Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AS 1845/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1430/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.07.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den auf einstweilige Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung gerichteten Eilantrag zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung dieser Kosten sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dies gilt auch für den im Beschwerdeverfahren erstmalig gestellten Antrag auf Übernahme der für die Abmahnung entstandenen Kosten.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Überzeugung des erkennenden Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B V 23/01 B, Rn. 5 bei juris).
Jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat der Antragsteller hinsichtlich der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens noch streitigen Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung und der nunmehr beantragten Kosten der Abmahnung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wesentliche Nachteile, die durch die einstweilige Anordnung abzuwenden sind, sind diesbezüglich nicht ersichtlich. Solche relevanten Nachteile können allerdings nicht erst mit Rechtshängigkeit einer Räumungsklage angenommen werden. Im Rahmen einer wertenden Betrachtung ist vielmehr zu berücksichtigen, dass der Anspruch nach § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über die Verhinderung der bloßen Obdachlosigkeit hinaus das Existenzminimum sicherstellen soll und dazu auch gehört, den gewählten Wohnraum in einem bestehenden sozialen Umfeld nach Möglichkeit zu erhalten. Es sind deshalb alle negativen finanziellen, sozialen, gesundheitlichen oder sonstigen Folgen zu berücksichtigen, die der Verlust der konkreten Wohnung für den Betroffenen hat (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG)., Beschluss vom 01.08.2017 - 1 BvR 1910/12, Rn. 16 bei juris). Dabei ist auch zu beachten, dass nach Rechtshängigkeit einer Räumungsklage der Verlust der Wohnung möglicherweise nicht mehr sicher abgewendet werden kann, weil eine nachträgliche Zahlung des rückständigen Mietzinses nicht pauschal dazu führt, dass eine ordentliche Kündigung unwirksam wird (BVerfG, Beschluss vom 01.08.2017 - 1 BvR 1910/12, Rn. 18 bei juris). Bereits bei einer drohenden ordentlichen Kündigung kann deshalb ein Anordnungsgrund gegeben sein. Auch die Gefahr einer solchen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses und eines damit verbundenen drohenden Verlustes der Wohnung hat der Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht. Er hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens lediglich eine schriftliche Abmahnung seines Vermieters vom 23.07.2018 vorgelegt, nach der seine Mitbewohnerin und er die Miete für den Monat Juli 2018 schuldig geblieben sind. Es wurde eine Zahlungsfrist bis zum 27.07.2018 gesetzt. Ob der Antragsteller und seine Mitbewohnerin den Rückstand im Rahmen dieser Frist beglichen haben, ist dem Senat nicht bekannt. Eine weitere Stellungnahme des Antragstellers - auch zu den Ausführungen des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 31.08.2018 - hat der Antragsgegner bis heute nicht abgeben. Aus der vom Antragsteller vorgelegten Abmahnung ergibt sich aber nicht einmal die Gefahr einer ordentlichen Kündigung, weil eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht möglich ist, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt. Die Grenze zu einer "nicht unerheblichen" Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch BGB) ist dann noch nicht überschritten (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12, Rn. 20 bei juris). Ein Mietrückstand von mehr als einer Monatsmiete und ein Zahlungsverzug von mehr als einem Monat ergeben sich aus der Abmahnung aber gerade nicht. Weitere Unterlagen, die einen zwischenzeitlich eingetretenen höheren Mietrückstand und damit auch die Gefahr einer drohenden Kündigung belegen, hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Er hat auch keine Stellungnahme dazu abgegeben, inwieweit der Mietrückstand für Juli zwischenzeitlich, etwa durch die Mitmieterin des Antragstellers, die sich nach seiner Aussage mit monatlich 300,- Euro an den Kosten für Miete, Internet, Strom und Telefon beteiligt, beglichen worden ist. Wesentliche Nachteile, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordern, sind daher nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Gegen solche Nachteile spricht auch, dass der Antragsteller das Beschwerdeverfahren seit mehr als sechs Wochen nicht mehr weiter betreibt. Wer geltend macht, ohne eine schnelle gerichtliche Entscheidung von schweren und unzumutbaren Nachteilen unmittelbar bedroht zu sein, von dem ist zu erwarten, dass er alles ihm Mögliche sowie nach den konkreten Umständen des Einzelfalls Zumutbare unternimmt, um die ihm drohenden Nachteile nicht eintreten zu lassen. Fehlt es ersichtlich an derartigen Bemühungen, führt auch dieses Verhalten zu erheblichen Zweifeln am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II im Streit ist und der Antragsteller ohne weiteres dazu in der Lage wäre, eine weitere Verschlechterung der mietvertraglichen Situation durch Vorlage entsprechender Unterlagen glaubhaft zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den auf einstweilige Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung gerichteten Eilantrag zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung dieser Kosten sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dies gilt auch für den im Beschwerdeverfahren erstmalig gestellten Antrag auf Übernahme der für die Abmahnung entstandenen Kosten.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Überzeugung des erkennenden Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B V 23/01 B, Rn. 5 bei juris).
Jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat der Antragsteller hinsichtlich der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens noch streitigen Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung und der nunmehr beantragten Kosten der Abmahnung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wesentliche Nachteile, die durch die einstweilige Anordnung abzuwenden sind, sind diesbezüglich nicht ersichtlich. Solche relevanten Nachteile können allerdings nicht erst mit Rechtshängigkeit einer Räumungsklage angenommen werden. Im Rahmen einer wertenden Betrachtung ist vielmehr zu berücksichtigen, dass der Anspruch nach § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über die Verhinderung der bloßen Obdachlosigkeit hinaus das Existenzminimum sicherstellen soll und dazu auch gehört, den gewählten Wohnraum in einem bestehenden sozialen Umfeld nach Möglichkeit zu erhalten. Es sind deshalb alle negativen finanziellen, sozialen, gesundheitlichen oder sonstigen Folgen zu berücksichtigen, die der Verlust der konkreten Wohnung für den Betroffenen hat (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG)., Beschluss vom 01.08.2017 - 1 BvR 1910/12, Rn. 16 bei juris). Dabei ist auch zu beachten, dass nach Rechtshängigkeit einer Räumungsklage der Verlust der Wohnung möglicherweise nicht mehr sicher abgewendet werden kann, weil eine nachträgliche Zahlung des rückständigen Mietzinses nicht pauschal dazu führt, dass eine ordentliche Kündigung unwirksam wird (BVerfG, Beschluss vom 01.08.2017 - 1 BvR 1910/12, Rn. 18 bei juris). Bereits bei einer drohenden ordentlichen Kündigung kann deshalb ein Anordnungsgrund gegeben sein. Auch die Gefahr einer solchen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses und eines damit verbundenen drohenden Verlustes der Wohnung hat der Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht. Er hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens lediglich eine schriftliche Abmahnung seines Vermieters vom 23.07.2018 vorgelegt, nach der seine Mitbewohnerin und er die Miete für den Monat Juli 2018 schuldig geblieben sind. Es wurde eine Zahlungsfrist bis zum 27.07.2018 gesetzt. Ob der Antragsteller und seine Mitbewohnerin den Rückstand im Rahmen dieser Frist beglichen haben, ist dem Senat nicht bekannt. Eine weitere Stellungnahme des Antragstellers - auch zu den Ausführungen des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 31.08.2018 - hat der Antragsgegner bis heute nicht abgeben. Aus der vom Antragsteller vorgelegten Abmahnung ergibt sich aber nicht einmal die Gefahr einer ordentlichen Kündigung, weil eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht möglich ist, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt. Die Grenze zu einer "nicht unerheblichen" Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch BGB) ist dann noch nicht überschritten (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12, Rn. 20 bei juris). Ein Mietrückstand von mehr als einer Monatsmiete und ein Zahlungsverzug von mehr als einem Monat ergeben sich aus der Abmahnung aber gerade nicht. Weitere Unterlagen, die einen zwischenzeitlich eingetretenen höheren Mietrückstand und damit auch die Gefahr einer drohenden Kündigung belegen, hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Er hat auch keine Stellungnahme dazu abgegeben, inwieweit der Mietrückstand für Juli zwischenzeitlich, etwa durch die Mitmieterin des Antragstellers, die sich nach seiner Aussage mit monatlich 300,- Euro an den Kosten für Miete, Internet, Strom und Telefon beteiligt, beglichen worden ist. Wesentliche Nachteile, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordern, sind daher nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Gegen solche Nachteile spricht auch, dass der Antragsteller das Beschwerdeverfahren seit mehr als sechs Wochen nicht mehr weiter betreibt. Wer geltend macht, ohne eine schnelle gerichtliche Entscheidung von schweren und unzumutbaren Nachteilen unmittelbar bedroht zu sein, von dem ist zu erwarten, dass er alles ihm Mögliche sowie nach den konkreten Umständen des Einzelfalls Zumutbare unternimmt, um die ihm drohenden Nachteile nicht eintreten zu lassen. Fehlt es ersichtlich an derartigen Bemühungen, führt auch dieses Verhalten zu erheblichen Zweifeln am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II im Streit ist und der Antragsteller ohne weiteres dazu in der Lage wäre, eine weitere Verschlechterung der mietvertraglichen Situation durch Vorlage entsprechender Unterlagen glaubhaft zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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