S 12 EG 1/16 BG

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12 EG 1/16 BG
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 2/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 13/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Betreuungsgeld.

Die Klägerin ist die Mutter der 2014 geborenen C. A.

Am 12. Februar beantragte die Klägerin bei dem Beklagten unter Vorlage eines bis zum 10. April 2016 befristeten Aufenthaltstitels die Gewährung von Betreuungsgeld für die Lebensmonate 15 bis 36 ihrer Tochter. Mit Bescheid vom 17. Februar 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin daraufhin Betreuungsgeld für die Lebensmonate 15 bis 25 ihres Kindes C. A. (Zeitraum vom 8. Juni 2015 bis 7. Mai 2016) in Höhe von 150,00 EUR monatlich. Der Beklagte befristete dabei die Leistungsgewährung aufgrund des zunächst ebenfalls nur befristeten Aufenthaltstitels der Klägerin.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 lehnte der Beklagte die Weitergewährung von Betreuungsgeld für das Kind C. A. für die Zeit vom 8. Mai 2016 bis zum 7. April 2017 ab. Zur Begründung führte er aus, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Urteil vom 21. Juli 2015 die §§ 4a – 4d BEEG rückwirkend für nichtig erklärt. Die Rechtsgrundlage für die Weitergewährung von Betreuungsgeld sei daher entfallen. Der Antrag der Klägerin müsse daher abgelehnt werden.

Hiergegen legte die Klägerin am 17. November 2015 Widerspruch ein und trug vor, die ursprüngliche Befristung des Betreuungsgeldes sei nur vorgenommen worden, da ihr Aufenthaltstitel befristet gewesen sei. Nunmehr habe sie die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, so dass das Betreuungsgeld bis zum 7. April 2017 weitergewährt werden könne, wie es von Anfang an geplant gewesen sei.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte erneut aus, unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Klägerin habe das Bundesverfassungsgericht die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld rückwirkend für nichtig und damit unanwendbar erklärt. Da keine Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld mehr bestehe, könne der Klägerin auch kein Betreuungsgeld mehr bewilligt werden.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 4. Januar 2016 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.

Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, sie habe Anspruch auf eine Weitergewährung des Betreuungsgeldes für ihre Tochter, nachdem sie nicht mehr nur über einen befristeten Aufenthaltstitel verfüge, sondern die deutsche Staatsangehörigkeit besitze.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Bescheid vom 27. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Betreuungsgeld in gesetzlicher Höhe für die Lebensmonate 26 bis 36 ihres Kindes C. A. (8. Mai 2016 bis zum 7. April 2017) zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, nach Wegfall der Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld könne der Klägerin keine Weitergewährung mehr bewilligt werden.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 12. Januar und 13. Dezember 2016 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben.

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid vom 27. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat aufgrund der Nichtigkeit der §§ 4a bis 4d BEEG bereits mangels einer entsprechenden Anspruchsgrundlage keinen Anspruch auf die Gewährung von Betreuungsgeld.

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Betreuungsgeld war vermeintlich § 4a Abs. 1 BEEG. Aufgrund der mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 (Az. 1 BvF 2/13) festgestellten Nichtigkeit der §§ 4a bis 4d BEEG mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehlt es jedoch von vornherein an einer Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines bundesrechtlichen Betreuungsgeldes. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung ausdrücklich von einer Übergangsregelung abgesehen (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 73). Dort heißt es vielmehr: "Die Anordnung einer Übergangsregelung durch den Senat (§ 35 BVerfGG) erscheint nicht notwendig. Etwaigen Erfordernissen des Vertrauensschutzes kann gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG gegebenenfalls in Verbindung mit § 45 Abs. 2 SGB X Rechnung getragen werden." Bereits erlassene rechtwidrige Bewilligungsbescheide werden daher nach den allgemeinen Regelungen über die Aufhebung anfänglich rechtwidriger Verwaltungsakte nach § 45 SGB X behandelt. Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, wie er in Art. 20 Abs. 3 GG bereits angelegt ist und in § 31 SGB I nochmals ausdrücklich formuliert wird, scheidet eine erstmalige Leistungsgewährung ohne gesetzliche Grundlage nunmehr jedoch von vornherein aus (vgl. auch BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015, B 10 EG 2/15 R, juris Rn. 10 ff.; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Mai 2016, L 5 EG 10/16).

Eine Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes aus Vertrauensschutzgesichtspunkten kommt im Übrigen auch nicht aus dem Blickwinkel einer eventuellen überlangen Verfahrensdauer in Betracht. Vielmehr gelten die ausgeführten Rechtsfolgen aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015 unabhängig von der Verfahrensdauer des konkreten Verfahrens. Es liegt zur Überzeugung der Kammer im konkreten Fall der Klägerin auch keine überlange Verfahrensdauer vor (ebenso Hessisches Landessozialgericht im parallelen Prozesskostenhilfeverfahren, Beschluss vom 27. Juni 2016, L 5 EG 11/16 B). Die Begrenzung des mit Bescheid vom 17. Februar 2015 bewilligten Betreuungsgeldes auf die Zeit bis zum 25. Lebensmonat des Kindes und damit auf die Zeit bis zum 7. Mai 2016 beruht darauf, dass die vorgelegte Aufenthaltserlaubnis der Klägerin bis zum 10. April 2016 befristet war. Einen nachfolgenden Aufenthaltstitel – hier in der Gestalt eines Personalausweises – legte die Klägerin dem Beklagten durch Vorsprache ihres Ehemannes erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2015 am 10. November 2015 und damit zu einem Zeitpunkt vor, zu dem das Bundesverfassungsgericht die Nichtigerklärung der Anspruchsgrundlage bereits ausgesprochen hatte. Ein Bescheid bezogen auf die Bewilligung von Betreuungsgeld für die Zeit nach dem 7. Mai 2016 war deshalb dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglich.

Eine Anspruchsgrundlage aus Landesrecht für die Gewährung des begehrten Betreuungsgeldes, die nach Nichtigkeit der bundesrechtlichen Regelung ggfs. anwendbar wäre, besteht in Hessen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Rechtsmittelbelehrung ergibt sich aus §§ 143, 144 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit ihrer Klage Betreuungsgeld für einen Zeitraum von weiteren 12 Monaten begehrt und bei einer Höhe des Betreuungsgeldes von 150,00 EUR pro Monat die Berufungssumme von 750,00 EUR überschritten ist.
Rechtskraft
Aus
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