Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 6878/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3942/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.09.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1957 geborene Kläger absolvierte nach eigenen Angaben eine zweijährige Ausbildung zum Molkereifachmann und war von 1988 bis 2008 bei der D. AG beschäftigt, nach seinen Angaben zu Beginn des Verwaltungsverfahrens (Bl. 24 VA) in der Montage bzw. - so seine letzten Angaben - in verschiedenen Bereichen, zuletzt in der Kontrolle (Bl. 49 LSG-Akte). Seither ist er ohne Beschäftigung. Er bezog nach Ende der Tätigkeit Krankengeld und Arbeitslosengeld. Sein Versicherungsverlauf weist den letzten Pflichtbeitrag für Oktober 2009 aus und im Anschluss bis Januar 2014 eine lückenlose Zeit der Arbeitslosigkeit. Danach meldete sich der Kläger nicht mehr arbeitslos (Bl. 265 SG-Akte) und weitere rentenrechtliche Zeiten legte er nach Januar 2014 nicht zurück. Seit 01.07.2018 bezieht er Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf zum Bescheid vom 22.05.2018 verwiesen (Bl. 40 f. LSG-Akte).
Auf seinen am 19.03.2014 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung holte die Beklagte das Gutachten der Nervenärztin Dr. O. ein. Sie kam unter den Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Vorderwurzelläsion L5/S1 beidseits, depressive Anpassungsstörung, sensibles C7-Syndrom links und Gonalgie beidseits zu der Beurteilung eines Leistungsvermögens für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung von sechs Stunden und mehr täglich. Nicht zumutbar seien schweres Heben, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten und Nachtschicht. Als Montagearbeiter könne der Kläger deshalb nicht mehr tätig werden. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, mit Bescheid vom 11.07.2014 und Widerspruchsbescheid vom 19.11.2014 ab.
Das hiergegen am 11.12.2014 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. A. hat wegen der Lendenwirbelsäulenbeschwerden eine körperlich leichte Tätigkeit nur drei Stunden täglich für möglich gehalten (Bl. 23 SG-Akte). Der Facharzt für Urologie R. hat von einer Reizblase berichtet und eine leichte Berufstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr nicht ausgeschlossen (Bl. 25 SG-Akte). Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W. hat u.a. Beschwerden seitens des Bewegungsapparates (Schmerzen insbesondere im Bereich der Wirbelsäule und Knie) sowie depressive Angstzustände und einen psychosomatischen Symptomenkomplex beschrieben und keine drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten für möglich erachtet (Bl. 30 SG-Akte).
Das Sozialgericht hat daraufhin das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. H. (Bl. 51 ff. SG-Akte) eingeholt, der auf Grund einer Untersuchung im Juni 2015 auf seinem Fachgebiet rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit Funktionsdefizit, rezidivierende Schmerzen bei beginnenden degenerativen Veränderungen und diskretem Funktionsdefizit im linken Kniegelenk, eine Epicondylitis lateralis rechts, ein Impingement-Syndrom im linken Schultergelenk und eine sensomotorische Polyneuropathie diagnostiziert hat. Schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten seien nicht mehr durchführbar, wohl aber leichte körperliche Arbeiten, überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit, ab und zu aufzustehen und umhergehen zu können, mindestens sechs Stunden täglich. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat er verneint.
Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. T. (Bl. 99 ff. SG-Akte) eingeholt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung des Klägers im Oktober 2015 eine Depression ausgeschlossen. Er hat eine anhaltende Schmerzstörung (der Wirbelsäule), eine Polyneuropathie, ein Schmerzsyndrom des Knies und eine Anpassungsstörung diagnostiziert. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien vollschichtig möglich. Auch er hat die Wegefähigkeit bejaht.
Zur Abklärung von Einschränkungen durch die Polyneuropathie hat das Sozialgericht von Amts wegen das neurologische Gutachten des Dr. van S. (Bl. 151 ff. SG-Akte; Untersuchung Juli 2016) eingeholt, der einen chronischen Spannungskopfschmerz (leichtgradig, täglich fünf bis 30 Minuten dauernd, Bl. 188 SG-Akte), eine leichtgradige, vorwiegend sensible C6- und C7-Radikulopathie links, eine Läsion des Nervus infrapatellaris links bei Zustand nach mehrmaliger Kniegelenksoperation links wegen Kreuzband- und Meniskusverletzung und eine leicht- bis mittelgradige, distal symmetrische, beinbetonte Polyneuropathie diagnostiziert hat (Bl. 187 SG-Akte). Als Montagearbeiter sei der Kläger unter drei Stunden täglich einsetzbar, für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe wegen der neurologischen Krankheiten eine Einschränkung des Gleichgewichts, des sicheren Stehens und des ausdauernden Gehens. Es sei dem Kläger deshalb nicht zumutbar, häufig Treppen zu steigen, auf Leitern und Gerüsten zu arbeiten und Tätigkeiten mit dauerndem oder überwiegendem Stehen und Gehen auszuüben. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen bestehe für leichte Tätigkeiten ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich (Bl. 190 SG-Akte). Wegen der Polyneuropathie bestehe zwar eine Gangstörung, der Kläger sei aber in der Lage, 500 Meter mit einem Aufwand von maximal 15 bis 18 Minuten zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Das Sozialgericht hat auf weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG das Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. H. (Bl. 280 ff. SG-Akte) eingeholt. Er hat eine chronische somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Anteilen, eine chronische Dysthymie bei Verdacht auf emotional-instabile Persönlichkeitsstruktur, degenerative HWS-Veränderungen mit sensibler Wurzelkompression-Symptomatik C6 und C7 links (Gefühlsstörungen ohne motorische Ausfälle), degenerative LWS-Veränderungen mit zeitweiser, aktuell ohne Wurzelreizsymptomatik S1 links, eine leicht- bis mittelgradige sensomotorische Polyneuropathie und eine Läsion des Nervus infrapatellaris links bei Zustand nach mehrmaligen Kniegelenksoperationen links (mit chronischen Schmerzen) diagnostiziert (Bl. 316, 312 SG-Akte). Wegen der Polyneuropathie könne der Kläger Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Gleichgewicht sowie die Gang- und Standsicherheit nicht mehr durchführen. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS und LWS bedingten eine Einschränkung im Hinblick auf Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Tätigkeiten mit überwiegendem Sitzen und Stehen, Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder mit häufigem Bücken. Leichte Tätigkeiten seien mehr als sechs Stunden täglich möglich (Bl. 318 SG-Akte). Der Kläger könne auch 500 Meter in 15 bis 18 Minuten zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.09.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger könne zwar keine schweren oder mittelschweren Tätigkeiten, Tätigkeiten in Zwangshaltung oder verbunden mit häufigem Bücken, Tätigkeiten in Kälte und Nässe, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit, insbesondere Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, mehr ausüben, ansonsten seien ihm aber Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich möglich. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt, betriebsunübliche Pausen nicht erforderlich. Es hat sich dabei auf die Gutachten von Dr. O. , Dr. H. , Prof. Dr. T. , Dr. van S. und Dr. H. sowie die Auskunft des Facharztes für Urologie R. gestützt. Der Einschätzung von Dr. A. und Dr. W. ist es nicht gefolgt. Es bestehe auch keine Berufsunfähigkeit, denn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Montagearbeiter sei in die Gruppe der ungelernten Arbeiter einzuordnen. Als solcher könne der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.
Gegen den ihm am 18.09.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.10.2017 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er sei 60 Jahre alt, seit neun Jahren arbeitsunfähig, zu 50 % schwerbehindert und als chronisch krank eingestuft. Seine Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien gleich null. Die Sachverständigen hätten seine Schmerzen nicht ausreichend berücksichtigt (Bl. 49 LSG-Akte). Zur weiteren Begründung hat er den Entlassungsbericht der R. -Klinik, Orthopädie, Schmerztherapie, über eine Behandlung im September 2017 (Bl. 11 LSG-Akte), orthopädische und radiologische Arztbriefe (Bl. 2, 5 bis 8) sowie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom Oktober 2016 vorgelegt und vorgetragen, dass das Sozialgericht zu Unrecht von einer ungelernten Tätigkeit ausgegangen sei. Er habe eine ISO-Zertifizierung über sich ergehen lassen müssen und das Gleiche gemacht, wie die Leute, die bei der D. AG gelernt hätten. Er habe als Lackierer gearbeitet, dann sei er beim Schleifen gewesen, dann bei der Vorgrundierung und danach in der Montage. Er habe intern gelernt, das heißt er habe die Prüfung nach internen Richtlinien beim Meister abgelegt. Zum Schluss habe er Kontrolltätigkeiten gemacht, die Personen vorbehalten gewesen seien, die alle Arbeitsplätze hätten machen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.09.2017 sowie den Bescheid vom 11.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm von Antragstellung bis 30.06.2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 des SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn dem Kläger steht keine Rente wegen Erwerbsminderung zu.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, (§ 43 Abs. 1 und 2, § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen (keine Tätigkeiten in Zwangshaltung oder verbunden mit häufigem Bücken, keine Tätigkeiten in Kälte und Nässe, keine Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit insbesondere Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten) sechs Stunden und mehr ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Über die vom Sozialgericht angeführten qualitativen Einschränkungen hinaus legt der Senat zugunsten des Klägers sämtliche, von den Gutachtern aufgeführten Einschränkungen seiner Beurteilung zu Grunde, also auch die von Dr. O. ausgeschlossenen Arbeiten mit häufigem Bücken, Überkopfarbeiten und Tätigkeiten in Nachtschicht und die von Dr. van S. bzw. Dr. H. genannten Tätigkeiten mit häufigem Treppensteigen, in einseitiger Körperhaltung (dauerndes Sitzen, Gehen, Stehen).
Wie das Sozialgericht verneint somit auch der Senat eine rentenrelevante Leistungseinschränkung. Vielmehr ist der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Er ist damit nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die vom Kläger in der Berufung vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.
Der Umstand, dass beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt ist, ist für das vorliegende Verfahren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne entscheidende Bedeutung. Denn die Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht besitzt für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung keine anspruchsbegründende Bedeutung (BSG, Beschluss vom 09.12.1987, 5b BJ 156/87, in juris), weil sich die Voraussetzungen für die Beurteilung des Grades der Behinderung (vgl. § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch: Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft) von jenen für die Beurteilung einer Erwerbsminderung (vgl. z.B. § 43 Abs. 3 SGB VI: Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten) maßgeblich unterscheiden. Deshalb kommt der Schwerbehinderteneigenschaft eines Versicherten hinsichtlich seiner zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG, Beschluss vom 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris).
Ebenfalls unerheblich sind die Vermittlungschancen des Klägers. Denn ob dem Versicherten ein für ihn geeigneter, freier Arbeitsplatz angeboten werden kann spielt für die Frage der Erwerbsminderung keine Rolle, da das Risiko, ob ein Versicherter auch tatsächlich einen für ihn geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz erhält, in den Bereich der Arbeitslosenversicherung fällt und ist deshalb nicht von der Rentenversicherung zu tragen ist, die ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Dem entsprechend bestimmt das Gesetz für alle Erwerbsminderungstatbestände ausdrücklich, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer die jeweils zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann und dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§§ 43 Abs. 3, 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI)
Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers, er sei seit Jahren arbeitsunfähig. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der arbeitsvertraglich geschuldeten, zuletzt ausgeübten Arbeit richtet (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Deshalb kommt es für die Frage der Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19).
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren einen radiologischen Befund vom Juni 2015 (Bl. 2 LSG-Akte) vorgelegt hat, in dem auf Grund eines MRT der HWS zahlreiche Bandscheibenvorfälle beschrieben werden, ist dies den gerichtlichen Sachverständigen Dr. van S. (Bl. 186 SG-Akte) und Dr. H. (Bl. 293 SG-Akte) bekannt gewesen und daher bei der Leistungsbeurteilung berücksichtigt worden; hierauf hat Dr. H.-Z. in ihrer von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme zutreffend hingewiesen. Soweit der Kläger vorträgt, dieser MRT-Befund sei Dr. H. nicht bekannt gewesen, trifft dies zwar zu. Indessen hat Dr. H. von Seiten der HWS zwar eine Bewegungseinschränkung mit Schmerzen vor allem in der HWS beschrieben, in der Verhaltensbeobachtung aber darauf hingewiesen, dass der Kläger den Kopf harmonisch und ohne Schmerzäußerung bewege. Sensible und motorische Defizite im Bereich der oberen Extremitäten haben gefehlt. Wesentliche funktionelle Auswirkungen sind somit mit diesen bildgebend nachgewiesenen Veränderungen nicht verbunden. Maßgebend für die Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens sind aber - neben Einschränkungen im Alltagsverhalten - die insbesondere von Sachverständigen dokumentierten Befunde und die daraus abzuleitenden tatsächlichen funktionellen Einschränkungen.
Die Relevanz des vom Kläger vorgelegten Berichtes über die neurologische Behandlung im Klinikum N. erschließt sich nicht. Denn diese Behandlung fand im Jahre 2008 statt. Vorliegend geht es aber um das Vorliegen rentenrelevanter Einschränkungen ab dem Jahre 2014, in dem der Kläger die streitige Rente beantragte.
Die übrigen, vom Kläger vorgelegten Unterlagen datieren von Oktober 2016 und später. Sie können zur Begründung eines Rentenanspruches schon deshalb nicht herangezogen werden, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrten Renten nicht mehr vorliegen. § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI verlangt im jeweiligen Satz 1 Nr. 2 in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, wobei sich der Fünf-Jahres-Zeitraum nach § 43 Abs. 4 SGB VI um Anrechnungszeiten und damit um die hier bis Januar 2014 dokumentierten Zeiten der Arbeitslosigkeit (vgl. 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) verlängert. Hierauf nimmt auch § 240 Abs. 1 SGB VI Bezug. Da der Versicherungsverlauf des Klägers ausgehend von Februar 2016 für die Vergangenheit (Januar 2016 bis Februar 2014) eine rentenrechtliche Lücke von genau zwei Jahren ausweist (bei lückenlosen Anrechnungs- und Beitragszeiten davor für mehrere Jahre), sind bei Eintritt einer Erwerbsminderung ab März 2016 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht verneint auch der Senat einen besonderen Berufsschutz des Klägers. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger als ungelernter Arbeiter anzusehen ist, wovon das Sozialgericht ausgeht, oder ob er zur Gruppe der Angelernten mit einer Anlernzeit von bis zu zwölf Monaten zu rechnen ist. Jedenfalls ist er weder dem oberen Bereich der Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten (BSG, Urteil vom 29.03.1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45) noch den Facharbeitern mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren zuzuordnen. Dem entsprechend ist der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Nach seinem letzten Vortrag (Bl. 49 LSG-Akte) war der Kläger in verschiedenen Bereichen der Montage der D. AG tätig (Lackieren, Schleifen, Vorgrundieren, Endmontage, Kontrolle). Dies stimmt indessen mit den Angaben des Klägers während des gesamten Verfahrens nicht überein. Schon bei Antragstellung gab er nur an, in der Montage tätig gewesen zu sein. Bei sämtlichen Begutachtungen ist dieselbe Angabe dokumentiert. Jedenfalls absolvierte der Kläger keine entsprechende Ausbildung mit Abschluss, sondern er wurde jeweils angelernt und musste sich dann - seine letzten Angaben zu Grunde gelegt - einer ISO-Zertifizierung unterziehen, die der Meister abnahm, ohne dass sich aus seinem Vortrag ergibt, dass er dazu längere Anlernzeiten benötigte. Sofern der Kläger vorträgt, er habe die gleichen Tätigkeiten ausgeübt, wie diejenigen, die beim Arbeitgeber gelernt hätten, belegt dies gerade nicht, dass er die gleichen Kenntnisse und Fertigkeiten eines ausgebildeten Facharbeiters oder eines oberen Angelernten erreichte, sondern nur, dass er möglicherweise in Teilbereichen eines Ausbildungsberufes tätig war. Gleiches gilt für die Tätigkeit in der Kontrolle.
Aber selbst wenn der Kläger als Facharbeiter einzustufen wäre, ist er nicht berufsunfähig. Denn er kann sozial und gesundheitlich zumutbar auf die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle verwiesen werden, die - wie der Senat mit Urteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 bereits auf der Grundlage des dort beim Sachverständigen Metzger eingeholten berufskundlichen Gutachtens mit ergänzender Stellungnahme und der Entlohnung einer solchen Tätigkeit, so der Sachverständige, nach der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) entschieden hat - eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit darstellt. Entsprechende Arbeitsplätze sind in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen Metzger; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, L 13 R 4924/09- juris - auf der Grundlage umfangreicher Auskünfte von Arbeitgebern im Bereich des öffentlichen Dienstes, von gesetzlichen Krankenkassen, von privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen).
Hierauf ist der Kläger vom Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.
Nach dem BAT wird der Mitarbeiter in der Poststelle in Vergütungsgruppe VIII BAT - so der genannte Sachverständige - eingestuft. Bei der Vergütungsgruppe VIII BAT handelt es sich um Tätigkeiten für Angelernte und damit um eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit (BSG, Urteil vom 27.11.1991, 5 RJ 91/89). Hieran hat sich durch das Inkrafttreten der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), des Bundes (TV-Bund) und für die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber (TV-VKA) zunächst nichts geändert, weil eine die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT ersetzende Regelung zunächst nicht vereinbart worden ist. Dies gilt für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen auch derzeit. Für die Beschäftigten der Länder ist am 01.01.2012 die Entgeltordnung der Länder (Anlage A zum TV-L) in Kraft getreten. Zwar gilt damit für Beschäftigte des Landes die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT nicht mehr. Indessen ist hierdurch für die Frage der Zumutbarkeit einer Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle keine Änderung eingetreten. Die Vergütungsgruppe VIII BAT (Tätigkeiten schwierigerer Art) entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Entgeltgruppe (EG) 3 der neuen Entgeltordnung der Länder, sodass die bisher nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnten Beschäftigten - und damit auch der Mitarbeiter in der Poststelle - nach EG 3 entlohnt werden. Dies haben die Ermittlungen des 13. Senats im genannten Verfahren L 13 R 4924/09 bestätigt, s. Urteil vom 25.09.2012, a.a.O.
Ebenso wie Tätigkeiten, die nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt werden, sind Tätigkeiten nach EG 3 der Entgeltordnung der Länder einem Facharbeiter sozial zumutbar (Urteil des Senats vom 13.12.2012, L 10 R 1162/09; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.). Nach Teil I "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst" dieser Entgeltordnung erfasst die EG 3 Tätigkeiten, die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erfordern, die über eine Einarbeitung i.S. der EG 2 (= einfache Tätigkeiten) hinausgeht. Wie bei Vergütungsgruppe VIII BAT (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1991, 5 RJ 34/90 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) ist damit eine längere Anlernzeit erforderlich. Demgegenüber gilt die EG 4 für schwierige Tätigkeiten (Nr. 1) und erfasst (EG 4 Nr. 2) auch Tätigkeiten der EG 3, die mindestens zu einem Viertel gründliche Fachkenntnisse erfordern; insoweit handelt es sich um früher in BAT VIII Nr. 1b aufgeführte, einen Bewährungsaufstieg nach BAT VII ermöglichende Tätigkeiten. Dies zeigt, dass die Vergütungsgruppe BAT VIII im Wesentlichen der EG 3 entspricht. Entsprechend sehen die Tarifverträge zur Überleitung der Beschäftigten (TVÜ-Länder, TVÜ-Bund, TVÜ-VKA) eine Entlohnung der in Vergütungsgruppe VIII BAT eingruppierten Beschäftigten nach EG 3 bis zum Inkrafttreten der Entgeltordnung vor. Auch die EG 3 der neuen Entgeltordnung der Länder enthält, da sie inhaltlich, also hinsichtlich der qualitativen Anforderungen der Vergütungsgruppe BAT VIII entspricht, somit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeiten. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass in anderen Bereichen der Entgeltordnung für die Länder die Einstufung nach EG 4 einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf erfordert. So betrifft die EG 4 nach Teil III "Beschäftigte mit körperlich / handwerklich geprägten Tätigkeiten" und dort Nr. 1 "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale" Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von weniger als drei Jahren und damit gerade auch Facharbeiter i.S. des oben dargestellten Mehrstufenschemas (mehr als zwei Jahre Ausbildungszeit). Entsprechend sind von der nächst niedrigen tariflichen Entgeltgruppe erfasste Tätigkeiten einem Facharbeiter zumutbar (BSG, Urteil vom 07.10.1987, 4a RJ 91/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 149), hier also jene der EG 3.
Die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle umfasst (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen Metzger; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.04.2011, L 5 R 331/09 - juris -; zusammenfassend Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.) die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen, das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Es handelt es sich hierbei regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Doch sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 mit den darin wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen Metzger). Demgemäß ist - was für die Benennung auch als körperlich leichte Verweisungstätigkeit genügt - die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, sodass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (so bereits LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.1997, L 2 I 47/95 m. w. N.).
Diesen Anforderungen entspricht das oben beschriebene Leistungsvermögen des Klägers.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1957 geborene Kläger absolvierte nach eigenen Angaben eine zweijährige Ausbildung zum Molkereifachmann und war von 1988 bis 2008 bei der D. AG beschäftigt, nach seinen Angaben zu Beginn des Verwaltungsverfahrens (Bl. 24 VA) in der Montage bzw. - so seine letzten Angaben - in verschiedenen Bereichen, zuletzt in der Kontrolle (Bl. 49 LSG-Akte). Seither ist er ohne Beschäftigung. Er bezog nach Ende der Tätigkeit Krankengeld und Arbeitslosengeld. Sein Versicherungsverlauf weist den letzten Pflichtbeitrag für Oktober 2009 aus und im Anschluss bis Januar 2014 eine lückenlose Zeit der Arbeitslosigkeit. Danach meldete sich der Kläger nicht mehr arbeitslos (Bl. 265 SG-Akte) und weitere rentenrechtliche Zeiten legte er nach Januar 2014 nicht zurück. Seit 01.07.2018 bezieht er Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf zum Bescheid vom 22.05.2018 verwiesen (Bl. 40 f. LSG-Akte).
Auf seinen am 19.03.2014 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung holte die Beklagte das Gutachten der Nervenärztin Dr. O. ein. Sie kam unter den Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Vorderwurzelläsion L5/S1 beidseits, depressive Anpassungsstörung, sensibles C7-Syndrom links und Gonalgie beidseits zu der Beurteilung eines Leistungsvermögens für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung von sechs Stunden und mehr täglich. Nicht zumutbar seien schweres Heben, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten und Nachtschicht. Als Montagearbeiter könne der Kläger deshalb nicht mehr tätig werden. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, mit Bescheid vom 11.07.2014 und Widerspruchsbescheid vom 19.11.2014 ab.
Das hiergegen am 11.12.2014 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. A. hat wegen der Lendenwirbelsäulenbeschwerden eine körperlich leichte Tätigkeit nur drei Stunden täglich für möglich gehalten (Bl. 23 SG-Akte). Der Facharzt für Urologie R. hat von einer Reizblase berichtet und eine leichte Berufstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr nicht ausgeschlossen (Bl. 25 SG-Akte). Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W. hat u.a. Beschwerden seitens des Bewegungsapparates (Schmerzen insbesondere im Bereich der Wirbelsäule und Knie) sowie depressive Angstzustände und einen psychosomatischen Symptomenkomplex beschrieben und keine drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten für möglich erachtet (Bl. 30 SG-Akte).
Das Sozialgericht hat daraufhin das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. H. (Bl. 51 ff. SG-Akte) eingeholt, der auf Grund einer Untersuchung im Juni 2015 auf seinem Fachgebiet rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit Funktionsdefizit, rezidivierende Schmerzen bei beginnenden degenerativen Veränderungen und diskretem Funktionsdefizit im linken Kniegelenk, eine Epicondylitis lateralis rechts, ein Impingement-Syndrom im linken Schultergelenk und eine sensomotorische Polyneuropathie diagnostiziert hat. Schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten seien nicht mehr durchführbar, wohl aber leichte körperliche Arbeiten, überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit, ab und zu aufzustehen und umhergehen zu können, mindestens sechs Stunden täglich. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat er verneint.
Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. T. (Bl. 99 ff. SG-Akte) eingeholt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung des Klägers im Oktober 2015 eine Depression ausgeschlossen. Er hat eine anhaltende Schmerzstörung (der Wirbelsäule), eine Polyneuropathie, ein Schmerzsyndrom des Knies und eine Anpassungsstörung diagnostiziert. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien vollschichtig möglich. Auch er hat die Wegefähigkeit bejaht.
Zur Abklärung von Einschränkungen durch die Polyneuropathie hat das Sozialgericht von Amts wegen das neurologische Gutachten des Dr. van S. (Bl. 151 ff. SG-Akte; Untersuchung Juli 2016) eingeholt, der einen chronischen Spannungskopfschmerz (leichtgradig, täglich fünf bis 30 Minuten dauernd, Bl. 188 SG-Akte), eine leichtgradige, vorwiegend sensible C6- und C7-Radikulopathie links, eine Läsion des Nervus infrapatellaris links bei Zustand nach mehrmaliger Kniegelenksoperation links wegen Kreuzband- und Meniskusverletzung und eine leicht- bis mittelgradige, distal symmetrische, beinbetonte Polyneuropathie diagnostiziert hat (Bl. 187 SG-Akte). Als Montagearbeiter sei der Kläger unter drei Stunden täglich einsetzbar, für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe wegen der neurologischen Krankheiten eine Einschränkung des Gleichgewichts, des sicheren Stehens und des ausdauernden Gehens. Es sei dem Kläger deshalb nicht zumutbar, häufig Treppen zu steigen, auf Leitern und Gerüsten zu arbeiten und Tätigkeiten mit dauerndem oder überwiegendem Stehen und Gehen auszuüben. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen bestehe für leichte Tätigkeiten ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich (Bl. 190 SG-Akte). Wegen der Polyneuropathie bestehe zwar eine Gangstörung, der Kläger sei aber in der Lage, 500 Meter mit einem Aufwand von maximal 15 bis 18 Minuten zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Das Sozialgericht hat auf weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG das Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. H. (Bl. 280 ff. SG-Akte) eingeholt. Er hat eine chronische somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Anteilen, eine chronische Dysthymie bei Verdacht auf emotional-instabile Persönlichkeitsstruktur, degenerative HWS-Veränderungen mit sensibler Wurzelkompression-Symptomatik C6 und C7 links (Gefühlsstörungen ohne motorische Ausfälle), degenerative LWS-Veränderungen mit zeitweiser, aktuell ohne Wurzelreizsymptomatik S1 links, eine leicht- bis mittelgradige sensomotorische Polyneuropathie und eine Läsion des Nervus infrapatellaris links bei Zustand nach mehrmaligen Kniegelenksoperationen links (mit chronischen Schmerzen) diagnostiziert (Bl. 316, 312 SG-Akte). Wegen der Polyneuropathie könne der Kläger Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Gleichgewicht sowie die Gang- und Standsicherheit nicht mehr durchführen. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS und LWS bedingten eine Einschränkung im Hinblick auf Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Tätigkeiten mit überwiegendem Sitzen und Stehen, Tätigkeiten in Zwangshaltungen oder mit häufigem Bücken. Leichte Tätigkeiten seien mehr als sechs Stunden täglich möglich (Bl. 318 SG-Akte). Der Kläger könne auch 500 Meter in 15 bis 18 Minuten zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.09.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger könne zwar keine schweren oder mittelschweren Tätigkeiten, Tätigkeiten in Zwangshaltung oder verbunden mit häufigem Bücken, Tätigkeiten in Kälte und Nässe, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit, insbesondere Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, mehr ausüben, ansonsten seien ihm aber Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich möglich. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt, betriebsunübliche Pausen nicht erforderlich. Es hat sich dabei auf die Gutachten von Dr. O. , Dr. H. , Prof. Dr. T. , Dr. van S. und Dr. H. sowie die Auskunft des Facharztes für Urologie R. gestützt. Der Einschätzung von Dr. A. und Dr. W. ist es nicht gefolgt. Es bestehe auch keine Berufsunfähigkeit, denn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Montagearbeiter sei in die Gruppe der ungelernten Arbeiter einzuordnen. Als solcher könne der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.
Gegen den ihm am 18.09.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.10.2017 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er sei 60 Jahre alt, seit neun Jahren arbeitsunfähig, zu 50 % schwerbehindert und als chronisch krank eingestuft. Seine Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien gleich null. Die Sachverständigen hätten seine Schmerzen nicht ausreichend berücksichtigt (Bl. 49 LSG-Akte). Zur weiteren Begründung hat er den Entlassungsbericht der R. -Klinik, Orthopädie, Schmerztherapie, über eine Behandlung im September 2017 (Bl. 11 LSG-Akte), orthopädische und radiologische Arztbriefe (Bl. 2, 5 bis 8) sowie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom Oktober 2016 vorgelegt und vorgetragen, dass das Sozialgericht zu Unrecht von einer ungelernten Tätigkeit ausgegangen sei. Er habe eine ISO-Zertifizierung über sich ergehen lassen müssen und das Gleiche gemacht, wie die Leute, die bei der D. AG gelernt hätten. Er habe als Lackierer gearbeitet, dann sei er beim Schleifen gewesen, dann bei der Vorgrundierung und danach in der Montage. Er habe intern gelernt, das heißt er habe die Prüfung nach internen Richtlinien beim Meister abgelegt. Zum Schluss habe er Kontrolltätigkeiten gemacht, die Personen vorbehalten gewesen seien, die alle Arbeitsplätze hätten machen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.09.2017 sowie den Bescheid vom 11.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm von Antragstellung bis 30.06.2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 des SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn dem Kläger steht keine Rente wegen Erwerbsminderung zu.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, (§ 43 Abs. 1 und 2, § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen (keine Tätigkeiten in Zwangshaltung oder verbunden mit häufigem Bücken, keine Tätigkeiten in Kälte und Nässe, keine Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit insbesondere Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten) sechs Stunden und mehr ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Über die vom Sozialgericht angeführten qualitativen Einschränkungen hinaus legt der Senat zugunsten des Klägers sämtliche, von den Gutachtern aufgeführten Einschränkungen seiner Beurteilung zu Grunde, also auch die von Dr. O. ausgeschlossenen Arbeiten mit häufigem Bücken, Überkopfarbeiten und Tätigkeiten in Nachtschicht und die von Dr. van S. bzw. Dr. H. genannten Tätigkeiten mit häufigem Treppensteigen, in einseitiger Körperhaltung (dauerndes Sitzen, Gehen, Stehen).
Wie das Sozialgericht verneint somit auch der Senat eine rentenrelevante Leistungseinschränkung. Vielmehr ist der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Er ist damit nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die vom Kläger in der Berufung vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.
Der Umstand, dass beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt ist, ist für das vorliegende Verfahren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne entscheidende Bedeutung. Denn die Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht besitzt für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung keine anspruchsbegründende Bedeutung (BSG, Beschluss vom 09.12.1987, 5b BJ 156/87, in juris), weil sich die Voraussetzungen für die Beurteilung des Grades der Behinderung (vgl. § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch: Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft) von jenen für die Beurteilung einer Erwerbsminderung (vgl. z.B. § 43 Abs. 3 SGB VI: Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten) maßgeblich unterscheiden. Deshalb kommt der Schwerbehinderteneigenschaft eines Versicherten hinsichtlich seiner zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG, Beschluss vom 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris).
Ebenfalls unerheblich sind die Vermittlungschancen des Klägers. Denn ob dem Versicherten ein für ihn geeigneter, freier Arbeitsplatz angeboten werden kann spielt für die Frage der Erwerbsminderung keine Rolle, da das Risiko, ob ein Versicherter auch tatsächlich einen für ihn geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz erhält, in den Bereich der Arbeitslosenversicherung fällt und ist deshalb nicht von der Rentenversicherung zu tragen ist, die ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Dem entsprechend bestimmt das Gesetz für alle Erwerbsminderungstatbestände ausdrücklich, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer die jeweils zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann und dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§§ 43 Abs. 3, 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI)
Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers, er sei seit Jahren arbeitsunfähig. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der arbeitsvertraglich geschuldeten, zuletzt ausgeübten Arbeit richtet (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Deshalb kommt es für die Frage der Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19).
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren einen radiologischen Befund vom Juni 2015 (Bl. 2 LSG-Akte) vorgelegt hat, in dem auf Grund eines MRT der HWS zahlreiche Bandscheibenvorfälle beschrieben werden, ist dies den gerichtlichen Sachverständigen Dr. van S. (Bl. 186 SG-Akte) und Dr. H. (Bl. 293 SG-Akte) bekannt gewesen und daher bei der Leistungsbeurteilung berücksichtigt worden; hierauf hat Dr. H.-Z. in ihrer von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme zutreffend hingewiesen. Soweit der Kläger vorträgt, dieser MRT-Befund sei Dr. H. nicht bekannt gewesen, trifft dies zwar zu. Indessen hat Dr. H. von Seiten der HWS zwar eine Bewegungseinschränkung mit Schmerzen vor allem in der HWS beschrieben, in der Verhaltensbeobachtung aber darauf hingewiesen, dass der Kläger den Kopf harmonisch und ohne Schmerzäußerung bewege. Sensible und motorische Defizite im Bereich der oberen Extremitäten haben gefehlt. Wesentliche funktionelle Auswirkungen sind somit mit diesen bildgebend nachgewiesenen Veränderungen nicht verbunden. Maßgebend für die Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens sind aber - neben Einschränkungen im Alltagsverhalten - die insbesondere von Sachverständigen dokumentierten Befunde und die daraus abzuleitenden tatsächlichen funktionellen Einschränkungen.
Die Relevanz des vom Kläger vorgelegten Berichtes über die neurologische Behandlung im Klinikum N. erschließt sich nicht. Denn diese Behandlung fand im Jahre 2008 statt. Vorliegend geht es aber um das Vorliegen rentenrelevanter Einschränkungen ab dem Jahre 2014, in dem der Kläger die streitige Rente beantragte.
Die übrigen, vom Kläger vorgelegten Unterlagen datieren von Oktober 2016 und später. Sie können zur Begründung eines Rentenanspruches schon deshalb nicht herangezogen werden, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrten Renten nicht mehr vorliegen. § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI verlangt im jeweiligen Satz 1 Nr. 2 in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, wobei sich der Fünf-Jahres-Zeitraum nach § 43 Abs. 4 SGB VI um Anrechnungszeiten und damit um die hier bis Januar 2014 dokumentierten Zeiten der Arbeitslosigkeit (vgl. 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) verlängert. Hierauf nimmt auch § 240 Abs. 1 SGB VI Bezug. Da der Versicherungsverlauf des Klägers ausgehend von Februar 2016 für die Vergangenheit (Januar 2016 bis Februar 2014) eine rentenrechtliche Lücke von genau zwei Jahren ausweist (bei lückenlosen Anrechnungs- und Beitragszeiten davor für mehrere Jahre), sind bei Eintritt einer Erwerbsminderung ab März 2016 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht verneint auch der Senat einen besonderen Berufsschutz des Klägers. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger als ungelernter Arbeiter anzusehen ist, wovon das Sozialgericht ausgeht, oder ob er zur Gruppe der Angelernten mit einer Anlernzeit von bis zu zwölf Monaten zu rechnen ist. Jedenfalls ist er weder dem oberen Bereich der Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten (BSG, Urteil vom 29.03.1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45) noch den Facharbeitern mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren zuzuordnen. Dem entsprechend ist der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Nach seinem letzten Vortrag (Bl. 49 LSG-Akte) war der Kläger in verschiedenen Bereichen der Montage der D. AG tätig (Lackieren, Schleifen, Vorgrundieren, Endmontage, Kontrolle). Dies stimmt indessen mit den Angaben des Klägers während des gesamten Verfahrens nicht überein. Schon bei Antragstellung gab er nur an, in der Montage tätig gewesen zu sein. Bei sämtlichen Begutachtungen ist dieselbe Angabe dokumentiert. Jedenfalls absolvierte der Kläger keine entsprechende Ausbildung mit Abschluss, sondern er wurde jeweils angelernt und musste sich dann - seine letzten Angaben zu Grunde gelegt - einer ISO-Zertifizierung unterziehen, die der Meister abnahm, ohne dass sich aus seinem Vortrag ergibt, dass er dazu längere Anlernzeiten benötigte. Sofern der Kläger vorträgt, er habe die gleichen Tätigkeiten ausgeübt, wie diejenigen, die beim Arbeitgeber gelernt hätten, belegt dies gerade nicht, dass er die gleichen Kenntnisse und Fertigkeiten eines ausgebildeten Facharbeiters oder eines oberen Angelernten erreichte, sondern nur, dass er möglicherweise in Teilbereichen eines Ausbildungsberufes tätig war. Gleiches gilt für die Tätigkeit in der Kontrolle.
Aber selbst wenn der Kläger als Facharbeiter einzustufen wäre, ist er nicht berufsunfähig. Denn er kann sozial und gesundheitlich zumutbar auf die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle verwiesen werden, die - wie der Senat mit Urteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 bereits auf der Grundlage des dort beim Sachverständigen Metzger eingeholten berufskundlichen Gutachtens mit ergänzender Stellungnahme und der Entlohnung einer solchen Tätigkeit, so der Sachverständige, nach der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) entschieden hat - eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit darstellt. Entsprechende Arbeitsplätze sind in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen Metzger; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, L 13 R 4924/09- juris - auf der Grundlage umfangreicher Auskünfte von Arbeitgebern im Bereich des öffentlichen Dienstes, von gesetzlichen Krankenkassen, von privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen).
Hierauf ist der Kläger vom Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.
Nach dem BAT wird der Mitarbeiter in der Poststelle in Vergütungsgruppe VIII BAT - so der genannte Sachverständige - eingestuft. Bei der Vergütungsgruppe VIII BAT handelt es sich um Tätigkeiten für Angelernte und damit um eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit (BSG, Urteil vom 27.11.1991, 5 RJ 91/89). Hieran hat sich durch das Inkrafttreten der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), des Bundes (TV-Bund) und für die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber (TV-VKA) zunächst nichts geändert, weil eine die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT ersetzende Regelung zunächst nicht vereinbart worden ist. Dies gilt für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen auch derzeit. Für die Beschäftigten der Länder ist am 01.01.2012 die Entgeltordnung der Länder (Anlage A zum TV-L) in Kraft getreten. Zwar gilt damit für Beschäftigte des Landes die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT nicht mehr. Indessen ist hierdurch für die Frage der Zumutbarkeit einer Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle keine Änderung eingetreten. Die Vergütungsgruppe VIII BAT (Tätigkeiten schwierigerer Art) entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Entgeltgruppe (EG) 3 der neuen Entgeltordnung der Länder, sodass die bisher nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnten Beschäftigten - und damit auch der Mitarbeiter in der Poststelle - nach EG 3 entlohnt werden. Dies haben die Ermittlungen des 13. Senats im genannten Verfahren L 13 R 4924/09 bestätigt, s. Urteil vom 25.09.2012, a.a.O.
Ebenso wie Tätigkeiten, die nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt werden, sind Tätigkeiten nach EG 3 der Entgeltordnung der Länder einem Facharbeiter sozial zumutbar (Urteil des Senats vom 13.12.2012, L 10 R 1162/09; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.). Nach Teil I "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst" dieser Entgeltordnung erfasst die EG 3 Tätigkeiten, die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erfordern, die über eine Einarbeitung i.S. der EG 2 (= einfache Tätigkeiten) hinausgeht. Wie bei Vergütungsgruppe VIII BAT (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1991, 5 RJ 34/90 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) ist damit eine längere Anlernzeit erforderlich. Demgegenüber gilt die EG 4 für schwierige Tätigkeiten (Nr. 1) und erfasst (EG 4 Nr. 2) auch Tätigkeiten der EG 3, die mindestens zu einem Viertel gründliche Fachkenntnisse erfordern; insoweit handelt es sich um früher in BAT VIII Nr. 1b aufgeführte, einen Bewährungsaufstieg nach BAT VII ermöglichende Tätigkeiten. Dies zeigt, dass die Vergütungsgruppe BAT VIII im Wesentlichen der EG 3 entspricht. Entsprechend sehen die Tarifverträge zur Überleitung der Beschäftigten (TVÜ-Länder, TVÜ-Bund, TVÜ-VKA) eine Entlohnung der in Vergütungsgruppe VIII BAT eingruppierten Beschäftigten nach EG 3 bis zum Inkrafttreten der Entgeltordnung vor. Auch die EG 3 der neuen Entgeltordnung der Länder enthält, da sie inhaltlich, also hinsichtlich der qualitativen Anforderungen der Vergütungsgruppe BAT VIII entspricht, somit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeiten. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass in anderen Bereichen der Entgeltordnung für die Länder die Einstufung nach EG 4 einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf erfordert. So betrifft die EG 4 nach Teil III "Beschäftigte mit körperlich / handwerklich geprägten Tätigkeiten" und dort Nr. 1 "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale" Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von weniger als drei Jahren und damit gerade auch Facharbeiter i.S. des oben dargestellten Mehrstufenschemas (mehr als zwei Jahre Ausbildungszeit). Entsprechend sind von der nächst niedrigen tariflichen Entgeltgruppe erfasste Tätigkeiten einem Facharbeiter zumutbar (BSG, Urteil vom 07.10.1987, 4a RJ 91/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 149), hier also jene der EG 3.
Die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle umfasst (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen Metzger; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.04.2011, L 5 R 331/09 - juris -; zusammenfassend Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.) die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen, das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Es handelt es sich hierbei regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Doch sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 mit den darin wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen Metzger). Demgemäß ist - was für die Benennung auch als körperlich leichte Verweisungstätigkeit genügt - die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, sodass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (so bereits LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.1997, L 2 I 47/95 m. w. N.).
Diesen Anforderungen entspricht das oben beschriebene Leistungsvermögen des Klägers.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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