L 10 R 2783/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 4794/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2783/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Kürzung des Zugangsfaktors für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist nicht deshalb verfassungswidrig geworden, weil der Gesetzgeber durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) weitere Leistungen eingeführt hat und die Kürzung des Zugangsfaktors der Sicherung der Finanzierungsgrundlagen diente.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente auf der Grundlage eines Zugangsfaktors von 1,0.

Der am 1970 geborene Kläger beantragte am 20.10.2011 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, den die Beklagte zunächst mangels Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen ablehnte (Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.06.2012). Im anschließenden Klageverfahren (S 11 R 3315/12) beim Sozialgericht Freiburg (SG) schlossen die Beteiligten einen Vergleich, zu dessen Ausführung die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17.04.2014 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (30.06.2037) beginnend ab dem 01.01.2013 bewilligte und in Höhe von monatlich 303,00 EUR (brutto) errechnete, wobei die Rente unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenze für die Zeit ab 01.01.2013 nicht zu zahlen sei. Bei der Rentenberechnung legte die Beklagte dabei 24,2028 Entgeltpunkte, ermittelt aus den rentenrelevanten Zeiten und Entgelten, zu Grunde. Hieraus errechnete sie unter Berücksichtigung eines auf 0,892 verringerten Zugangsfaktors 21,5889 persönliche Entgeltpunkte. Die Kürzung des Zugangsfaktors von 1,0 um 0,108 auf 0,892 begründete sie mit der um 36 Kalendermonate vorzeitigen Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente, wobei sie für jeden Kalendermonat eine Kürzung des Zugangsfaktors um 0,003, mithin um insgesamt 0,108 (36 Kalendermonate x 0,003) vornahm. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungsgrundlagen und Berechnungen wird auf die Anlagen zum Bescheid vom 17.04.2014 verwiesen (Bl. 59 ff. Senats-Akte).

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den er nicht weiter begründete. Mit Bescheid vom 12.06.2014 berechnete die Beklagte die Erwerbsminderungsrente im Hinblick auf eine Rentenanpassung für die Zeit ab dem 01.07.2014 neu, wobei sie die persönlichen Entgeltpunkte in der bisherigen Höhe zu Grunde legte und die Rente weiterhin wegen Überschreitens des Hinzuverdienstes nicht auszahlte.

Mit weiterem Bescheid vom 26.02.2015 hob die Beklagte den "bisherigen Bescheid" "hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.01.2014" auf, berechnete die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.01.2014 wegen einer Änderung der Höhe des Hinzuverdienstes, der Rentenanpassung zum 01.07.2014 sowie eines geänderten Pflegeversicherungsbeitrags neu, setzte den laufenden monatlichen Rentenzahlbetrag für die Zeit ab dem 01.03.2015 auf 275,48 Euro fest und verfügte für die Zeit vom 01.01.2014 bis 28.02.2015 eine Nachzahlung i.H.v. 1.380,19 Euro. Bei der Rentenberechnung legte sie weiterhin - sowohl für die Zeit ab dem 01.01.2014 als auch für die Zeit ab dem 01.10.2014 - eine Summe aller Entgeltpunkte von 24,2028 aus der früheren Rente zugrunde, führte aus, dass "Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rente waren den Zugangsfaktor der früheren Rente von 0,892" behielten und wies die persönlichen Entgeltpunkte unter Zugrundelegung dessen (weiterhin) mit 21,5889 aus (24,2028 x 0,892). Wegen der Einzelheiten der Berechnungsgrundlagen und Berechnungen wird auf die Anlage 6 zum Bescheid vom 26.02.2015 Bezug genommen (S. 449 f. Verwaltungsakte).

Mit am 19.08.2015 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 13.08.2015 wies die Beklagte den Widerspruch, der sich nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch gegen die Bescheide vom 12.06.2014 und 26.02.2015 richte, zurück, weil Sach- und Rechtsfehler nicht erkennbar seien.

Hiergegen hat der Kläger am 21.09.2015 (Montag) beim SG mit dem Begehren Klage erhoben, ihm die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung "ohne versicherungsmathematische Abschläge" zu gewähren. Er hat dazu zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz "bewiesen" sei, dass die im Jahr 2011 noch gegebene Notlage des Sozialversicherungssystems nicht mehr bestehe, denn mit diesem Gesetz seien "Wohltaten" an andere Versicherte als Erwerbsminderungsrentner im Umfang von geschätzt sechs Mrd. Euro vergeben worden. Damit bestehe - unter Hinweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2011 - keine Rechtfertigung mehr für den Eingriff in die nach Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Rentenanwartschaften.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Rentenbewilligungsbescheid vom 17.04.2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 12.06.2014 und 26.02.2015, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2015, sei unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,892 nicht zu beanstanden. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestünden nicht.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 27.06.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.07.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Ergänzend hat er unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG und auf eine Revisionszulassungsschrift im - zwischenzeitlich durch Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig (Beschluss vom 12.01.2017) erledigten - Verfahren B 5 R 326/16 B beim Bundessozialgericht (BSG) angeführt, dass die Kürzung des Zugangsfaktors (bei vorzeitigem Bezug einer Erwerbsminderungsrente) ursprünglich wegen der schlechten Finanzsituation der gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt gewesen sei. Diese finanzielle Notlage sei, was das RV-Leistungsverbesserungsgesetz zeige, zwischenzeitlich weggefallen, sodass die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI mangels Erforderlichkeit nicht mehr den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche. Der Gesetzgeber müsse, statt neue Leistungen mit Mehrausgaben zu schaffen, die Abschläge zurücknehmen. Es verstoße auch gegen Art. 3 GG, einen Teil der Versicherten ohne Abschläge in Rente "gehen zu lassen" und Leistungen für die Kindererziehung anzuheben und dies mit Eingriffen in die eigentumsgeschützten Rentenanwartschaften des anderen Teils der Versicherten zu finanzieren.

Der Kläger beantragt (Bl. 19 Senatsakte, sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.06.2016 aufzuheben und den Bescheid vom 17.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2015 abzuändern sowie die Beklagte zu verpflichten, ihm eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 statt 0,892 zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorzulegen, ob § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Senat hat über das Rechtsmittel des Klägers sachlich zu entscheiden, da das Berufungsverfahren nicht durch die am 15.10.2018 per Telefax eingegangene Erklärung (vgl. Bl. 79 Senats-Akte), die Berufung werde zurückgenommen, erledigt ist. Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Berufung zwar bis zur Rechtskraft des Urteils oder einer vergleichbaren verfahrensbeendigenden Entscheidung des Gerichts zurückgenommen werden, wobei die Rücknahme der Berufung als zur Einlegung der Berufung gegenteiliger Akt das Verfahren beendet und zum Verlust des Rechtsmittels führt (§ 156 Abs. 3 Satz 1 SGG). Indes ist die Erklärung prozessrechtlich unwirksam, nachdem nicht ersichtlich ist, von wem die Erklärung "für den Erkrankten Rentenberater f. Sozialversicherung Dipl.-Verwaltungswirt" stammt - nachdem sie keinen Namenszusatz enthält, die Unterschrift nicht leserlich ist und auch keine Ähnlichkeit mit der Unterschrift des klägerischen Prozessbevollmächtigten (vgl. Bl. 2 Senats-Akte) aufweist - und ob sie mit Wissen und Wollen des Prozessbevollmächtigten des Klägers abgegeben worden ist. Auf die Unwirksamkeit der Erklärung ist der Prozessbevollmächtigte mit Telefax vom 15.10.2018 (Bl. 80 Senats-Akte) hingewiesen worden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 28/02 R in juris, Rdnr. 15).

Der Senat hat verhandelt und entschieden, obwohl weder der Kläger bzw. seine Betreuerin noch sein Prozessbevollmächtigter im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Denn die Beteiligten sind mit Hinweis auf diese Möglichkeit geladen worden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 17.04.2014 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 statt 0,892.

Gegenstand des Rechtsstreits ist alleine der Bescheid vom 17.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2015 und zwar nur in Bezug auf die dort geregelte Höhe der zuerkannten Rente (genauer: der Ablehnung eines darüber hinausgehenden Anspruchs, s. BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R in juris, Rdnr. 14) und auch nur im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten höheren Zugangsfaktor. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2; Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R in juris, Rdnr. 15). Dem entsprechend hat der Kläger den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit zulässigerweise auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2 zum Zugangsfaktor; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2 zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume, hier der Kindererziehung), sodass sich die gerichtliche Prüfung hierauf beschränkt (BSG, a.a.O.).

Demgemäß ist - hierauf hat der Senat vorab hingewiesen (Bl. 78 Senats-Akte) - vorliegend weder der Bescheid vom 12.06.2014 noch der Bescheid vom 26.02.2015 Gegenstand der gerichtlichen Prüfung, nachdem ausweislich der Begründungen dieser Bescheide die Rentenneuberechnungen jeweils unter Beibehaltung eines auf 0,892 verminderten Zugangsfaktors vorgenommen wurden, insoweit also eine (Neu-)Regelung des hier alleine streitigen Zugangsfaktors durch diese Bescheide nicht erfolgte. Damit wurden die Bescheide vom 12.06.2014 und vom 26.02.2015 - was die hier allein streitige Höhe des Zugangsfaktors anbelangt - mangels insoweitiger Abänderung des Bescheids vom 17.04.2014 auch nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG.

Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers auf eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Zugangsfaktor ist dabei ein Berechnungselement zur Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte. Gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI in der zum Rentenbeginn maßgebenden Fassung (§ 300 Abs. 1 SGB VI; BSG, Urteil vom 25.02.2004, a.a.O.) richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor ist nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird um 0,003 niedriger als 1,0. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist die Vollendung des 62. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginnt. Davon abweichend bestimmt § 264d Satz 1 SGB VI, dass bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der Vollendung des 65. Lebensjahres und des 62. Lebensjahres jeweils das in der dortigen Tabelle aufgeführte Lebensalter maßgebend ist, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 01.01.2024 beginnt. Nach dieser Tabelle tritt bei Beginn der Rente im Jahr 2013 an die Stelle des Lebensalters von 65 Jahren das Lebensalter von 63 Jahren und sieben Monaten und anstelle des Lebensalters von 62 Jahren das Lebensalter von 60 Jahren und sieben Monaten.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte bei der Berechnung der dem Kläger bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu Recht einen um 0,108 verringerten Zugangsfaktor (36 Kalendermonate x 0,003), mithin also einen Zugangsfaktor von 0,892 bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte zu Grunde gelegt. Denn der Kläger bezieht eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des für ihn nach § 264d Satz 1 SGB VI maßgeblichen Lebensalters von 63 Jahren und sieben Monaten, da er (geboren im Juni 1960) zum Zeitpunkt des Beginns (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung am 01.01.2013 erst das 42. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 264d Satz 1 SGB VI hat dies zur Folge, dass der Zugangsfaktor der von ihm vor Vollendung eines Lebensalters vom 60 Jahren und sieben Monaten in Anspruch genommenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit um (maximal) 0,108 zu mindern und somit auf 0,892 festzulegen ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 5 R 18/11 R in juris, Rdnr. 12). Dies hat die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid der Rentenberechnung rechtsfehlerfrei zu Grunde gelegt.

§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI begegnet (weiterhin) keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierzu stützt sich der Senat auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08, u.a. in juris, Rdnrn. 26 ff.), in dem es die Kürzung des Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnen, für mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen hat (vgl. zuvor auch ausführlich BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05, u.a. in juris, Rdnrn. 75 ff., zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit). Der Senat schließt sich dem uneingeschränkt an.

Die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.04.2007 (BGBl. I S. 554) ist auch mit Inkrafttreten des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.06.2014 (BGBl. I S. 787) zum 01.07.2014 nicht (nachträglich) verfassungswidrig geworden, wie der Kläger meint. Dem entsprechend ist das Verfahren auch nicht auszusetzen und dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vorzulegen.

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG damit begründet, dass sich dem Beschluss des BVerfG vom 11.01.2011 entnehmen lasse, die Kürzung des Zugangsfaktors sei nur auf Grund (seinerzeit) bestehender Finanzierungslücken für verfassungskonform erachtet worden und daher führe eine spätere Stabilisierung der Finanzsituation der gesetzlichen Rentenversicherung - wie sie vom Kläger unter Hinweis auf die durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz verbundenen Mehrausgaben behauptet wird - "automatisch" zur Verfassungswidrigkeit des gekürzten Zugangsfaktors, trifft dies bei näherer Betrachtung der Argumentation des BVerfG in den genannten Entscheidungen nicht zu.

Das BVerfG hat weder in seinem Beschluss vom 11.01.2011 noch im Beschluss vom 11.11.2008 die Verfassungsmäßigkeit der Absenkung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bzw. der Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a SGB VI) pauschal mit einer anderenfalls drohenden Finanzierungsschieflage begründet, sondern die Zulässigkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dezidiert unter Berücksichtigung der finanziellen Auswirkungen eines früheren Renteneintritts und damit einer allgemeinen Verkürzung der Lebensarbeitszeit geprüft.

Dabei hat es gerade in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 11.01.2011 klargestellt, dass mit der Absenkung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten auf die Inanspruchnahme der Rente vor Eintritt des Regelalters für die Altersrente und damit auf eine Verlängerung der Rentenbezugszeit reagiert wird, also gerade nicht - wie der Kläger meint - das pauschale Ziel einer allgemeinen Sanierung der Finanzsituation der Rentenversicherung verfolgt wird. Es sollen vielmehr auch Bezieher einer Erwerbsminderungsrente an den durch ihren früheren Rentenbeginn und die damit verbundene Rentenlaufzeit entstehenden Mehrkosten angemessen beteiligt und damit eine rentenartübergreifende Kompensationsregelung geschaffen und so das Ziel der Kostenneutralität erreicht werden (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011, a.a.O., Rdnr. 41 mit der dortigen Bezugnahme auf den Beschluss vom 11.11.2008, a.a.O, s. dort Rdnr. 81). Bereits im Beschluss vom 11.11.2008 (a.a.O., Rdnrn. 79 ff.) hat das BVerfG klargestellt, dass der Gesetzgeber befugt ist, angemessen - hier durch finanzielle Einschnitte über die Absenkung des Zugangsfaktors - der mit der Frühverrentung einhergehenden längeren Rentenzahlungsbelastung entgegenzusteuern. Denn damit soll - unabhängig von einem etwaigen Bestreben, die zunehmende Frühverrentungspraxis einzudämmen - Kostenneutralität für die mit längeren Rentenbezugszeiten einhergehenden vorzeitigen Rentenleistungen erzielt und letztlich der mit dem vorzeitigen Rentenbezug entstehende Leistungsvorteil ausgeglichen werden (BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, a.a.O., Rdnrn. 81 f. unter Hinweis auf BTDrs. 11/4121, S. 144). Diese auf eine Vorteilsnivellierung ausgerichtete gesetzgeberische Intention hat das BVerfG auch im späteren Beschluss vom 11.01.2011 (a.a.O., Rdnr. 41) ausdrücklich als legitim angesehen.

Es hat zudem herausgearbeitet, dass mit der Einführung des gekürzten Zugangsfaktors sachgerecht ausschließlich diejenigen Versicherten belastet werden, die tatsächlich früher Rente beziehen, indem sie im Wege einer versicherungsmathematischen Pauschalierung mit den von ihnen selbst verursachten Mehrkosten belastet werden (BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, a.a.O., Rdnr. 86). Auch die Höhe der pauschalierten Mehrkosten über die Festlegung eines um 0,003 abgesenkten Zugangsfaktors für jeden Kalendermonat einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente hat es unter Darlegung der versicherungsmathematischen Berechnungen als verfassungskonform erachtet (a.a.O., Rdnr. 87).

An dieser gesetzgeberisch gewollten und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Vorteils-Ausgleichs-Konzeption hat die Einführung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes nichts geändert. Wie bisher profitieren Versicherte, die eine Erwerbsminderungsrente vor Ablauf der in § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 i.V.m. § 264d Satz 1 SGB VI aufgeführten Lebensjahren in Anspruch nehmen, von längeren Rentenbezugszeiten und finanzieren die dadurch entstehenden Mehrkosten durch den verminderten Zugangsfaktor über die gesamte Rentenlaufzeit pauschal mit, sodass die Verfassungsmäßigkeit der hier gekürzten Erwerbsminderungsrente nicht davon abhängt, ob dem Gesetzgeber (nunmehr) andere Möglichkeiten der Kostenkompensation zur Verfügung standen bzw. stehen. Vielmehr steht dem Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, a.a.O., Rdnr. 79). Kann der Gesetzgeber aber insbesondere nicht darauf verwiesen werden, die mit § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI verfolgte Einsparung in anderen Bereichen innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu erzielen (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011, a.a.O., Rdnr. 44 m.w.N.), dann kann von ihm auch nicht verlangt werden, Leistungsverbesserungen in anderen Bereichen zu Gunsten einer Aufhebung der Kürzung des Zugangsfaktors von vornherein zu unterlassen.

Auch eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch die Benachteiligung von Rentenbeziehern mit Abschlägen nach Inkrafttreten des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes zum 01.07.2014 ist nicht erkennbar. Soweit der Gesetzgeber mit Einführung dieses Gesetzes die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente für einige besonders langjährig Versicherte ohne Abschläge eingeführt (vgl. § 235b SGB VI) und ermöglicht hat, honoriert er die besonders langen Beitragsleistungen im Rahmen eines besonders lang andauernden kontinuierlichen Erwerbslebens mit entsprechenden Beitragsleistungen (BRDrs. 25/14, S. 12; vgl. auch BTDrs. 16/3794, S. 28). Dass dieser Aspekt ein zulässiges Differenzierungskriterium im Hinblick auf die Gewährung von abschlagsfreien Renten wegen Alters für besonders langjährige Versicherte einerseits und Renten mit Abschlägen für Rentenbezieher anderer Rentenarten darstellt, hat das BVerfG ebenfalls in seiner Entscheidung vom 11.11.2008 bereits im Hinblick auf eine abschlagsfreie Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach damals geltender Rechtslage ausgeführt (a.a.O., Rdnr. 69 f.).

Hinsichtlich der vom Kläger angeführten "deutlichen Anhebung von Leistungen für die Kindererziehung" durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz (vgl. etwa § 307d SGB VI) ist schon nicht ansatzweise ersichtlich - geschweige denn vom kundig vertretenen Kläger substantiiert dargelegt -, inwieweit hier eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, a.a.O., Rdnr. 91 m.w.N.). Denn auch Erwerbsminderungsrentner können von der verbesserten Anrechnung von Kindererziehungszeiten profitieren, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Zudem verkennt der Kläger, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen von Kindererziehungszeiten einen weiten Gestaltungsspielraum hat (BVerfG-K, Beschluss vom 11.01.2016, 1 BvR 1687/14 in juris, Rdnr. 12; Beschluss vom 29.08.2007, 1 BvR 858/03 in juris, Rdnr. 8, beide m.w.N.) und dass die rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten ihren Grund darin hat, dass die Kindererziehung für die gesetzliche Altersvorsorge bestandssichernde Funktion hat (BVerfG-K, Beschluss vom 09.01.2006, 1 BvR 756/96 in juris, Rdnr. 20).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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