L 1 KR 95/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 KR 809/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 95/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
L 1 KR 95/17 S 9 KR 809/13 Landessozialgericht Hamburg Urteil Im Namen des Volkes In dem Rechtsstreit hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Hamburg ohne mündliche Verhandlung am 23. August 2018 durch Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. August 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 14.070 EUR abzüglich der Kosten der gesetzlichen Zuzahlung für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung in der privaten C.-Klinik in der Zeit vom 20. Mai 2013 bis zum 23. Juni 2013.

Die 1973 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet seit ihrem 16. Lebensjahr an Essstörungen. Nachdem sie zunächst unter Magersucht litt, wandelte sich die Symptomatik seit dem 18. Lebensjahr zur Bulimia nervosa (Bulimie, Ess-/ Brechtsucht). Im Oktober 2012 diagnostizierten die behandelnden Fachärzte für Allgemeinmedizin der Klägerin eine akute Verschlechterung der bestehenden Essstörung sowie eine daraus resultierende dekompensierte Depression und empfahlen einen Klinikaufenthalt. Die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt als Teamleiterin im Controlling in einem Verlag tätig war, beantragte daraufhin bei der Beklagten unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der C.-Klinik, in welcher sie bereits 2007 ohne Kostenbeteiligung der Beklagten zu ihrer Zufriedenheit behandelt worden war, die Kostenübernahme für einen dortigen Aufenthalt von voraussichtlich 5 Wochen.

Mit Bescheid vom 16. November 2012 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme ab, da es sich um eine Privatklinik handele und die beantragte Behandlung auch in Vertragskrankenhäusern, so im U., in der S. Klinik B. oder in der S1 in B1 durchgeführt werden könne. Mit ihrem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass die zu erwartenden Kosten in den alternativ benannten Kliniken deutlich höher seien, weil die Behandlung dort länger dauere. Dort würden bei wesentlich geringerer Behandlungsdichte maximal 2 Therapiesitzungen pro Woche durchgeführt. In der von ihr vorgesehenen Klinik sei eine intensivere Behandlung mit 10 Behandlungseinheiten in Einzeltherapie wöchentlich vorgesehen. Sie benötige die kürzere Behandlungsdauer, da sie im Arbeitsprozess stehe.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Stellungnahme. In seinem Gutachten nach Aktenlage vom 14. Februar 2013 führte Dr. S2 aus, anhand der vorliegenden Unterlagen sei eine differenzierte Begutachtung zur Abgrenzung zwischen stationärer Krankenhausbehandlung und rehabillitativ-psychosomatischer Behandlung nicht möglich. Ein Rehaantrag sei nicht gestellt, eine Prüfung der Notwendigkeit einer stationären Behandlungsbedürftigkeit durch eine aufnehmende Vertragsklinik gemäß § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei nicht erfolgt. Den Unterlagen sei auch nicht zu entnehmen, dass eine ambulante psychiatrische Behandlung gegenwärtig erfolge und dass alle ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2013 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Stellungnahme des MDK mit und benannte ihr als zugelassene Krankenhäuser für die Behandlung ihrer Erkrankung die C1- Klinik B2, die A. Klinik N. und die S. Klinik E ... Nach der Mitteilung der Klägerin, sie halte ihren Widerspruch aufrecht, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2013 den Widerspruch der Klägerin zurück und wies noch einmal darauf hin, dass es sich bei der C.-Klinik nicht um eine zugelassene Klinik handele und dass der Klägerin Vertragskliniken benannt seien.

Vom 20. Mai 2013 bis 23. Juni 2013 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der C.-Klinik in M ... Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 stellte die Klinik der Klägerin hierfür 14.350 EUR in Rechnung.

Mit ihrer Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten hat die Klägerin ihr Begehren auf Kostenerstattung weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat unter anderem einen Befundbericht der behandelnden Psychotherapeutin der Klägerin sowie ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Innere Medizin Dr. H. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 23. Juli 2015 nach Untersuchung ausgeführt, die Klägerin leide zweifelsfrei an einer massiven Essstörung in Form einer Bulimia nervosa mit Anorexia nervosa in der Vorgeschichte. Es schiene, dass die Klägerin sich mit ihrer Erkrankung in gewisser Weise arrangiert habe, wobei sie jedoch ihre inneren Qualen und ihren Leidensdruck nicht wirklich mitteilen könne. Die Klägerin habe sich bereits 2007 in der Behandlung in der von ihr gewünschten Klinik befunden und sei dort offensichtlich sehr zufrieden gewesen. Im Jahr 2013 sei ihr bewusst gewesen, dass sie in ihrer damaligen Situation am besten von einer stationären Behandlung in dieser Klinik profitieren würde, weil dort ein Behandlungskonzept zur Verfügung stehe, dass es ihr ermögliche, den von ihr erhofften Behandlungserfolg innerhalb der kürzest möglichen Zeit zu erreichen. Bei einer Recherche der von der Krankenkasse empfohlenen Alternativkliniken sei sie zu dem Schluss gekommen, dass einen eine Behandlung in den genannten Kliniken wesentlich länger dauere als in der C.-Klinik, dass sie weniger intensiv und weniger effektiv und damit gleich kostenträchtig sei. Eine medizinische Indikation für eine stationäre Behandlung habe bestanden. Diese sei von den Fachärzten bescheinigt und auch vom Klinikum angenommen worden. Dass die Klägerin vor der Aufnahme arbeitsfähig gewesen sei und erst vier Tage vor der Aufnahme in der Klinik arbeitsunfähig geschrieben worden sei, spreche nicht gegen eine Indikation für eine stationäre Aufnahme. Der Krankheitszustand der Klägerin im Verlauf des Jahres 2012 sei derart gravierend gewesen, dass sie sich nur durch eine stationäre Behandlung Besserung habe versprechen können. Die Erkrankung habe auch zur Verhinderung einer weitergehenden Dekompensation einer stationären multimodalen Therapie, gerade mit der Spezialisierung für Essstörungen und mit einem vorwiegend verhaltenstherapeutischen Ansatz bedurft. Dieser sei in der C.-Klinik gegeben gewesen. Die Klägerin habe eine zu lange Abwesenheit vom Arbeitsplatz verhindern wollen, um diesen Arbeitsplatz zu sichern. Sie habe vom Eintritt eines Behandlungserfolges in dieser Klinik ausgehen wollen und können. Krankheitsbedingt habe sie bei ihrer Wahrnehmung nur schwer oder überhaupt nicht abwarten können, sondern auf einer möglichst raschen Lösung Ihres Problems bestanden. Es sei eher erstaunlich, dass Sie sich wochenlang um Alternativ-Kliniken gekümmert habe. Jedes zwischenmenschliche Hindernis und jeder Enttäuschung könne der Erkrankung der Klägerin Vorschub leisten bis hin zur Verzweiflungspanik und zu völligem Zusammenbruch. Nehme man also die notwendige Einzelfallbetrachtung vor, könne es an einer Indikation für die stationäre Behandlung in der C.-Klinik keinen Zweifel geben. Die stattgehabte ambulante Behandlung habe eine Verschlechterung der Erkrankung nicht verhindern können. Für eine teilstationäre Behandlung in Wohnortnähe habe es keine entsprechend qualifizierte Einrichtung gegeben. Eine Behandlung in einer Vertragsklinik wäre sicher möglich gewesen, es sei aber zu berücksichtigen, dass die S.-Klinik in E. nicht auf Essstörungen spezialisiert sei. Die S.-Klinik in B. habe zwar eine Spezialisierung für Essstörungen, nach den Recherchen der Klägerin, die nicht in Zweifel zu ziehen sein, sei das dortige Behandlungsangebot gegenüber der C.-Klinik jedoch weniger intensiv, benötige daher zur Erreichung bestimmter Therapieziele eine längere Zeit und verursache damit identische Behandlungskosten. Man könne daher von einem Systemversagen insoweit sprechen, als die vorhandenen Vertragskliniken nicht für jeden Patienten im Sinne einer weitgehend erfolgversprechenden Behandlung geeignet seien. Dies sei im Einzelfall zu prüfen.

In einem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Klägerin angegeben, sie habe sich "damals" in der S. Klinik B. vorgestellt. Es sei dort gesagt worden, dass die Therapie mindestens 12 Wochen dauern werde und Wartezeiten von 10-12 Wochen bestünden. Das sei "von ihrem Job her nicht gegangen". Hinzu käme, dass sie die einzige Erwachsene gewesen wäre mit einem solchen Erkrankungsbild. Ansonsten würden dort lediglich Patienten/Patientinnen im Alter von 17 oder 18 Jahren behandelt. Gruppentherapie, die dort vielfach eingesetzt werde, hätte deswegen für sie als einzige Erwachsene keinen Sinn ergeben. Sie habe sich aufgrund dessen letztlich anders entschieden.

Das Sozialgericht hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Dr. H. angefordert. Dieser hat eine Reihe von Kliniken für "generell adäquate Behandlungen einer Essstörung" benannt, unter anderem auch die S.-Kliniken, wobei der Standort E. nicht auf Essstörungen spezialisiert sei. Es bestünden bei den in Betracht kommenden Kliniken Wartezeiten zwischen 6 Wochen und 8 Monaten. Die von der Beklagten der Klägerin vorgeschlagenen Vertragskliniken seien als nicht adäquat anzusehen. Die in Frage kommenden Vertragskliniken wären auch mit ihrer üblichen längeren Behandlungsdauer dem Behandlungsziel der Klägerin, nämlich eine effektive Behandlung in möglichst kurzer Zeit, nicht gerecht geworden. Eine medizinisch adäquate Behandlung für die Klägerin sei somit offensichtlich nirgendwo als in der von ihr ausgesuchten Klinik sinnvoll und hilfreich möglich gewesen.

Zu der Frage, welche konkreten medizinischen Nachteile der Klägerin bei einer Behandlung in einer Vertragsklinik entstanden wären, hat der Gutachter ausgeführt, diese böten nur ein für die Klägerin "suboptimal geeignetes" Verfahren an, es bestünden zudem lange Wartezeiten. Die in der C.-Klinik erzielten Behandlungserfolge wären seines Erachtens in einer Vertragsklinik mit Sicherheit nicht erzielt worden, erst recht nicht in fünf Wochen. Es müsse als wahrscheinlich angesehen werden, dass die Behandlung dort nicht rechtzeitig und nicht wirksam genug gewesen wäre um die akuten Krankheitssymptome (abendliche Ess-/Brechattacken mit Zuführen von 12 Liter Wasser innerhalb von 4-6 Stunden mit am Folgetag eintretender Erschöpfung, Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten) wesentlich zu bessern oder zu beseitigen. Konkrete medizinische Nachteile, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aufgetreten wären, benennt der Sachverständige dahingehend, dass die Klägerin sich während der Wartezeit nicht konsequent genug ernährt hätte, sondern durch unbewusste Vorgänge im Zusammenhang mit ihrer Ungeduld über die Aufnahme-und Diagnoseprozeduren und die Unterforderung körperliches Unwohlsein wie Übelkeit, Brechreiz, Schlafstörungen und möglicherweise auch depressive Symptome erlitten hätte. Sie hätte einen Rückfall in das überhaupt erst zur stationären Aufnahme führende Essverhalten erlitten. Es wären dann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Elektrolytstörungen und Magen-Darmsymptome aufgetreten. Die Klägerin hätte auch wegen der Behandlungsdauer nicht so schnell ihre Arbeit wieder aufnehmen können, welche ihr ein hohes Maß an Struktur und Zuversicht zur Bewältigung ihrer Krankheit gebe. Gravierende und schwerwiegende gesundheitliche Nachteile für die Klägerin seien "selbstredend nicht unbedingt" bei Behandlung in einer Vertragsklinik aufgetreten. Sie wäre jedoch voraussichtlich nach kurzer Zeit, wenn die Behandlung nicht ihrem Wunsch entsprochen hätte, auf eigenen Wunsch vorzeitig gegangen und hätte sich anderweitig beholfen. Dann wäre mit Sicherheit wieder ein problematisches Gewichtsverhalten aufgetreten. Es sei zu fragen, ob ein Krankenhaus seine Patienten vielleicht nur so gut behandeln müsse, dass keine gravierenden oder schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteile aufträten, oder ob es nicht so sein müsse, dass den Patienten die bestmögliche Behandlung gewährt werde, also zu verhindern, dass überhaupt medizinische Nachteile auftreten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Sachverständige Dr. H. dann unter anderem ausgeführt, er sehe die Tatsache, dass die Klägerin die Behandlung in der C.-Klinik, die sie ja schon einmal erlebt habe, unbedingt habe wieder haben wollen, als Teil der Krankheit an. Im Alltag von Bulimiekranken müsse eine extreme Kontrolle herrschen. Sofern dies nicht gelinge, nehme der innere Druck erheblich zu, was wiederum negative Auswirkungen auf das Ess-/ Brechverhalten habe. Gerade im Fall der Klägerin sei es so, dass diese praktisch keine anderen Möglichkeiten gehabt habe, als genau diese Klinik aufzusuchen. Sie sei wenig beeinflussbar auf diesem Wege gewesen, dies sei Teil ihrer inneren Struktur.

Mit Urteil vom 16. August 2017 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 14.070 EUR (14.350 EUR abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung) zu zahlen. Zum Zeitpunkt der stationären Behandlung der Klägerin sei die Leistung zur Überzeugung der Kammer unaufschiebbar geworden, und zugleich sei eine Leistungserbringung innerhalb des Systems zugelassener Krankenhäuser nicht mehr ausreichend und nicht mehr möglich gewesen (Versorgungslücke).

Dabei reiche für ein Unvermögen der Leistungserbringung innerhalb des Systems nicht ein besonderes Vertrauensverhältnis der Versicherten zu einer außervertraglichen Einrichtung, wie es hier bei der Klägerin gegenüber der C.-Klinik bestanden habe. Auch sei es nicht generell unzumutbar, wenn in einzelnen Kliniken ein Vorgespräch geführt werden müsse. Sich anschließende lange Wartezeiten bis zur Behandlung könnten jedoch die Dringlichkeit erhöhen. Hinsichtlich der von der Klägerin geschilderten und vor allem befürchteten negativen Folgen einer um viele Wochen längeren Abwesenheit vom Arbeitsplatz bei einer länger dauernden Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus sei auch dies nicht generell unzumutbar. Es sei aber im Fall der Klägerin die besondere Drucksituation am Arbeitsplatz, die sich bereits erheblich negativ ausgewirkt habe mit Ess-/Brechanfällen sogar am Arbeitsplatz, die sie habe verbergen müssen, zu berücksichtigen. Dies habe die Dringlichkeit der Behandlung mit erzeugt und letztlich auch den psychischen Druck der Klägerin so verstärkt, dass diese – bedingt auch durch ihre innere Struktur - nur eine möglichst kurze Behandlung überhaupt in Anspruch habe nehmen können. Zum Zeitpunkt der stationären Behandlung der Klägerin habe, bezogen auf die damalige noch immer weiter zunehmende Schwere ihrer Essstörung, in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H. und seinen zusätzlichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung, eine Versorgungslücke bestanden, in der Behandlungsalternativen in zugelassenen Krankenhäusern nicht gegeben gewesen seien.

Eine derartige Versorgungslücke bestehe nicht bereits dann, wenn die Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen könne, dies aber nicht wolle. So sei es bei der Klägerin aber nicht. Denn der Sachverständige H. habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin als Teil ihrer Krankheit und als Teil ihrer inneren Struktur weitgehend eingeschränkt gewesen sei auf die Behandlung in der C.-Klinik. Sie habe aufgrund ihrer inneren Struktur kaum andere Möglichkeiten gehabt, als die von ihr angestrebte Klinik auch tatsächlich aufzusuchen Unter diesen Umständen sei nicht von einem "Nicht wollen", sondern von einem "Nicht anders können" auszugehen. Dabei folge die Kammer dem Sachverständigen dahingehend, dass für die Behandlung der Klägerin nur eine Behandlung im Wege der Verhaltenstherapie in Betracht gekommen sei, weswegen Kliniken ausgeschieden seien, die tiefenpsychologische Konzepte verfolgten, wie z.B. die von der Beklagten benannte Seepark Klinik B1. Wenn auch grundsätzlich kein Anspruch auf Behandlung in Form besonderer Therapieformen bestehe, so bestehe andererseits innerhalb eines Spektrums verbreiteter Behandlungsmethoden durchaus ein Anspruch auf Behandlung der jeweiligen Erkrankung mit derjenigen Behandlungsform, die ausreichend und notwendig sei und bezogen auf die konkrete Erkrankung wirksam. Adäquate Behandlungsmöglichkeiten in zugelassenen Kliniken seien zur Zeit des Behandlungsbeginns für die Klägerin nicht gegeben gewesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 13. September 2017 zugestellte Urteil am 28. September 2017 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, sie habe der Klägerin zwei Kliniken benannt, die zur Behandlung der Erkrankung geeignet gewesen seien und in denen ein absehbarer Zeit eine Aufnahme der Klägerin habe erfolgen können. Weder aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen noch aus dem Antrag der Klägerin sei die Notwendigkeit eines schnellen Therapiebeginns deutlich geworden, diese sei vielmehr auf die C.-Klinik festgelegt gewesen. Ein Systemversagen könne man ihr, der Beklagten, daher nicht vorwerfen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Akutsituation seien nicht ersichtlich. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Aufnahme in der C.-Klinik mit einem BMI von 18,5 nur leicht untergewichtig gewesen und eine erhöhte Suizidalität habe nicht vorgelegen. Wenigstens zwei der der Klägerin genannten Kliniken seien für deren Behandlung in Frage gekommen. So bestehe bei der Seepark Klinik neben dem Zentrum für Esstörungen (Adipositas) eine Akutpsychosomatik mit dem Schwerpunkt Essstörungen, in der Indikationen wie Anorexia nervosa und Bulimia nervosa behandelt würden. Das Therapiekonzept mit Einzel- und Gruppentherapie sei nicht einseitig tiefenpsychologisch ausgerichtet. Die S. Klinik B. biete kognitive Verhaltenstherapie an. In beiden Kliniken sei die Wartezeit zumutbar gewesen. Es liege bei der Klägerin eine chronifizierte Verlaufsform der Erkrankung vor, bei der kein akuter Behandlungsbedarf bestanden habe. Die Klägerin selbst habe in ihrer Widerspruchsbegründung nicht die Wartezeit kritisiert, sondern vielmehr die Behandlungsfrequenz und die Aufenthaltsdauer.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auf ihr habe ein sehr hoher Leidensdruck gelegen, ein Zuwarten sei ihr nicht mehr zumutbar gewesen. Sie habe ganze Nächte damit verbracht zu essen und sich zu übergeben. Die Beklagte habe grundsätzlich den bedarf einer stationären Behandlung in Frage gestellt, es sei daher nicht zutreffend, wenn sie nun vortrage, Hilfemöglichkeiten für die Klägerin gesucht zu haben. Der Gutachter habe sich hinsichtlich aller Argumente der Beklagten sehr deutlich geäußert. Die von der Beklagten genannten Kliniken seien auf das Krankheitsbild der Klägerin nicht zugeschnitten. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Einzelfall sei nicht erfolgt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist auch in der Sache begründet. Zu recht hat die Beklagte die Übernahme der Kosten der Behandlung der Klägerin in der Privatklinik C. abgelehnt. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Als Rechtsgrundlage des erhobenen Anspruchs kommt nur § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Betracht. Danach sind dem Versicherten Kosten einer selbst beschafften Leistung zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. § 13 Abs. 3a SGB V, welcher in bestimmten Fällen eine Genehmigungsfiktion mit daran anschließendem Kostenerstattungsanspruch vorsieht, war zum Zeitpunkt der Antragstellung, auf welchen es diesbezüglich ankommt, noch nicht in Kraft getreten. Die Vorschrift wurde mit Wirkung vom 26. Februar 2013 erlassen und kann deshalb auf den Kostenübernahmeantrag der Klägerin vom 20. Oktober 2012, den die Beklagte am 13. Dezember 2012 ablehnend beschied, keine Anwendung finden (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 6/16 R –, Rn. 13, juris)

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt hier die Nichterbringung einer unaufschiebbaren Leistung durch die Beklagte nicht vor. Eine solche liegt nach der neueren ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vor, wenn dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder zB wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist Unaufschiebbar kann danach auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der KK nicht abzusehen ist. Es betrifft auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der KK stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08. September 2015 – B 1 KR 14/14 R –, Rn. 15, juris).

Zu berücksichtigen ist, dass die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V den primär auf die Sach- oder Dienstleistung gerichteten Anspruch ersetzt, wenn das Sachleistungssystem versagt und sich die Versicherten die Leistungen selbst beschaffen. Das Unvermögen der Krankenkasse, die Leistung rechtzeitig zu erbringen, sowie die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung berechtigen den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich nach beiden Tatbeständen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen. Daran fehlt es im zu entscheidenden Fall.

Denn die Klägerin hatte zu dem Zeitpunkt, zu welchem sie sich die Behandlung in der C.-Klinik selbst beschaffte, keinen Anspruch auf Behandlung in einer Nichtvertragsklinik. Zwar litt die Klägerin unstreitig unter einer behandlungsbedürftigen Erkrankung und es kann auch – soweit dies nicht ohnehin als von der Beklagten inzwischen zugestanden gelten kann – zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestand. Die Behandlung in einer Privatklinik gehört aber nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), und die Klägerin konnte die Behandlung auch unter dem Gesichtspunkt eines anzunehmenden Systemversagens nicht beanspruchen. Deshalb kann es sich in ihrem Fall weder um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V noch um eine zu Unrecht abgelehnte Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V handeln. Wenn Versicherte sich nämlich eine Leistung beschaffen, die unter jedem Gesichtspunkt vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen ist, hat die Krankenkasse die Kosten dafür nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten; denn solche Leistungen können schon mangels Notwendigkeit weder dringlich gewesen noch zu Unrecht abgelehnt worden sein. Selbst wenn der Krankheitszustand einer dringenden Behandlung bedarf, stehen - abgesehen von Notfällen - grundsätzlich nur die vom Leistungskatalog umfassten sowie die unter den Voraussetzungen eines Systemversagens zu gewährenden Leistungen zur Verfügung (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 6/16 R -, Rn. 16, juris).

Die GKV erbringt ihre Leistungen in den nach § 11 SGB V vorgesehenen Leistungsarten, d.h. unter anderem zur Behandlung einer Krankheit (§ 11 Abs 1 Nr 4 iVm §§ 27 bis 52 SGB V) und zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung (§ 11 Abs 1 Nr 2 iVm §§ 20 bis 24b SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst, wie das Sozialgericht zu Recht ausführt, unter anderem die Krankenhausbehandlung in zugelassenen Krankenhäusern. Dass die C.-Klinik kein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V ist, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Behandlungen in nicht zugelassenen Krankenhäusern sind nur bei Notfällen von der Leistungspflicht der GKV umfasst (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R -, juris). Ein Notfall in dem Sinne, dass ohne die geltend gemachte Behandlung eine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben der Versicherten bestanden habe (BSG a.a.O.) oder dass die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich gewesen sei, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung – sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen – gefehlt habe, ist im vorliegenden Fall in Anbetracht des Aufnahmegewichts der Klägerin von knapp 55 kg (BMI 18,15 kg/m²) offensichtlich nicht gegeben. Darüber hinaus vermag ein Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V grundsätzlich keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V zu begründen, sondern schließt ihn vielmehr aus. In einem Notfall dürfen auch andere, nicht zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden, sie erbringen indes ihre Leistung als Naturalleistung (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der Leistungserbringer kann seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen. Das entspricht bei ärztlichen Leistungen einem allgemeinen Prinzip. So werden in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung vergütet. Auch die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Naturalleistung der GKV. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (BSG, Urteil vom 08. September 2015 – B 1 KR 14/14 R –, Rn. 14, juris). Wie ausgeführt lag ein derartiger Notfall vorliegend nicht vor und hiervon gingen ersichtlich auch die Beteiligten nicht aus, denn die Rechnungstellung der C.-Klinik erfolgte an die Klägerin, nicht direkt an die Beklagte.

Der Klägerin stünde damit der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch allein unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zu. Ein solches liegt hier indes gleichfalls nicht vor. In der Rechtsprechung des BSG wurde ein Systemversagen angenommen bei (zur Übersicht vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.08.2012 – L 9 KR 244/11 -, Rn. 19, juris) - (konkretem oder generellem) Unvermögen des Leistungssystems (Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92 -, juris), - zögerlicher oder willkürlicher Bearbeitung eines Antrags durch die Krankenkasse (Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 19/10 R -, juris), - wenn eine ausreichend erprobte bzw. bewährte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode trotz Erfüllung der formalen und inhaltlichen Voraussetzungen aus Gründen, die in den Verantwortungsbereich der Ärzte und Krankenkassen fallen – etwa weil das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde – noch nicht in die Richtlinien des GBA aufgenommen wurde (Urteile vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R, und vom 4. April 2006, - B 1 KR 12/05 R -, juris) - wenn die Auslegung des SGB V, die mit dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot unvereinbar war, bei der Versorgung der Leistungsberechtigten zu einer Bevorzugung der im Inland zugelassenen Leistungserbringer führte (Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 11/04 R - veröffentlicht in Juris), - wenn Ärzte oder Zahnärzte in einer Region in der von § 95b Abs. 1 SGB V bezeichneten Form aus der Versorgung ausscheiden und die Krankenkassen in den vom Kollektivverzicht betroffenen Leistungsbereichen ihrer Sicherstellungsverpflichtung nicht umgehend nachkommen können (Urteil vom 27. Juni 2007 - B 6 KA 37/06 R -, veröffentlicht in Juris). - wenn mangels einer hinreichenden Zahl von Therapeuten eine Versorgunglücke besteht (Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R -, Juris)

Diese Übersicht verdeutlicht, dass ein anspruchsbegründendes Systemversagen zumindest voraussetzt, dass der "Fehler" im Verantwortungsbereich einer der Institutionen des GKV-Systems, also einer Krankenkasse, des GBA oder der Zulassungsgremien liegt (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Ein Systemversagen würde daher voraussetzen, dass die Klägerin eine Behandlung ihrer Bulimie nur aus von der Beklagten oder dem System der GKV zu verantwortenden Gründen nicht im Rahmen der GKV in Anspruch nehmen konnte. Solche Gründe sind indes nicht ersichtlich. Es besteht Einigkeit darüber, dass zahlreiche Vertragskliniken existieren, in denen eine stationäre Behandlung verschiedenster Essstörungen, so auch der Bulimie, möglich ist und mit Erfolg durchgeführt wird. Mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. Januar 2017 hat der Sachverständige Dr. H. eine Reihe von Kliniken genannt, die er als "generell adäquat" bezeichnet hat und die aus seiner Sicht nur deshalb nur suboptimal geeignet waren, weil die Klägerin in der C.-Klinik bereits bekannt war, deshalb und wegen des Behandlungskonzepts die von der Klägerin gewünschte kürzere Aufenthaltsdauer möglich war und die Klinik den Vorstellungen der Klägerin entsprach. Diese Umstände liegen aber in der Sphäre der Klägerin und sind von der Beklagten nicht zu verantworten.

Zu den vom Sachverständigen als adäquat bezeichneten Kliniken bzw. zu den Kliniken mit einem auf die Erkrankung der Klägerin ausgerichteten Behandlungskonzept gehören die Kliniken der S.-Gruppe, sowie die Klinik am K. in B3 mit einer Wartezeit von 6 Wochen und die Klinik L. in B4 mit einer Wartezeit von ca. 4 Wochen. Diese Wartezeiten erachtet der Senat als im Falle einer chronischen, nicht unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung als zumutbar und sie liegen deutlich unter der zwischen Antragstellung bei der Beklagten und Aufnahme der Behandlung in der C.-Klinik verstrichenen Zeit.

Dass die Beklagte der Klägerin diese Kliniken in ihrem Bescheid nicht genannt hat, ist insoweit nicht relevant. Üblicherweise wird vom behandelnden Arzt eine Krankenhauseinweisung ausgestellt und auch bereits ein Vertragskrankenhaus ins Auge gefasst, gegebenenfalls im Benehmen mit dem Krankenhaus selbst oder auch mit der zuständigen Krankenkasse. So sieht es auch die Krankenhauseinweisungs-Richtlinie vor und auch die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch geltende Krankenhausbehandlungs-Richtlinie vom 24. März 2003 bestimmte in § 5: "Der Vertragsarzt unterrichtet und berät den Patienten über die Notwendigkeit der stationären Behandlung. Er soll dabei die ihm zugänglichen Informationen über geeignete Krankenhäuser einbeziehen." § 7 Abs. 1 bestimmte: "Die Verordnung von stationärer Krankenhausbehandlung soll auf dem dafür vorgesehenen Vordruck (Muster 2) erfolgen. Die Verordnung ist nur zulässig, wenn sich der behandelnde Vertragsarzt von dem Zustand des Patienten überzeugt und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung festgestellt hat. Dies gilt auch für Notfälle. Die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung ist auf dem Verordnungsformular zu dokumentieren. Hierzu gehören die Angabe der Hauptdiagnose, der Nebendiagnosen und die Gründe für die stationäre Behandlung. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben." Der vorgesehene Versorgungsweg für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung ist indessen vorliegend von der Klägerin nicht eingehalten worden, sie hat vielmehr allein einen Antrag auf Kostenübernahme unter Vorlage eines bloßen Attests gestellt, zielgerichtet auf die Kostenübernahme der Behandlung in der C.-Klinik hin. Die Beklagte, die ebenso wie der MDK wegen unzureichender medizinischer Angaben mit dem spezifischen Krankheitsbild nicht vertraut war, war daher weder verpflichtet noch in der Lage, geeignete Krankenhäuser zu benennen.

Soweit der Sachverständige Dr. H. ausgeführt hat, es sei Teil des Krankheitsbildes, dass die Klägerin die Behandlung in der Privatklinik, die sie ja schon einmal erlebt habe, unbedingt wieder haben wolle, geht der Senat davon aus, dass dieser Teil des Krankheitsbildes sich dann auch in den Behandlungskonzepten aller behandelnden Kliniken widerspiegelt und auch in Vertragskliniken bekannt ist und aufgefangen werden kann. Denn auch der Sachverständige unterstellt keineswegs, dass in den zahlreichen verfügbaren Vertragskliniken keine adäquate Behandlung der Bulimieerkrankung, wie sie sich allgemein dem Krankheitsbild nach darstellt, erfolgen würde. Sollte es sich bei dieser vom Sachverständigen festgestellten Fixierung dagegen nicht um ein allgemein dem Krankheitsbild entsprechendes Symptom, sondern vielmehr um einen Teil der Binnenstruktur speziell der Klägerin handeln, so wäre insoweit zu berücksichtigen, dass – sofern dem Gutachter darin zu folgen wäre, dass die Klägerin infolge dieser Erfahrung im Jahr 2007 praktisch keine andere Möglichkeit gehabt habe, als genau diese Klinik wieder aufzusuchen – dies kein Umstand ist, der in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt und dieser daher im Sinne eines Systemversagens zuzurechnen wäre. Denn die Grundlage für eine Situation, die es verunmöglichte, sich in einer Vertragsklinik behandeln zu lassen, hätte in diesem Fall die Klägerin selbst gesetzt, indem sie sich nämlich bereits im Jahr 2007 auf eigene Kosten bzw. zu Lasten einer privaten Zusatzversicherung in eine Privatklinik begeben und sich damit außerhalb der Grenzen des Systems der GKV bewegt hat.

Die vom Sachverständigen aufgeworfene Frage, ob es denn nicht so sein müsse, dass die kostenverpflichtete Krankenkasse ihren Patienten in jedem Fall die bestmögliche Behandlung gewähren müsse, kann mit "Nein" beantwortet werden. Der Grundsatz, dass die Krankenkassen Krankenbehandlung nur durch zugelassenen Krankenhäuser erbringen lassen dürfen, gilt auch dann, wenn das Leistungsangebot privater Anbieter wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung eines Krankenhauses oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes oder wegen vergleichbarer Umstände eine überdurchschnittliche Qualität aufweist. Denn eine solche Spitzenmedizin bildet nicht den Maßstab für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkassen schulden den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik; sie haben die Leistungen zu gewähren, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 70 Abs. 1 SGB V). Auf eine optimale, über den beschriebenen gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung besteht dagegen grundsätzlich kein Anspruch (BSG, Urteil vom 16. Juni 1999 – B 1 KR 4/98 R –, Rn. 16, juris). Dass der Wille der Klägerin, die Behandlung möglichst schnell abschließen zu können, in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht beachtlich ist, hat das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Hinzuzufügen ist, dass die Frage der Dauer der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit allein medizinischen Erfordernissen unterliegt.

Aus der Satzung der Beklagten ergibt sich nichts Abweichendes. Wie die Beklagte zu Recht vorgetragen hat, verlangt § 29l der Satzung den Abschluss eines Vertrages zwischen der Beklagten und dem nicht zugelassenen Krankenhaus, der die spezifische Behandlung einschließt. Ein solcher Vertrag ist hier nicht abgeschlossen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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