Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 19 U 157/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 226/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 123/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1979 geborene Kläger ist türkischer Nationalität und wurde zum Unfallzeitpunkt zum Konstruktionsmechaniker (Stahlbauer) bei der Firma C. GmbH & Co. KG A-Stadt ausgebildet. Einmal wöchentlich erhielt er zudem eine die Berufsschule ergänzende Nachhilfebetreuung durch das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. in Form eines sog. Stützkurses, den Frau D. als zuständige Betreuerin leitete. Die Kosten hierfür übernahm die Agentur für Arbeit gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung – (SGB III) in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594). Außer dem Kläger nahmen noch drei andere Auszubildende des Betriebes an dem Stützkurs teil.
Am ersten Juliwochenende 1999 veranstaltete das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. ein Zeltlager auf einer Wiese des E. in E-Stadt/FX. als erlebnispädagogische Maßnahme, dessen Kosten es auch trug. Ziel der Veranstaltung war das Trainieren sozialer Kompetenzen in der Gruppe. Mittels abenteuerlicher, auf Erfolgserlebnisse abzielende Aktivitäten (Reiten, Zelten, Schwimmen) sollten die Teilnehmer dabei unterstützt werden, Serien von Misserfolgen zu durchbrechen und somit ein stärkeres Selbstwertgefühl zu entwickeln. Die Gruppe bestand aus 12 Teilnehmern, darunter neben dem Kläger auch die Kläger der Parallelverfahren L 9 U 230/16 (G. G.) und L 9 U 229/16 (H. H.), sowie drei Betreuern, unter anderem Frau D. Die Anreise fand am Freitag, 2. Juli 1999, mit vier Autos statt. Die Verpflegung sollte von der im E. ansässigen Familie J. übernommen werden. Das Abendessen war gegen 19:00 Uhr bis 19:30 Uhr vorgesehen. Aufgrund eines Staus verspätete sich die Gruppe jedoch. Der Kläger, der sich mit den Klägern der Parallelverfahren in einem Auto befand, sowie Frau D. mit deren Wagen erreichten zwischen 21.00 und 22.00 Uhr als erste den Zeltplatz und bauten das Lager auf. Nach dem Aufbau begaben sie sich zu einem Imbisstand in dem etwa 3 bis 4 km entfernten Ort. Da dieser Imbiss geschlossen war, begab sich ein Teil der Gruppe zu einem nahegelegenen Biergarten, um etwas zu essen. Der Kläger, die Kläger der beiden Parallelverfahren und ein weiterer Teilnehmer aßen dort nichts, sondern entfernten sich mit dem von dem Kläger des Parallelverfahrens H. gesteuerten Auto von dort. Gegen 00:30 Uhr befuhren sie die K 43 aus Richtung K-Stadt kommend und wollten nach links auf die B 253 Richtung L-Stadt abbiegen, als sie mit einem anderen Fahrzeug zusammenstießen. Durch den Unfall erlitt der Kläger schwere Verletzungen.
Unter dem 5. Juli 1999 zeigte das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. gegenüber der Beklagten den Unfall des Klägers an. Frau D. übersandte unter dem 8. September 1999 der Beklagten ihren (überarbeiteten) Unfallbericht, in dem sie u. a. ausführte, der Kläger habe mit anderen Teilnehmern die 10 km entfernte Tankstelle aufsuchen wollen, um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Beklagte hielt die Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie für den zuständigen Unfallversicherungsträger und übersandte dieser daraufhin den Vorgang. Unter dem 3. November 1999 übersandte diese der Beklagten den Vorgang als erstangegangenen Unfallversicherungsträger zurück, weil nicht erkennbar sei, inwiefern die Teilnahme an der vom Bildungswerk organisierten erlebnispädagogischen Veranstaltung in einem inneren, organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Ausbildung bei der C. GmbH & Co. KG stehen solle, zumal der Kläger nicht im Rahmen der Ausbildung auf Veranlassung des Mitgliedsunternehmens an der Veranstaltung teilgenommen habe.
Unter dem 1. Februar 2000 lehnte die Beklagte gegenüber der BKK Hoechst eine Kostenerstattung hinsichtlich der medizinischen Behandlung des Klägers ab, weil ein Versicherungsfall nicht vorgelegen habe. Mit Schreiben vom 4. Mai 2000 hielt die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung fest und führte aus, aus dem anliegenden Fragebogen sei ersichtlich, dass sich der Kläger und seine Beifahrer auf der Suche nach einer Tankstelle in der Absicht befunden hätten, Chips für die Gruppe zu kaufen, so dass es sich um einen den persönlichen Bedürfnissen zuzuordnenden und mithin unversicherten Weg gehandelt habe. Am 18. Dezember 2000 erhob die BKK Hoechst gegen die Beklagte Klage auf Ersetzung der Aufwendungen anlässlich des Unfalls vom 3. Juli 1999 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 1 U 4386/00). Der Kläger sowie die beiden Kläger der Parallelverfahren waren Beigeladene in diesem sozialgerichtlichen Verfahren. Die Beklagte befragte im Rahmen dieses Verfahrens daraufhin schriftlich Frau D., ob es sich bei der erlebnispädagogischen Freizeit um eine Pflichtveranstaltung handele und welche Fächer unterrichtet werden sollten, worauf Frau D. schriftlich antwortete, die Teilnahme an dieser Art von Aktivitäten sei rein freiwillig und ein Unterricht im herkömmlichen Sinne sei generell bei erlebnispädagogischen Veranstaltungen nicht vorgesehen. Mit Urteil vom 6. Oktober 2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, bei dem Ereignis vom 3. Juli 1999 habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt, weil es hinsichtlich der Fahrt in die 10 km entfernte Tankstelle an einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit fehle.
Mit Schriftsatz vom 8. April 2014 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten, das Verfahren erneut aufzunehmen und von Amts wegen festzustellen, dass am 2. Juli 1999 ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorgelegen habe. Der Unfall habe sich auf direktem Weg zu einer Nahrungsquelle befunden und sei damit versichert gewesen. Der Kläger sei Moslem, habe die an dem Imbiss angebotenen Schweinewürste daher nicht verzehren können und großen Hunger gehabt. Eine Verwaltungsentscheidung erfolgte zunächst nicht. Am 13. November 2014 erhob der Kläger deswegen Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden. Ende Juni 2015 schlossen die Parteien dieses Rechtsstreits (Az.: S 32 U 137/14) einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte prüfen würde, ob es sich bei dem Verkehrsunfall, den der Kläger am 2. oder 3. Juli 1999 erlitten habe, um einen Arbeitsunfall handele und bis spätestens 14. August 2015 einen rechtsmittelfähigen Feststellungsbescheid gegenüber dem Kläger erlassen würde.
Mit Bescheid vom 10. August 2015 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 2. Juli 1999 ab. Zur Begründung führte sie aus, in dem Verfahren beim Sozialgericht Frankfurt am Main sei rechtskräftig entschieden worden, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Diese Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Denn aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt einer betriebsdienlichen Tätigkeit nachgegangen sei. Er habe keine Angaben darüber machen können, weshalb er an dem Imbiss nichts gegessen habe. Es könne sein, dass er Chips für alle habe kaufen wollen. Es sei somit keine endgültige Erklärung vorhanden, wieso der Kläger nicht das Angebot der Familie J., sich dort zu verpflegen, angenommen habe. Keinesfalls handele es sich bei der anschließenden Fahrt zu der 10 km entfernten Tankstelle um eine versicherte Tätigkeit. Es fehle am inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, weil keine betrieblichen Zwänge vorgelegen hätten, die den Kläger hätten veranlassen konnten, seine Mahlzeit an einem besonderen Ort oder in besonderer Form einzunehmen. Die Umstände, die ihn bewogen hätten, die 10 km entfernte Tankstelle aufzusuchen, seien somit durch die versicherte Tätigkeit nicht geprägt und könnten ihr auch nicht zugerechnet werden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 14. September 2015 begründete der Kläger u. a. dahingehend, es bestünden keine Zweifel, dass sich der Kläger und seine Beifahrer auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme befunden hätten. Es sei den Betroffenen überlassen geblieben, wo sie die Nahrungsmittel holen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung legte sie im Wesentlichen dar, bei dem Wochenendprogramm habe es sich um eine rein freiwillige Freizeitveranstaltung gehandelt, deren Kostenträger das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft gewesen sei. Der Kläger sei in dieser Zeit Auszubildender gewesen und habe Förderleistungen vom Arbeitsamt nach § 48 SGB III in Form eines Stützkurses von wöchentlich 1,5 Stunden erhalten, der vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft durchgeführt worden sei. Teilnehmer einer nach § 48 SGB III geförderten Maßnahme gehörten zwar zum Kreis der versicherten Personen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 14b SGB VII. Voraussetzung hierfür sei aber, dass die konkrete Verrichtung zum Unfallzeitpunkt der versicherten Tätigkeit zugerechnet werden könne. Hiernach sei versicherte Tätigkeit die Teilnahme an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme im Rahmen des SGB III. Hierunter fiele bei dem Kläger die Teilnahme an dem einmal wöchentlich stattfindenden Stützkurs von 1,5 Stunden. Am Unfalltag habe er sich jedoch nicht bei dem Stützkurs, sondern auf einer Wochenendfreizeit befunden, die als reine Freizeitveranstaltung stattgefunden habe. Diese rein freiwillige Veranstaltung, die keinerlei Unterricht beinhalte und deren Kostenträger auch nicht das Arbeitsamt, sondern das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft gewesen sei, stehe nicht mehr im Zusammenhang mit einer Fördermaßnahme nach § 48 SGB III, auch wenn sie vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft, welches den Stützkurs durchgeführt habe, ausgetragen worden sei und sicherlich auch positiven Einfluss auf die Teilnehmer gehabt habe. Auch wenn man annähme, dass der Kläger zum versicherten Personenkreis gehöre und er sich auf einer versicherten Dienstreise befunden habe, könne vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass zum Unfallzeitpunkt eine betriebliche Tätigkeit ausgeübt habe. Denn es sei nicht nachgewiesen, dass das Aufsuchen der Tankstelle der Nahrungsaufnahme gedient habe.
Am 23. Dezember 2015 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Wiesbaden (S 19 U 159/15) erhoben.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, es sei auf Geschäftsreisen grundsätzlich dem Reisenden freigestellt, seine Mahlzeiten unterwegs einzunehmen. Da dieser die Mahlzeiten in aller Regel außer Haus einnehmen müsse, seien die direkten Wege zur Essensaufnahme versichert. An dem Imbiss habe es nur Bratwürste gegeben, und selbst wenn es auch Rindswürste gegeben hätte, hätte der Kläger diese aufgrund seines muslimischen Glaubens nicht essen dürfen, weil diese Wurst auf demselben Grill wie verpönte Nahrung behandelt gewesen wäre. Es habe eine betriebliche Tätigkeit vorgelegen. Die Bildungsmaßnahme sei von der Einrichtung der Hessischen Wirtschaft finanziert worden und damit eine soziale Maßnahme gewesen, bei der es um Integration von Menschen in die Arbeitswelt gegangen sei. Diese Unternehmung wäre nach Auffassung des Klägers nicht von Erziehern begleitet gewesen, wenn kein Sinnzusammenhang mit der Integration in die Ausbildung und in den Betrieb angestrebt gewesen sei. Die Firma C., bei der der Kläger im Jahre 1998 die Ausbildung aufgenommen habe, verfüge über ein eigenes Ausbildungszentrum, das zusammen mit dem Institut der Hessischen Wirtschaft, das als Bildungswerk Stützkurse für die Auszubildenden angeboten habe, zusammenarbeite. Immer kurz vor Feierabend sei einmal wöchentlich Frau D. gekommen, um dann mit den anderen Ausbildern und dem Meister, ergänzend zur Berufsschule, Theorie zu vermitteln oder zu wiederholen. Frau D. sei also von Anfang an die Betreuerin der Gruppe gewesen. Bei der versicherten Tätigkeit habe es sich um eine überbetriebliche Bildungsmaßnahme gehandelt.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht beim Nachhilfeunterricht, sondern bei einer Erlebnisfreizeit befunden, die zwar ebenfalls vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft betreut worden sei, deren Teilnahme jedoch rein freiwillig gewesen sei und die auch keinen Unterricht im herkömmlichen Sinne beinhaltet habe. Kostenträger dieser Erlebnisfreizeit sei auch nicht das Arbeitsamt gewesen, sondern das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft selbst. Diese rein freiwillige Veranstaltung habe nicht mehr im Zusammenhang mit der Fördermaßnahme nach § 48 SGB III gestanden, so dass der Kläger bei der Teilnahme an der Erlebnisfreizeit nicht zum versicherten Personenkreis gehört habe.
Mit Beschluss vom 29. Februar 2016 hat das Sozialgericht das Verfahren S 19 U 159/15 mit den Parallelverfahren S 19 U 157/15 (H. H.) und S 32 U 158/15 (G. G.) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens S 19 U 157/15 verbunden. Mit Urteil vom 4. Oktober 2016 hat es die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger seien zwar Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII), da eine berufsfördernde Maßnahme selbst Aus- und Fortbildung in diesem Sinne sei und deswegen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII begründe. Die Kläger seien Lernende gewesen, also diejenigen, die an Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen außerhalb eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses teilnähmen. Solche Einrichtungen müssten der beruflichen Bildung dienen, worunter auch Klassenreisen oder Wanderungen, die im Zusammenhang mit einer Bildungsveranstaltung stünden, fielen. Nach den durchgeführten Ermittlungen handele es sich um ein Erlebniswochenende, dessen Teilnahme den Klägern zwar freigestellt gewesen sei, das aber gleichwohl den zeitgleich stattfindenden Stützkurs durch pädagogische Maßnahmen im Rahmen des Wochenendes habe unterstützen sollen. Da der Versicherungsschutz für Lernende weit zu verstehen sei, scheitere dieser auch nicht daran, dass die Kläger im Rahmen des freiwilligen Erlebniswochenendes verunfallt seien. Dennoch liege indes kein Arbeitsunfall vor. Die Kläger seien bei einer privaten, eigenwirtschaftlichen und damit unversicherten Tätigkeit verunfallt. Selbst wenn man den Vortrag der Kläger als wahr unterstelle, es habe auf dem Hof bei J. nichts mehr zu essen gegeben und sowohl in FX.-E-Stadt als auch in FX.-M. habe es ausschließlich Schweinefleisch gegeben, zähle die Nahrungsaufnahme zu den persönlichen Belangen und sei deshalb private, unversicherte Tätigkeit, wobei für eine Nahrungsaufnahme aus betrieblichen Belangen, etwa einem Geschäftsessen oder ähnlichem, vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich seien. Der vorliegende Sachverhalt sei auch nicht mit Klassenfahrten von Schülern vergleichbar. Es liege zudem kein dienstreiseähnlicher Versicherungsschutz vor. Die Entfernung von 18 km zwischen dem Zeltplatz und dem Unfallort lasse es als nicht nachvollziehbar erscheinen, dass dort die nächstgelegene Möglichkeit für eine Nahrungsaufnahme gewesen sei. Hinzu komme, dass sich dort auch gar keine Tankstelle befunden habe. Schließlich sei kein Grund erkennbar, warum die Kläger um 00:30 Uhr noch an dieser Stelle mit dem Auto unterwegs gewesen seien.
Am 9. November 2016 hat der Kläger Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe aufgrund seines muslimischen Glaubens nicht in dem Biergarten essen können. Die einzige Möglichkeit, an "koschere" Nahrung zu gelangen, habe er in dem Aufsuchen einer etwa 10 Kilometer entfernten Tankstelle gesehen. Seinem Arbeitgeber sei es von Anfang an wichtig gewesen, dass der Kläger an dem Stützkurs vollständig teilnehme. Dieser Stützkurs sei eine Pflichtveranstaltung gewesen. Im Schulbereich sei zudem eine weniger strenge Bewertung des betrieblichen Zusammenhangs geboten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. Oktober 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 3. Juli 1999 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, es stehe bereits nicht fest, ob die Erlebnisfreizeit grundsätzlich unter Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Selbst wenn man von einem Versicherungsschutz für die Erlebnisfreizeit ausgehe, sei eine versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt zu verneinen. Weiter bleibe unklar, was sich zwischen dem Aufbruch am Imbiss und dem Unfall um 00:30 Uhr ereignet habe. Selbst wenn man annähme, dass sich der Kläger tatsächlich auf dem Weg zu einer alternativen Essensmöglichkeit befunden habe, stehe bei Betrachtung der örtlichen Verhältnisse fest, dass er spätestens im nächstgrößeren Ort K-Stadt hätte fündig werden müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akte der Parallelverfahren L 9 U 229/16 und L 9 U 230/16, die Akte S 1 U 4386/00 (Sozialgericht Frankfurt am Main) sowie die Akte der Beklagten Bezug genommen, die der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass ein Arbeitsunfall vorliegt, wahlweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG oder mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn.12). Das erforderliche Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) wurde durchgeführt. Die Beklage hat in dem angegriffenen Bescheid zwar wörtlich über ein Ereignis vom "2." Juli 1999 entschieden. Aus dem insofern maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass damit über das Ereignis am 3. Juli 1999 gegen 00:30 Uhr entschieden werden sollte.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Ereignis am 3. Juli 1999 ein Arbeitsunfall ist. Der angegriffene Bescheid ist mithin rechtmäßig.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 102 SGB VII. Danach kann der Versicherte auch die Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind, wobei diese Norm nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelnen Anspruchselemente umfasst, was prozessual durch § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG bestätigt wird, wonach eine Feststellungsklage auch darauf gerichtet sein kann, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 16 ff.).
Ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII liegt jedoch nicht vor. Denn die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls ist keiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt und daher "Versicherter" ist (BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 2 U 15/12 R -, juris, Rn. 11).
Der innere Zusammenhang zwischen der Verrichtung und einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit hängt davon ab, ob die festgestellte Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R -, juris). Hierbei handelt es sich nicht um die Feststellung eines Kausalzusammenhangs, sondern um einen Akt wertender Erkenntnis im Einzelfall.
Die Verrichtung zur Zeit des Unfalls, d. h. das Fahren des Autos am 3. Juli 1999 gegen 00:30 Uhr, ist zunächst nicht der versicherten Tätigkeit des Klägers als Auszubildender nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII zuzuordnen. Zwar sind Auszubildende ebenfalls Beschäftigte i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (vgl. § 7 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV). Ein innerer Zusammenhang zwischen der Verrichtung zurzeit des Unfallereignisses und der versicherten Tätigkeit als Auszubildender (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) besteht indes nicht.
Bei Versicherten, deren Versicherungsschutz auf der Tätigkeit für ein Unternehmen beruht, kommt es für die Zurechnung der schadenstiftenden Verrichtung zur versicherten Tätigkeit auf die anhand objektiver Anhaltspunkte nachvollziehbare finale Handlungstendenz des Versicherten zurzeit des Unfallereignisses (objektivierte Handlungstendenz) an. Das Handeln muss demnach dazu bestimmt sein, dem Unternehmen zu dienen, wobei ebenfalls ausreichend ist, wenn der Versicherte aufgrund objektiver Umstände der Auffassung sein durfte, sein Verhalten sei geeignet, dem Betrieb zu dienen (BSG, Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 7/11 R -, juris). Eine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zwecke verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Eine Beschäftigung in diesem Sinne wird mithin ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zurzeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 2 U 15/12 R , juris, Rn. 13).
Bereits die Teilnahme an der erlebnispädagogischen Maßnahme hat indes keine solchen Bezugspunkte zu dem Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Auszubildender. Insbesondere diente sie nicht der Erfüllung seiner Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Ausbildungsverhältnis. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an der Maßnahme bestand nicht. Die Teilnahme erfolgte auch nicht zur Erfüllung einer arbeitsrechtlichen Weisung und stellt auch keine Heranziehung zu nicht arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgaben durch den Arbeitgeber dar. Lediglich die Teilnahme an dem Stützkurs wurde von seinem Arbeitgeber verlangt. Hierüber konnte der Kläger auch nicht im Unklaren sein.
Der Kläger war zur Zeit der Verrichtung auch nicht als Lernender nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII versichert. Nach dieser Vorschrift sind kraft Gesetzes versichert Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen.
Zwar war der wöchentliche Stützkurs, den der Kläger besuchte, nach dieser Vorschrift unter Versicherungsschutz gestellt. Auch ausbildungsbegleitende Hilfen des ausbildenden Betriebes als sogenannter Stützunterricht oder sozialpädagogische Maßnahmen nach dem SGB III stehen nämlich unter Versicherungsschutz (vgl. amtliche Begründung Bundestagsdrucksache 13/2204, S. 74; Bieresborn, in: juris-PK-SGB VII, § 2 Rn. 70, Stand: 08.05.2017). Die erlebnispädagogische Maßnahme ist allerdings weder diesem Stützunterricht rechtlich zuzurechnen noch erfüllt sie selbst den Versicherungsschutztatbestand nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII.
Die erlebnispädagogische Maßnahme war - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - kein Bestandteil des wöchentlichen Stützkurses. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Agentur für Arbeit kein Kostenträger (nach § 48 SGB III) war. Kostenträger der erlebnispädagogischen Maßnahme war vielmehr ausschließlich das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. Die einzigen Gemeinsamkeiten von Stützkurs und erlebnispädagogischer Maßnahme sind Maßnameträger und Betreuer. Dies ist allerdings nicht ausreichend, um einen Versicherungsschutz herzuleiten, zumal das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft eine Fülle von verschiedenen Tätigkeitsfeldern aufweist. Zudem waren acht von zwölf Teilnehmern an der Erlebnisfreizeit nicht auch zugleich Teilnehmer des Stützkurses, den der Kläger besuchte. Auch deshalb konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass Stützkurs und Erlebnisfreizeit zur selben Maßnahme gehörten.
Die erlebnispädagogische Maßnahme ist auch nicht selbst von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII erfasst. Die Maßnahme ist bereits keine Aus- und Fortbildung in diesem Sinne. Voraussetzung hierfür ist die Vermittlung berufsnütziger Kenntnisse und Fähigkeiten, mithin ein Bezug zu einer bestimmten Erwerbstätigkeit oder versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 SGB VII (LSG Hamburg, Urteil vom 23. August 2016 - L 3 U 69/13 -, juris, Rn. 17; vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 1976 - 2 RU 5/76 -, juris; Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 17/93 -, juris). Prinzipiell nicht ausreichend ist, wenn bei einer Maßnahme keine berufsspezifischen Kenntnisse, sondern nur allgemeine Grundlagenkenntnisse ohne Bezug auf ein bestimmtes Berufsgebiet vermittelt werden (vgl. auch SG Berlin, Urteil vom 9. Juli 2012 - S 25 U 231/11 -, juris), wenn mithin die Maßnahme der beruflichen Tätigkeit lediglich mittelbar zugutekommt. Denn dies trifft für eine unüberschaubare Vielzahl von Fortbildungsthemen zu und macht eine klare Abgrenzung des Versicherungsschutztatbestandes unmöglich. Die Berufsbezogenheit einer Fortbildungsmaßnahme beurteilt sich in erster Linie nach objektiven Kriterien (Bieresborn, in: juris-PK SGB VII, § 2 Rn. 74, Stand: 08.05.2017). Handelt es sich um nicht berufstypische Lerngegenstände, kommt es auf die erkennbare Motivation des Teilnehmers an, ob diese auf eine konkrete berufliche Verwertung oder allgemein auf die persönliche Lebensgestaltung und Interessensphäre gerichtet ist (Bieresborn, in: juris-PK SGB VII, § 2 Rn. 76, Stand: 08.05.2017). Die erlebnispädagogische Maßnahme hingegen lässt keinen solchen berufsspezifischen Bezug erkennen. Sie sollte vielmehr allgemein soziale Kompetenzen trainieren und das Selbstwertgefühl stärken. Objektive Anhaltspunkte, die einen Berufsbezug begründen könnten, liegen nicht vor. Zudem spricht gegen eine Aus- und Fortbildung, dass im Rahmen der Maßnahme kein Unterricht erfolgen sollte, sondern ausschließlich praktische/sportliche Aktivitäten geplant waren. Bereits begrifflich setzt ein Lernen im Rahmen einer beruflichen Aus- und Fortbildung jedoch ein Mindestmaß an Vermittlung theoretischer Kenntnisse voraus.
Ob einer Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII außerdem entgegensteht, dass es an einer Einrichtung in diesem Sinne fehlt, weil diese - wie nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8a SGB VII - eine auf gewisse Dauer angelegte Verbindung von Personen und Sachen unter der Verantwortung eines Trägers, verbunden mit einer Baulichkeit, voraussetzt (siehe Bieresborn, in: juris-PK SGB VII, § 2 Rn. 154, Stand: 08.05.2017), kann hier dahinstehen.
Ebenso kann offen bleiben, ob die Verrichtung des Klägers - sofern man eine berufliche Aus- und Fortbildung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII annähme - "während" dieser stattgefunden hat und ob die zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII entwickelten Grundsätze zum Versicherungsschutz auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme und bei Dienstreisen überhaupt anwendbar sind. Da der Gesetzgeber ausdrücklich Lernende nur während der beruflichen Aus- und Fortbildung in den genannten Einrichtungen schützt, umfasst der Versicherungsschutz nur solche Tätigkeiten, die im organisatorischen Verantwortungsbereich der Bildungseinrichtung liegen (LSG Hamburg, Urteil vom 17. Februar 2015 - L 3 U 31/12 -, juris, Rn.16).
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14b SGB VII, der den Unfallversicherungsschutz für Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen regelt, die u. a. von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden, ist erst durch das Vierte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 (BGBl. I S. 3057) eingeführt worden und findet vorliegend keine Anwendung (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 23. August 2016 - L 3 U 69/13 -, juris, Rn. 17). Denn der streitgegenständliche Unfall hat sich vor diesem Zeitpunkt ereignet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1979 geborene Kläger ist türkischer Nationalität und wurde zum Unfallzeitpunkt zum Konstruktionsmechaniker (Stahlbauer) bei der Firma C. GmbH & Co. KG A-Stadt ausgebildet. Einmal wöchentlich erhielt er zudem eine die Berufsschule ergänzende Nachhilfebetreuung durch das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. in Form eines sog. Stützkurses, den Frau D. als zuständige Betreuerin leitete. Die Kosten hierfür übernahm die Agentur für Arbeit gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung – (SGB III) in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594). Außer dem Kläger nahmen noch drei andere Auszubildende des Betriebes an dem Stützkurs teil.
Am ersten Juliwochenende 1999 veranstaltete das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. ein Zeltlager auf einer Wiese des E. in E-Stadt/FX. als erlebnispädagogische Maßnahme, dessen Kosten es auch trug. Ziel der Veranstaltung war das Trainieren sozialer Kompetenzen in der Gruppe. Mittels abenteuerlicher, auf Erfolgserlebnisse abzielende Aktivitäten (Reiten, Zelten, Schwimmen) sollten die Teilnehmer dabei unterstützt werden, Serien von Misserfolgen zu durchbrechen und somit ein stärkeres Selbstwertgefühl zu entwickeln. Die Gruppe bestand aus 12 Teilnehmern, darunter neben dem Kläger auch die Kläger der Parallelverfahren L 9 U 230/16 (G. G.) und L 9 U 229/16 (H. H.), sowie drei Betreuern, unter anderem Frau D. Die Anreise fand am Freitag, 2. Juli 1999, mit vier Autos statt. Die Verpflegung sollte von der im E. ansässigen Familie J. übernommen werden. Das Abendessen war gegen 19:00 Uhr bis 19:30 Uhr vorgesehen. Aufgrund eines Staus verspätete sich die Gruppe jedoch. Der Kläger, der sich mit den Klägern der Parallelverfahren in einem Auto befand, sowie Frau D. mit deren Wagen erreichten zwischen 21.00 und 22.00 Uhr als erste den Zeltplatz und bauten das Lager auf. Nach dem Aufbau begaben sie sich zu einem Imbisstand in dem etwa 3 bis 4 km entfernten Ort. Da dieser Imbiss geschlossen war, begab sich ein Teil der Gruppe zu einem nahegelegenen Biergarten, um etwas zu essen. Der Kläger, die Kläger der beiden Parallelverfahren und ein weiterer Teilnehmer aßen dort nichts, sondern entfernten sich mit dem von dem Kläger des Parallelverfahrens H. gesteuerten Auto von dort. Gegen 00:30 Uhr befuhren sie die K 43 aus Richtung K-Stadt kommend und wollten nach links auf die B 253 Richtung L-Stadt abbiegen, als sie mit einem anderen Fahrzeug zusammenstießen. Durch den Unfall erlitt der Kläger schwere Verletzungen.
Unter dem 5. Juli 1999 zeigte das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. gegenüber der Beklagten den Unfall des Klägers an. Frau D. übersandte unter dem 8. September 1999 der Beklagten ihren (überarbeiteten) Unfallbericht, in dem sie u. a. ausführte, der Kläger habe mit anderen Teilnehmern die 10 km entfernte Tankstelle aufsuchen wollen, um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Beklagte hielt die Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie für den zuständigen Unfallversicherungsträger und übersandte dieser daraufhin den Vorgang. Unter dem 3. November 1999 übersandte diese der Beklagten den Vorgang als erstangegangenen Unfallversicherungsträger zurück, weil nicht erkennbar sei, inwiefern die Teilnahme an der vom Bildungswerk organisierten erlebnispädagogischen Veranstaltung in einem inneren, organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Ausbildung bei der C. GmbH & Co. KG stehen solle, zumal der Kläger nicht im Rahmen der Ausbildung auf Veranlassung des Mitgliedsunternehmens an der Veranstaltung teilgenommen habe.
Unter dem 1. Februar 2000 lehnte die Beklagte gegenüber der BKK Hoechst eine Kostenerstattung hinsichtlich der medizinischen Behandlung des Klägers ab, weil ein Versicherungsfall nicht vorgelegen habe. Mit Schreiben vom 4. Mai 2000 hielt die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung fest und führte aus, aus dem anliegenden Fragebogen sei ersichtlich, dass sich der Kläger und seine Beifahrer auf der Suche nach einer Tankstelle in der Absicht befunden hätten, Chips für die Gruppe zu kaufen, so dass es sich um einen den persönlichen Bedürfnissen zuzuordnenden und mithin unversicherten Weg gehandelt habe. Am 18. Dezember 2000 erhob die BKK Hoechst gegen die Beklagte Klage auf Ersetzung der Aufwendungen anlässlich des Unfalls vom 3. Juli 1999 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 1 U 4386/00). Der Kläger sowie die beiden Kläger der Parallelverfahren waren Beigeladene in diesem sozialgerichtlichen Verfahren. Die Beklagte befragte im Rahmen dieses Verfahrens daraufhin schriftlich Frau D., ob es sich bei der erlebnispädagogischen Freizeit um eine Pflichtveranstaltung handele und welche Fächer unterrichtet werden sollten, worauf Frau D. schriftlich antwortete, die Teilnahme an dieser Art von Aktivitäten sei rein freiwillig und ein Unterricht im herkömmlichen Sinne sei generell bei erlebnispädagogischen Veranstaltungen nicht vorgesehen. Mit Urteil vom 6. Oktober 2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, bei dem Ereignis vom 3. Juli 1999 habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt, weil es hinsichtlich der Fahrt in die 10 km entfernte Tankstelle an einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit fehle.
Mit Schriftsatz vom 8. April 2014 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten, das Verfahren erneut aufzunehmen und von Amts wegen festzustellen, dass am 2. Juli 1999 ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorgelegen habe. Der Unfall habe sich auf direktem Weg zu einer Nahrungsquelle befunden und sei damit versichert gewesen. Der Kläger sei Moslem, habe die an dem Imbiss angebotenen Schweinewürste daher nicht verzehren können und großen Hunger gehabt. Eine Verwaltungsentscheidung erfolgte zunächst nicht. Am 13. November 2014 erhob der Kläger deswegen Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden. Ende Juni 2015 schlossen die Parteien dieses Rechtsstreits (Az.: S 32 U 137/14) einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte prüfen würde, ob es sich bei dem Verkehrsunfall, den der Kläger am 2. oder 3. Juli 1999 erlitten habe, um einen Arbeitsunfall handele und bis spätestens 14. August 2015 einen rechtsmittelfähigen Feststellungsbescheid gegenüber dem Kläger erlassen würde.
Mit Bescheid vom 10. August 2015 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 2. Juli 1999 ab. Zur Begründung führte sie aus, in dem Verfahren beim Sozialgericht Frankfurt am Main sei rechtskräftig entschieden worden, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Diese Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Denn aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt einer betriebsdienlichen Tätigkeit nachgegangen sei. Er habe keine Angaben darüber machen können, weshalb er an dem Imbiss nichts gegessen habe. Es könne sein, dass er Chips für alle habe kaufen wollen. Es sei somit keine endgültige Erklärung vorhanden, wieso der Kläger nicht das Angebot der Familie J., sich dort zu verpflegen, angenommen habe. Keinesfalls handele es sich bei der anschließenden Fahrt zu der 10 km entfernten Tankstelle um eine versicherte Tätigkeit. Es fehle am inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, weil keine betrieblichen Zwänge vorgelegen hätten, die den Kläger hätten veranlassen konnten, seine Mahlzeit an einem besonderen Ort oder in besonderer Form einzunehmen. Die Umstände, die ihn bewogen hätten, die 10 km entfernte Tankstelle aufzusuchen, seien somit durch die versicherte Tätigkeit nicht geprägt und könnten ihr auch nicht zugerechnet werden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 14. September 2015 begründete der Kläger u. a. dahingehend, es bestünden keine Zweifel, dass sich der Kläger und seine Beifahrer auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme befunden hätten. Es sei den Betroffenen überlassen geblieben, wo sie die Nahrungsmittel holen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung legte sie im Wesentlichen dar, bei dem Wochenendprogramm habe es sich um eine rein freiwillige Freizeitveranstaltung gehandelt, deren Kostenträger das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft gewesen sei. Der Kläger sei in dieser Zeit Auszubildender gewesen und habe Förderleistungen vom Arbeitsamt nach § 48 SGB III in Form eines Stützkurses von wöchentlich 1,5 Stunden erhalten, der vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft durchgeführt worden sei. Teilnehmer einer nach § 48 SGB III geförderten Maßnahme gehörten zwar zum Kreis der versicherten Personen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 14b SGB VII. Voraussetzung hierfür sei aber, dass die konkrete Verrichtung zum Unfallzeitpunkt der versicherten Tätigkeit zugerechnet werden könne. Hiernach sei versicherte Tätigkeit die Teilnahme an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme im Rahmen des SGB III. Hierunter fiele bei dem Kläger die Teilnahme an dem einmal wöchentlich stattfindenden Stützkurs von 1,5 Stunden. Am Unfalltag habe er sich jedoch nicht bei dem Stützkurs, sondern auf einer Wochenendfreizeit befunden, die als reine Freizeitveranstaltung stattgefunden habe. Diese rein freiwillige Veranstaltung, die keinerlei Unterricht beinhalte und deren Kostenträger auch nicht das Arbeitsamt, sondern das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft gewesen sei, stehe nicht mehr im Zusammenhang mit einer Fördermaßnahme nach § 48 SGB III, auch wenn sie vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft, welches den Stützkurs durchgeführt habe, ausgetragen worden sei und sicherlich auch positiven Einfluss auf die Teilnehmer gehabt habe. Auch wenn man annähme, dass der Kläger zum versicherten Personenkreis gehöre und er sich auf einer versicherten Dienstreise befunden habe, könne vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass zum Unfallzeitpunkt eine betriebliche Tätigkeit ausgeübt habe. Denn es sei nicht nachgewiesen, dass das Aufsuchen der Tankstelle der Nahrungsaufnahme gedient habe.
Am 23. Dezember 2015 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Wiesbaden (S 19 U 159/15) erhoben.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, es sei auf Geschäftsreisen grundsätzlich dem Reisenden freigestellt, seine Mahlzeiten unterwegs einzunehmen. Da dieser die Mahlzeiten in aller Regel außer Haus einnehmen müsse, seien die direkten Wege zur Essensaufnahme versichert. An dem Imbiss habe es nur Bratwürste gegeben, und selbst wenn es auch Rindswürste gegeben hätte, hätte der Kläger diese aufgrund seines muslimischen Glaubens nicht essen dürfen, weil diese Wurst auf demselben Grill wie verpönte Nahrung behandelt gewesen wäre. Es habe eine betriebliche Tätigkeit vorgelegen. Die Bildungsmaßnahme sei von der Einrichtung der Hessischen Wirtschaft finanziert worden und damit eine soziale Maßnahme gewesen, bei der es um Integration von Menschen in die Arbeitswelt gegangen sei. Diese Unternehmung wäre nach Auffassung des Klägers nicht von Erziehern begleitet gewesen, wenn kein Sinnzusammenhang mit der Integration in die Ausbildung und in den Betrieb angestrebt gewesen sei. Die Firma C., bei der der Kläger im Jahre 1998 die Ausbildung aufgenommen habe, verfüge über ein eigenes Ausbildungszentrum, das zusammen mit dem Institut der Hessischen Wirtschaft, das als Bildungswerk Stützkurse für die Auszubildenden angeboten habe, zusammenarbeite. Immer kurz vor Feierabend sei einmal wöchentlich Frau D. gekommen, um dann mit den anderen Ausbildern und dem Meister, ergänzend zur Berufsschule, Theorie zu vermitteln oder zu wiederholen. Frau D. sei also von Anfang an die Betreuerin der Gruppe gewesen. Bei der versicherten Tätigkeit habe es sich um eine überbetriebliche Bildungsmaßnahme gehandelt.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht beim Nachhilfeunterricht, sondern bei einer Erlebnisfreizeit befunden, die zwar ebenfalls vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft betreut worden sei, deren Teilnahme jedoch rein freiwillig gewesen sei und die auch keinen Unterricht im herkömmlichen Sinne beinhaltet habe. Kostenträger dieser Erlebnisfreizeit sei auch nicht das Arbeitsamt gewesen, sondern das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft selbst. Diese rein freiwillige Veranstaltung habe nicht mehr im Zusammenhang mit der Fördermaßnahme nach § 48 SGB III gestanden, so dass der Kläger bei der Teilnahme an der Erlebnisfreizeit nicht zum versicherten Personenkreis gehört habe.
Mit Beschluss vom 29. Februar 2016 hat das Sozialgericht das Verfahren S 19 U 159/15 mit den Parallelverfahren S 19 U 157/15 (H. H.) und S 32 U 158/15 (G. G.) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens S 19 U 157/15 verbunden. Mit Urteil vom 4. Oktober 2016 hat es die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger seien zwar Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII), da eine berufsfördernde Maßnahme selbst Aus- und Fortbildung in diesem Sinne sei und deswegen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII begründe. Die Kläger seien Lernende gewesen, also diejenigen, die an Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen außerhalb eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses teilnähmen. Solche Einrichtungen müssten der beruflichen Bildung dienen, worunter auch Klassenreisen oder Wanderungen, die im Zusammenhang mit einer Bildungsveranstaltung stünden, fielen. Nach den durchgeführten Ermittlungen handele es sich um ein Erlebniswochenende, dessen Teilnahme den Klägern zwar freigestellt gewesen sei, das aber gleichwohl den zeitgleich stattfindenden Stützkurs durch pädagogische Maßnahmen im Rahmen des Wochenendes habe unterstützen sollen. Da der Versicherungsschutz für Lernende weit zu verstehen sei, scheitere dieser auch nicht daran, dass die Kläger im Rahmen des freiwilligen Erlebniswochenendes verunfallt seien. Dennoch liege indes kein Arbeitsunfall vor. Die Kläger seien bei einer privaten, eigenwirtschaftlichen und damit unversicherten Tätigkeit verunfallt. Selbst wenn man den Vortrag der Kläger als wahr unterstelle, es habe auf dem Hof bei J. nichts mehr zu essen gegeben und sowohl in FX.-E-Stadt als auch in FX.-M. habe es ausschließlich Schweinefleisch gegeben, zähle die Nahrungsaufnahme zu den persönlichen Belangen und sei deshalb private, unversicherte Tätigkeit, wobei für eine Nahrungsaufnahme aus betrieblichen Belangen, etwa einem Geschäftsessen oder ähnlichem, vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich seien. Der vorliegende Sachverhalt sei auch nicht mit Klassenfahrten von Schülern vergleichbar. Es liege zudem kein dienstreiseähnlicher Versicherungsschutz vor. Die Entfernung von 18 km zwischen dem Zeltplatz und dem Unfallort lasse es als nicht nachvollziehbar erscheinen, dass dort die nächstgelegene Möglichkeit für eine Nahrungsaufnahme gewesen sei. Hinzu komme, dass sich dort auch gar keine Tankstelle befunden habe. Schließlich sei kein Grund erkennbar, warum die Kläger um 00:30 Uhr noch an dieser Stelle mit dem Auto unterwegs gewesen seien.
Am 9. November 2016 hat der Kläger Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe aufgrund seines muslimischen Glaubens nicht in dem Biergarten essen können. Die einzige Möglichkeit, an "koschere" Nahrung zu gelangen, habe er in dem Aufsuchen einer etwa 10 Kilometer entfernten Tankstelle gesehen. Seinem Arbeitgeber sei es von Anfang an wichtig gewesen, dass der Kläger an dem Stützkurs vollständig teilnehme. Dieser Stützkurs sei eine Pflichtveranstaltung gewesen. Im Schulbereich sei zudem eine weniger strenge Bewertung des betrieblichen Zusammenhangs geboten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. Oktober 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2015 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 3. Juli 1999 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, es stehe bereits nicht fest, ob die Erlebnisfreizeit grundsätzlich unter Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Selbst wenn man von einem Versicherungsschutz für die Erlebnisfreizeit ausgehe, sei eine versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt zu verneinen. Weiter bleibe unklar, was sich zwischen dem Aufbruch am Imbiss und dem Unfall um 00:30 Uhr ereignet habe. Selbst wenn man annähme, dass sich der Kläger tatsächlich auf dem Weg zu einer alternativen Essensmöglichkeit befunden habe, stehe bei Betrachtung der örtlichen Verhältnisse fest, dass er spätestens im nächstgrößeren Ort K-Stadt hätte fündig werden müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akte der Parallelverfahren L 9 U 229/16 und L 9 U 230/16, die Akte S 1 U 4386/00 (Sozialgericht Frankfurt am Main) sowie die Akte der Beklagten Bezug genommen, die der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass ein Arbeitsunfall vorliegt, wahlweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des § 54 Abs.1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG oder mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn.12). Das erforderliche Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) wurde durchgeführt. Die Beklage hat in dem angegriffenen Bescheid zwar wörtlich über ein Ereignis vom "2." Juli 1999 entschieden. Aus dem insofern maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass damit über das Ereignis am 3. Juli 1999 gegen 00:30 Uhr entschieden werden sollte.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Ereignis am 3. Juli 1999 ein Arbeitsunfall ist. Der angegriffene Bescheid ist mithin rechtmäßig.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 102 SGB VII. Danach kann der Versicherte auch die Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind, wobei diese Norm nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelnen Anspruchselemente umfasst, was prozessual durch § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG bestätigt wird, wonach eine Feststellungsklage auch darauf gerichtet sein kann, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 16 ff.).
Ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII liegt jedoch nicht vor. Denn die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls ist keiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt und daher "Versicherter" ist (BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 2 U 15/12 R -, juris, Rn. 11).
Der innere Zusammenhang zwischen der Verrichtung und einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit hängt davon ab, ob die festgestellte Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R -, juris). Hierbei handelt es sich nicht um die Feststellung eines Kausalzusammenhangs, sondern um einen Akt wertender Erkenntnis im Einzelfall.
Die Verrichtung zur Zeit des Unfalls, d. h. das Fahren des Autos am 3. Juli 1999 gegen 00:30 Uhr, ist zunächst nicht der versicherten Tätigkeit des Klägers als Auszubildender nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII zuzuordnen. Zwar sind Auszubildende ebenfalls Beschäftigte i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (vgl. § 7 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV). Ein innerer Zusammenhang zwischen der Verrichtung zurzeit des Unfallereignisses und der versicherten Tätigkeit als Auszubildender (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) besteht indes nicht.
Bei Versicherten, deren Versicherungsschutz auf der Tätigkeit für ein Unternehmen beruht, kommt es für die Zurechnung der schadenstiftenden Verrichtung zur versicherten Tätigkeit auf die anhand objektiver Anhaltspunkte nachvollziehbare finale Handlungstendenz des Versicherten zurzeit des Unfallereignisses (objektivierte Handlungstendenz) an. Das Handeln muss demnach dazu bestimmt sein, dem Unternehmen zu dienen, wobei ebenfalls ausreichend ist, wenn der Versicherte aufgrund objektiver Umstände der Auffassung sein durfte, sein Verhalten sei geeignet, dem Betrieb zu dienen (BSG, Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 7/11 R -, juris). Eine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zwecke verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Eine Beschäftigung in diesem Sinne wird mithin ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zurzeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 2 U 15/12 R , juris, Rn. 13).
Bereits die Teilnahme an der erlebnispädagogischen Maßnahme hat indes keine solchen Bezugspunkte zu dem Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Auszubildender. Insbesondere diente sie nicht der Erfüllung seiner Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Ausbildungsverhältnis. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an der Maßnahme bestand nicht. Die Teilnahme erfolgte auch nicht zur Erfüllung einer arbeitsrechtlichen Weisung und stellt auch keine Heranziehung zu nicht arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgaben durch den Arbeitgeber dar. Lediglich die Teilnahme an dem Stützkurs wurde von seinem Arbeitgeber verlangt. Hierüber konnte der Kläger auch nicht im Unklaren sein.
Der Kläger war zur Zeit der Verrichtung auch nicht als Lernender nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII versichert. Nach dieser Vorschrift sind kraft Gesetzes versichert Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen.
Zwar war der wöchentliche Stützkurs, den der Kläger besuchte, nach dieser Vorschrift unter Versicherungsschutz gestellt. Auch ausbildungsbegleitende Hilfen des ausbildenden Betriebes als sogenannter Stützunterricht oder sozialpädagogische Maßnahmen nach dem SGB III stehen nämlich unter Versicherungsschutz (vgl. amtliche Begründung Bundestagsdrucksache 13/2204, S. 74; Bieresborn, in: juris-PK-SGB VII, § 2 Rn. 70, Stand: 08.05.2017). Die erlebnispädagogische Maßnahme ist allerdings weder diesem Stützunterricht rechtlich zuzurechnen noch erfüllt sie selbst den Versicherungsschutztatbestand nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII.
Die erlebnispädagogische Maßnahme war - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - kein Bestandteil des wöchentlichen Stützkurses. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Agentur für Arbeit kein Kostenträger (nach § 48 SGB III) war. Kostenträger der erlebnispädagogischen Maßnahme war vielmehr ausschließlich das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. Die einzigen Gemeinsamkeiten von Stützkurs und erlebnispädagogischer Maßnahme sind Maßnameträger und Betreuer. Dies ist allerdings nicht ausreichend, um einen Versicherungsschutz herzuleiten, zumal das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft eine Fülle von verschiedenen Tätigkeitsfeldern aufweist. Zudem waren acht von zwölf Teilnehmern an der Erlebnisfreizeit nicht auch zugleich Teilnehmer des Stützkurses, den der Kläger besuchte. Auch deshalb konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass Stützkurs und Erlebnisfreizeit zur selben Maßnahme gehörten.
Die erlebnispädagogische Maßnahme ist auch nicht selbst von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII erfasst. Die Maßnahme ist bereits keine Aus- und Fortbildung in diesem Sinne. Voraussetzung hierfür ist die Vermittlung berufsnütziger Kenntnisse und Fähigkeiten, mithin ein Bezug zu einer bestimmten Erwerbstätigkeit oder versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 SGB VII (LSG Hamburg, Urteil vom 23. August 2016 - L 3 U 69/13 -, juris, Rn. 17; vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 1976 - 2 RU 5/76 -, juris; Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 17/93 -, juris). Prinzipiell nicht ausreichend ist, wenn bei einer Maßnahme keine berufsspezifischen Kenntnisse, sondern nur allgemeine Grundlagenkenntnisse ohne Bezug auf ein bestimmtes Berufsgebiet vermittelt werden (vgl. auch SG Berlin, Urteil vom 9. Juli 2012 - S 25 U 231/11 -, juris), wenn mithin die Maßnahme der beruflichen Tätigkeit lediglich mittelbar zugutekommt. Denn dies trifft für eine unüberschaubare Vielzahl von Fortbildungsthemen zu und macht eine klare Abgrenzung des Versicherungsschutztatbestandes unmöglich. Die Berufsbezogenheit einer Fortbildungsmaßnahme beurteilt sich in erster Linie nach objektiven Kriterien (Bieresborn, in: juris-PK SGB VII, § 2 Rn. 74, Stand: 08.05.2017). Handelt es sich um nicht berufstypische Lerngegenstände, kommt es auf die erkennbare Motivation des Teilnehmers an, ob diese auf eine konkrete berufliche Verwertung oder allgemein auf die persönliche Lebensgestaltung und Interessensphäre gerichtet ist (Bieresborn, in: juris-PK SGB VII, § 2 Rn. 76, Stand: 08.05.2017). Die erlebnispädagogische Maßnahme hingegen lässt keinen solchen berufsspezifischen Bezug erkennen. Sie sollte vielmehr allgemein soziale Kompetenzen trainieren und das Selbstwertgefühl stärken. Objektive Anhaltspunkte, die einen Berufsbezug begründen könnten, liegen nicht vor. Zudem spricht gegen eine Aus- und Fortbildung, dass im Rahmen der Maßnahme kein Unterricht erfolgen sollte, sondern ausschließlich praktische/sportliche Aktivitäten geplant waren. Bereits begrifflich setzt ein Lernen im Rahmen einer beruflichen Aus- und Fortbildung jedoch ein Mindestmaß an Vermittlung theoretischer Kenntnisse voraus.
Ob einer Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII außerdem entgegensteht, dass es an einer Einrichtung in diesem Sinne fehlt, weil diese - wie nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8a SGB VII - eine auf gewisse Dauer angelegte Verbindung von Personen und Sachen unter der Verantwortung eines Trägers, verbunden mit einer Baulichkeit, voraussetzt (siehe Bieresborn, in: juris-PK SGB VII, § 2 Rn. 154, Stand: 08.05.2017), kann hier dahinstehen.
Ebenso kann offen bleiben, ob die Verrichtung des Klägers - sofern man eine berufliche Aus- und Fortbildung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII annähme - "während" dieser stattgefunden hat und ob die zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII entwickelten Grundsätze zum Versicherungsschutz auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme und bei Dienstreisen überhaupt anwendbar sind. Da der Gesetzgeber ausdrücklich Lernende nur während der beruflichen Aus- und Fortbildung in den genannten Einrichtungen schützt, umfasst der Versicherungsschutz nur solche Tätigkeiten, die im organisatorischen Verantwortungsbereich der Bildungseinrichtung liegen (LSG Hamburg, Urteil vom 17. Februar 2015 - L 3 U 31/12 -, juris, Rn.16).
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14b SGB VII, der den Unfallversicherungsschutz für Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen regelt, die u. a. von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden, ist erst durch das Vierte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 (BGBl. I S. 3057) eingeführt worden und findet vorliegend keine Anwendung (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 23. August 2016 - L 3 U 69/13 -, juris, Rn. 17). Denn der streitgegenständliche Unfall hat sich vor diesem Zeitpunkt ereignet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved