L 16 KR 445/17 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 187/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 445/17 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.06.2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 356,86 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.06.2017 ist nicht begründet.

Gemäß § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Berufung ist daher nicht kraft Gesetzes statthaft, weil Streitgegenstand des Verfahrens allein der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) Vergütung für eine stationäre Behandlung in Höhe von 356,86 EUR ist.

Die Berufung ist auch nicht gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Keiner dieser enumerativen Zulassungsgründe liegt hier vor.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Diese liegt nach § 144 Abs. 2 Nr.1 SGG vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist bzw. wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten. Das kann der Fall sein, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf eine Wiederholung ähnlicher Fälle erwünscht ist bzw. wenn von einer derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist. Die Weiterentwicklung des Rechts wird dabei gefördert, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesvorschriften aufzustellen oder Lücken zu füllen oder wenn die Entscheidung Orientierungshilfe für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähger Sachverhalte geben kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 28 und § 160 Rn. 6 ff.). Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass es sich bei der aufgeworfenen Rechtsfrage um eine Zweifelsfrage handelt und mithin Rechtsunsicherheit besteht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 28, § 160 Rn. 8 ff.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Im vorliegenden Verfahren geht es nicht streitentscheidend um die nach wie vor umstrittene Frage, ob die Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG die Vereinbarung materiell-rechtlicher Ausschlussfristen (hier zu Gunsten der Krankenkassen) erlaubt (vgl. hierzu etwa SG Dortmund, Urteil vom 05.05.2017 - S 49 KR 580/16, juris; SG Reutlingen, Urteil vom 11.01.2017 - S 1 KR 3109/15, juris; SG Reutlingen, Urteil vom 08.11.2017 - S 1 KR 364/17, juris Rn. 45 ff.; SG Kassel, Gerichtsbescheid vom 25.11.2016 - S 12 KR 594/15, juris Rn. 41 ff.). Ob dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt und inwieweit insbesondere der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.04.2016 (B 1 KR 33/15 R, juris Rn. 10 ff.), wonach das Wirtschaftlichkeitsgebot es verbietet, Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser über die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben hinaus zeitlich einzuschränken, rechtlich richtungsweisende Aussagen hinsichtlich der Möglichkeit nachträglicher Rechnungskorrektur durch die Krankenhäuser zu entnehmen sein könnten (so etwa SG Kassel a.a.O. Rn. 43), lässt der Senat hier dahinstehen. Ob und inwieweit § 7 Abs. 5 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG eine Ausschlussfrist regelt, ist vorliegend nur insoweit relevant, als streitentscheidend die Frage zu klären ist, ob eine Rechnungskorrektur nach Abschluss der Prüfung durch den MDK, aber noch vor Ablauf der 5-Monatsfrist des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV in der zum 01.09.2014 mit Wirkung für Behandlungsfälle ab dem 01.09.2015 in Kraft getretenen Fassung in Betracht kommt, insoweit regelte die PrüfvV in der hier maßgeblichen Fassung, dass die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV einmalig möglichen Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen hat, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 PrüfvV an die Kasse erfolgen. Vorliegend ist unstreitig, dass die 5-Monatsfrist nach Einleitung des Prüfverfahrens am 27.07.2016 zum Zeitpunkt der Rechnungskorrektur unter dem 19.10.2016 noch nicht abgelaufen war. Die PrüfvV vom 03.02.2016, in Kraft getreten mit dem 01.01.2017, sieht in § 7 Abs. 5 Satz 3 nunmehr vor, dass bei Beendigung der Begutachtung vor Ablauf der 5-Monatsfrist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich ist. Die entsprechende Auslegung der bis zum 31.12.2016 geltenden Regelungen der PrüfvV kommt nicht in Betracht. Es lag eben keine Regelung dergestalt vor, dass die 5-Monatsfrist nur gelten solle, solange der MDK noch prüft. Soweit die Beklagte hier auf § 8 Satz 1 PrüfvV ("abschließende Regelung") rekurriert, wird hinsichtlich der tatsächlichen Umstände darauf hingewiesen, dass eine abschließende Entscheidung der Krankenkasse nach Aktenlage vor Rechnungskorrektur nicht erfolgte, sondern der Klägerin allein das Gutachten des MDK vom 11.10.2016 vorlag. Jedenfalls kommt der Auslegung von § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV a.F. angesichts der erfolgten Neuregelung hinsichtlich der Problematik, was für Korrekturen bei Abschluss der Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der 5-Monatsfrist zu gelten hat, keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) zu.

Das Urteil des SG beruht - entgegen der nicht weiter untermauerten Behauptung der Beklagten - auch nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des GmS-OGB oder des BVerfG. Eine Divergenz i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG setzt voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Ein abstrakter Rechtssatz liegt nur vor bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf Würdigung des Einzelfalles bezogenen rechtlichen Aussage (vgl. nur Leitherer a.a.O., § 160 Rn. 13 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BSG). Für die Annahme einer Divergenz genügt es mithin nicht, dass die angefochtene Entscheidung deshalb unrichtig ist, weil sie nicht den Kriterien entspricht, die das LSG, das BSG, der GmS-OBG oder das BVerfG aufgestellt haben (Fichte in Breitkreutz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 160 Rn. 39 f.; Frehse in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 144 Rn. 18, jeweils m.w.N.) oder das Sozialgericht eine Rechtsfrage übersehen hat (Leitherer a.a.O., § 160 Rn. 14 m.w.N.).

Insoweit wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Rechnung vom 13.07.2016 zum einen unter Vorbehalt erfolgte und noch vor Abschluss des Rechnungsjahres. Es ist insbesondere - unabhängig davon, dass das Sozialgericht sich explizit auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beruft und einen von dieser abweichenden Rechtssatz nicht aufgestellt hat - nicht erkennbar, dass und welcher Art sich die Beklagte nach der erteilten Schlussrechnung darauf eingestellt haben soll, dass die Klägerin im noch laufenden Geschäfts- bzw. Rechnungsjahr keine Nachforderung geltend machen werde (BSG, Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 33/15 R = BSGE 121, 101-107, Rn. 20; vgl. zu Nachforderungen nach Ablauf eines Geschäftsjahrs etwa BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 27 Rn. 14; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19).

Soweit die Beklagte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht, weist der Senat darauf hin, dass sie bereits vor dem in dem angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Gerichtsbescheid vom 27.04.2017 auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Köln (S 23 KN 108/15 KR) und des Sozialgerichts Reutlingen (S 1 KR 3109/15) hingewiesen hatte. Unabhängig davon, dass die Entscheidung des Sozialgerichts Köln bereits deshalb nicht einschlägig sein dürfte, als sie sich nicht zu § 7 Abs. 5 PrüfvV, sondern zu § 7 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 PrüfvV verhält, verpflichtet das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs das Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen von Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es ist erst verletzt, wenn sich klar ergibt, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung gar nicht erwogen worden ist. Andererseits muss sich ein Gericht nicht ausdrücklich mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen auch ohne explizite Erwähnung für unerheblich gehalten hat (BSG, Beschluss vom 12.12.2011 - B 13 R 411/10 B, juris Rn. 22). Jedenfalls Letzteres ist hier der Fall. Das Sozialgericht ist - wobei irrelevant ist, ob rechtlich im Ergebnis zutreffend oder nicht - unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Verstoß gegen die PrüfvV nicht vorliegt. Hierzu finden sich bereits in dem dem angefochtenen Urteil vorangegangenen Gerichtsbescheid Ausführungen. Das Sozialgericht war ausgehend von seiner Rechtsauffassung nicht verpflichtet, die von der Beklagten für ihre Rechtsauffassung angeführten Ausführungen anderer Sozialgerichte explizit zu würdigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 3, 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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