Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
46
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 46 KR 889/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine sog. Adaptionsmaßnahme.
Ein Hilfeempfänger der Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Wegen Abhängigkeit von verschiedenen Drogen (Kokain, Cannabis, Alkohol und Nikotin) wurde er am 2.11.2010 in die stationäre Langzeitentwöhnungsmaßnahme für Drogenabhängige der Fachklinik D. in L. aufgenommen. Die Kosten für diese Therapie übernahm zunächst die Beklagte.
Mit Schreiben vom 21.3.2011 beantragte die Fachklinik für den Versicherten bei der Beklagten eine Anschlussbehandlungen in adaptiver Form für den Zeitraum vom 2.5.2011 bis 1.8.2011. Die Beklagte leitete den Antrag mit Schreiben vom 2.5.2011 an die Klägerin weiter, die daraufhin mit Bescheid vom 10.5.2011 die Kosten für den Zeitraum bewilligte. Am 12.5.2011 entließ die Einrichtung den Versicherten disziplinarisch. Bezüglich dieses Aufenthaltes ist zwischen den Beteiligten ein weiterer Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hamburg mit dem Aktenzeichen S 28 KR 581/12 anhängig, der derzeit ruht.
Dem Versicherten war für den Zeitraum vom 20.03.2012 bis 19.06.2012 eine erneute externe Adaption in Form einer stationären Therapie in B. angeboten worden. Den entsprechenden Antrag leitete die Beklagte mit Schreiben vom 8.2.2012 unter Berufung auf ihre fehlende Zuständigkeit an die Klägerin weiter. Die Klägerin bewilligte als zweitangegangener Träger die Kosten für die Maßnahme mit Bescheid vom 2.4.2012 für den Zeitraum vom 20.3.2012 bis zum 19.6.2012. Mit Schreiben vom 13.04.2012 machte die Klägerin bei der Beklagten Kostenerstattung für die Maßnahme geltend. Die Beklagte wies den Anspruch der Klägerin mit Schreiben vom 9.5.2012 zurück und erklärte sich nicht für zuständig. Für die streitgegenständliche Behandlung entstanden Kosten i.H.v. 6.782,10 EUR.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zustehe, da die Beklagte als Trägerin der medizinischen Rehabilitation gemäß dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung vorrangig zuständig gewesen wäre. Es existiere eine Richtlinie des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) wonach die Rehabilitation von Drogenabhängigen eine Regeldauer von bis zu zehn Monaten habe. Hierbei werde ein zeitliches Verhältnis von Therapie und Adaption von sechs zu vier Monaten angenommen. Für die hier streitgegenständliche Adaptionsmaßnahme seien 13 Wochen veranschlagt worden was bedeute, dass sich die Adaptionsmaßnahme hier in der Regeldauer (das wären 16 Wochen) bewegt habe. Es handele sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme auch nicht um eine soziale oder berufliche, sondern vielmehr um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Darunter verstehe man einen ganzheitlichen Ansatz, der über das Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit hinaus auch die drohende Schädigung oder Beeinträchtigung in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft mit einbeziehen. Konkrete Aufgabe der medizinischen Rehabilitation sei es auch, eine angemessene Einstellung zur Erkrankung, die Anleitung und Schulung zum eigenverantwortlichen Umgang sowie eine Verhaltensmodifikation mit dem Ziel des Aufbaus einer krankheitsadäquaten und gesundheitsfördernden Lebensweise zu erreichen. Es handele sich bei Adaptionsmaßnahmen ganz grundsätzlich um aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen. Dabei könne es dahinstehen, ob die Rehabilitation selbst der Krankenbehandlung diene, denn auch im Rahmen der Adaptionsmaßnahme werde durch Einwirkung auf Rückfallrisiken wie Wohnungs- und Arbeitslosigkeit letztlich das Ziel der Entwöhnung und des suchtmittelfreien Lebens erreicht. Dies gelte umso mehr für die hier streitgegenständliche Adaptionsmaßnahme, was sich aus dem Entlassungsbericht der Klinik ergäbe. Die Einrichtung stehe in organisatorischer und institutioneller Hinsicht unter ständiger ärztlicher Verantwortung. Der Schwerpunkt liege zwar auf der Wiederherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben, nichtsdestotrotz werde parallel eine psychotherapeutische Weiterbehandlung im Rahmen von Einzel- und Gruppengesprächen durchgeführt. Insbesondere bei diesem Versicherten sei dies notwendig gewesen. Aus dem Entlassungsbericht ergäbe sich, dass Ziel auch die Diagnostik und Besserung von Folgeschäden der Abhängigkeitserkrankung, die Stabilisierung der körperlichen Leistungsfähigkeit und die Belastbarkeit sowie Entwicklung von Krankheitseinsicht und Abstinenzmotivation gelegen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6782,10 EUR nebst Zinsen gemäß § 108 Abs. 2 SGB X zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass sie als Krankenkasse für die durchgeführte Maßnahme nicht zuständig gewesen sei, denn im Vordergrund der Maßnahme hätten nicht medizinische Ziele und Mittel, sondern die berufliche und soziale Integration sowie die mittelbare Festigung des Erfolgs der Entzugsbehandlung gelegen. Rehabilitationsträger für Leistungen der medizinischen Rehabilitation könnten sowohl Krankenkassen als auch Träger der Sozialhilfe sein. Eine Zuständigkeit der Krankenkassen bestehe allein in der medizinischen Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, also der möglichst weit gehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben zu führen und die Anforderung des Alltages meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibe Aufgabe anderer Sozialleistungssystem. Die Zuständigkeit richte sich nach der Maßnahme als Ganzes. Es komme insofern auf eine schwerpunktmäßige Gesamtbetrachtung an. Danach scheide eine Zuständigkeit der Krankenkassen auch dann aus, wenn eine Festigung des Gesundheitszustandes mittelbarer Nebenzweck oder Nebeneffekt der Maßnahmen sei. Die Krankenkassen seien nur unter den Voraussetzungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Beklagte habe hierzu ergänzend auch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung befragt. Dieser sei in seiner Stellungnahme vom 6.2.2012 zu dem Ergebnis gekommen, dass die hier durchgeführte Maßnahme schwerpunktmäßig nicht im medizinischen Bereich gelegen habe. Dies werde auch durch den Bericht des Einrichtungsleiters vom 25.6.2012 bestätigt. Darin heißt es, "der Schwerpunkt der attraktiven Behandlung" habe auf der "Wiederherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben" gelegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst der beigezogenen Akten sowie die Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 24.09.2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als sog. echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig aber in der Sache unbegründet.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches ist § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. In Satz 1 bis 3 Halbsatz 1 der Vorschrift heißt es: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Die Bundesagentur für Arbeit leitet für die Klärung nach Satz 1 Anträge auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Feststellung nach § 11 Abs. 2 a Nr. 1 SGB VI an die Träger der Rentenversicherung nur weiter, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Träger der Rentenversicherung zur Leistung einer Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage verpflichtet sein könnte. Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, ist § 105 SGB X nicht anzuwenden."
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R: juris), der die Kammer folgt, besteht eine Zuständigkeit für Krankenkassen für die Kostentragung einer Adaptionsmaßnahme nur dann, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 9 bis 11 SGB VI nicht vorliegen, die Voraussetzungen der §§ 27 und 40 SGB V hingegen erfüllt sind. Die Zuständigkeit der Klägerin zur Adaptionsmaßnahme ist nur dann gegeben, wenn nach ihrem materiellen Recht der Versicherte die Leistung hätte beanspruchen können. § 40 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass es um eine medizinische Rehabilitationsleistung unter ständiger ärztlicher Verantwortung geht, bei denen nicht lediglich die Gewährung von Unterkunft in einem nichtgefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderung im Vordergrund stehen soll. Die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung besteht allein in der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V, also der möglichst weitgehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG, Urteil vom 26.06.2007 a.a.O.).
Wie sich aus § 40 ff, § 11 Abs. 2 SGB V ergibt, setzt medizinische Rehabilitation im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ihrem Hauptzweck nach eine stationäre Behandlung der Patienten voraus, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegen zu wirken (Vorsorge) oder um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Neben dieser Zielsetzung muss die Maßnahme erfordern, dass die Einrichtung in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung" steht und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastin, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkung zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigene Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl. auch SG Hamburg, Urt. v. 11.05.2017, S 48 KR 1763/15 (nicht veröffentlicht)).
Nach diesen Maßstäben stellte die streitgegenständliche Maßnahme keine medizinische Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung dar, denn im Vordergrund der Maßnahme standen die berufliche und soziale Teilhabe des Versicherten und nicht eine positive Einwirkung auf sein Krankheitsbild. Dies geschah allenfalls mittelbar, war aber nicht Ziel der Maßnahme.
Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Selbstbeschreibung des Einrichtungsleiters, den dieser an die Klägerin selbst richtete (Anl. K6, Bl. 21 d. A.). Dort heißt es, dass der Schwerpunkt der adaptiven Behandlung auf der Wiederherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben liege. Dies bedeute, dass die Patienten an einer vierwöchigen Arbeitserprobung mit einer Mindestzahl von 30 Stunden pro Woche teilnehmen würden. Dementsprechend sei der Therapieplan ausgerichtet.
Dies folgt ferner auch aus dem Entlassungsbericht vom 23.03.2012 (Anl. K8, Bl. 41 ff. d. A.). Soweit dort medizinische Befunde erwähnt werden, handelt es sich im Wesentlichen um die Wiedergabe der Vorbefunde (Ziffer 6 des Berichts). Schon in der quantitativen Erwähnung spielen medizinische Ziele eine untergeordnete Rolle (vgl. Ziffer 7.1a). Hingegen stehen im Vordergrund "Neuanfang in B., Wohnungssituation klären, sich weiter stabilisieren und Beziehung klären" (Ziffer 7.1). Darüber hinaus folgt eine ganze Auflistung nicht medizinischer Themenkomplexe, denen die Behandlung dienen soll (Ziffer 7.1 b und c). Schließlich erwähnt der Bericht über den Rehabilitationsverlauf, dass es um die Förderung einer Autonomieentwicklung gegangen sei. Neben der Arbeitserprobung hat der Versicherte dann auch noch ein umfangreiches Bewerbungstraining absolviert (Ziffer 8). Dass eine medizinische Rehabilitation im Sinne des SGB V hier nicht Ziel der Behandlung war folgt für die Kammer auch daraus, dass es in dem Bericht heißt, der psychische Befund bei Entlassung sei unverändert und dass die Behandlung hier um zwei Wochen verkürzt worden sei, da der Versicherte in ein betreutes Wohnen wechseln werde. Hierin kommt für die Kammer zum Ausdruck, dass das Ziel der Behandlung keine medizinische Rehabilitation sein kann, denn anderenfalls wäre es Aufgabe der Einrichtung gewesen, den Versicherten weiter zu stabilisieren und ihn nicht in eine sichere, betreute Einrichtung wechseln zu lassen, obwohl sich an seiner psychischen Situation nichts geändert habe. Aus Sicht der Kammer hat die Einrichtung damit dokumentiert, dass eine medizinische Rehabilitation nicht ihr Ziel und nicht ihre Leistung ist.
Dies deckt sich schließlich auch mit ihrer vertraglichen Verpflichtung, die sie gegenüber der Deutschen Rentenversicherung für den Regelfall eingegangen ist. Darin heißt es: "Die Rehabilitationseinrichtung berücksichtigt bei der Feststellung des individuellen Rehabilitationsbedarfs bzw. bei der Vereinbarung individueller Rehabilitationsziele insbesondere berufsorientierte Aspekte, um dem gesetzlichen Auftrag der Rentenversicherung, Erwerbsminderung zu vermeiden, im besonderen Maß Rechnung zu tragen." (Bl. 32 d. Verw.A.). Aus diesem Grund verfängt auch das Argument der Klägerin nicht, die Einrichtung(en) würden ihre Berichte den Bedürfnissen und Anforderungen der DRV anpassen und nicht alle medizinischen Aspekte würden sich daraus ergeben. Vielmehr wird anhand dieser vertraglichen Verpflichtung deutlich, dass das gesamte Konzept auf eine berufliche und soziale Rehabilitation und Teilhabe ausgerichtet ist. Damit erfüllt es aber die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 SGB V auch dann nicht, wenn mittelbar oder z. T. auch medizinische Aspekte Teil der Maßnahme sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung ist nicht gem. § 143 S. 1 SGG kraft Gesetzes zulässig, denn es handelt sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden und der Beschwerdewert übersteigt 10.000 EUR nicht (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Einer der Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine sog. Adaptionsmaßnahme.
Ein Hilfeempfänger der Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Wegen Abhängigkeit von verschiedenen Drogen (Kokain, Cannabis, Alkohol und Nikotin) wurde er am 2.11.2010 in die stationäre Langzeitentwöhnungsmaßnahme für Drogenabhängige der Fachklinik D. in L. aufgenommen. Die Kosten für diese Therapie übernahm zunächst die Beklagte.
Mit Schreiben vom 21.3.2011 beantragte die Fachklinik für den Versicherten bei der Beklagten eine Anschlussbehandlungen in adaptiver Form für den Zeitraum vom 2.5.2011 bis 1.8.2011. Die Beklagte leitete den Antrag mit Schreiben vom 2.5.2011 an die Klägerin weiter, die daraufhin mit Bescheid vom 10.5.2011 die Kosten für den Zeitraum bewilligte. Am 12.5.2011 entließ die Einrichtung den Versicherten disziplinarisch. Bezüglich dieses Aufenthaltes ist zwischen den Beteiligten ein weiterer Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hamburg mit dem Aktenzeichen S 28 KR 581/12 anhängig, der derzeit ruht.
Dem Versicherten war für den Zeitraum vom 20.03.2012 bis 19.06.2012 eine erneute externe Adaption in Form einer stationären Therapie in B. angeboten worden. Den entsprechenden Antrag leitete die Beklagte mit Schreiben vom 8.2.2012 unter Berufung auf ihre fehlende Zuständigkeit an die Klägerin weiter. Die Klägerin bewilligte als zweitangegangener Träger die Kosten für die Maßnahme mit Bescheid vom 2.4.2012 für den Zeitraum vom 20.3.2012 bis zum 19.6.2012. Mit Schreiben vom 13.04.2012 machte die Klägerin bei der Beklagten Kostenerstattung für die Maßnahme geltend. Die Beklagte wies den Anspruch der Klägerin mit Schreiben vom 9.5.2012 zurück und erklärte sich nicht für zuständig. Für die streitgegenständliche Behandlung entstanden Kosten i.H.v. 6.782,10 EUR.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zustehe, da die Beklagte als Trägerin der medizinischen Rehabilitation gemäß dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung vorrangig zuständig gewesen wäre. Es existiere eine Richtlinie des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) wonach die Rehabilitation von Drogenabhängigen eine Regeldauer von bis zu zehn Monaten habe. Hierbei werde ein zeitliches Verhältnis von Therapie und Adaption von sechs zu vier Monaten angenommen. Für die hier streitgegenständliche Adaptionsmaßnahme seien 13 Wochen veranschlagt worden was bedeute, dass sich die Adaptionsmaßnahme hier in der Regeldauer (das wären 16 Wochen) bewegt habe. Es handele sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme auch nicht um eine soziale oder berufliche, sondern vielmehr um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Darunter verstehe man einen ganzheitlichen Ansatz, der über das Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit hinaus auch die drohende Schädigung oder Beeinträchtigung in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft mit einbeziehen. Konkrete Aufgabe der medizinischen Rehabilitation sei es auch, eine angemessene Einstellung zur Erkrankung, die Anleitung und Schulung zum eigenverantwortlichen Umgang sowie eine Verhaltensmodifikation mit dem Ziel des Aufbaus einer krankheitsadäquaten und gesundheitsfördernden Lebensweise zu erreichen. Es handele sich bei Adaptionsmaßnahmen ganz grundsätzlich um aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen. Dabei könne es dahinstehen, ob die Rehabilitation selbst der Krankenbehandlung diene, denn auch im Rahmen der Adaptionsmaßnahme werde durch Einwirkung auf Rückfallrisiken wie Wohnungs- und Arbeitslosigkeit letztlich das Ziel der Entwöhnung und des suchtmittelfreien Lebens erreicht. Dies gelte umso mehr für die hier streitgegenständliche Adaptionsmaßnahme, was sich aus dem Entlassungsbericht der Klinik ergäbe. Die Einrichtung stehe in organisatorischer und institutioneller Hinsicht unter ständiger ärztlicher Verantwortung. Der Schwerpunkt liege zwar auf der Wiederherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben, nichtsdestotrotz werde parallel eine psychotherapeutische Weiterbehandlung im Rahmen von Einzel- und Gruppengesprächen durchgeführt. Insbesondere bei diesem Versicherten sei dies notwendig gewesen. Aus dem Entlassungsbericht ergäbe sich, dass Ziel auch die Diagnostik und Besserung von Folgeschäden der Abhängigkeitserkrankung, die Stabilisierung der körperlichen Leistungsfähigkeit und die Belastbarkeit sowie Entwicklung von Krankheitseinsicht und Abstinenzmotivation gelegen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6782,10 EUR nebst Zinsen gemäß § 108 Abs. 2 SGB X zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass sie als Krankenkasse für die durchgeführte Maßnahme nicht zuständig gewesen sei, denn im Vordergrund der Maßnahme hätten nicht medizinische Ziele und Mittel, sondern die berufliche und soziale Integration sowie die mittelbare Festigung des Erfolgs der Entzugsbehandlung gelegen. Rehabilitationsträger für Leistungen der medizinischen Rehabilitation könnten sowohl Krankenkassen als auch Träger der Sozialhilfe sein. Eine Zuständigkeit der Krankenkassen bestehe allein in der medizinischen Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, also der möglichst weit gehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben zu führen und die Anforderung des Alltages meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibe Aufgabe anderer Sozialleistungssystem. Die Zuständigkeit richte sich nach der Maßnahme als Ganzes. Es komme insofern auf eine schwerpunktmäßige Gesamtbetrachtung an. Danach scheide eine Zuständigkeit der Krankenkassen auch dann aus, wenn eine Festigung des Gesundheitszustandes mittelbarer Nebenzweck oder Nebeneffekt der Maßnahmen sei. Die Krankenkassen seien nur unter den Voraussetzungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Beklagte habe hierzu ergänzend auch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung befragt. Dieser sei in seiner Stellungnahme vom 6.2.2012 zu dem Ergebnis gekommen, dass die hier durchgeführte Maßnahme schwerpunktmäßig nicht im medizinischen Bereich gelegen habe. Dies werde auch durch den Bericht des Einrichtungsleiters vom 25.6.2012 bestätigt. Darin heißt es, "der Schwerpunkt der attraktiven Behandlung" habe auf der "Wiederherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben" gelegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst der beigezogenen Akten sowie die Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 24.09.2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als sog. echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig aber in der Sache unbegründet.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches ist § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. In Satz 1 bis 3 Halbsatz 1 der Vorschrift heißt es: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Die Bundesagentur für Arbeit leitet für die Klärung nach Satz 1 Anträge auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Feststellung nach § 11 Abs. 2 a Nr. 1 SGB VI an die Träger der Rentenversicherung nur weiter, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Träger der Rentenversicherung zur Leistung einer Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage verpflichtet sein könnte. Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, ist § 105 SGB X nicht anzuwenden."
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R: juris), der die Kammer folgt, besteht eine Zuständigkeit für Krankenkassen für die Kostentragung einer Adaptionsmaßnahme nur dann, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 9 bis 11 SGB VI nicht vorliegen, die Voraussetzungen der §§ 27 und 40 SGB V hingegen erfüllt sind. Die Zuständigkeit der Klägerin zur Adaptionsmaßnahme ist nur dann gegeben, wenn nach ihrem materiellen Recht der Versicherte die Leistung hätte beanspruchen können. § 40 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass es um eine medizinische Rehabilitationsleistung unter ständiger ärztlicher Verantwortung geht, bei denen nicht lediglich die Gewährung von Unterkunft in einem nichtgefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderung im Vordergrund stehen soll. Die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung besteht allein in der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V, also der möglichst weitgehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG, Urteil vom 26.06.2007 a.a.O.).
Wie sich aus § 40 ff, § 11 Abs. 2 SGB V ergibt, setzt medizinische Rehabilitation im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ihrem Hauptzweck nach eine stationäre Behandlung der Patienten voraus, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegen zu wirken (Vorsorge) oder um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Neben dieser Zielsetzung muss die Maßnahme erfordern, dass die Einrichtung in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung" steht und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastin, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkung zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigene Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl. auch SG Hamburg, Urt. v. 11.05.2017, S 48 KR 1763/15 (nicht veröffentlicht)).
Nach diesen Maßstäben stellte die streitgegenständliche Maßnahme keine medizinische Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung dar, denn im Vordergrund der Maßnahme standen die berufliche und soziale Teilhabe des Versicherten und nicht eine positive Einwirkung auf sein Krankheitsbild. Dies geschah allenfalls mittelbar, war aber nicht Ziel der Maßnahme.
Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Selbstbeschreibung des Einrichtungsleiters, den dieser an die Klägerin selbst richtete (Anl. K6, Bl. 21 d. A.). Dort heißt es, dass der Schwerpunkt der adaptiven Behandlung auf der Wiederherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben liege. Dies bedeute, dass die Patienten an einer vierwöchigen Arbeitserprobung mit einer Mindestzahl von 30 Stunden pro Woche teilnehmen würden. Dementsprechend sei der Therapieplan ausgerichtet.
Dies folgt ferner auch aus dem Entlassungsbericht vom 23.03.2012 (Anl. K8, Bl. 41 ff. d. A.). Soweit dort medizinische Befunde erwähnt werden, handelt es sich im Wesentlichen um die Wiedergabe der Vorbefunde (Ziffer 6 des Berichts). Schon in der quantitativen Erwähnung spielen medizinische Ziele eine untergeordnete Rolle (vgl. Ziffer 7.1a). Hingegen stehen im Vordergrund "Neuanfang in B., Wohnungssituation klären, sich weiter stabilisieren und Beziehung klären" (Ziffer 7.1). Darüber hinaus folgt eine ganze Auflistung nicht medizinischer Themenkomplexe, denen die Behandlung dienen soll (Ziffer 7.1 b und c). Schließlich erwähnt der Bericht über den Rehabilitationsverlauf, dass es um die Förderung einer Autonomieentwicklung gegangen sei. Neben der Arbeitserprobung hat der Versicherte dann auch noch ein umfangreiches Bewerbungstraining absolviert (Ziffer 8). Dass eine medizinische Rehabilitation im Sinne des SGB V hier nicht Ziel der Behandlung war folgt für die Kammer auch daraus, dass es in dem Bericht heißt, der psychische Befund bei Entlassung sei unverändert und dass die Behandlung hier um zwei Wochen verkürzt worden sei, da der Versicherte in ein betreutes Wohnen wechseln werde. Hierin kommt für die Kammer zum Ausdruck, dass das Ziel der Behandlung keine medizinische Rehabilitation sein kann, denn anderenfalls wäre es Aufgabe der Einrichtung gewesen, den Versicherten weiter zu stabilisieren und ihn nicht in eine sichere, betreute Einrichtung wechseln zu lassen, obwohl sich an seiner psychischen Situation nichts geändert habe. Aus Sicht der Kammer hat die Einrichtung damit dokumentiert, dass eine medizinische Rehabilitation nicht ihr Ziel und nicht ihre Leistung ist.
Dies deckt sich schließlich auch mit ihrer vertraglichen Verpflichtung, die sie gegenüber der Deutschen Rentenversicherung für den Regelfall eingegangen ist. Darin heißt es: "Die Rehabilitationseinrichtung berücksichtigt bei der Feststellung des individuellen Rehabilitationsbedarfs bzw. bei der Vereinbarung individueller Rehabilitationsziele insbesondere berufsorientierte Aspekte, um dem gesetzlichen Auftrag der Rentenversicherung, Erwerbsminderung zu vermeiden, im besonderen Maß Rechnung zu tragen." (Bl. 32 d. Verw.A.). Aus diesem Grund verfängt auch das Argument der Klägerin nicht, die Einrichtung(en) würden ihre Berichte den Bedürfnissen und Anforderungen der DRV anpassen und nicht alle medizinischen Aspekte würden sich daraus ergeben. Vielmehr wird anhand dieser vertraglichen Verpflichtung deutlich, dass das gesamte Konzept auf eine berufliche und soziale Rehabilitation und Teilhabe ausgerichtet ist. Damit erfüllt es aber die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 SGB V auch dann nicht, wenn mittelbar oder z. T. auch medizinische Aspekte Teil der Maßnahme sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung ist nicht gem. § 143 S. 1 SGG kraft Gesetzes zulässig, denn es handelt sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden und der Beschwerdewert übersteigt 10.000 EUR nicht (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Einer der Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
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