizfüße führen zu keiner Einschränkung des Gehvermögens, die ihn in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt. Denn der Orthopäde Dr. S. hat festgestellt, dass keine Bewegungseinschränkung besteht und die Orthopädin Dr. H. hat Bewegungsmaße der Knie von beidseits 0-0-140° bekundet, was bei einem Normalwert von 5 bis 10-0-130° freie Beweglichkeit bedeutet. Die Bewältigung einer Strecke von 2000 Meter in einer Gehzeit von 30 Minuten ist nach ihrer Auskunft möglich. Bei zudem frei beweglicher Lendenwirbelsäule mit beidseits negativem Lasègue-Zeichen liegt eine Erkrankung mit schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion nicht vor.
Der Motorradunfall vom 31. Mai 2017, den der Kläger während des laufenden Berufungsverfahrens um die Zuerkennung des Merkzeichens "G" erlitten hat, hat zu keiner Änderung dieser Sachlage geführt. Aus den vom Kläger eingereichten Befundberichten ergibt sich im Gegenteil wiederum keinerlei Anhalt für seine Behauptung, auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen zu sein. Abgesehen davon, dass keine entsprechende ärztliche Verordnung vorgelegt worden ist, belegen die Arztberichte über den Behandlungsfortschritt nach dem Unfall gerade das Gegenteil. Bereits am 18. September 2017 war keine Schwellung im linken Kniegelenk nachweisbar, die beschriebene seitengleiche Muskulatur belegt den tatsächlichen Einsatz der Gliedmaße, andernfalls wäre bei über zweimonatiger Schonung eine Atrophie zu erwarten gewesen. So berichtet Dr. R. (Chefarzt des Spitals B.) zwar in seinem Arztbrief vom 20. Oktober 2017, dass der Kläger auch vier Monate und drei Wochen nach dem Unfall mit Prellung beider Kniegelenke und Sprunggelenke sowie von Mittelfuß und Großzehe links nach wie vor an Unterarmgehstützen laufe. Seine Angabe, beide Beine nicht vollständig und ohne Krücken belasten zu können, findet Dr. R. jedoch durch die festgestellten klinischen und radiologischen Befunde nicht erklärt. Die unteren Extremitäten sind von außen unbeeinträchtigt; es liegen weder eine Ödemschwellung noch eine Gelenkschwellung vor. Die Beweglichkeit im Kniegelenk beträgt wiederum beidseits jeweils 0-0-135°, die der oberen Sprunggelenke für Extension/Flexion beidseits jeweils 15-0-45° (Normalwert: 20-0-40°), was nach wie vor freie Beweglichkeit ohne wesentliche Einschränkung bedeutet. Die Kniegelenke zeigen stabile Kollateralbänder mit festem Anschlag im Lachmann-Test. Die Meniskuszeichen sind negativ. In der Röntgendiagnostik von Fußwurzel und Mittelfuß sowie Knie- und Sprunggelenken ergaben sich keine Frakturen. Die MRT-Auswertung des Universitätsklinikums F. vom 27. Oktober 2017 zeigte zwar u.a. einen Kniegelenkserguss links und ein Bone bruise des Talus im linken Sprunggelenk, es ergaben sich aber keine Instabilität und ein freier Bewegungsumfang. Eine chirurgische Intervention wurde ausdrücklich als nicht zielführend eingeschätzt. In einem CT vom 12. Dezember 2017 im Universitätsklinikum F. zeigten sich lediglich moderate degenerative Veränderungen der Sprunggelenke, hingegen kein Nachweis einer frischen Fraktur und keine Luxation.
Die Behauptung des Klägers, nicht mehr laufen zu können, ist vor diesem Hintergrund schlicht nicht nachvollziehbar. Daran ändert auch der zuletzt eingereichte Bericht des Facharztes für Radiologie PD Dr. G. über ein CT des linken Sprunggelenkes am 9. Januar 2018 nichts. Wiederum werden darin die bekannten Unfallfolgen geschildert (nicht konsolidierte Fraktur des Processus posterior tali) und der Verdacht auf ein zweites Frakturgeschehen hinsichtlich der lateralen Anteile der anterioren Talusgelenkfläche geäußert, was aber an den festgestellten klinischen Bewegungsmaßen – auf die es allein ankommt – und der danach bestehenden guten Beweglichkeit zu keiner Änderung führt, so dass die vom Kläger demonstrierte Erforderlichkeit von Gehstützen nach wie vor keine objektivierbare Anknüpfung findet und erst recht die Notwendigkeit eines Rollstuhls nicht nachgewiesen ist. Diese Befundlage macht zudem das Ergebnis des ebenfalls vom Kläger eingereichten Pflegegutachtens vom 21. März 2018, wonach bei ihm Pflegegrad 3 vorliegen soll, unplausibel. Abgesehen davon, dass die Feststellung eines Pflegegrades nach dem SGB XI anderen Bewertungen unterliegt als die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nach dem Schwerbehindertenrecht, so dass dessen Ergebnis ohnehin nicht im Sinne des Vorliegens von Merkzeichenvoraussetzungen übernommen werden kann, hat die erstellende Pflegefachkraft lediglich die Angaben des Klägers zugrunde gelegt, so z.B. seine Behauptung, beim Motorradunfall im Mai 2017 eine komplizierte Sprunggelenksfraktur erlitten zu haben – tatsächlich war es nur eine Prellung – und seitdem mehrfache Operationen über sich ergehen zu lassen, obwohl es keinerlei operative Intervention gab, was der Senat der Vielzahl der vorgelegten Arztberichte entnommen hat. Zu objektivierenden ärztlichen Untersuchungen mangelt es ihr zum einen an der erforderlichen ärztlichen Ausbildung und zum anderen hat sie – wie insbesondere mit dem Uhrenzeichentest – auch lediglich Befragungen des Klägers durchgeführt, die für Simulation anfällig sind, ohne eine solche auszuschließen. So allerdings kann hinsichtlich der Merkzeichenvoraussetzungen dem Pflegegutachten nichts Substanzielles entnommen werden, zumal bereits die dort zugrunde gelegten Diagnosen fraglich erscheinen, nachdem neben der ärztlicherseits gesicherten bipolaren Störung auch noch eine nicht näher bezeichnet Demenz als pflegebegründende Diagnose angeführt wird, die zum einen nicht ärztlich gesichert ist und zum anderen im Hinblick auf das zielgerichtete Führen des sozialgerichtlichen Verfahrens eher fernliegend erscheint.
Das zuletzt vorgelegte "Attest zur Gehunfähigkeit" vom 19. Juni 2018, das der Assistenzarzt H. vom Universitätsklinikum F. unterzeichnet hat, ist ebenso wenig geeignet, eine tatsächliche Gehunfähigkeit nachzuweisen. Es enthält lediglich den Satz, dass dem Kläger bescheinigt werde, er sei weiterhin "aufgrund einer Erkrankung" gehunfähig und somit zwingend auf einen Rollstuhl angewiesen. Mangels Mitteilung konkreter Befunde oder Bewegungsmaße, geschweige denn überhaupt irgendeiner Diagnose der nicht näher bezeichneten eigentlichen Erkrankung, aufgrund derer die angebliche Gehunfähigkeit vorliegen soll, ist dieses Schreiben nicht einmal geeignet, auch nur Zweifel an den vorliegenden ärztlichen Befunden entstehen zu lassen, die durchgängig das Nichtvorliegen der behaupteten Funktionsbeeinträchtigungen beweisen. Eine ärztliche Verordnung eines Rollstuhls liegt darüber hinaus auch mit diesem Schreiben nicht vor, so dass unklar bleibt, woher der Kläger den Elektrorollstuhl (obwohl ohne Einschränkung der oberen Extremitäten lediglich ein Aktivrollstuhl zu erwarten wäre) hat, mit dem er die mündliche Verhandlung aufgesucht hat. Der Senat geht davon aus, dass der Beklagte vor diesem Hintergrund zudem die Pflegekasse über das Ergebnis des Verfahrens in Kenntnis setzt (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der 1963 geborene Kläger deutscher Staatsangehörigkeit, der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, beantragte erstmals am 2. Juli 2002 die Feststellung des GdB, woraufhin ihm nach versorgungsärztlicher Auswertung der beigezogenen Befundberichte mit Bescheid vom 26. August 2002 ein GdB von 50 seit 2. Juli 2002 zuerkannt wurde, während Merkzeichen nicht festgestellt wurden. Dem lag maßgeblich ein Teil-GdB von 50 für eine seelische Krankheit zugrunde, die nach zwei stationären Aufenthalten in der Psychiatrischen Tagesklinik B. in den Jahren 2000 und 2001 vom behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. als unbedingt medikamentenpflichtige, bipolare Zyklothymie mit überwiegend manischen Phasen bezeichnet wurde. Bereits am 23. Dezember 2002 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF". Nachdem dies bis im Widerspruchsverfahren erfolglos geblieben war, erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht F. (S 5 SB 1838/05), die mit einem Vergleich endete. Diesen führte das Landratsamt W. (LRA) mit Bescheid vom 16. August 2006 aus und stellte den GdB mit 70 seit 23. Dezember 2002 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "seelische Krankheit" (Teil-GdB 60), "Schlafapnoe-Syndrom" (Teil-GdB 20) und "Bronchialasthma" (Teil-GdB 10) fest.
Am 2. Juni 2014 beantragte er neben der Neufeststellung des GdB die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF". Nach Einholung von Befundberichten und Prüfung durch den versorgungsärztlichen Dienst lehnte das LRA den Antrag mit Bescheid vom 4. September 2014 mit der Begründung ab, dass eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei und die Voraussetzungen der begehrten Merkzeichen nicht vorlägen. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und begehrte die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Er legte ein Attest seines Hausarztes und Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 13. Oktober 2014 vor, wonach er wegen einer seelischen Erkrankung mit körperlichen Auswirkungen (bipolare Störung mit erhöhter Tagesmüdigkeit) auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sei. Zudem übersandte er ein Schreiben der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. vom 4. November 2014, die berichtete, dass bei ihm Ein- und Durchschlafstörungen mit erhöhter Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit bei bipolarer affektiver Erkrankung und Schlafapnoe-Syndrom imponierten. Diese bedingten, dass er aktuell auf das Führen eines Kraftfahrzeuges verzichten müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2015 wies das Regierungspräsidium S. den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27. März 2015 beim Sozialgericht F. (SG) Klage erhoben, die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" weiterverfolgt und geltend gemacht, dass nach der Bestätigung von Dr. P. an beiden Beinen ein Kreuzbandriss bestehe, was eine schwere Funktionsbehinderung darstelle und er deswegen seit Jahren auf Schmerzmittel, Gehhilfen und Schuheinlagen angewiesen sei. Nachdem das SG den ebenfalls gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt hat, hat der Kläger in der dagegen zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben Beschwerde die Auskunft der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie F. vom 5. August 2015 vorgelegt, wonach er an einer bipolar-affektiven Erkrankung und einem Schlafapnoe-Syndrom leide. Die Erkrankungen führten zu einer erhöhten Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit, so dass er kein Fahrzeug führen könne und auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen sei. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben (L 6 SB 2686/15 B).
Daraufhin hat der Kläger unter anderem einen Befundbericht der H. Klink T. vom 29. Dezember 2015 vorgelegt, wonach die Brust- und Lendenwirbelsäule sowie die Knie beidseits frei beweglich und das Lasègue-Zeichen beidseits negativ seien, und erneut einen PKH-Antrag gestellt, den das SG abgelehnt und das LSG die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen hat (L 6 SB 942/16 B).
Das SG hat dann schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt. Dr. P. hat am 9. Januar 2017 mitgeteilt, dass normale Gehstrecken im Ortsverkehr zurückgelegt werden könnten. Einschränkungen des Gehvermögens seien nie vorgetragen worden und auch nicht vorstellbar. Es bestehe eine gut eingestellte Schlafapnoe, der Alltag sei nicht gestört. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie F. hat am 29. Januar 2017 ausgeführt, dass der Kläger seit 1994 an einer bipolaren Störung mit in den letzten Jahren depressiven Episoden und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und abhängigen Zügen leide. Diese Erkrankungen führten jedoch nicht zu einer Gehstörung. Dr. S. (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) hat in seiner Auskunft vom 7. Februar 2017 keine Angaben zu einer möglichen Wegstrecke machen können, er hat jedoch berichtet, dass keine Bewegungseinschränkungen bestünden. Beim Kläger lägen ein Zustand nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes beidseits 2007 und 2009, beginnende Gonarthrose beidseits und Senk-Spreizfüße vor. Die Chefärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie der H. Klinik T. Dr. H. hat am 8. März 2017 über die Untersuchung am 19. Januar 2017 mitgeteilt, dass die Beweglichkeit der Knie beidseits jeweils 0-0-140° betrage. Die Bewältigung einer Strecke von 2000 Meter in einer Gehzeit von 30 Minuten sei möglich. Eine Erkrankung mit schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion liege nicht vor.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. April 2017 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den Arztauskünften übereinstimmend kein Hinweis darauf ergebe, dass der Kläger infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt sei.
Gegen die ihm am 27. April 2017 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 3. Mai 2017 Berufung beim SG eingelegt, sein Begehren weiterverfolgt und Arztberichte über die Behandlung nach einem Motorradunfall eingereicht, den er am 31. Mai 2017 erlitten habe. Im Bericht vom 20. Oktober 2017 führt Dr. R. (Chefarzt des Spitals B.) aus, dass der Kläger auch vier Monate und drei Wochen nach dem Unfall mit Prellung beider Kniegelenke und Sprunggelenke sowie von Mittelfuß und Großzehe links nach wie vor an Unterarmgehstützen laufe. Die unteren Extremitäten wirkten von außen unbeeinträchtigt. Weder eine Ödemschwellung noch eine Gelenksschwellung lägen vor. Die Beweglichkeit im Kniegelenk betrage beidseits jeweils 0-0-135°, die der oberen Sprunggelenke für Extension/Flexion beidseits jeweils 15-0-45°. Die Kniegelenke hätten stabile Kollateralbänder gezeigt. Der Lachmann-Test habe beidseits einen festen Anschlag ergeben. Die Meniskuszeichen seien negativ gewesen. Die Röntgendiagnostik von Fußwurzel und Mittelfuß, Knie- und Sprunggelenken habe keine Frakturen ergeben. Die Angabe des Klägers, beide Beine nicht vollständig und ohne Krücken belasten zu können, sei durch die festgestellten klinischen und radiologischen Befunde nicht erklärt. Im Bericht des Universitätsklinikums F. vom 27. Oktober 2017 über die dortige MRT-Untersuchung werden u.a. ein Kniegelenkserguss links und ein Bone bruise des Talus im linken Sprunggelenk aufgeführt, welches keine Instabilität und einen freien Bewegungsumfang zeige. Eine chirurgische Intervention sei nicht zielführend. Über ein CT vom 12. Dezember 2017 hat das Universitätsklinikum F. ausgeführt, dass moderate degenerative Veränderungen der Sprunggelenke bestünden, hingegen kein Nachweis einer frischen Fraktur und keine Luxation.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 24. April 2017 und den Bescheid vom 4. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihm die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen, hilfsweise ein Sachverständigengutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz bei Dr. S. K., Z.-Straße xx, xxxxx B., einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er macht im Wesentlichen geltend, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" weiterhin nicht bestünden, nachdem den vorgelegten Befundberichten eine freie Kniegelenksbeweglichkeit zu entnehmen sei.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2018 hat der Senat das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers mangels Erfolgsaussichten abgelehnt.
Der Kläger hat daraufhin unter Verweis auf die bereits eingereichten Befundunterlagen mitgeteilt, er sitze seit Monaten im Rollstuhl und könne nicht mehr laufen. Zuletzt hat er den Bericht des Facharztes für Radiologie PD Dr. G. über ein CT des linken Sprunggelenkes am 9. Januar 2018 vorgelegt, wonach eine nicht konsolidierte Fraktur des Processus posterior tali bestehe und der dringende Verdacht auf ein zweites Frakturgeschehen unter Darstellung einer konkaven Defektzone für die lateralen Anteile der anterioren Talusgelenkfläche. Zudem hat der Kläger das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom 21. März 2018 eingereicht, in dem die Pflegefachkraft W. zu dem Ergebnis kommt, dass aufgrund der Diagnosen einer nicht näher bezeichneten Demenz und einer nicht näher bezeichneten bipolaren affektiven Störung der Pflegegrad 3 vorliege. Der Uhrenzeichentest sei pathologisch gewesen, der Kläger habe Angaben zum Tagesgeschehen oder Nachrichten nicht adäquat äußern und seinen Tagesablauf nicht vollständig beschreiben können.
Mit am 10. April 2018 zugestellter Verfügung hat der Senat dem Kläger eine Frist bis zum 4. Mai 2018 gesetzt, um für einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Arzt zu benennen und einen Kostenvorschuss einzuzahlen. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2018 hat der Kläger nunmehr rechtsanwaltlich vertreten Dr. K. benannt und ausgeführt, dass die Folgen des Motorradunfalls vom 31. Mai 2017 bislang nicht angemessen gewürdigt worden seien. Es seien nämlich diese, die im Zusammenwirken mit der zuvor schon vorhandenen Behinderung dazu führten, dass er nunmehr vollständig auf einen Rollstuhl angewiesen und von daher das Merkzeichen "G" mehr als berechtigt sei.
Am 19. Juni 2018 hat der Kläger schließlich noch ein mit "Attest zur Gehunfähigkeit" überschriebenes Schriftstück vom selben Tag eingereicht, das die Unterschrift des Assistenzarztes H. vom Universitätsklinikum F. trägt und in dem es heißt, dass dem Kläger bescheinigt werde, er sei weiterhin "aufgrund einer Erkrankung" gehunfähig und somit zwingend auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2018 hat zudem der Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Mandat niedergelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach § 143 SGG statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger keine Sach-, Dienst- oder Geldleistung begehrt, sondern eine Feststellung. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden.
Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässige Klage auf Zuerkennung der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch darauf besteht nicht. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Alleiniger Streitgegenstand ist dabei die Zuerkennung des Merkzeichens "G", da der Kläger bereits im Widerspruchsverfahren sein Begehren hierauf beschränkt hatte und die Ablehnung der anderen Merkzeichen sowie der Neufeststellung des GdB dadurch bestandskräftig wurde (§ 77 SGG).
Den Antrag des Klägers, ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG bei Dr. K. einzuholen, lehnt der Senat nach § 109 Abs. 2 SGG ab, weil sich durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dem Kläger war mit am 10. April 2018 zugestellter Verfügung aufgegeben worden, für einen Antrag nach § 109 SGG bis zum 4. Mai 2018 einen Kostenvorschuss einzuzahlen und einen Arzt zu benennen. Ein Kostenvorschuss ist nicht eingegangen und Dr. K. erst am 1. Juni 2018 benannt worden. Der Kläger hat die gesetzte Frist mithin für beide Punkte nicht eingehalten, was mangels Darlegung anderer Anhaltspunkte auf grober Nachlässigkeit beruht.
Weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen war im Hinblick auf die vom Kläger eingereichten zahlreichen Befundberichte seiner behandelnden Ärzte nicht veranlasst.
Im Falle des Klägers sind nunmehr die neuen Vorschriften der §§ 152 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) anzuwenden, die das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt hat, wobei sich die Vorschriften über die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (vgl. § 146 Abs. 1 SGB IX a.F. und § 229 Abs. 1 SGB IX n.F.) inhaltlich wenig verändert haben.
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 152 Abs. 4 SGB IX) und stellen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 152 Abs. 5 SGB IX).
Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Menschen mit Schwerbehinderung, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 230 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 228 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert in § 228 Abs. 1 Satz 1, § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris, Rz. 12).
Die nähere Präzisierung des Personenkreises schwerbehinderter Menschen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ergibt sich aus der auf der Grundlage des § 153 Abs. 2 SGB IX zu erlassenden Rechtsverordnung. Solange diese Rechtsverordnung nicht erlassen ist, gelten nach der Übergangsregelung in § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierbei handelt es sich um die seit dem 1. Januar 2009 geltenden "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG), der Anlage zur Versorgungsmedizin-VO vom 10. Dezember 2008 (VersMedV, BGBl. I S. 2412). Diese Regelungen gelten zur objektiven Gleichbehandlung aller behinderten Menschen als Rechtssätze unmittelbar (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, juris, Rz. 10 m.w.N.).
Gemäß den Grundsätzen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche (VG, Teil D Nr. 1 Buchstabe b Satz 1) ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (Loytved, in jurisPR-SozR 12/2015 Anm. 3; anders bei dem Nachteilsausgleich "aG", vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris, Rz. 16 f.). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – also altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe b Satz 2). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG, Teil D Nr. 1 Buchstabe b Sätze 3 und 4). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten darüber hinaus die VG, Teil D Nr. 1 Buchstaben d, e und f. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind danach unter anderem als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe d Satz 1). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe d Satz 3), die ebenfalls mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten sind. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle (VG, Teil D Nr. 1 Buchstabe e) und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung (VG, Teil D, Nr. 1 Buchstabe f), die grundsätzlich nur ab einem Behinderungsgrad von wenigsten 70 Merkzeichenrelevanz entfalten (vgl. zu allem im Einzelnen Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 SB 2196/15 -, juris, Rz. 29).
Nach diesen Maßstäben leidet der Kläger nicht an einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Weder liegen bei ihm auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch sind Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 eingetreten, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Auch sind bei ihm keine inneren Leiden oder Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit vorhanden, die zu einer solchen Einschränkung des Gehvermögens geführt haben.
Sowohl nach den vom Kläger vorgelegten Arztauskünften als auch nach den vom SG eingeholten aktuelleren Zeugenaussagen ist er in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (mithin Strecken von etwa zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde). Dies haben sowohl sein Hausarzt Dr. P. als auch seine Nervenärztin F. bekundet. Weder die Schlafapnoe-Erkrankung, die nach Auskunft des Hausarztes zu keiner Störung des Alltags führt, noch die bipolare Störung mit in den letzten Jahren depressiven Episoden und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und abhängigen Zügen bedingen danach eine Gehstörung.
Auch der Zustand nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes beidseits 2007 und 2009, die beginnende Gonarthrose beidseits und die Senk-Spreizfüße führen zu keiner Einschränkung des Gehvermögens, die ihn in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt. Denn der Orthopäde Dr. S. hat festgestellt, dass keine Bewegungseinschränkung besteht und die Orthopädin Dr. H. hat Bewegungsmaße der Knie von beidseits 0-0-140° bekundet, was bei einem Normalwert von 5 bis 10-0-130° freie Beweglichkeit bedeutet. Die Bewältigung einer Strecke von 2000 Meter in einer Gehzeit von 30 Minuten ist nach ihrer Auskunft möglich. Bei zudem frei beweglicher Lendenwirbelsäule mit beidseits negativem Lasègue-Zeichen liegt eine Erkrankung mit schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion nicht vor.
Der Motorradunfall vom 31. Mai 2017, den der Kläger während des laufenden Berufungsverfahrens um die Zuerkennung des Merkzeichens "G" erlitten hat, hat zu keiner Änderung dieser Sachlage geführt. Aus den vom Kläger eingereichten Befundberichten ergibt sich im Gegenteil wiederum keinerlei Anhalt für seine Behauptung, auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen zu sein. Abgesehen davon, dass keine entsprechende ärztliche Verordnung vorgelegt worden ist, belegen die Arztberichte über den Behandlungsfortschritt nach dem Unfall gerade das Gegenteil. Bereits am 18. September 2017 war keine Schwellung im linken Kniegelenk nachweisbar, die beschriebene seitengleiche Muskulatur belegt den tatsächlichen Einsatz der Gliedmaße, andernfalls wäre bei über zweimonatiger Schonung eine Atrophie zu erwarten gewesen. So berichtet Dr. R. (Chefarzt des Spitals B.) zwar in seinem Arztbrief vom 20. Oktober 2017, dass der Kläger auch vier Monate und drei Wochen nach dem Unfall mit Prellung beider Kniegelenke und Sprunggelenke sowie von Mittelfuß und Großzehe links nach wie vor an Unterarmgehstützen laufe. Seine Angabe, beide Beine nicht vollständig und ohne Krücken belasten zu können, findet Dr. R. jedoch durch die festgestellten klinischen und radiologischen Befunde nicht erklärt. Die unteren Extremitäten sind von außen unbeeinträchtigt; es liegen weder eine Ödemschwellung noch eine Gelenkschwellung vor. Die Beweglichkeit im Kniegelenk beträgt wiederum beidseits jeweils 0-0-135°, die der oberen Sprunggelenke für Extension/Flexion beidseits jeweils 15-0-45° (Normalwert: 20-0-40°), was nach wie vor freie Beweglichkeit ohne wesentliche Einschränkung bedeutet. Die Kniegelenke zeigen stabile Kollateralbänder mit festem Anschlag im Lachmann-Test. Die Meniskuszeichen sind negativ. In der Röntgendiagnostik von Fußwurzel und Mittelfuß sowie Knie- und Sprunggelenken ergaben sich keine Frakturen. Die MRT-Auswertung des Universitätsklinikums F. vom 27. Oktober 2017 zeigte zwar u.a. einen Kniegelenkserguss links und ein Bone bruise des Talus im linken Sprunggelenk, es ergaben sich aber keine Instabilität und ein freier Bewegungsumfang. Eine chirurgische Intervention wurde ausdrücklich als nicht zielführend eingeschätzt. In einem CT vom 12. Dezember 2017 im Universitätsklinikum F. zeigten sich lediglich moderate degenerative Veränderungen der Sprunggelenke, hingegen kein Nachweis einer frischen Fraktur und keine Luxation.
Die Behauptung des Klägers, nicht mehr laufen zu können, ist vor diesem Hintergrund schlicht nicht nachvollziehbar. Daran ändert auch der zuletzt eingereichte Bericht des Facharztes für Radiologie PD Dr. G. über ein CT des linken Sprunggelenkes am 9. Januar 2018 nichts. Wiederum werden darin die bekannten Unfallfolgen geschildert (nicht konsolidierte Fraktur des Processus posterior tali) und der Verdacht auf ein zweites Frakturgeschehen hinsichtlich der lateralen Anteile der anterioren Talusgelenkfläche geäußert, was aber an den festgestellten klinischen Bewegungsmaßen – auf die es allein ankommt – und der danach bestehenden guten Beweglichkeit zu keiner Änderung führt, so dass die vom Kläger demonstrierte Erforderlichkeit von Gehstützen nach wie vor keine objektivierbare Anknüpfung findet und erst recht die Notwendigkeit eines Rollstuhls nicht nachgewiesen ist. Diese Befundlage macht zudem das Ergebnis des ebenfalls vom Kläger eingereichten Pflegegutachtens vom 21. März 2018, wonach bei ihm Pflegegrad 3 vorliegen soll, unplausibel. Abgesehen davon, dass die Feststellung eines Pflegegrades nach dem SGB XI anderen Bewertungen unterliegt als die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nach dem Schwerbehindertenrecht, so dass dessen Ergebnis ohnehin nicht im Sinne des Vorliegens von Merkzeichenvoraussetzungen übernommen werden kann, hat die erstellende Pflegefachkraft lediglich die Angaben des Klägers zugrunde gelegt, so z.B. seine Behauptung, beim Motorradunfall im Mai 2017 eine komplizierte Sprunggelenksfraktur erlitten zu haben – tatsächlich war es nur eine Prellung – und seitdem mehrfache Operationen über sich ergehen zu lassen, obwohl es keinerlei operative Intervention gab, was der Senat der Vielzahl der vorgelegten Arztberichte entnommen hat. Zu objektivierenden ärztlichen Untersuchungen mangelt es ihr zum einen an der erforderlichen ärztlichen Ausbildung und zum anderen hat sie – wie insbesondere mit dem Uhrenzeichentest – auch lediglich Befragungen des Klägers durchgeführt, die für Simulation anfällig sind, ohne eine solche auszuschließen. So allerdings kann hinsichtlich der Merkzeichenvoraussetzungen dem Pflegegutachten nichts Substanzielles entnommen werden, zumal bereits die dort zugrunde gelegten Diagnosen fraglich erscheinen, nachdem neben der ärztlicherseits gesicherten bipolaren Störung auch noch eine nicht näher bezeichnet Demenz als pflegebegründende Diagnose angeführt wird, die zum einen nicht ärztlich gesichert ist und zum anderen im Hinblick auf das zielgerichtete Führen des sozialgerichtlichen Verfahrens eher fernliegend erscheint.
Das zuletzt vorgelegte "Attest zur Gehunfähigkeit" vom 19. Juni 2018, das der Assistenzarzt H. vom Universitätsklinikum F. unterzeichnet hat, ist ebenso wenig geeignet, eine tatsächliche Gehunfähigkeit nachzuweisen. Es enthält lediglich den Satz, dass dem Kläger bescheinigt werde, er sei weiterhin "aufgrund einer Erkrankung" gehunfähig und somit zwingend auf einen Rollstuhl angewiesen. Mangels Mitteilung konkreter Befunde oder Bewegungsmaße, geschweige denn überhaupt irgendeiner Diagnose der nicht näher bezeichneten eigentlichen Erkrankung, aufgrund derer die angebliche Gehunfähigkeit vorliegen soll, ist dieses Schreiben nicht einmal geeignet, auch nur Zweifel an den vorliegenden ärztlichen Befunden entstehen zu lassen, die durchgängig das Nichtvorliegen der behaupteten Funktionsbeeinträchtigungen beweisen. Eine ärztliche Verordnung eines Rollstuhls liegt darüber hinaus auch mit diesem Schreiben nicht vor, so dass unklar bleibt, woher der Kläger den Elektrorollstuhl (obwohl ohne Einschränkung der oberen Extremitäten lediglich ein Aktivrollstuhl zu erwarten wäre) hat, mit dem er die mündliche Verhandlung aufgesucht hat. Der Senat geht davon aus, dass der Beklagte vor diesem Hintergrund zudem die Pflegekasse über das Ergebnis des Verfahrens in Kenntnis setzt (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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