L 2 AL 46/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 649/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 46/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Pflichtversicherung des Klägers auf Antrag.

Der am xxxxx 1971 geborene Kläger beantragte am 15. August 2012 ein Versicherungspflichtverhältnis im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit als Opernsänger. Mit Bescheid vom 20. Februar 2013 entsprach die Beklagte dem Antrag des Klägers und bestätigte eine Antragspflichtversicherung für die Zeit vom 17. Oktober bis zum 28. Oktober 2012. Am 28. Januar 2013 beantragte der Kläger erneut die Aufnahme in ein Versicherungspflichtverhältnis bei selbstständiger Tätigkeit. Mit Bescheid vom 8. Mai 2013 bestätigte die Beklagte die Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung beginnend ab 5. Februar 2013. Auf die erneuten Anträge des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2013 ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag für die Zeit vom 26. Mai bis zum 4. Juni 2013 sowie vom 17. Juni bis zum 27. August 2013 ab. Das Versicherungspflichtverhältnis sei ausgeschlossen, weil der Kläger bereits nach § 28a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) versicherungspflichtig gewesen sei, die selbständige Tätigkeit zweimal unterbrochen und Arbeitslosengeld bezogen habe. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Bereits seit 2010 sei der Kläger als Selbstständiger im gleichen Bereich tätig und für verschiedene Tätigkeiten freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichert gewesen. Zeiten der Selbstständigkeit seien mehrfach durch Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen worden. Mit gleicher Begründung lehnte die Beklagte weitere Anträge des Klägers auf ein Versicherungspflichtverhältnis ab.

Am 8. April 2016 beantragte der Kläger erneut eine Versicherungspflicht auf Antrag im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 25. April bis zum 19. Juni 2016. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. April 2016 ab. Ein Versicherungspflichtverhältnis sei ausgeschlossen weil der Kläger bereits nach § 28a SGB III versicherungspflichtig gewesen sei, die selbstständige Tätigkeit zweimal unterbrochen und Arbeitslosengeld bezogen habe.

Hiergegen legte der Kläger am 30. Mai 2016 Widerspruch ein. Er habe im Anschluss an seine Beschäftigung an der Oper Köln eine selbstständige Tätigkeit im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufgenommen. Innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit habe er mehr als zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Der Kläger habe seine selbstständige Tätigkeit seitdem auch noch nicht zweimal unterbrochen und Ansprüche auf Arbeitslosengeld geltend gemacht. Der Ausschlussgrund des § 28a Abs. 2 Satz 2 SGB III greife nicht ein, wenn der Arbeitslosengeldbezug auf einem neu entstandenen Anspruch beruhe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2016 zurück. Der Kläger habe zwar durch Beitragszahlungen zur Pflichtversicherung auf Antrag und verschiedene Arbeitsverhältnisse zum 27. Mai 2015 einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben und hiernach im Wechsel mit Arbeitsverhältnissen mehrfach Leistungen bezogen. Ein erneutes Versicherungsverhältnis könne hiernach in der Selbstständigkeit ab dem 1. Mai 2016 aber nicht begründet werden, da eine mehrfache Unterbrechung der Selbstständigkeit mit jeweiligem Leistungsbezug vorgelegen habe. Dies sei bereits mit Bescheid vom 25. Juni 2013 festgestellt worden. Um Mitnahmeeffekte auszuschließen, sehe § 28a Abs. 2 Satz 2 SGB III einen Ausschlusstatbestand vor. Damit solle vermieden werden, dass Selbstständige die Zeiten der Antragspflichtversicherung wiederkehrend mit Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges verbinden würden. Die erneute Absicherung der gleichen selbstständigen Tätigkeit sei deshalb ausgeschlossen, wenn die Antragspflichtversicherung zweimal unterbrochen worden und in den Unterbrechungszeiten Arbeitslosengeld bezogen worden sei. Nach dem Gesetzeswortlaut hingegen werde nicht auf einen erneuten Zugang aufgrund eines neuen Anspruchs auf Arbeitslosengeld abgestellt. Ein erneuter Zugang zur Versicherung wäre nach einer gänzlich neuen und anderen Selbstständigkeit im Gegensatz zur Selbstständigkeit als Opernsänger als "zu dieser Versicherungspflicht führenden Tätigkeit" gegeben.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat hiergegen am 20. Oktober 2016 Klage erhoben. Zum 27. Mai 2015 habe er einen Neuanspruch auf Arbeitslosengeld erworben und in der Folge zeitweise Arbeitslosengeld bezogen, sei aber auch versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Erst im Anschluss an sein letztes Arbeitsverhältnis an der Oper Köln habe der Kläger seit dem 25. April 2016 eine selbstständige Tätigkeit als Opernsänger im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübt. Der Kläger habe seine Tätigkeit nach dem 27. Mai 2015 auch nicht zweimal unterbrochen. Der Ausschlussgrund des § 28a Abs. 2 S.2 SGB III greife nicht ein, wenn der Arbeitslosengeldbezug auf einem neu entstandenen Anspruch beruhe, wie sich u.a. aus der amtlichen Begründung in der BT-Drucks. 17/1945, S. 14 ergebe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. August 2017 abgewiesen und auf die Begründung im angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Der hier allein streitige Ausschlussgrund des § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III greife ein, weil der Kläger seine selbstständige Tätigkeit als Opernsänger bereits vor dem neu entstandenen Anspruch zweimal mit Leistungsbezug aufgrund der freiwilligen Versicherung unterbrochen habe. Die vom Kläger zitierte Auffassung, dass § 28a Abs. 2 S.2 SGB III nicht greife, wenn der Arbeitslosengeldbezug auf einem neu entstandenen Anspruch beruhe, beziehe sich darauf, dass ein Leistungsbezug aufgrund eines neu entstandenen Anspruchs bei der Berechnung der zweimaligen Unterbrechung nicht mitzähle und bedeute nicht, dass für die Beurteilung der selbstständigen Tätigkeit nach § 28a SGB III alles auf null gestellt werde.

Der Kläger hat gegen den ihm am 17. August 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am Montag, den 18. September 2017 Berufung eingelegt. Die Tätigkeit als Opernsänger bringe es mit sich, dass der Kläger seine Tätigkeit sowohl als Arbeitnehmer als auch als Selbstständiger ausübe. Der angefochtene Gerichtsbescheid verkenne, dass der Ausschlussgrund des § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III nicht greife, wenn der Arbeitslosengeldbezug auf einem neu entstandenen Anspruch beruhe, und zwar unabhängig von der Art der Tätigkeit. Der Gesetzgeber habe gewollt, dass in Fällen wie dem streitgegenständlichen dem Selbstständigen dann die Rückkehr in das Antragspflichtversicherungsverhältnis ermöglicht werde, wenn er sich vorher in einer Weise versicherungskonform verhalten habe, die zu einem neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld geführt habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass er in der Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 19. Juni 2016 ausschließlich Engagements im Ausland gehabt habe.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. August 2017 und den Bescheid vom 26. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger ab dem 1. Mai 2016 bis zum 19. Juni 2016 gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert ist,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass der Antrag vom 8. April 2016 abgelehnt worden sei, weil die selbstständige Tätigkeit bereits zweimal durch Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen worden sei. Der Kläger führe seine Tätigkeit als Opernsänger mal selbstständig und mal in versicherungspflichtiger abhängiger Beschäftigung aus. Seine Eigenschaft als Selbstständiger verliere er durch die zeitlich begrenzten Arbeitsverträge nicht, er unterbreche sie nur, ebenso wie beim Bezug von Arbeitslosengeld.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2018 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG), aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 26. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag für seine Tätigkeit als Opernsänger für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 19. Juni 2016.

Nach § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III können Personen ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag begründen, die eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nicht, da er keine selbstständige Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes aufgenommen hat. Wie der Kläger selbst vorträgt, war er im fraglichen Zeitraum ausschließlich im Ausland tätig.

Zudem greift für den Kläger aber auch der Ausschlusstatbestand nach § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III. Hiernach ist die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag nach § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person bereits versicherungspflichtig nach Abs. 1 Nr. 2 war, die zu dieser Versicherung führende Tätigkeit zweimal unterbrochen hat und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger seit Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit als Opernsänger mehrfach nach dem 31. Dezember 2010 für verschiedene Beschäftigungszeiträume auf Antrag in der Arbeitslosenversicherung versichert gewesen ist und die Selbstständigkeit auch mindestens zweimal unterbrochen hat und in dieser Zeit Arbeitslosengeld bezogen hat. Der Kläger ist jedoch der Auffassung, dass der Ausschlusstatbestand für ihn nicht greife, weil er durch eine vorangegangene abhängige Beschäftigung als Opernsänger an der Oper Köln einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben habe. Er verweist hierzu auf die Gesetzesbegründung, in der es heißt: Um zu vermeiden, dass Selbstständige Zeiten der freiwilligen Versicherung wiederkehrend mit Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs verbinden, sehe Satz 2 vor, dass nach einem zweimaligen Bezug von Arbeitslosengeld die erneute Absicherung der gleichen selbständigen Tätigkeit in der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen sei. Damit werde einer zweckwidrigen Nutzung der Versicherungsmöglichkeit entgegengewirkt. Der Ausschlussgrund greife nicht, wenn der Arbeitslosengeldbezug auf einem neu entstandenen Anspruch beruhe (vgl. BT-Drucks. 17/1945, S. 14). Auch in der Literatur findet sich der Hinweis, dass der Ausschlusstatbestand nicht greife, wenn der Arbeitslosengeldbezug auf einem neu entstandenen Anspruch beruhe (Timme, in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand 03/17, § 28a Rn. 41; Wehrhahn, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 28a Rn. 29). Damit ist jedoch nicht gemeint, dass nach Erlangung eines neuen Anspruchs auf Arbeitslosengeld der Ausschlussgrund generell nicht mehr greift. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung ist vielmehr so zu verstehen, dass ein Arbeitslosengeldbezug während eines Unterbrechungszeitraums dann unschädlich ist, wenn er auf einem neu erworbenen Anspruch beruht. Eine Auslegung der Formulierung in der Gesetzesbegründung so, wie sie der Kläger versteht, dass der Ausschlussgrund nach einem neu erworbenen Anspruch auf Arbeitslosengeld generell nicht greife, widerspricht dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung, die eine solche Rückausnahme nicht formuliert (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. Dezember 2014 – L 14 AL 134/13, juris). Auch aufgrund des Sinns und Zwecks der Regelung ist es nicht geboten, die Ausnahmeregelung entgegen dem Wortlaut in den Fällen nicht anzuwenden, in denen ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben worden ist. Sinn und Zweck der Regelung ist es laut der Gesetzesbegründung zu vermeiden, dass Selbstständige Zeiten der freiwilligen Versicherung mit wiederkehrenden Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs verbinden. Diesen Sinn und Zweck würde die Regelung jedoch gerade nicht erreichen, wenn nach jedem neu erworbenen Anspruch auf Arbeitslosengeld eine erneute freiwillige Versicherung zulässig wäre. Dies zeigt sich gerade im vorliegenden Fall, in dem der Kläger die gleiche Tätigkeit als Opernsänger mal selbstständig und mal in abhängiger Beschäftigung ausübt. Es ist nicht ersichtlich, warum er nach einer abhängigen Beschäftigung erneut die Möglichkeit erhalten sollte, sich trotz gleicher selbstständiger Tätigkeit wiederum freiwillig zu versichern. Der Ausnahmecharakter der Ausschlussregelung wird ausreichend dadurch eingegrenzt, dass diese nur bei der gleichen selbstständigen Tätigkeit greift. Vorliegend hatte der Kläger seine selbstständige Tätigkeit als Opernsänger bereits mehrfach mit Arbeitslosengeldbezug unterbrochen, bevor er erneut einen Antrag auf Pflichtversicherung gestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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