Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12 EG 1/16 BG
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 2/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 13/18 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch in der Berufungsinstanz keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Betreuungsgeld nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig.
Die Klägerin, jemenitische Staatsangehörige, und ihr Ehemann, C. A., sind Eltern des 2014 geborenen Kindes D. Sie stellten am 12. Februar 2015 Antrag auf Betreuungsgeld für die Zeit ab dem 15. Lebensmonat des Kindes. Zuvor hatte die Klägerin bis zum 14. Lebensmonat des Kindes und damit für die Zeit bis zum 7. Juni 2015 Elterngeld in Höhe des monatlichen Sockelbetrages von 300,00 EUR bezogen (der Ehemann der Klägerin bezog einkommensabhängiges Elterngeld für den 4. und 5. Lebensmonat des Kindes).
Der Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 17. Februar 2015 für den 15. bis 25. Lebensmonat (8. Juni 2015 bis 7. Mai 2016) Betreuungsgeld in Höhe von 150,00 EUR monatlich. Ergänzend teilte der Beklagte mit, über den beantragten Bezugszeitraum habe nicht vollständig entschieden werden können. Der Anspruch ende am 7. Mai 2016, weil die Klägerin nicht im Besitz eines über diesen Zeitpunkt hinaus geltenden Aufenthaltstitels sei. Über den entsprechenden Zahlungsanspruch werde nach Vorlage eines neuen weitergehenden Aufenthaltstitels entschieden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Durch weiteren Bescheid vom 27. Oktober 2015 lehnte der Beklagte die Weitergewährung von Betreuungsgeld über den 7. Mai 2016 hinaus bis zum 7. April 2017 mit der Begründung ab, das Bundesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 21. Juli 2015 (1 BvF 2/13) §§ 4a bis 4d des BEEG rückwirkend für nichtig erklärt. Die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld sei damit entfallen.
Die Klägerin erhob über ihren Ehemann Widerspruch am 10. November 2014 (persönliche Vorsprache) bzw. 17. November 2015 (schriftlich) und legte ihren Personalausweis vom 23. Oktober 2015 vor. Sie machte geltend, sie habe zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Aus diesem Grund bitte Sie um Weiterbewilligung des Betreuungsgeldes bis zum 7. April 2017, wie es von Anfang an geplant gewesen sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte erneut auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 sowie darauf, dass diese Entscheidung mit der Verkündung Rechtskraft erlangt habe. Hierdurch sei die Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Betreuungsgeld nicht mehr gegeben. Das Betreuungsgeld sei hier im Übrigen entsprechend der befristeten Gültigkeit des Aufenthaltstitels bis zum 25. Lebensmonat des Kindes befristet bewilligt worden. Die bestandskräftige Bewilligung bleibe von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unberührt. Eine darüber hinausgehende Bewilligung, nach der Vorlage des Personalausweises, könne aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erfolgen.
Mit der am 4. Januar 2016 zum Sozialgericht Gießen erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Durch Beschluss vom 3. März 2016 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Die hiergegen am 14. April 2016 erhobene Beschwerde wies der erkennende Senat durch Beschluss vom 27. Juni 2016 mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Hierbei verwies der Senat auf seine bisherige Rechtsprechung.
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, sie hätten der Klägerin angeraten, die Klage zurückzunehmen. Mit weiterem Schriftsatz vom 13. Dezember 2016 baten die Prozessbevollmächtigten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Die Rechtsansicht des Sozialgerichts wie auch des erkennenden Senats sei mit den PKH-Entscheidungen deutlich geworden.
Der Beklagte trug vor, der Klägerin sei unter Beachtung des § 1 Abs. 7 BEEG Elterngeld bewilligt worden. Danach sei sie offensichtlich im Oktober 2015 eingebürgert worden. Über diese geänderte Sachlage habe sie erst nach dem Juli 2015 informiert. Aufgrund des Wegfalls der Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 könne Betreuungsgeld nur im Rahmen des zuvor erfolgten Bewilligungsbescheides erbracht werden. Ein darüber hinausgehender Anspruch sei abzulehnen.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 19. Dezember 2016 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe aufgrund der Nichtigkeit der §§ 4a bis 4d BEEG bereits mangels einer entsprechenden Anspruchsgrundlage keinen Anspruch auf die Gewährung von Betreuungsgeld. Aufgrund der mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 (1 BVF 2/13) festgestellten Nichtigkeit der §§ 4a bis 4d BEEG mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehle es von vornherein an einer Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines bundesrechtlichen Betreuungsgeldes. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung ausdrücklich von einer Übergangsregelung abgesehen. Ein die Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes rechtfertigendes Vertrauen liege auf Seiten der Klägerin nicht vor und rechtfertige sich auch nicht aus dem Blickwinkel einer eventuellen überlangen Verfahrensdauer. Vielmehr würden die Rechtsfolgen aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts unabhängig von der Verfahrensdauer gelten. Es liege im Übrigen auch keine überlange Verfahrensdauer vor, weil die Begrenzung der Bewilligung mit Bescheid vom 17. Februar 2015 auf die Zeit bis zum 25. Lebensmonat des Kindes aufgrund der Befristung der vorgelegten Aufenthaltserlaubnis erfolgt sei. Einen nachfolgenden Aufenthaltstitel – hier in der Gestalt eines Personalausweises – habe die Klägerin erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und damit zu einem Zeitpunkt vorgelegt, zu dem das Bundesverfassungsgericht die Nichtigerklärung der Anspruchsgrundlage bereits ausgesprochen habe. Letztlich bestehe eine Anspruchsgrundlage aus Landesrecht für die Gewährung des begehrten Betreuungsgeldes in Hessen nicht.
Gegen das der Klägerin am 23. Dezember 2016 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 23. Januar 2017 zum Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zur Begründung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 22. April 2016 im Beschwerdeverfahren L 5 EG 11/16 B.
Den auch für das Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Senat durch Beschluss vom 17. Mai 2018 mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Dezember 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2015 zu verurteilen, ihr Betreuungsgeld für das Kind D. auch für den 26. bis 36. Lebensmonat in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die nach seiner Auffassung zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat mit Schreiben vom 8. Mai 2018 den Hinweis erteilt, dass in Erwägung gezogen wird, von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter Gebrauch zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht durch Urteil vom 19. Dezember 2016 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 27. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2015 ist nicht zu beanstanden.
Der geltend gemachte Anspruch auf Weiterbewilligung des Betreuungsgeldes über den 25. Lebensmonat hinaus stützt sich auf §§ 4a bis 4d BEEG, eingefügt durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz) vom 15. Februar 2013 (BGBl I Seite 254). Mit seinem Urteil vom 21. Juli 2015 (1 BvF 2/13) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die genannten Regelungen des BEEG mit Art. 72 Abs. 2 GG unvereinbar und nichtig sind. Zur Frage einer Übergangsregelung gemäß § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass eine solche nicht notwendig erscheine, weil etwaigen Erfordernissen des Vertrauensschutzes gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ggf. in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) Rechnung getragen werden könne.
Aus den Hinweisen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage einer Übergangsregelung ergibt sich, dass lediglich nicht mehr anfechtbare Entscheidungen (Bewilligungsbescheide) von der Nichtigerklärung der zugrunde liegenden Normen unberührt bleiben. Dies hat im Umkehrschluss zur Folge, dass Ansprüchen auf Betreuungsgeld, die in noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht werden, aufgrund der Nichtigerklärung jegliche Rechtsgrundlage entzogen ist (so bereits höchstrichterlich entschieden: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015, B 10 EG 2/15 R.; ebenso ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats: z. B. Urteile vom 24. Mai 2016, L 5 EG 10/16 und 22. November 2016, L 5 EG 3/16). Die Nichtigerklärung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften bewirkt den Wegfall der Rechtsgrundlage auch dann, wenn der Leistungsantrag vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt (jedoch noch nicht beschieden) worden ist. Dementsprechend ist vorliegend nicht relevant, dass der Beklagte den ursprünglichen Leistungsantrag vom 12. Februar 2015 auch angesichts des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 17. Februar 2015 als noch offenen (Weitergewährungs-) Antrag bezogen auf den 26. bis 36. Lebensmonat des Kindes angesehen hat. Vielmehr ist entscheidend, dass mit dem Bewilligungsbescheid Betreuungsgeld lediglich bis zum Ende des 25. Lebensmonats und damit für die Zeit bis zum 7. Mai 2016 bewilligt worden und die Einbürgerung der Klägerin, die an sich die Weitergewährung des Betreuungsgeldes ermöglicht hätte, erst nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2015 erfolgt ist.
Eine Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes aus Vertrauensschutzgesichtspunkten kommt im Übrigen bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin (über den 25. Lebensmonat des Kindes hinaus) keinen positiven Bescheid über die Bewilligung von Betreuungsgeld erhalten hat, der in Bestandskraft hätte erwachsen können. Dementsprechend kann sie auch kein begründetes Vertrauen in eine Betreuungsgeldgewährung geltend machen, die über die Bewilligung durch Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2015 hinausgeht. Aus denselben Gründen könnte sich die Klägerin auch nicht auf die Ankündigung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) berufen, wonach Eltern, die Betreuungsgeld erhalten haben, umfassender Vertrauensschutz zuteilwerden solle (vgl. zu allem: BSG a.a.O.).
Nach allem kann, auch wenn aus der Sicht des Senats durchgreifende Bedenken gegenüber der mit dem bestandskräftigen Bewilligungsbescheid ausgesprochenen Befristung des Betreuungsgeldes bis zum 7. Mai 2016 nicht bestehen, die Rechtmäßigkeit der Befristung letztlich dahingestellt bleiben. Denn selbst im Falle einer rechtswidrigen Befristung durch den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid vom 17. Februar 2015 wäre zu beachten, dass die Rechtmäßigkeit eines bestandskräftigen Bescheids nur im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 SGB X geprüft werden könnte. Durch ein solches Verfahren kann jedoch lediglich ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden. Die nachträgliche Zuerkennung des geltend gemachten Leistungsanspruches scheitert jedoch in jedem Fall an dem zwischenzeitlich erfolgten Wegfall der gesetzlichen Rechtsgrundlage im Wege der Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere ist angesichts der ausgeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der der erkennende Senat nicht abweicht, grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu verneinen.
II. Die Beteiligten haben einander auch in der Berufungsinstanz keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Betreuungsgeld nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig.
Die Klägerin, jemenitische Staatsangehörige, und ihr Ehemann, C. A., sind Eltern des 2014 geborenen Kindes D. Sie stellten am 12. Februar 2015 Antrag auf Betreuungsgeld für die Zeit ab dem 15. Lebensmonat des Kindes. Zuvor hatte die Klägerin bis zum 14. Lebensmonat des Kindes und damit für die Zeit bis zum 7. Juni 2015 Elterngeld in Höhe des monatlichen Sockelbetrages von 300,00 EUR bezogen (der Ehemann der Klägerin bezog einkommensabhängiges Elterngeld für den 4. und 5. Lebensmonat des Kindes).
Der Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 17. Februar 2015 für den 15. bis 25. Lebensmonat (8. Juni 2015 bis 7. Mai 2016) Betreuungsgeld in Höhe von 150,00 EUR monatlich. Ergänzend teilte der Beklagte mit, über den beantragten Bezugszeitraum habe nicht vollständig entschieden werden können. Der Anspruch ende am 7. Mai 2016, weil die Klägerin nicht im Besitz eines über diesen Zeitpunkt hinaus geltenden Aufenthaltstitels sei. Über den entsprechenden Zahlungsanspruch werde nach Vorlage eines neuen weitergehenden Aufenthaltstitels entschieden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Durch weiteren Bescheid vom 27. Oktober 2015 lehnte der Beklagte die Weitergewährung von Betreuungsgeld über den 7. Mai 2016 hinaus bis zum 7. April 2017 mit der Begründung ab, das Bundesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 21. Juli 2015 (1 BvF 2/13) §§ 4a bis 4d des BEEG rückwirkend für nichtig erklärt. Die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld sei damit entfallen.
Die Klägerin erhob über ihren Ehemann Widerspruch am 10. November 2014 (persönliche Vorsprache) bzw. 17. November 2015 (schriftlich) und legte ihren Personalausweis vom 23. Oktober 2015 vor. Sie machte geltend, sie habe zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Aus diesem Grund bitte Sie um Weiterbewilligung des Betreuungsgeldes bis zum 7. April 2017, wie es von Anfang an geplant gewesen sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte erneut auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 sowie darauf, dass diese Entscheidung mit der Verkündung Rechtskraft erlangt habe. Hierdurch sei die Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Betreuungsgeld nicht mehr gegeben. Das Betreuungsgeld sei hier im Übrigen entsprechend der befristeten Gültigkeit des Aufenthaltstitels bis zum 25. Lebensmonat des Kindes befristet bewilligt worden. Die bestandskräftige Bewilligung bleibe von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unberührt. Eine darüber hinausgehende Bewilligung, nach der Vorlage des Personalausweises, könne aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erfolgen.
Mit der am 4. Januar 2016 zum Sozialgericht Gießen erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Durch Beschluss vom 3. März 2016 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Die hiergegen am 14. April 2016 erhobene Beschwerde wies der erkennende Senat durch Beschluss vom 27. Juni 2016 mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Hierbei verwies der Senat auf seine bisherige Rechtsprechung.
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, sie hätten der Klägerin angeraten, die Klage zurückzunehmen. Mit weiterem Schriftsatz vom 13. Dezember 2016 baten die Prozessbevollmächtigten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Die Rechtsansicht des Sozialgerichts wie auch des erkennenden Senats sei mit den PKH-Entscheidungen deutlich geworden.
Der Beklagte trug vor, der Klägerin sei unter Beachtung des § 1 Abs. 7 BEEG Elterngeld bewilligt worden. Danach sei sie offensichtlich im Oktober 2015 eingebürgert worden. Über diese geänderte Sachlage habe sie erst nach dem Juli 2015 informiert. Aufgrund des Wegfalls der Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 könne Betreuungsgeld nur im Rahmen des zuvor erfolgten Bewilligungsbescheides erbracht werden. Ein darüber hinausgehender Anspruch sei abzulehnen.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 19. Dezember 2016 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe aufgrund der Nichtigkeit der §§ 4a bis 4d BEEG bereits mangels einer entsprechenden Anspruchsgrundlage keinen Anspruch auf die Gewährung von Betreuungsgeld. Aufgrund der mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 (1 BVF 2/13) festgestellten Nichtigkeit der §§ 4a bis 4d BEEG mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehle es von vornherein an einer Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines bundesrechtlichen Betreuungsgeldes. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung ausdrücklich von einer Übergangsregelung abgesehen. Ein die Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes rechtfertigendes Vertrauen liege auf Seiten der Klägerin nicht vor und rechtfertige sich auch nicht aus dem Blickwinkel einer eventuellen überlangen Verfahrensdauer. Vielmehr würden die Rechtsfolgen aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts unabhängig von der Verfahrensdauer gelten. Es liege im Übrigen auch keine überlange Verfahrensdauer vor, weil die Begrenzung der Bewilligung mit Bescheid vom 17. Februar 2015 auf die Zeit bis zum 25. Lebensmonat des Kindes aufgrund der Befristung der vorgelegten Aufenthaltserlaubnis erfolgt sei. Einen nachfolgenden Aufenthaltstitel – hier in der Gestalt eines Personalausweises – habe die Klägerin erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und damit zu einem Zeitpunkt vorgelegt, zu dem das Bundesverfassungsgericht die Nichtigerklärung der Anspruchsgrundlage bereits ausgesprochen habe. Letztlich bestehe eine Anspruchsgrundlage aus Landesrecht für die Gewährung des begehrten Betreuungsgeldes in Hessen nicht.
Gegen das der Klägerin am 23. Dezember 2016 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 23. Januar 2017 zum Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zur Begründung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 22. April 2016 im Beschwerdeverfahren L 5 EG 11/16 B.
Den auch für das Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Senat durch Beschluss vom 17. Mai 2018 mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Dezember 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2015 zu verurteilen, ihr Betreuungsgeld für das Kind D. auch für den 26. bis 36. Lebensmonat in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die nach seiner Auffassung zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat mit Schreiben vom 8. Mai 2018 den Hinweis erteilt, dass in Erwägung gezogen wird, von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter Gebrauch zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht durch Urteil vom 19. Dezember 2016 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 27. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2015 ist nicht zu beanstanden.
Der geltend gemachte Anspruch auf Weiterbewilligung des Betreuungsgeldes über den 25. Lebensmonat hinaus stützt sich auf §§ 4a bis 4d BEEG, eingefügt durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz) vom 15. Februar 2013 (BGBl I Seite 254). Mit seinem Urteil vom 21. Juli 2015 (1 BvF 2/13) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die genannten Regelungen des BEEG mit Art. 72 Abs. 2 GG unvereinbar und nichtig sind. Zur Frage einer Übergangsregelung gemäß § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass eine solche nicht notwendig erscheine, weil etwaigen Erfordernissen des Vertrauensschutzes gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ggf. in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) Rechnung getragen werden könne.
Aus den Hinweisen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage einer Übergangsregelung ergibt sich, dass lediglich nicht mehr anfechtbare Entscheidungen (Bewilligungsbescheide) von der Nichtigerklärung der zugrunde liegenden Normen unberührt bleiben. Dies hat im Umkehrschluss zur Folge, dass Ansprüchen auf Betreuungsgeld, die in noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht werden, aufgrund der Nichtigerklärung jegliche Rechtsgrundlage entzogen ist (so bereits höchstrichterlich entschieden: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015, B 10 EG 2/15 R.; ebenso ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats: z. B. Urteile vom 24. Mai 2016, L 5 EG 10/16 und 22. November 2016, L 5 EG 3/16). Die Nichtigerklärung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften bewirkt den Wegfall der Rechtsgrundlage auch dann, wenn der Leistungsantrag vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt (jedoch noch nicht beschieden) worden ist. Dementsprechend ist vorliegend nicht relevant, dass der Beklagte den ursprünglichen Leistungsantrag vom 12. Februar 2015 auch angesichts des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 17. Februar 2015 als noch offenen (Weitergewährungs-) Antrag bezogen auf den 26. bis 36. Lebensmonat des Kindes angesehen hat. Vielmehr ist entscheidend, dass mit dem Bewilligungsbescheid Betreuungsgeld lediglich bis zum Ende des 25. Lebensmonats und damit für die Zeit bis zum 7. Mai 2016 bewilligt worden und die Einbürgerung der Klägerin, die an sich die Weitergewährung des Betreuungsgeldes ermöglicht hätte, erst nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2015 erfolgt ist.
Eine Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes aus Vertrauensschutzgesichtspunkten kommt im Übrigen bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin (über den 25. Lebensmonat des Kindes hinaus) keinen positiven Bescheid über die Bewilligung von Betreuungsgeld erhalten hat, der in Bestandskraft hätte erwachsen können. Dementsprechend kann sie auch kein begründetes Vertrauen in eine Betreuungsgeldgewährung geltend machen, die über die Bewilligung durch Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2015 hinausgeht. Aus denselben Gründen könnte sich die Klägerin auch nicht auf die Ankündigung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) berufen, wonach Eltern, die Betreuungsgeld erhalten haben, umfassender Vertrauensschutz zuteilwerden solle (vgl. zu allem: BSG a.a.O.).
Nach allem kann, auch wenn aus der Sicht des Senats durchgreifende Bedenken gegenüber der mit dem bestandskräftigen Bewilligungsbescheid ausgesprochenen Befristung des Betreuungsgeldes bis zum 7. Mai 2016 nicht bestehen, die Rechtmäßigkeit der Befristung letztlich dahingestellt bleiben. Denn selbst im Falle einer rechtswidrigen Befristung durch den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid vom 17. Februar 2015 wäre zu beachten, dass die Rechtmäßigkeit eines bestandskräftigen Bescheids nur im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 SGB X geprüft werden könnte. Durch ein solches Verfahren kann jedoch lediglich ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden. Die nachträgliche Zuerkennung des geltend gemachten Leistungsanspruches scheitert jedoch in jedem Fall an dem zwischenzeitlich erfolgten Wegfall der gesetzlichen Rechtsgrundlage im Wege der Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere ist angesichts der ausgeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der der erkennende Senat nicht abweicht, grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu verneinen.
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