L 3 U 220/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 775/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 220/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen werden zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten die Erstattung von Kosten für ihre Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe des 2004 verstorbenen Versicherten Dr. G (im Folgenden: Versicherter). Bei der Klägerin zu 2) handelt es sich um deren gemeinsame Tochter.

Im Jahr 2007 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin zu 1) – als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten – und der Beklagten. Der Rechtsstreit endete mit rechtskräftigem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 17. November 2011 (Aktenzeichen: L 3 U 306/08), mit dem das Gericht festgestellt hat, dass beim Versicherten ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorgelegen hat.

In Ausführung dieses Urteils gewährte die Beklagte der Klägerin zu 1) mit Bescheid vom 06. März 2012 eine große Witwenrente sowie Sterbegeld, wobei sie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von insgesamt 197.591,07 Euro berechnete. Mit einem weiteren Bescheid vom 06. März 2012 gewährte die Beklagte zudem der Klägerin zu 2) eine Waisenrente (Nachzahlungsbetrag: 41.510,03 Euro). Aussagen über eine Verzinsung der Nachzahlungsbeträge enthielten weder die Bescheide noch die als Anlage jeweils beigefügte "Abrechnung Ihrer Leistungen". Beide Bescheide enthielten Rechtsmittelbelehrungen.

Am 13. März 2012 kam es zu einem Telefonat zwischen der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen und einer Mitarbeiterin der Beklagten. Über das Telefonat wurde in den Verwaltungsakten ein handschriftlicher Vermerk aufgenommen, aus dem hervorgeht, dass die Bevollmächtigte der Klägerinnen den Zeitpunkt des Versicherungsfalles moniert habe, die Frage der Zuzahlungen an die Klägerin zu 1) sowie die bisher fehlende "Feststellung Lebenszeitrente sowie VG + Pflege".

Am 12. April 2012 legten die Klägerinnen gegen die Bescheide vom 06. März 2012 jeweils Widerspruch ein. Sie machten geltend, dass die Beklagte in den Bescheiden nicht die ihnen nach § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zustehenden Zinsbeträge berücksichtigt habe. Insoweit seien die Bescheide zu ergänzen.

Mit zwei Bescheiden vom 11. Juni 2012 gewährte die Beklagte den Klägerinnen Zinsen auf die jeweilige Nachzahlung der Witwen- bzw. Waisenrente. In dem Anschreiben vom selben Tag bat die Beklagte die Klägerinnen um Mitteilung, ob sie ihre Widersprüche zurücknehmen würden. Sie (die Beklagte) sehe den Gegenstand der Widersprüche als erledigt an.

Die Klägerinnen hielten in der Folgezeit an ihren Widersprüchen fest und begründeten dies gegenüber der Beklagten damit, dass die Beklagte noch keine Kostenregelung getroffen habe.

Mit Bescheid vom 15. August 2012 ergänzte die Beklagte die Verzinsungsbescheide vom 11. Juni 2012 gegenüber den Klägerinnen dahingehend, dass von ihr keine Kosten zu erstatten seien. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Verzinsungsbescheide vom 11. Juni 2012 keine Kostenregelung enthalten hätten, da es sich hierbei um Verwaltungsakte, nicht um Abhilfe-Entscheidungen in Rahmen des Widerspruchsverfahrens gehandelt habe. Ein Anspruch auf Kostenerstattung im Verwaltungsverfahren bis zur Erteilung des Verwaltungsaktes bestehe jedoch nicht. Auch eine Kostenerstattung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens scheide hier aus, da die Bescheide vom 11. Juni 2012 keinen Verfügungssatz zur Verzinsung enthalten hätten. In Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung sei darin nicht zugleich eine Ablehnung des Zinsanspruches zu sehen. Im Übrigen sei es weder gesetzlich festgelegt noch geboten, über Zinsen und Hauptanspruch in einem Bescheid zu entscheiden, denn die Entscheidung über Zinsen sei zwar abhängig vom Hauptanspruch, jedoch aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen in zwei Verwaltungsakten zu verlautbaren, die in einem Bescheid zusammengefasst oder auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten ergehen könnten.

Die hiergegen eingelegten Widersprüche der Klägerinnen wies die Beklagte mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 18. Oktober 2012 zurück. Mit den am 15. November 2010 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klagen (Aktenzeichen: S 98 U 775/12 und S 163 U 776/12) haben die Klägerinnen die Erstattung der Kosten der Widerspruchsverfahren gegen die beiden Bescheide der Beklagten vom 06. März 2012 begehrt. Das SG hat die beiden Klagen durch Beschluss vom 01. März 2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und fortan unter dem Aktenzeichen S 98 U 775/12 geführt.

Zur Begründung ihrer Klagen haben sich die Klägerinnen insbesondere auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. September 1980 - B 5 RJ 108/79 - berufen und dazu vorgetragen: Nach dem BSG ergebe sich aus dem Wortlaut des § 44 SGB I, dass die Behörde in dem Bescheid über den Hauptanspruch stets zugleich über den Verzinsungsanspruch als akzessorische Nebenleistung zu entscheiden habe, und zwar selbst dann, wenn der Leistungsempfänger keinen entsprechenden Antrag gestellt habe. Fehle es an einem Ausspruch über die Zinsen, so sei davon auszugehen, dass der Versicherungsträger einen Verzinsungsanspruch abgelehnt habe. Die Entscheidung des BSG vom 25. Januar 2011 - 5 R 14/10 R - sei demgegenüber auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Es sei dort nicht um einen Bescheid, sondern um eine Mitteilung des Sozialversicherungsträgers über einen Nachzahlungsbetrag gegangen. Eine Abkehr von der im Urteil vom 11. September 1980 zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung könne der Entscheidung vom 25. Januar 2011 auch sonst nicht entnommen werden. Abgesehen davon habe ihre Prozessbevollmächtigte die Mitarbeiterin der Beklagten im Telefonat vom 13. März 2012 darauf hingewiesen, dass sie mangels einer Entscheidung über die Zinsen Widerspruch gegen die Bescheide vom 06. März 2012 einlegen müsse. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe daraufhin mitgeteilt, dass eine Verzinsungsentscheidung binnen der Widerspruchsfrist schon aus zeitlichen Gründen nicht möglich sei. Insofern sei ihre Prozessbevollmächtigte aus haftungsrechtlichen Gründen gezwungen gewesen, Widersprüche gegen die Bescheide der Beklagten einzulegen. Sofern die Beklagte über Zinsen noch hätte entscheiden wollen, so hätte sie dies zumindest kurz schriftlich ankündigen können, um so die Einlegung der Widersprüche zu verhindern. Durch die Widerspruchsverfahren seien Rechtsanwaltsgebühren/-auslagen in Höhe von 618,80 Euro (2 x 309,40 Euro) angefallen.

Zur weiteren Begründung ihrer Klagen haben die Klägerinnen einen Auszug aus den Telefonnotizen ihrer Prozessbevollmächtigten über das Telefonat vom 13. März 2012 vorgelegt. Daraus ergebe sich, dass die fehlende Entscheidung über Zinsen sehr wohl in dem Telefonat angesprochen worden sei.

Dagegen hat die Beklagte ausgeführt: Bei den Verzinsungsbescheiden vom 11. Juni 2012 habe es sich nicht um Abhilfeentscheidungen im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung gehandelt. Die mit dem Widerspruch angegriffenen Bescheide über die Gewährung einer Witwenrente bzw. Waisenrente vom 06. März 2012 hätten keinen Verfügungssatz zur Verzinsung enthalten. In dem Fehlen einer solchen Regelung könne keine Ablehnung eines Zinsanspruchs gesehen werden. Im vorliegenden Fall würden auch keine besonderen Einzelumstände vorliegen, die dem Schweigen zu einem Zinsanspruch die Bedeutung einer Ablehnungsentscheidung verleihen würden. Das BSG habe sich in seinem Urteil vom 25. Januar 2011 zwar in erster Linie mit einer Mitteilung über eine Nachzahlung befasst, die nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren gewesen sei. Gleichwohl habe es auch allgemein zur Frage des Erklärungswerts des Schweigens bezüglich eines Zinsanspruchs Stellung genommen. Es sei weder gesetzlich festgelegt noch geboten, dass über Hauptanspruch und Zinsen in einem Bescheid entschieden werde. Die Entscheidung über die Zinsen sei zwar abhängig vom Hauptanspruch, sie beruhe jedoch auf einer anderen Rechtsgrundlage und sei daher in einem gesonderten Verwaltungsakt zu verlautbaren. Die Verwaltungsakte über den Haupt- und den Zinsanspruch könnten in einem Bescheid zusammengefasst werden oder auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten ergehen. Fehle es im Bescheid an einer Regelung, gehe auch ein hiergegen gerichteter Widerspruch ins Leere. Entgegen der Darstellung der Klägerinnen sei im Telefonat vom 13. März 2012 nicht über die Verzinsung gesprochen worden; dies ergebe sich aus dem Vermerk in ihren Akten und dem anschließenden Schriftverkehr.

Mit Urteil vom 05. November 2015 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klagen seien zwar zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2012 sei rechtmäßig und verletze die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen hätten gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der gegen die beiden Bescheide vom 06. März 2012 geführten Widerspruchsverfahren. Anspruchsgrundlage für die erstrebte Kostenerstattung sei § 63 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift habe der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Denn die Beklagte habe hinsichtlich des streitigen Zinsanspruchs schon keinen Verwaltungsakt erlassen, sodass ein dagegen gerichteter Widerspruch ins Leere gegangen sei und nicht "erfolgreich" habe sein können. Hinsichtlich des Zinsanspruchs liege kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X vor, da die Bescheide der Beklagten vom 06. März 2012 über die Gewährung einer Witwen- bzw. Waisenrente keine "Regelung" zur Verzinsung des Nachzahlungsbetrags getroffen hätten. Insbesondere liege in dem Fehlen eines positiven Ausspruchs zum Zinsanspruch keine Ablehnung des Zinsanspruchs. Die Kammer folge insoweit der Rechtsprechung des BSG in dessen Entscheidung vom 25. Januar 2011 (B 5 R 14/10 R). Darin habe sich das BSG zwar nicht ausdrücklich von seiner früheren Entscheidung vom 11. September 1980 (5 RJ 108/79) distanziert, da der Qualifizierung einer fehlenden Entscheidung über den Zinsanspruch als Verwaltungsakt in dem dort zu entscheidenden Fall keine streitentscheidende Bedeutung zugekommen sei. Während in der früheren Entscheidung des BSG ein gleichzeitiger Verwaltungsakt über die Ansprüche auf Geldleistungen ergangen sei, deren Verzinsung nunmehr begehrt worden sei, sei in der späteren Entscheidung lediglich ein formloses Mitteilungsschreiben zu beurteilen, sodass ein Anspruch auf Kostenerstattung bereits deshalb nicht bestanden habe. Dennoch habe sich das BSG in der Entscheidung vom 25. Januar 2011 inhaltlich von der zuvor geäußerten Auffassung, wonach bei Fehlen eines positiven Ausspruchs über einen Zinsanspruch von dessen Ablehnung ausgegangen werden müsse, abgewendet und überzeugend ausgeführt, dass einem Schweigen zur Zinsfrage grundsätzlich kein Erklärungswert zukomme. Schließlich lägen auch besondere Einzelfallumstände, die dem Schweigen zum Zinsanspruch unter Berücksichtigung einer am objektiven Empfängerhorizont orientierten Auslegung der Bescheide vom 06. März 2012 einen ablehnenden Inhalt geben könnten, nicht vor. Es könne in diesem Zusammenhang offenbleiben, was genau in dem Telefonat vom 13. März 2012 besprochen worden sei, denn der Inhalt des Gesprächs habe den Inhalt der zu diesem Zeitpunkt bereits erlassenen Bescheide (vom 06. März 2012) nicht zu ändern vermocht. Die Kammer lasse die Berufung zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 140 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und weil das Urteil von der Entscheidung des BSG vom 11. September 1980 abweiche und auf dieser Abweichung beruhe (§ 140 Abs. 2 Nr. 2 SGG).

Gegen das den Klägerinnen am 24. November 2015 zugestellte Urteil haben diese am 22. Dezember 2015 Berufung eingelegt. Unzutreffend sei das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass das BSG sich in der jüngeren Entscheidung inhaltlich von der zuvor geäußerten Auffassung, wonach bei Fehlen eines positiven Ausspruches über einen Zinsanspruch von dessen Ablehnung ausgegangen werden müsse, abgewichen wäre. Diese Interpretation sei schon deshalb unzutreffend, weil das BSG in dieser Entscheidung gerade nicht angegeben habe, von seiner bisherigen Rechtsauffassung abweichen zu wollen, was anderenfalls zu erwarten gewesen wäre. Vor allem aber stünde dieser Auslegung der jüngeren BSG-Entscheidung entgegen, dass das Gericht sich hierin in keinster Weise damit auseinandergesetzt habe, dass eine solche Auslegung in deutlichem Widerspruch zu § 44 SGB I stehen würde. Deshalb müsse insbesondere vor dem Hintergrund, dass das BSG lediglich über den Inhalt eines formlosen Mitteilungsschreibens und gerade keines Verwaltungsaktes entschieden habe, davon ausgegangen werden, dass die Ausführungen des Gerichts sich auch nur auf einen solchen Fall bezögen. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung sei über die Verzinsung nachgezahlter Ansprüche unmittelbar in dem Bescheid über die Zinsen mit zu entscheiden und sei ein Schweigen über die Gewährung von Zinsen als Ablehnung zu werten. Unzutreffend sehe das SG im Telefonat mit der Beklagten keine besonderen Einzelfallumstände. Denn obgleich zu diesem Zeitpunkt bereits die Bescheide erlassen gewesen seien, so sei es für die Beklagte durch das Telefonat offensichtlich gewesen sei, dass die Bescheide um die Zinsentscheidung ergänzungsbedürftig gewesen seien. Es erschließe sich im vorliegenden Fall nicht, weshalb die Beklagte auch auf den ausdrücklichen fernmündlichen Hinweis der Vertreterin der Klägerinnen nicht in der Lage gewesen sei, ein kurzes Schreiben über die Gewährung der gesetzlichen Zinsen - dem Grunde nach - zu verfassen. Da auch dies unterblieben sei, seien die Widersprüche somit erforderlich gewesen, weshalb die dadurch entstandenen Kosten auch zu erstatten seien.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. November 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen die Kosten ihrer beiden Widerspruchsverfahren gegen die beiden Bescheide vom 06. März 2012 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung, die sie für zutreffend hält. Es treffe zu, dass sie verpflichtet sei, über Zinsen von Amts wegen zu entscheiden und dass die angegriffenen Bescheide keine Regelung über die Zinsen enthalten hätten. Die Bescheide vom 06. März 2012 begründeten weder einen entsprechenden Zinsanspruch noch hätten sie einen solchen abgelehnt. Im Fehlen eines positiven Ausspruches über Zinsen liege nicht zugleich eine Ablehnung derselben, denn bloßes Schweigen sei weder eine zustimmende noch eine ablehnende, sondern eben keine Regelung im Einzelfall.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind statthaft, weil sie vom SG zugelassen wurden (§ 144 Abs. 3 SGG). Sie sind auch im Übrigen zulässig.

Die Berufungen sind jedoch unbegründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erstattung der notwendigen Kosten ihrer gegen die beiden Bescheide vom 06. März 2012 geführten Widerspruchsverfahren.

Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden § 63 Abs. 1 SGB X liegen nicht vor. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.

Soweit der Erfolg des eingelegten Widerspruchs am tatsächlichen Verfahrensgang nach §§ 78 ff. SGG zu messen ist (BSG, Urteil vom 02. November 2012 - B 4 AS 97/11 R, juris), käme es hier in Betracht, allein durch die mit den Bescheiden vom 11. Juni 2012 erfolgte Zinsgewährung eine tatsächliche Stattgabe zu sehen. Dies bedarf gleichwohl keiner abschließenden Entscheidung, da die Widersprüche ihrerseits keine statthaften Rechtsbehelfe darstellten und damit nicht als ursächlich für die Erfüllung der Zinsansprüche anzusehen sind. Insoweit setzt eine positive Kostenfolge nach § 63 Abs. 1 SGB X grundlegend voraus, dass der Widerspruch bereits statthaft war, sich somit nach §§ 78, 64 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt richtete (zur Statthaftigkeit eines Widerspruchs als Voraussetzung des Anspruches nach § 63 SGB X: BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 38/14 R, juris Rn. 12; Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R, juris Rn. 18 ff.).

Die Bescheide vom 06. März 2012 enthalten jedoch keine - isoliert mit einem Widerspruch angreifbaren - ablehnenden und daher belastenden Verwaltungsakte über Zinsen. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt "jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Eine Regelung ist darauf gerichtet, mit unmittelbarer Rechtswirkung subjektive Rechte (oder Pflichten) des Adressaten verbindlich zu begründen, festzustellen, zu ändern, aufzuheben oder abzulehnen (§ 31 SGB I). Eine derartige Festlegung oder Ablehnung von Zinsansprüchen enthalten die Bescheide vom 06. März 2012 weder ausdrücklich noch sinngemäß.

Bei der Auslegung eines Bescheides ist maßgebend, wie der Empfänger ihn entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstehen durfte. Den Maßstab bildet daher der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn sie objektiv - unter Berücksichtigung aller Umstände - nicht so verstanden werden konnte (vgl. BSG, Urteil vom 06. April 2011, B 4 AS 119/10 R, juris m.w.N., Urteil vom 06. Oktober 2011 – B 9 VG 3/10 R –, juris Rn. 30).

Den Bescheiden vom 06. März 2012 sind ausschließlich - ausdrückliche - Erklärungen zur Nachzahlung der Hinterbliebenenleistungen im Sinne einer Regelung zu entnehmen. Hingegen sind zu einem Zinsanspruch nach § 44 SGB I keinerlei ausdrückliche Aussagen und - so die Ansicht des Senates - auch keinerlei sinngemäße Regelungen getroffen worden.

Insbesondere musste ein verständiger Beteiligter, der die Einzelfallumstände und Zusammenhänge kennt, die die Behörde nach ihrem wirklichen Willen § 133 BGB erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat die in den Bescheiden vom 06. März 2012 unterbliebene bzw. fehlende Zinsentscheidung auch nicht als stillschweigende Ablehnung des Zinsanspruchs durch Verwaltungsakt interpretieren.

Anhaltspunkte für eine derartige Auslegung sind nicht dem Wortlaut des § 44 SGB I zu entnehmen, wonach der Leistungsträger über einen etwaigen Zinsanspruch des Leistungsempfängers auch ohne besonderen Antrag von Amts wegen zu entscheiden hat, was der Rechtsnatur der Zinsen als akzessorische Nebenleistung entspricht (darauf abstellend: BSG, Urteil vom 11. Juli 1980 - 5 RJ 108/79, juris; dem folgend: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. März 2010 - L 2 R 68/10, juris).

Abweichend davon geht der Senat jedoch nicht von dem weiterhin in der BSG-Entscheidung vom 11. Juli 1980 aufgestellten Rechtssatz aus, "dass daher davon ausgegangen werden muss", dass die Beklagte im Bescheid vom 06. März 2012 einen Zinsanspruch der Klägerinnen "mangels eines dahingehenden positiven Ausspruchs abgelehnt hat". Ein derartiger Rechtssatz lässt sich weder aus dem direkten Wortlaut der Norm noch aus der Gesetzesbegründung hierzu herleiten (Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil, Bundestags-Drucksache 7/868, zu § 44 vgl. Seite 30).

Allein die sich aus § 44 SGB I ergebende Pflicht des Leistungsträgers, eine Entscheidung über Zinsen treffen zu müssen, rechtfertigt es nicht, ohne weitere Anhaltspunkte auf die gebotene, aber gleichwohl unterbliebene Willensbetätigung der Behörde schließen zu lassen und diesem Unterlassen zudem eine Regelungswirkung im Sinne von § 31 SGB I beizumessen (vgl. LSG Thüringen, a.a.O.; LSG NRW, Urteil vom 18. Januar 2010 - L 3 R 162/09, juris m.w.N.). Maßgeblich sein kann allein, was die Behörde tatsächlich erklärt hat, nicht was sie hätte erklären sollen, soweit nicht besondere Umstände es im Einzelfall erlauben, eine stillschweigende Willensbetätigung anzunehmen (BSG, Urteil vom 25. Januar 2011, a.a.O.).

Insbesondere ergibt sich aus den Akten, dass vor Erlass des Bescheides vom 06. März 2012 der Zinsanspruch von keiner Seite thematisiert worden war, so dass auch keine Erwartung einer Entscheidung über den Zinsanspruch mit Erteilung des Nachzahlungsbescheides im Raum stand.

"Besondere Umstände des Einzelfalles" vermag der Senat auch unter Würdigung des Berufungsvorbringens nicht zu erkennen. Der Senat verweist im Übrigen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen, weil das Urteil von der Entscheidung des BSG vom 11. Juli 1980 - 5 RJ 108/79 - abweicht und auf dieser Abweichung beruht.
Rechtskraft
Aus
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