S 12 KA 103/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 103/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine frühere strafrechtliche Verurteilung steht der Anstellung eines Arztes nicht entgegen, wenn die Auskunft aus dem Strafregister aufgrund der Tilgung ohne Eintragung ist.
2. Eine Praxisnachfolge durch 65 und 66 Jahre alte Ärzte begründet nicht die Vermutung, es fehle an einem Fortführungswillen. Eine „Platzhalterfunktion“ bedarf der Substantiierung und des Nachweises.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 9) und 10) zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer aktiven Konkurrentenklage um die Praxisnachfolge in den Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 8), Facharzt für HNO-Heilkunde im Planungsbereich A-Stadt.

Der 1972 geb. und jetzt 46-jährige Kläger ist seit 01.08.2003 approbiert und seit 30.01.2008 Facharzt für HNO-Heilkunde. Er war nach seiner Facharztanerkennung von Juli 2008 bis März 2009 Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie, Venologie und Allergologie G-Stadt, anschließend bis Dezember 2012 Oberarzt in der HNO-Abteilung des Klinikums der Stadt H. und anschließend Oberarzt der HNO-Klinik der Universität A-Stadt. Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ließ den Kläger mit Beschluss vom 19.03.2014 zur gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit Herrn Dr. med. J. gem. § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V (sog. Job-Sharing) mit Wirkung zum 01.04.2013 zu. Praxissitz ist A-Stadt, A-Straße. Er ist in die Warteliste seit 12.11.2011 eingetragen.

Herr C., Beigeladener zu 8), Facharzt für HNO-Heilkunde, war Mitglied der Beigeladenen zu 9), einer Berufsausübungsgemeinschaft mit zwei weiteren HNO-Ärzten mit zusammen 2 ½ Versorgungsaufträgen. Er hatte einen vollen Versorgungsauftrag. Herr Dr. K. verfügt über einen ganzen und der zu 10) beigeladene Herr Dr. D. über einen hälftigen Versorgungsauftrag. Zwischen Herrn Dr. D. und Herrn Dr. L. als angestelltem Arzt bestand ein sog. Job-Sharing-Verhältnis.

Der Beigeladene zu 8) schied zum 30.06.2017 aus der Berufsausübungsgemeinschaft aus und beantragte die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes. Neben dem Kläger und einem weiteren Arzt bewarben sich die Beigeladene zu 9) als verbliebene Berufsausübungsgemeinschaft zur Beschäftigung des Dr. L. als angestellter Arzt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und der Beigeladene zu 10) mit dem Antrag auf Aufhebung der Beschränkung der Zulassung nach § 19a Abs. 3 Ärzte-ZV für einen weiteren hälftigen Versorgungsauftrag.

Herr Dr. L., geb. 1952 und jetzt 66 Jahre alt, ist seit 16.11.1978 approbierter Arzt. Seine Facharztanerkennung als HNO-Arzt erhielt er am 29.11.1983. Seitdem war er als Oberarzt und Stellvertreter des Chefarztes tätig und erhielt im Januar 1986 die Anerkennung der Zusatzbezeichnung "plastische Operationen". Ab März 1986 übte er eine Praxistätigkeit in der HNO-Praxis Dr. M. aus und übernahm ab Mai 1986 die Praxis. Daneben war er Belegarzt am Kreiskrankenhaus in M-Stadt. Nach Verurteilung im Jahr 1992 war er fünf Jahre in Haft. Seit 2003 übte er auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 10 BÄO regelmäßig ärztliche Tätigkeiten in der Praxis Dres. N. in N-Stadt aus. Am 04.06.2013 erlangte er seine Approbation als Arzt wieder und übernahm seit Juni 2013 regelmäßig Praxisvertretungen im HNO-Haus A-Stadt, der Praxis der Beigeladenen zu 9). Seit November 2013 war er als Sicherstellungsassistent in der Praxis Dr. O., HNO-Arzt in O-Stadt tätig und übernahm regelmäßig Praxisvertretungen in P-Stadt, in der HNO-Praxis Dr. P. sowie in Q-Stadt in der Praxis Dr. Q. Seit April 2017 ist er angestellter Arzt der Beigeladenen zu 9), inklusive belegärztlicher Tätigkeit im R-krankenhaus. Ein Eintrag in die Warteliste gem. § 103 Abs. 5 SGB V besteht nicht. Die Beigeladene zu 9) ist vom Praxisabgeber, dem Beigeladenen zu 8), als Wunschnachfolger benannt worden.

Der Beigeladenen zu 10), Herr Dr. med. D. D., geb. 1953 und jetzt 65 Jahre alt, ist seit dem 04.05.1979 approbierter Arzt. Seine Facharztanerkennung zum HNO-Arzt erhielt er am 26.08.1987. Von August 1983 bis September 1987 war er Weiterbildungsassistent an den Städtischen Kliniken S-Stadt, Hals-Nasen-Ohrenklinik. Er war dort zuletzt als Oberarzt tätig. Nach einer Vorbereitungsphase auf die HNO-Praxisgründung ist er seit Februar 1988 bis heute niedergelassener HNO-Arzt in A-Stadt. Er ist Gesellschafter der zu 9) beigeladenen Berufsausübungsgemeinschaft. Ein Eintrag in die Warteliste gem. § 103 Abs. 5 SGB V besteht nicht. Dr. D. ist vom Praxisabgeber, dem Beigeladenen zu 8), ebf. als Wunschnachfolger benannt worden.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab mit Beschluss vom 12.09.2017 den Anträgen der Beigeladenen zu 9) und 10) statt und lehnte die übrigen Anträge ab, darunter auch den Antrag des Klägers. Er genehmigte die Beschäftigung des Dr. L. als angestellter Arzt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und hob die Beschränkung der Zulassung nach § 19a Ärzte-ZV auf, jeweils zur Übernahme des gem. § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebenen Berufsausübungsgemeinschaftsanteils des Beigeladenen zu 8) mit Wirkung zum 01.10.2017. Zur Begründung führte er u.a. aus, besonderes Augenmerk habe er bei seiner Auswahlentscheidung auf die Fortführung der Praxis und die Interessen der ehemaligen Partner des Praxisabgebers gelegt. Zwar habe der Kläger seine Bereitschaft erklärt, in die bestehende Berufsausübungsgemeinschaft einzutreten. Allerdings sei dies nicht allein von seinem Willen abhängig. Lägen wie hier Anträge auf Übernahme des ausgeschriebenen Sitzes der bisherigen Partner der Berufsausübungsgemeinschaft vor, spreche dies deutlich mehr dafür, dass das Praxisgefüge konstant fortgeführt werde. Die Weiterführung der vorhandenen Strukturen sei im Hinblick auf die Patientenversorgung zu sehen. Sowohl Herr Dr. L., der bereits als Angestellter in der Praxis tätig gewesen sei, als auch der Beigeladene zu 10) selbst, wie auch die Praxis insgesamt, sei den Patienten bereits bekannt. Abschließend habe er auch berücksichtigt, dass der Praxisabgeber selbst seine ehemaligen Partner als Wunschnachfolger benannt habe.

Hiergegen legte der Kläger am 05.10.2017 Widerspruch ein. Zur Begründung seines Widerspruchs führte er mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 06.12.2017 aus, es bestehe bereits nicht der gesetzlich vorgeschriebene Fortführungswille, sondern es handele sich ausschließlich um die Kapitalisierung des Vertragsarztsitzes, was vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt sei. Zum anderen habe der Zulassungsausschuss die gesetzlich vorgeschriebene Auswahl zwischen den Bewerbern nicht vorgenommen, da er seine Entscheidung nicht anhand der gesetzlich vorgegebenen Kriterien vorgenommen habe, sondern der Berufsausübungsgemeinschaft allein den Vorzug gewährt habe, weil der Praxisabgeber zuvor in der Berufsausübungsgemeinschaft tätig gewesen sei. Ein Bewerber müsse die Praxis nicht nur fortführen können, sondern auch fortführen wollen. Gerade bei Ärzten, die das Rentenalter erreicht hätten, bzw. demnächst erreichen würden, gebe dies Anlass zur Prüfung, ob der Arzt tatsächlich noch langfristig an der Versorgung der Versicherten teilnehmen wolle oder ob lediglich ein unzulässiger "Platzhalter" installiert werden solle. Diese Prüfung sei vom Zulassungsausschuss gerade nicht erfolgt. Eine dauerhafte Zusammenarbeit im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft sei erkennbar nicht angestrebt, vielmehr solle für einen derzeit noch nicht zulassungsfähigen Dritten die Arztstelle bzw. nach einer Umwandlung eine Zulassung in der Praxis "gesichert" werden. Da ein solches "Parken" der Zulassung mit vertragsarztrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar sei, müsste sichergestellt werden, dass die Funktion der Nachfolgezulassung – auf Dauer angelegte Fortführung der Versorgung der Versicherten – gewährleistet sei. Der Zulassungsausschuss habe entgegen den gesetzlichen Vorgaben die Bewerber nicht miteinander verglichen, sondern bei seiner Entscheidung lediglich das bestehende Praxisgepräge und das besondere Interesse der Partner der Berufsausübungsgemeinschaft zu Grunde gelegt.

Die Beigeladene zu 9) trug mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.01.2018 vor, der Zulassungsausschuss habe bei seiner Auswahlentscheidung auch die Kriterien der fachlichen Eignung, des Approbationsalters, der Dauer der ärztlichen/fachärztlichen Tätigkeit sowie die Eintragung in die Warteliste berücksichtigt. Hinsichtlich Dr. L. sei auch berücksichtigt worden, dass dieser seit Juni 2013 regelmäßige Praxisvertretungen bei der Beigeladenen übernommen habe. Seit April 2017 sei er als angestellter Arzt für die Beigeladene tätig. Sie habe nie die Absicht gehabt, eine Berufsausübungsgemeinschaft mit dem Kläger einzugehen. Anhand verschiedener Kriterien habe der Zulassungsausschuss den weiteren Arzt ausgeschieden und habe keine weitere Differenzierungsmöglichkeit zwischen den übrigen Bewerbern gesehen. Erst dann habe er aus Versorgungsgesichtspunkten auf Fortführung der bisherigen Praxis als ausschlaggebendes Kriterium abgestellt. Sowohl die Beigeladene zu 9) als auch Herr Dr. L. seien mit den Patienten des ausgeschiedenen Arztes vertraut. Ein Blick in die Übersicht/Karte der HNO-Ärzte in A-Stadt zeige, dass der Kläger, der seinen Praxissitz in der Innenstadt habe, zu einer weiteren Überversorgung der HNO-ärztlichen Versorgung im Stadtzentrum beitragen würde, die Versorgung in T-Stadt, ihrem Sitz, würde dagegen abschmelzen. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere Herr Dr. D. keinen Fortführungswillen habe. Es könne nicht allein auf das Alter des Bewerbers abgestellt werden. Auch ein jüngerer Bewerber sei nicht daran gehindert, nach kürzerer oder längerer Zeit die Praxis zu verlegen. Allein aus dem jüngeren Alter des Klägers lasse sich daher nicht schlussfolgern, dass dieser länger vertragsärztlich tätig sein wolle als der Beigeladene zu 10). Der Beigeladene zu 10) beabsichtige, noch über die 2009 abgeschaffte Altersgrenze von 68 Jahren hinaus vertragsärztlich tätig zu sein.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 24.01.2018, ausgefertigt am 06.03.2018, den Widerspruch des Klägers zurück. Ferner ordnete er die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Zur Begründung führte er aus, nach Maßgabe der vorgeschriebenen Kriterien erweise sich die Entscheidung des Zulassungsausschusses als zutreffend. Sie sei in vollem Umfang zu bestätigen. Alle Bewerber verfügten über die erforderliche berufliche Eignung. Auch hinsichtlich des Approbationsalters bzw. der Dauer der ärztlichen Tätigkeit bestehe eine Gleichwertigkeit. Der Kläger verfüge seit dem Januar 2008 über den Facharzttitel als HNO-Arzt, der Beigeladene zu 10) habe seine Facharztanerkennung im Jahr 1987 erworben, Herr Dr. L. im Jahre 1983. Damit verfügten alle Bewerber über eine mindestens fünfjährige Erfahrung als Facharzt. Hiergegen könne auch nicht eingewandt werden, dass Herr Dr. L. erst seit Juni 2013 wieder über eine Approbation als Arzt verfüge und damit seit diesem Zeitpunkt weniger als fünf Jahre vergangen seien. Das relevante Erfahrungswissen auf Grund einer Berufstätigkeit werde auch mit entsprechenden Unterbrechungen erworben. Es komme nicht darauf an, ob die ärztliche oder fachärztliche Tätigkeit in der Vergangenheit unterbrochen worden sei. Nicht relevant sei auch die Frage, welchen Hintergrund die Haftstrafe des Herrn Dr. L. gehabt habe, die sich aus dem Lebenslauf ergebe und die möglicherweise Hintergrund des zeitweiligen Approbationsentzugs gewesen sei. Herr Dr. L. habe ein Führungszeugnis gem. § 30 Abs. 5 BZRG vorgelegt, welches keine Eintragungen aufweise. Darüber hinaus sei er wieder im Besitz einer Approbation als Arzt. Soweit den Zulassungsgremien sowohl die Approbation wie auch ein Führungszeugnis ohne Eintragung vorgelegt werde, seien die entsprechenden Bewerber als unbescholten zu behandeln. Es ergebe sich zum einen aus den Vorgaben des BZRG selbst wie auch aus dem Umstand, dass die Persönlichkeitsrechte der jeweiligen Bewerber zu achten seien, wenn das vorgelegte Führungszeugnis keinen Eintrag aufweise. Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass alle drei Ärzte hinsichtlich ihrer beruflichen Eignung, des Approbationsalters und der Dauer der ärztlichen Tätigkeit als gleichwertig zu betrachten seien. Zu Gunsten des Klägers sei zu würdigen, dass dieser seit dem Jahr 2011 in die Warteliste eingetragen sei, während derartige Einträge für die beiden weiteren Ärzte nicht existierten. Eine Gewichtung der Kriterien sei seitens des Gesetzgebers nicht vorgegeben. Diese sei den Zulassungsgremien im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums überlassen. Zu Gunsten der Anstellung des Herrn Dr. L. sowie des Antrags des Beigeladenen zu 10) auf Aufstockung seines eigenen Versorgungsauftrags von 0,5 auf 1,0 spreche die Tatsache, dass es sich bei der Berufsausübungsgemeinschaft um Partner des ausgeschiedenen Arztes handele. Diese Tatsache stelle einen eigenständigen Privilegierungstatbestand dar. Diesem Umstand sei im Rahmen der Abwägung mit dem Umstand, dass der Kläger in die Warteliste eingetragen sei, der Vorzug zu geben. Dies ergebe sich aus der bereits im Gesetz niedergelegten Wertung. § 103 Abs. 4 Nr. 6 SGB V bevorzuge die ehemaligen Partner eines ausgeschiedenen Vertragsarztes deshalb, um zu ermöglichen, dass die vorhandene Praxis weitergeführt werde. Dies sei am besten möglich, wenn die bisher dort tätigen Ärzte die vorhandenen Patienten weiter behandeln könnten. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber bereits dieser spezifischen Art der Fortführung der Praxis durch die bisherigen Partner eine bevorzugte Stellung eingeräumt. Generell setze die Praxisnachfolge ohnehin die Fortführung der bislang vorhandenen Praxis voraus. Eine solche Fortführung sei naturgemäß am leichtesten zu gewährleisten, wenn die bisher im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft verbundenen Ärzte die Praxis bruchlos weiterführten. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien die Interessen der an der Praxis verbleibenden Vertragsärzte angemessen zu berücksichtigen. Hieraus ergebe sich ein weiterer Grund für deren Bevorzugung im Rahmen des Auswahlverfahrens. Die Behauptung, der vom Zulassungsausschuss gewählten Nachfolger komme lediglich die Funktion von Platzhaltern zu, was einen echten Fortführungswillen ausschließe, sei in keiner Weise substantiiert worden. Der Kläger habe nicht dargelegt, auf Grund welcher konkreten Tatsachen er zu dieser Vermutung gelangt sei. Darüber hinaus habe seine Befragung sowohl des Beigeladenen zu 10) als auch des Dr. L. ergeben, dass diese beabsichtigten, mindestens für die Dauer von fünf Jahren die ihnen nunmehr eingeräumten vertragsärztlichen Positionen auszuüben. Jedenfalls bei einer solchen Dauer bestehe ein Nachfolgewille. Auch unter Berücksichtigung des Alters erscheine diese Absicht nachvollziehbar und könne damit der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Weder könne eine entsprechende Bedingung ergehen, noch bestehe für eine derartige Maßnahme eine Notwendigkeit, zumal seitens des Klägers diese von ihm in der mündlichen Verhandlung gestellte Forderung in keiner Weise konkretisiert worden sei. Der Beklagte ordnete ferner die sofortige Vollziehung der Aufhebung der Beschränkung der Zulassung nach § 19a Ärzte-ZV des Beigeladenen zu 10) und der vertragsärztlichen Anstellung des Dr. L. bei der Beigeladenen zu 9) an.

Hiergegen hat der Kläger am 21.03.2018 die Klage erhoben. Er hat ferner am 30.04.2018 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, den die Kammer mit Beschluss vom 07.06.2018 - S 12 KA 148/18 ER - abgelehnt hat.

Der Kläger ist unter weitgehend wortgleicher Wiederholung seines Widerspruchvorbringens weiterhin der Auffassung, hinsichtlich der Nachbesetzungen fehle es an einem Fortführungswillen, es handele sich ausschließlich um die Kapitalisierung des Vertragsarztsitzes, was vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt sei. Auch fehle es an der gesetzlich vorgeschriebenen Auswahl zwischen den Bewerbern. Zur Begründung der einstweiligen Anordnung ist er der Auffassung, der Beschluss des Beklagten sei offensichtlich rechtswidrig. Zudem bestünden keine übergeordneten öffentlichen und privaten Interessen, da der Planungsbereich der HNO-Heilkunde überbesetzt sei. Im Radius von 50 km um A-Stadt herum ergäben sich auf dem Portal der Landesärztekammer 60 Treffer. Es gebe ausreichend HNO-Ärzte im unmittelbaren Umkreis. In der mündlichen Verhandlung hat er ergänzend vorgetragen, ein Kind des Beigeladenen zu 10) befinde sich in Weiterbildung zum Facharzt für HNO-Heilkunde, was der Grund für das "Parken" des Sitzes sei.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses vom 24.01.2018 den Beklagten zu verpflichten, ihn über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 9) und 10) beantragen,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte weist darauf hin, dass er sich ausführlich mit der Frage einer etwaigen Platzhaltereigenschaft des Beigeladenen zu 10) und des Dr. L. befasst habe. Beide hätten nach seiner ausführlichen Befragung ausdrücklich bekundet, mindestens für die Dauer von fünf Jahren noch vertragsärztlich tätig sein zu wollen. Diesbezüglich fehle es an einer Substantiierung des Klagevorbringens. Ferner verweist er auf die gesetzliche Privilegierung der Interessen einer Berufsausübungsgemeinschaft und seinen Beurteilungsspielraum hin.

Die Beigeladenen zu 9) und 10) tragen vor, die Beigeladene zu 9) habe nie die Absicht gehabt, mit dem Kläger eine Berufsausübungsgemeinschaft einzugehen. Ein Fehlen des Fortführungswillens folge nicht bereits allein wegen des Alters. Der Beklagte könne im Rahmen der Ausübung seines Ermessens bei der Abwägung der einzelnen Kriterien Gewichtungen vornehmen. Er habe die Tätigkeit der beiden Ärzte in der Berufsausübungsgemeinschaft berücksichtigen dürfen. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung habe der mögliche Versorgungsnotstand berücksichtigt werden können. Gewachsene Patientenbeziehungen müssten berücksichtigt werden. Auch könne es zu einer Verflüchtigung des Patientenstamms kommen.

Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich zur Sache schriftsätzlich nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 22.03.2018 und 13.04.2018 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie konnte dies trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 7) und 8) tun, weil dieser ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss vom 24.01.2018 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klage war daher abzuweisen.

Die vom Beklagten vorgenommene Bewerberauswahl war von der Kammer nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für Entscheidungen der Zulassungsgremien über Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in einem bislang überversorgten Planungsbereich im Rahmen einer Praxisnachfolge sind § 95 Abs. 2 i. V. m. § 103 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V. Hat der Zulassungsausschuss in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, nach Absatz 3a einem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens entsprochen, hat die Kassenärztliche Vereinigung den Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen. Satz 1 gilt auch bei hälftigem Verzicht oder bei hälftiger Entziehung der Zulassung. Dem Zulassungsausschuss sowie dem Vertragsarzt oder seinen Erben ist eine Liste der eingehenden Bewerbungen zur Verfügung zu stellen. Unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, hat der Zulassungsausschuss den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen (§ 103 Abs. 4 Satz 1 bis 4 SGB V).

Für die Ermessensausübung zur Bewerberauswahl macht das Gesetz an verschiedenen Stellen Vorgaben, die verfassungsgemäß sind (vgl. BSG, Urt. v. 23.02.2005 - B 6 KA 81/03 R - MedR 2005, 666 = GesR 2005, 450., zitiert nach juris Rdnr. 35). So sind bei der Auswahl der Bewerber u.a. die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit, ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde, und Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung zu berücksichtigen (§ 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 bis 3, 6 und 8 SGB V). Auch ist die Dauer der Eintragung in die Warteliste zu berücksichtigen (§ 103 Abs. 5 Satz 3). Ebenso sind die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte angemessen zu berücksichtigen. Bei einer Gemeinschaftspraxis im Rahmen des sog. Job-Sharings ist die gemeinschaftliche Praxisausübung aber erst nach fünfjähriger Tätigkeit von Bedeutung (§ 101 Abs. 3 Satz 4 SGB V). Die Interessen des ausscheidenden Arztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt (§ 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V).

Die berufliche Eignung (§ 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 1 SGB V) ist zunächst aufgrund der Qualifikation des Bewerbers nach der Weiterbildungsordnung zu beurteilen, ob neben der Gebietsbezeichnung noch ein Recht zum Führen eines der Praxis entsprechenden Schwerpunktes erworben wurde. Hat der Praxisvorgänger über spezifische Qualifikationen verfügt für Leistungen, die erst nach einer Genehmigung erbracht werden dürfen, und damit u. U. der Praxis eine bestimmte Ausrichtung gegeben (z. B. Betrieb eines Großgerätes), ist die berufliche Eignung auch hieran zu beurteilen. Auch der bisherige berufliche Werdegang, eine wissenschaftliche Tätigkeit, Veröffentlichungen können bestimmte Eignungsmerkmale begründen. Das Approbationsalter (§ 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 2 SGB V) ist der Zeitraum seit Erteilung der Approbation. Das Alter des Bewerbers zum Zeitpunkt der Approbation ist unerheblich. Ein länger zurückliegender Approbationszeitpunkt ist vorteilhafter. Im Regelfall wird dann auch eine längere Dauer der ärztlichen Tätigkeit vorliegen. Die Dauer der ärztlichen Tätigkeit ist die Summe aller Zeiträume, in denen der Bewerber bisher ärztlich tätig war, also seinen Beruf ausgeübt hat. Er muss als approbierter Arzt heilkundlich bzw. als Arzt wissenschaftlich tätig gewesen sein. Die Kriterien Approbationsalter und Dauer der ärztlichen Tätigkeit zielen darauf ab, einen gewissen Erfahrungsstand und den dadurch erworbenen Standard zu berücksichtigen; dieser dürfte in den meisten ärztlichen Bereichen nach ca. fünf Jahren in vollem Ausmaß erreicht sein, sodass das darüber hinausgehende höhere Alter eines Bewerbers und eine noch längere ärztliche Tätigkeit keinen zusätzlichen Vorzug mehr begründen (vgl. BSG, Urt. v. 08.12.2010 - B 6 KA 36/09 R - SozR 4-2500 § 101 Nr. 9, juris Rdnr. 39; aus der Instanzenpraxis vgl. SG Berlin, Urt. v. 28.07.2010 - S 79 KA 514/09 - juris; SG Hannover, Beschl. v. 18.02.2011 - S 65 KA 775/10 ER - juris Rdnr. 28). Für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit kommt es auf die Zeit nach Abschluss der Weiterbildung an (vgl. BSG, Urt. v. 20.03.2013 - B 6 KA 19/12 R - SozR 4-2500 § 103 Nr. 12).

Die Dauer der Eintragung in die Warteliste kann wie das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit genau bestimmt werden. Die Wartezeit ist allerdings unter Versorgungsaspekten ohne Bedeutung. In die Warteliste werden auf Antrag die Ärzte, die sich um einen Vertragsarztsitz bewerben und in das Arztregister eingetragen sind, also grundsätzlich die fachlichen Voraussetzungen erfüllen (vgl. § 95 Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB V), aufgenommen (§ 103 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Eine Mehrfacheintragung für verschiedene Planungsbereiche ist zulässig und darf nicht nachteilig berücksichtigt werden. Soweit der Warteliste Härtefallgesichtspunkte anhaften, ist dies nicht zwingend, da die Eintragung in die Warteliste auch dann erfolgen kann, wenn anderen Orts eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erteilt wurde. Bewerbern auf der Warteliste wird man aber im Regelfall ein besonderes Interesse an der Versorgungsregion zumessen können.

Die Interessen des ausscheidenden Arztes oder seiner Erben hat der Gesetzgeber auf die Höhe des Verkehrswertes der Praxis begrenzt. Das Gesetz geht von einer Unterscheidung zwischen dem - öffentlich-rechtlichen - Vertragsarztsitz und der zivilrechtlich verkehrsfähigen - ärztlichen Praxis aus, wobei eine Kassenpraxis nur verkauft werden kann, wenn der Käufer auch eine Zulassung erhält. Mit der Beschränkung auf die wirtschaftlichen Interessen will der Gesetzgeber aber verhindern, dass ein Aufschlag für die Zulassung bezahlt werden muss. Von daher macht das Gesetz die Nachfolgezulassung nicht von einer vorherigen oder nachträglichen vertraglichen Einigung zwischen Nachfolger und dem früheren Praxisinhaber bzw. seiner Erben abhängig. Das BSG hat bisher lediglich in einem obiter dictum klargestellt, dass die Zulassungsentscheidung nicht unter der Bedingung erteilt werden darf, dass tatsächlich ein Vertrag über die Praxisübernahme - unter der Voraussetzung der Erteilung einer Zulassung an den Bewerber - abgeschlossen worden ist oder wird, und der Bewerber lediglich Interesse an einer Praxisfortführung und Verhandlungsbereitschaft zeigen muss (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R - SozR 3-2500 § 103 Nr. 5, juris Rdnr. 41). Andererseits hat die Entscheidung des Zulassungsausschusses über den Nachfolger nur zum Inhalt, dass ein bestimmter Arzt für einen bestimmten Vertragsarztsitz zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen wird. Der Nachfolger wird nicht automatisch Inhaber der ärztlichen Praxis des ausscheidenden Vertragsarztes. Dies setzt vielmehr einen privatrechtlichen Übernahmevertrag mit dem ausscheidenden Vertragsarzt bzw. seinen Erben voraus (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R – a.a.O., juris Rdnr. 39). Die Zulassung erfolgt ausschließlich für den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz. Es handelt sich nicht um eine Nebenbestimmung (§ 32 SGB X), sondern die Verpflichtung zur Fortführung der Praxis ist Teil der Zulassung selbst im Sinne einer Inhaltsbestimmung. Kommt es nicht zur Übergabe der Praxis, kann der zugelassene Bewerber von der Zulassung keinen Gebrauch machen und ist die Zulassung erledigt.

Mit der Entscheidung des Zulassungsausschusses ist der Bewerber daher zur Fortführung der Praxis zu verpflichten bzw. ist die Praxisnachfolge auszusprechen. Lehnen der Vorgänger bzw. seine Erben einen Vertragsschluss in Höhe des Verkehrswertes ab, so kommt eine Praxisnachfolge nicht zustande. Das Ausschreibungsverfahren kann in diesem Fall nicht wiederholt werden, da die Interessen des ausscheidenden Arztes oder seiner Erben hinreichend geschützt sind. Ihr Recht auf Wiederholung der Ausschreibung geht dann verloren, wenn feststeht, dass der Praxisabgeber die Übergabe im ersten Verfahren aus Gründen, die vom Gesetz ausdrücklich nicht geschützt werden, hat scheitern lassen (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 1, juris Rdnr. 32). Es ist Ausfluss ihrer Vertragsfreiheit und Verfügungsbefugnis über das Eigentum an der Praxis, die Praxis nicht an einen zugelassenen Bewerber zu übergeben. Damit erlischt allerdings ihr Verwertungsinteresse. Ist andererseits ein Bewerber nicht bereit, den den Verkehrswert nicht übersteigenden Kaufpreis zu zahlen, so kommt er bei der Auswahlentscheidung nicht in Betracht (vgl. SG Dortmund, Urt. v. 30.05.2001 - S 9 Ka 60/01 - MedR 2002, 100, 102).

Der einzelne Bewerber hat nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Eine Gewichtung der Auswahlkriterien untereinander sieht das Gesetz nicht vor (anders Schöbener/Schöbener, SGb 1994, S. 215). Deshalb ist es Aufgabe der Zulassungsinstanzen, die Kriterien im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen (vgl. LSG Thüringen, Urt. v. 13.06.2000 - L 4 KA 29/97 - juris Rdnr. 21; SG Münster, Urt. v. 05.10.1995 - S 2 Ka 55/95 - MedR 1996, 144, 145 f.). Eine generelle Bevorzugung der Bewerber, die sich mit dem Praxisübergeber geeinigt haben, sieht das Gesetz nicht vor. Aufgrund der Beschränkung der Interessen der Praxisübergeber folgt auch aus dem Normzweck keine stärkere Gewichtung dieser Umstände, wenn auch aus Sicht der Verwaltungspraxis mit Blick auf ein reibungsloses Zulassungsverfahren eine solche Gewichtung empfohlen wird (vgl. Hencke in: Peters, Hb., Krankenversicherung, § 103, Rdnr. 12; Bartels, MedR 1995, S. 233). Soweit von gleicher Eignung auszugehen ist, kann derjenige auswählt werden, der sich bereits privatrechtlich mit dem Praxisinhaber geeinigt hat (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 23.05.2007 - L 4 KA 72/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; SG Marburg, Beschl. v. 21.03.2007 - S 12 KA 75/07 ER - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).

Nur ein Bewerber, der die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen will, kann ausgewählt werden. Bewerber, die erklärtermaßen die Praxis nicht fortführen wollen, können keine Zulassung erhalten. Einem Arzt, der die Tätigkeit des ausscheidenden Vertragsarztes in einer Berufsausübungsgemeinschaft nicht fortsetzen will, kann im Nachbesetzungsverfahren keine Zulassung erteilt werden (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R SozR 3-2500 § 103 Nr. 5, juris Rdnr. 42; BSG, Urt. v. 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 1, juris Rdnr. 39). Melden sich auf die Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes mit Bindung an eine Berufsausübungsgemeinschaft keine Bewerber, die diese Bindung für ihre in Aussicht genommene berufliche Tätigkeit akzeptieren wollen, oder erklären die in der Gemeinschaftspraxis verbleibenden Vertragsärzte übereinstimmend, mit keinem der an einem Eintritt in die bestehende Gemeinschaftspraxis interessierten Bewerber zusammenarbeiten zu wollen oder zu können, kann grundsätzlich eine Zulassung im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens nicht erteilt werden (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R - SozR 3-2500 § 103 Nr. 5, juris Rdnr. 42). Unter Berücksichtigung der an die Kontinuität des Praxisbetriebs zu stellenden Anforderungen sowie im Interesse der Eindämmung eines Zulassungshandels ist es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sachgerecht, den Fortführungswillen auf einen Zeitraum von fünf Jahren – gerechnet ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit durch den Nachfolger – zu beziehen, unabhängig vom jeweiligen Fachgebiet (vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2013 - B 6 KA 49/12 R - SozR 4-2500 § 103 Nr. 13, juris Rdnr. 56 ff.; krit. Plagemann, KrV 2014, 251). Bei der Fünf-Jahresfrist kann es sich aber nur um eine Prognose handeln, da es für eine wirksame Verpflichtung an einer Rechtsgrundlage fehlt (vgl. Gerdts/Arnold, GuP 2014, 179).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der angefochtene Beschluss des Beklagten nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat zureichend die Bewerbung des Klägers berücksichtigt. Er geht in nicht zu beanstandender Weise von der gleichen Eignung aus. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Aussetzung der ärztlichen Tätigkeit und der späteren Wiedererlangung der Approbation bei Dr. L. Zutreffend geht der Beklagte auch davon aus, dass die frühere Strafverurteilung der Anstellung des Dr. L. nicht entgegengehalten werden kann. Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden (§ 51 Abs. 1 Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister -Bundeszentralregistergesetz (BZRG)). Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn u. a. die betroffene Person die Zulassung zu einem Beruf beantragt, falls die Zulassung, Einstellung oder Erteilung der Erlaubnis sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde (§ 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG). Hierfür sind keine Anzeichen ersichtlich, so dass dahingestellt bleiben kann, ob eine Ausnahme auch für die Genehmigung einer Anstellung gelten würde.

Der Beklagte hat sein Auswahlermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Für das Fehlen eines Fortführungswillens ist nichts ersichtlich. Der Beigeladene zu 10) und Dr. L. befinden sich in einem Alter, der eine weitere Tätigkeit als Vertragsarzt bzw. angestellter Arzt nicht von vornherein als zweifelhaft erscheinen lassen. Anzeichen für die klägerseits behauptete Platzhalterfunktion sind nicht ersichtlich und werden auch nicht ansatzweise vorgetragen. Gegen eine solche Platzhalterfunktion des Beigeladenen zu 10) spricht bereits der Umstand, dass er jahrelang Mitglied der Beigeladenen zu 9) ist. Auch Dr. L. war seit Juni 2013 im Rahmen von Praxisvertretungen regelmäßig für die Beigeladene zu 9) tätig und ist seit April 2017 bei ihr angestellt. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass die Beigeladene zu 9) nach dem Weggang des Beigeladenen zu 8) ihren Versorgungsauftrag nicht verkleinern möchte und vor der Kooperation mit neuen Ärzten auf ihre eigenen Gesellschafter oder ihr bereits bekannte Ärzte zurückgreift. Von daher ist auch die Ablehnung einer Kooperation mit dem Kläger nicht willkürlich und geht der Beklagte zutreffend von einer grundsätzlichen Privilegierung der Interessen der Beigeladenen zu 9) aus. Von daher konnte der Beklagte der Eintragung des Klägers in die Warteliste eine geringere Bedeutung zumessen.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen hat, ein Kind des Beigeladenen zu 10) befinde sich in Weiterbildung zum Facharzt für HNO-Heilkunde, was der Grund für das "Parken" des Sitzes sei, ist der Vortrag gleichfalls unsubstantiiert, da weder etwas zum Zeitpunkt des Abschlusses der Weiterbildung noch zur Motivation des Kindes und dessen Pläne vorgetragen wird. Bereits von daher ist, den Vortrag als wahr unterstellt, nicht ersichtlich, dass dies der Beweggrund sein sollte. Auch folgt aus einem solchen "Parken" nicht zwingend, dass es an einem Fortführungswillen fehlt. Von daher kommt es nicht darauf an, ob der Kläger diesen Vortrag nicht bereits bis zu einer Entscheidung des Beklagten hätte halten müssen. Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem Verfahren auf Zulassung grundsätzlich alle Änderungen – vorteilhaft oder nachteilig – der tatsächlichen Verhältnisse bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen (anderes gilt nur für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit der Praxis, vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2013 - B 6 KA 49/12 R - BSGE 115, 57 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 13, juris Rdnr. 38 ff.) (vgl. BSG, Urt. v. 29.11.2017 - B 6 KA 31/16 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4 (vorgesehen), juris Rdnr. 29). Nur in Ausnahmefällen kann die Berücksichtigung nachteiliger Änderungen verwehrt sein, wenn nämlich ein Arzt auf eine Entscheidung aufgrund einer früheren bestimmten Sach- und Rechtslage, die ihm Zulassungschancen bot, vertrauen durfte. So gilt in Drittanfechtungskonstellationen, dass auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist, falls sich die Sach- oder Rechtslage zu diesem Zeitpunkt für den begünstigten Dritten vorteilhafter darstellt (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 9/15 R - BSGE 121, 76 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 18, juris Rdnr. 12; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 97 SGB V, Rdnr. 63 ff.).

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 – B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, juris Rdnr. 44).

Die Beigeladenen zu 9) und 10) haben einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich zur Sache entsprechend geäußert. Von daher besteht für sie ein Kostenerstattungsanspruch.
Rechtskraft
Aus
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