L 12 AL 2111/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 349/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2111/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.06.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 05.06.2018, mit dem das SG seine Klage als unzulässig abgewiesen hat.

Der 1960 geborene Kläger hat am 29.01.2018 beim SG eine als "Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG" bezeichnete Klage gegen die Beklagte erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei seit 01.10.2006 arbeitslos und habe in der Zeit vom 27.04.2007 bis 26.04.2008 Arbeitslosengeld (Alg) bezogen. Mit der Klage mache er geltend, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt habe. Der Jobverlust rechtfertige einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung und auf Zahlung einer betrieblichen Rente ab 01.10.2006. Eine Haftung der Beklagten ergebe sich "nach § 16 SGB I i.V.m. § 277 BGB wegen Schadens infolge schuldhaft unterbliebener und verspäteter Feststellung" seiner "Erwerbsminderung (Kündigungsschutz) und den Verlust des Arbeitsplatzes." Weitere Ausführungen in der Klageschrift haben sich auf ein beim SG anhängiges Klageverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund (Az. S 17 R 425/15) bezogen. Der Klageschrift sind Schriftsätze der DRV Bund aus diesem Klageverfahren, ein Rentenbescheid der DRV Bund vom 11.03.2016 über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.03.2014 sowie ein an die S. AG, Personal Service Operations in Berlin gerichtetes Schreiben der Beklagten vom 09.05.2007 betreffend den Anspruchsübergang nach §§ 143 Abs. 3, 143a Abs. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beigefügt gewesen. In der Folge hat der Kläger diverse Schriftstücke aus unterschiedlichsten Verfahren, u. a. aus einem Verfahren auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten und aus Klageverfahren beim Arbeitsgericht Karlsruhe sowie beim Landesarbeitsgericht, Kammern Mannheim, ein Zeugnis der Firma S. vom 30.09.2006 sowie weiteren Schriftwechsel mit der Beklagten und dem Jobcenter Karlsruhe vorgelegt.

In dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 19.03.2018 hat der Kläger erklärt, er beantrage im vorliegenden Verfahren eine Bestätigung der Beklagten, dass seine Kündigung im Jahre 2006 wegen einer schon damals bestehenden Erwerbsminderung rechtswidrig gewesen sei. In der Folge hat der Kläger mit am 26.03.2018 beim SG eingegangenem Schriftsatz vom 23.03.2016 vorgetragen, er beantrage im vorliegenden Verfahren die Zahlung der "gesetzlichen und betrieblichen Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.10.2006 festzustellen." Der Beklagte habe "die Beiträge in der gesetzlichen und betrieblichen Rente bis zum Beginn der Altersrente zu tragen."

Mit Gerichtsbescheid vom 05.06.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Eine Klage müsse u. a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Den wechselhaften Ausführungen des Klägers lasse sich nicht entnehmen, welches Ziel er mit seiner Klage verfolge.

Gegen diesen ihm gemäß Postzustellungsurkunde am 07.06.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am selben Tag beim SG schriftlich Berufung eingelegt. Er wiederholt zunächst seinen bereits im erstinstanzlichen Verfahren schriftsätzlich gestellten Antrag, die Zahlung der gesetzlichen und betrieblichen Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.10.2006 festzustellen und den Beklagten zur Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen und betrieblichen Rente bis zum Beginn der Altersrente zu verpflichten. Die Beklagte hafte für den Verlust seines Arbeitsplatzes im Jahre 2006. In rechtlicher Hinsicht sei es allerdings so, dass nicht nur "auf das Restleistungsvermögen in den medizinischen Gutachten festgehalten werden" dürfe. Aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls sei es zu akzeptieren, dass "die Vermittlung in den Arbeitsmarkt chancenlos war, weil ein erhöhter sozialer Schutz infolge bestehender chronischer Erkrankung in 2006 festzustellen war (§ 16 SGB I Abs. 3 i.V.m. § 133 BGB)." Mit einem psychiatrischen Gutachten werde er nachweisen, dass sein "Antrag mit dem Schriftsatz des Arbeitsgerichts Karlsruhe, Aktenzeichen xx Ca yyyyy zz) deutlich war."

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.06.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Klage bereits wegen Fehlens des für eine Sachentscheidung erforderlichen Rechtsschutzinteresses unzulässig ist. Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Nach § 92 Abs. 1 SGG muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen (Satz 1). Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde (Satz 2). Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein (Satz 3). Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden (Satz 4).

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist es ausreichend, wenn die Auslegung des prozessualen Vorbringens des Klägers und die Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände ergibt, was das Klagebegehren ist und Gegenstand der Entscheidung sein soll (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 09.08.2006 – B 12 KR 22/05 R –, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 123 Rn. 3 m.w.N). Auf eine genauere Formulierung des Streitgegenstandes oder der Anträge kommt es daher nicht an, sofern der Kläger – ggf. nach Aufforderung – sein Begehren so darstellt, dass nach dessen Auslegung und Berücksichtigung der bekannten Unterlagen und sonstigen Umstände klar wird, was Inhalt und Umfang seines Begehrens ist. Da das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf, obliegt es dem Kläger, den Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu bestimmen. Dazu ist es erforderlich, dass dem Gericht das Ziel der Klage, d.h. das Klagebegehren, durch eine ausreichende Bezeichnung des Streitgegenstands erkennbar wird und das Gericht somit in die Lage versetzt wird, das Klagebegehren zu ermitteln, um die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen. Das Gericht muss auf Grund der Bestimmtheit der Darstellung des Begehrens in Antrag und sonstigem Vorbringen im Sinne von § 123 SGG in der Lage sein, zu befinden, inwieweit es dem Begehren folgt oder inwieweit es dieses abzuweisen hat. Der Kläger muss daher kenntlich machen, was er als gerichtliche Entscheidung anstrebt und was nicht. Das Gewollte muss deshalb eindeutig und zweifelsfrei erklärt werden (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.04.2015 – L 32 AS 2447/14 –, juris mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG).

Das prozessuale Vorbringen des Klägers muss eine Sachentscheidung ermöglichen. Weil der Gesetzgeber ausdrücklich ausführt, dass bei mangelhafter Klage und Nichtbeseitigung dieses Mangels die Klage unzulässig ist (BT-Drs 16/7716 S. 18), handelt es sich bei den Anforderungen nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG um eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Dabei ist es ausreichend, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung klar wird, welches Ziel mit der Klage verfolgt wird (BSG, Urteil vom 28.09.2006 – B 3 KR 20/05 R –, juris). Soweit die Klarstellung nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt, ist die Klage hinsichtlich der unklaren Aspekte unzulässig (LSG Berlin-Brandenburg a.a.O. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat das SG zu Recht entschieden, dass das klägerische Vorbringen nicht geeignet war, eine ausreichende Konkretisierung des mit der Klage Gewollten zu ermöglichen. Insoweit nimmt der Senat zur weiteren Begründung zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheids vom 05.06.2018 Bezug. Der Vortrag des Klägers und die von ihm im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen weisen in der Tat Bezüge zu unterschiedlichsten Rechtsbeziehungen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Art auf. Darüber hinaus legt der Kläger Unterlagen aus verschiedenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vor, ohne dass im Einzelfall ausreichend erkennbar wird, welchen Bezug diese Unterlagen untereinander und vor allem in Hinblick auf ein geltend zu machendes Klagebegehren haben sollen.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 26.10.2018 eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt hat, führt auch diese Konkretisierung seines Begehrens nicht zur Zulässigkeit der Klage. Zunächst ist die Beklagte nicht der zuständige Träger für dieses Begehren. Zuständig für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wäre allein die DRV Bund. Dies ist dem Kläger auch bekannt; er selbst hat als Anlage zu seiner Klageschrift vom 26.01.2018 eine Kopie des an ihn gerichteten Rentenbescheids der DRV Bund vom 11.03.2016 vorgelegt, mit dem ihm (in Ausführung des Vergleichs vom 26.02.2016) ab 01.03.2014 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung längstens bis zum Monat des Erreichens der Regelaltersrente (August 2026) bewilligt worden ist. Selbst wenn man eine Zuständigkeit der Beklagte für das geltend gemachte Begehren unterstellen würde, wäre die Klage gleichwohl wegen Fehlens eines (allgemeinen) Rechtsschutzinteresses unzulässig, denn der Kläger hätte es versäumt, sich mit seinem Begehren zunächst direkt an die Beklagte zu wenden. Es fehlt deshalb auch an der Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens als weitere Sachentscheidungsvoraussetzung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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