L 2 U 14/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 45/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 14/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines wiederholten Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über einen Anspruch auf Rente wegen einer Berufskrankheit (BK) Lärmschwerhörigkeit (BK Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2301) bzw. Nr. 50 der Liste der BKen nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR)) und dabei insbesondere, ob eine in der DDR nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. gezahlte Rente überzuleiten ist.

Dem in der damaligen DDR langjährig im Schiffbau tätigen, am xxxxx 1936 geborenen Kläger wurde vom Kreisvorstand B. des F. – Verwaltung der Sozialversicherung der DDR – wegen einer auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführten Hörstörung mit Tinnitus mit Bescheid vom 11. Mai 1970 eine Unfall-Rente nach einer MdE um 20 v.H. bewilligt und bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 16. August 1989 gezahlt. Der Kläger wurde auf seinen Antrag vom Oktober 1987 hin aus der DDR-Staatsbürgerschaft entlassen und in der BRD als "Sowjetzonenflüchtling" nach § 3 Bundesvertriebenengesetz anerkannt (Vertriebenenausweis des Magistrats der Stadt Bremerhaven vom 9. Januar 1991).

Am 3. Juli 1991 stellte der Kläger bei der Bundesausführungsbehörde der Unfallversicherung (B1, ab 2003: Unfallkasse des B2, 2015 mit der E.-Unfallkasse fusioniert zur Unfallversicherung B.) in W. einen – als Dokument nicht mehr auffindbaren – Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die B1 teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. Juli 1991 mit, dass sie das für seinen Wohnort zuständige Versicherungsamt gebeten habe, ihn vorzuladen und von ihm eine Erklärung entgegenzunehmen. Sie wies darauf hin, dass Ansprüche nach dem Fremdrentengesetz (FRG) originär festzustellen seien, d.h. es sei unabhängig von früheren Entscheidungen durch den ursprünglich zuständigen Versicherungsträger des Herkunftslandes ein neues Verwaltungsverfahren durchzuführen, weil in Ländern außerhalb des Geltungsbereiches des FRG die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abweichend von den gesetzlichen Vorschriften der BRD beurteilt würden. Der Kläger werde gebeten, zur Glaubhaftmachung der nach dem FRG erheblichen Tatsachen entsprechende Beweismittel vorzulegen.

In dem daraufhin durchgeführten Verwaltungsverfahren reichte der Kläger zunächst mit Datum vom 26. November 1991 bei der N.-Berufsgenossenschaft, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen ausgefüllten mehrseitigen Antragsvordruck auf Gewährung einer Rente nach dem FRG ein. Im weiteren Verlauf kam der Arzt für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Stimm- und Sprachstörungen, Allergologie Dr. M. nach Untersuchung des Klägers am 24. April 1992 in seinem Gutachten vom 27. April 1992 zu dem Ergebnis, dass eine Lärmschwerhörigkeit beidseits im Sinne einer Hochtonschwerhörigkeit als Ausdruck eines Haarzellschadens entsprechend der BK 2301 vorliege. Diese sei nach den einschlägigen Bewertungskriterien (hier: Königsteiner Merkblatt) allerdings – bei gegenüber den seit 1969 erstellten Vorgutachten im Wesentlichen unveränderten Befunden – nicht wie von den Gutachtern in der damaligen DDR als gering- bis mittelgradig einzustufen, sondern als Normalhörigkeit, sodass sich auch unter Berücksichtigung des störenden Tinnitus eine MdE um 0 v.H. ergebe. Da der Kläger nicht mehr im Lärm tätig sei, sei eine weitere lärmbedingte Verschlechterung des Hörvermögens nicht zu erwarten

Mit Bescheid vom 2. Juni 1992 erkannte die N1-Berufsgenossenschaft als eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden daher auch: Beklagte) dementsprechend das Vorliegen einer BK 2301 an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab, weil die MdE nicht um mindestens 20 v.H. gemindert sei. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG sei ein möglicher Entschädigungsanspruch nach den maßgeblichen bundesrechtlichen Vorschriften für die gesetzliche Unfallversicherung zu prüfen, was zur Folge habe, dass Beurteilungen von Ärzten oder Behörden nach den Bestimmungen der ehemaligen DDR nicht übernommen werden könnten. Den hiergegen unter Hinweis auf die nach Ansicht des Klägers erheblicheren berufskrankheitenbedingten Gesundheitsschäden eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 1992 zurück. Eine Klage wurde nicht erhoben.

Am 13. Oktober 2006 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 2. Juni 1992 nach § 44 SGB X. Nach den gemäß § 215 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) nach wie vor anwendbaren §§ 1150 Abs. 2 Satz 1, 1154 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei die vom FDGB festgestellte MdE um 20 v.H. zu übernehmen und ihm daher eine Rente wegen der BK Lärmschwerhörigkeit zu gewähren. Nach Art. 19 des Einigungsvertrags zwischen der BRD und der DDR vom 31. August 1990 blieben Anerkennungsbescheide der DDR, die vor Wirksamwerden des Beitritts ergangen seien, über den 2. Oktober 1990 hinaus grundsätzlich wirksam und folglich im Sinne des § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindend. Er selbst habe vom FDGB zu keinem Zeitpunkt eine Mitteilung über die Einstellung der Rentenzahlung erhalten. Seinen formlosen Antrag vom 3. Juli 1991 habe er in der Annahme gestellt, dass womöglich die in der ehemaligen DDR zugesprochene Teilrente weitergezahlt werde, weil auch in der ehemaligen DDR verbliebene Empfänger einer Rente wegen Lärmschädigung ihm berichtet hätten, dass ihnen diese weitergezahlt werde. Dieser Antrag sei nicht als ein solcher nach dem FRG zu behandeln gewesen, und selbst wenn davon auszugehen sei, dass ein vor dem Jahr 1992 gestellter Antrag auf Weiterzahlung der Rente stets als ein Antrag nach dem FRG zu behandeln sei, hätte er vor dem Hintergrund des am 25. Juli 1991 und damit vor seiner formellen Antragstellung bei der Beklagten am 26. November 1991 ausgefertigten Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) einen Herstellungsanspruch auf Anerkennung und Gewährung seiner zu DDR-Zeiten anerkannten Unfallrente. Sein Sachverhalt sei vergleichbar mit demjenigen, der dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. September 2001 – B 2 U 41/00 R – zu Grunde gelegen habe.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Mai 2008 ab. Sie sei bei Erlass des Bescheides vom 2. Juni 1992 und des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1992 weder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, noch habe sie das Recht unrichtig angewandt. Sie habe ihre Bescheide entsprechend der Mitteilung der B1 an den Kläger vom 12. Juli 1991 im Rahmen des FRG erteilt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 zurück. Der vom BSG in einer sehr besonderen Fallkonstellation entschiedene Fall unterscheide sich von demjenigen des Klägers. Während dort kein FRG-Verfahren in Gang gesetzt worden sei, weil dem Wortsinn des Schreibens des dortigen Klägers nicht habe entnommen werden können, dass eine Rente nach dem FRG beantragt worden sei, sei der Kläger, dessen Antrag nicht mehr vorliege, von der B1 belehrt worden, dass ein Prüfungsverfahren nach dem FRG unabhängig von früheren Entscheidungen vorzunehmen sei. Hiergegen habe er keine Einwände gehabt, sodass im Gegensatz zu dem vom BSG entschiedenen Fall bei ihm ein Verfahren nach dem FRG mit seinem Wissen und Einverständnis in Gang gesetzt worden sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme schon deshalb nicht in Betracht, weil § 46 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) einer Antragsrücknahme entgegenstehe.

Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Bremen erhobene Klage wurde durch Gerichtsbescheid vom 11. Juli 2013 abgewiesen (S 2 U 100/08). Zur Begründung führte das SG aus, dass die Beklagte sich zu Recht auf die Bindungswirkung ihres Bescheides vom 2. Juni 1992 berufen habe. Der im xxxxx 1989 aus der DDR übergesiedelte Kläger sei trotz des zwischenzeitlichen Beitritts der DDR zur BRD individuell nach dem FRG in das Unfallversicherungssystem einzugliedern. Ein Anspruch auf Überleitung in der DDR erworbener Ansprüche nach §§ 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO, 215 Abs. 1 SGB VII bestehe nicht. Denn § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RVO bestimme als Ausnahme vom Grundsatz des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO, dass dessen Regelung nicht für Unfälle gelte, die mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 als Arbeitsunfälle nach dem FRG anerkannt worden seien, es sei denn, der Verletzte habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1992 in das Beitrittsgebiet verlegt. Nach der Rechtsprechung des BSG schließe auch bereits ein zu diesem Stichtag laufendes Antragsverfahren nach dem FRG Ansprüche nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO aus. Maßgebend sei nicht der Entscheidungserfolg im Sinne einer formalen Anerkennung vor dem 1. Januar 1992, sondern der Zeitpunkt des Ingangsetzens des Verfahrens (Hinweis auf BSG, Urteil vom 11. September 2001 – B 2 U 41/00 R). Da der Kläger bereits vor Inkrafttreten des RÜG am 1. Januar 1992 – und im Übrigen auch vor dessen Beschluss am 25. Juli 1991 – das FRG-Verfahren in Gang gesetzt habe, hätten ihm im November 1991 auch Fragebögen nach dem FRG übersandt werden dürfen.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen wies mit Urteil vom 9. Oktober 2014 die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung zurück (L 14 U 128/13). Der Kläger sei durch seine Übersiedlung am 16. August 1989 und die Antragstellung am 3. Juli 1991 nach dem FRG der "Schicksalsgemeinschaft West" zuzuordnen. Die dagegen beim BSG erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb ebenfalls ohne Erfolg (Beschluss vom 8. Januar 2015 – B 2 U 271/14 B).

Im September 2016 stellte der Kläger einen erneuten Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2016 ablehnte.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2017 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 23. Februar 2017 Klage beim SG Hamburg erhoben und die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 v.H. begehrt. Er hat ergänzend auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2007 – 1 BvR 1982/01 – Bezug genommen und die Ansicht geäußert, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 FRG nicht vorsehe, dass ein möglicher Entschädigungsanspruch noch einmal zu prüfen sei.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf die Ausführung des LSG Niedersachsen-Bremen in dessen Urteil vom 9. Oktober 2014 bezogen.

Das SG hat über die Klage am 1. März 2018 mündlich verhandelt und sie mit Urteil vom selben Tag unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des SG Bremen und des LSG Niedersachsen-Bremen als unbegründet abgewiesen. Soweit sich der Kläger darauf berufe, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 FRG gerade nicht die Durchführung eines neuen Verwaltungsverfahrens vorsehe, sei dem entgegenzuhalten, dass durch die Vorgabe "nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften wird auch entschädigt " bestimmt werde, dass außerhalb des Gebietes der BRD eingetretene Arbeitsunfälle bzw. Versicherungsfälle nur im Rahmen der maßgebenden Vorschriften der BRD entschädigt werden könnten. Die Vorschrift beinhalte damit einen Ausschluss des DDR-Rechts auf diese Fälle, d.h. ein möglicher Anspruch auf Entschädigung aufgrund eines in der ehemaligen DDR eingetretenen Arbeitsunfalls müsse (noch einmal) im Rahmen der im Bereich der BRD geltenden unfallversicherungsrechtlichen Vorschriften geprüft werden. Dies habe die Beklagte getan mit dem Ergebnis, dass zwar eine BK anerkannt worden sei, aber keine MdE habe festgestellt werden können.

Gegen dieses, dem damals noch unvertretenen Kläger am 21. März 2018 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 16. April 2018 eingelegte Berufung, mit der er geltend macht, er sei von den Ausschlussregeln des § 1150 Abs. 2 Satz 2 RVO nicht betroffen, weil er insbesondere mit seinem damaligen Antrag vom 3. Juli 1991 kein Eingliederungsbegehren nach dem FRG geäußert habe. Maßgeblich sei der durch Auslegung zu ermittelnde wirkliche Wille. Es sei kein Grund ersichtlich, warum er den Willen gehabt haben sollte, sich in ein für ihn vollkommen offenes Verfahren nach dem FRG zu begeben, wenn ihm die Rentenzahlung nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO in Verbindung mit Art. 19 Einigungsvertrag zwingend zugestanden habe. Der Untersuchung am 24. April 1992 habe er sich gestellt, weil er davon ausgegangen sei, dies werde schon seine Richtigkeit haben, wie es auch beim Kläger im Verfahren des BSG zum Aktenzeichen B 2 U 41/00 R der Fall gewesen sei. Die Beklagte trage aufgrund der Anwendung der Ausschlussregel des § 1150 Abs. 2 Satz 2 RVO die Beweislast dafür, dass er am 3. Juli 1991 eine Eingliederung beantragt habe. Tatsächlich habe er lediglich die Weiterzahlung seiner DDR-Rente begehrt und sich deshalb mit der B1 auch eine für ihn fachlich-sachlich ersichtlich nicht zuständige Bundesbehörde als "Nachfolgerin" des DDR-Unfallversicherungsträgers gewandt. Da die BK vor 1991 eingetreten sei, sei nach dem Einigungsvertrag und dem diesbezüglichen Verteilungsschlüssel für die Zuständigkeit der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Arbeitsunfälle/Berufskrankheiten, die sich im Beitrittsgebiet (ehemalige DDR) bis zum 31. Dezember 1990 ereignet haben (Verteilungsschlüssel nach Einigungsvertrag), die sogenannte "Geburtstags-BG" zuständig, hier die Berufsgenossenschaft H., die der Senat mit Beschluss vom 4. Juni 2018 nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Rechtsnachfolgerin der nach dem Verteilungsschlüssel nach Einigungsvertrag (BG 1992, 325 ff.) zuständigen G.-Berufsgenossenschaft zum Rechtsstreit beigeladen hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. März 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene, zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheids der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 2. Juni 1992 wegen der Folgen einer BK Lärmschwerhörigkeit ab 1. Januar 2012 Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren,

hilfsweise,

den Kläger persönlich zu dem damaligen Antrag vom 3. Juli 1991 anzuhören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit sie gegen sie gerichtet ist.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für richtig und nimmt auf deren Gründe sowie auf diejenige des Urteils des LSG Niedersachsen-Bremen vom 9. Oktober 2014 Bezug.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie vermag ihre fachliche Zuständigkeit nicht zu erkennen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. September 2018 und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 2, Abs. 4 i.V.m. § 56 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Änderung des bestandskräftigen, also die Beteiligten in der Sache bindenden (§ 77 SGG) Bescheids vom 2. Juni 1992 und weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen der Folgen der anerkannten BK Lärmschwerhörigkeit.

Den Gründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils des SG Hamburg sowie der dort in Bezug genommenen rechtskräftigen Entscheidungen des SG Bremen und des LSG Niedersachsen-Bremen ist eigentlich nichts hinzuzufügen, sodass nach § 153 Abs. 2 SGG hierauf Bezug genommen werden kann.

Mit der Berufung trägt der Kläger nichts vor, was Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben könnte.

Ein Anspruch gegen die Beklagte scheitert daran, dass die 1992 von Dr. M. in dessen schlüssigen Gutachten festgestellten BK-Folgen keine messbare MdE und daher auch keinen Rentenanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG in Verbindung mit den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften begründen.

Ein Anspruch gegen die Beigeladene scheitert daran, dass § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RVO in Verbindung mit § 215 Abs. 1 Satz 1 SGB VII eine Überleitung des vom FDGB mit Bescheid vom 11. Mai 1970 festgestellten Rentenanspruchs nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO in Verbindung mit § 215 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausschließt, weil die BK mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 nach dem FRG anerkannt worden ist, ohne dass darüber hinaus die Begründung eines Leistungsanspruchs erforderlich wäre (LSG Hamburg, Urteil vom 12. August 1998 – III UBf 46/97, HVBG-INFO 1999, 3568, nachgehend BSG, Beschluss vom 26. August 1999 – B 2 U 283/98 B, HVBG-INFO 1999, 3572), und der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1992 nicht (wieder) in das Beitrittsgebiet verlegt hatte.

Anders als der Kläger wohl meint, führt Art. 19 Einigungsvertrag über die Fortgeltung von Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung nicht entgegen den Regelungen in § 1150 Abs. 2 RVO in Verbindung mit § 215 Abs. 1 Satz 1 SGB VII dazu, dass er unmittelbar aus dem Bescheid des FDGB vom 11. Mai 1970 einen Anspruch auf Rente nach einer MdE um 20 v.H. geltend machen könnte. Denn Art. 19 Einigungsvertrag als einfaches Bundesgesetz (vgl. Art. 45 Abs. 2 Einigungsvertrag; s. hierzu auch SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2012 – S 14 R 335/09, juris, m.w.N.) wird inhaltlich ausgestaltet und in seiner Reichweite begrenzt durch andere Bundesgesetze wie diejenigen zur ebenfalls im Einigungsvertrag vorgesehenen Rentenüberleitung (vgl. Art. 30 Abs. 5 Einigungsvertrag).

Entgegen der klägerischen Auffassung ist der hiesige Sachverhalt nicht mit demjenigen vergleichbar, der der Entscheidung des BSG vom 11. September 2001 – B 2 U 41/00 R – zu Grunde lag. Im Rahmen der Auslegung des zu ermittelnden wirklichen Willens bei der Antragstellung am 3. Juli 1991 – oder auch zu einem späteren Zeitpunkt – ist zu berücksichtigen, dass zunächst die B1 mit ihrem Schreiben vom 12. Juli 1991 deutlich darauf hinwies, dass ein Verfahren nach dem FRG durchgeführt werden sollte, woraufhin der Kläger nicht nur nicht widersprach, sondern hieran mitwirkte, indem er zunächst im November 1991 die ausdrücklich als Antrag auf Gewährung einer Rente nach dem FRG überschriebenen mehrseitigen Formulare der N.-Berufsgenossenschaft ausfüllte und einreichte und sich schließlich im April 1992 im Rahmen der Begutachtung durch Dr. M. untersuchen ließ. Daher ist der Senat davon überzeugt, dass dem Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 1992 ein Antrag des Klägers auf Eingliederung nach dem FRG zu Grunde lag, zumal der Kläger den Bescheid nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens mit ausweislich des Widerspruchsbescheids lediglich medizinischen Einwendungen (zunächst) nicht weiter angriff, diesen also – anders als der Kläger in dem vom BSG entschiedenen Fall – akzeptierte und erst nach weiteren 14 Jahren eine Überprüfung beantragte.

Anders als der Kläger vorträgt, gab es auch sehr wohl gute Gründe dafür, die Eingliederung über das FRG zu wählen, zumal das RÜG zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht nur nicht in Kraft getreten, sondern noch nicht einmal beschlossen war. Während der Kläger von einer Schwere seiner BK-bedingten Gesundheitsstörungen ausging, die eine rentenberechtigende MdE zur Folge habe, und ihm deshalb die Eingliederung über das FRG mit der Folge der Bewertung nach bundesrechtlichen Vorschriften einschließlich derjenigen zu dem die Höhe einer etwaigen Rente maßgeblich bestimmenden Jahresarbeitsverdienst (JAV) erstrebenswert erschienen sein dürfte, wäre im Falle einer bloßen Rentenüberleitung der zu DDR-Zeiten gezahlten Rente nach § 1152 Abs. 2 Nr. 1 RVO in Verbindung mit § 215 Abs. 2 SGB VII lediglich ein deutlich niedriger, pauschal festgesetzter JAV zu Grunde zu legen gewesen.

Schließlich wäre bei einer Unaufklärbarkeit des zum Ausdruck gekommenen Willens des Klägers von einer Umkehr der Beweislast zu Ungunsten des Klägers auszugehen, weil im Rahmen des (wiederholten) Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Nichtfeststellbarkeit der die Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung begründenden Tatsachen zulasten desjenigen geht, der Rechte aus der behaupteten Rechtswidrigkeit herleiten möchte, hier des Klägers.

Anlass, die mündliche Verhandlung dem Hilfsantrag seines Prozessbevollmächtigten entsprechend zu vertagen, um den Kläger persönlich zum Inhalt seines Antrags vom 3. Juli 1991 zu hören, bestand nicht. Der Kläger hat im Laufe der seit vielen Jahren vor verschiedenen Gerichten ausgetragenen Streitigkeiten selbst angegeben, sich an den genauen Inhalt des in Schriftform nicht mehr vorhandenen, jedenfalls nicht auffindbaren Antrags nicht erinnern zu können, sodass aus einer persönlichen Befragung kein Erkenntnisgewinn zu erwarten gewesen wäre, der über das schriftsätzlich Vorgetragene und die ermittelten weiteren Umstände hinaus geht. Im Übrigen steht zur Überzeugung des Senats ja gerade fest, dass der Kläger zumindest nach dem Schreiben der B1 vom 12. Juli 1991 wissentlich und willentlich ein Antragsverfahren nach dem FRG durchlaufen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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