S 12 KA 422/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 422/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Kammervorsitzende entscheidet allein über einen Befangenheitsantrag gegen einen ehrenamtlichen Richter.
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 09.02.2016 gegen den ehrenamtlichen Richter C. und vom 16.02.2016 gegen den ehrenamtlichen Richter D. wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer Regressforderung zugunsten der Beigeladenen wegen mangelhafter prothetischer Versorgung der Patientin E. in Höhe von 995,77 EUR.

Sie Kammer hat in der Besetzung mit den beiden ehrenamtlichen Richtern C. und D. am 20.01.2016 eine mündliche Verhandlung abgehalten. Dem Vergleichsvorschlag der Kammer mit einem Zustimmungserfordernis innerhalb von zwei Wochen stimmte die Klägerin nicht zu.

Die Klägerin beantrage am 09.02.2016 die Ablehnung des ehrenamtlichen Richters C. und am 16.02.2016 des ehrenamtlichen Richters D. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Sie trug vor, Herr C. sei in der Vergangenheit für die Beklagte in deren Wirtschaftlichkeitsausschuss tätig gewesen und sei dies ggf. derzeit noch. Der ehrenamtliche Richter C. stehe daher in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten. Es sei eine konkrete Interesseneinbindung zu besorgen, da der ehrenamtliche Richter C. bereits 2014 in einem Verfahren betreffend sie selbst tätig geworden sei. Für den Fall, dass auch der ehrenamtliche Richter D. Mitglied des Prüfungsausschusses sei, beantrage sie auch dessen Ablehnung. Sie halte beide Anträge aufrecht, da die sie in einem Verfahren für die Beklagte auftreten würden, aber zugleich mit ihr wirtschaftlich verbunden seien. Dies widerspreche der Compliance Leitlinie der der KZBV, nach der die Unabhängigkeit zahnärztlicher Entscheidungen von wirtschaftlicher Einflussnahme durch dritte gewahrt bleiben sollten. Es werde nichts unterstellt, aber allein schon die wirtschaftliche Beziehung reiche aus, dass ihre Unabhängigkeit bezweifelt werden könne. Zudem sei der Fall E. schon in einer Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Beklagten über den Zeitraum der prothetischen Versorgung behandelt worden, in dem auch die ehrenamtlichen Richter involviert gewesen seien.

Die Beklagte teilt mit, dass der ehrenamtliche Richter C. zahnärztlicher Berater der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen ist und als solcher an einem Prüfverfahren betreffend die Klägerin im Jahr 2014 beratend tätig gewesen sei.

Die Kammer hat am 22.01.2018 dem ehrenamtlichen Richter C. telefonisch den Befangenheitsantrag zur Kenntnis gebracht. Dieser hat erklärt, er sei Mitglied der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen. Eine Prüfung des ZE-Falles könne er sich nicht erinnern, aber insofern ausschließen, als ZE-Fälle nicht geprüft würden. Ob er schon mit einer Prüfung der Abrechnung der Klägerin im konservierend-chirurgischen Bereich betraut gewesen sei, wisse er nicht. Dies könne er nur durch Durchsicht seiner Unterlagen oder andere Nachforschungen mit Gewissheit feststellen.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist der Kammervorsitzende.

Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richtern der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz in der Fassung des Artikels 8 des 4. Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl. I 2011, 3057 (im Folgenden: SGG) i. V. m. § 45 Zivilprozessordnung (ZPO) das Sozialgericht zuständig. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung (§ 45 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ergeht durch Beschluss (§ 46 Abs. 1 ZPO). Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Das Ablehnungsgesuch gegen den ehrenamtlichen Richter D. wegen Besorgnis der Befangenheit ist unzulässig. Hierfür fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis. Es ist nicht ersichtlich, dass der ehrenamtliche Richter D. erneut mit der Sache befasst wird. Im Übrigen ist ein Ablehnungsgesuch als Prozesshandlung bedingungsfeindlich. Der ursprüngliche Antrag wurde aber unter der Bedingung gestellt, dass der ehrenamtliche Richter D. Mitglied des Prüfungsausschusses sei. Im Hinblick auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis kann aber dahingestellt bleiben, ob mit dem Schreiben der Klägerin vom 29.03.2015 der Antrag unbedingt oder ein neuer Antrag gestellt wurde.

Das Ablehnungsgesuch gegen den ehrenamtlichen Richter C. ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung gegen einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.

Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.09.2007 - 4 A 1007/07 -, juris Rdnr. 14). Die Zugrundelegung einer der Partei ungünstigen Rechtsauffassung rechtfertigt nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Auch auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsanwendung kommt es regelmäßig nicht an (vgl. BGH v. 12.10.2011, Beschl. v. 12.10.2011 – V ZR 8/10 – juris Rdnr. 7). Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit kommt nur dann in Betracht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Die Ablehnung kann nicht auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung des Richters gestützt werden. Eine Ausnahme hiervon ist dann geboten, wenn die Verfahrensgestaltung oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.06.2011 – L 7 SF 1/11 AB – juris Rdnr. 10).

Bei Anwendung dieses Maßstabs ist die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten ehrenamtlichen Richters nicht begründet. Objektive Gründe, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass zu Zweifeln an ihrer Unvoreingenommenheit geben könnten, liegen nicht vor.

Die Klägerin hat keinerlei Handlungen oder Äußerungen des abgelehnten ehrenamtlichen Richters genannt, die Anlass zur Besorgnis der Befangenheit geben könnten. Aus den vorgelegten Akten ergibt sich auch kein solcher Anlass. Er war auch zuvor außergerichtlich mit der Angelegenheit nicht befasst. Eine Mitgliedschaft in der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen oder die Befassung mit einer Abrechnungsprüfung im konservierend-chirurgischen Bereich rechtfertigt die Ablehnung nicht. Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Streitgegenstand. Das Gesetz regelt im Einzelnen, wann ein absoluter Ausschlussgrund besteht. So werden selbst die Geschäftsführer und ihre Stellvertreter bei den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen als ehrenamtliche Richter in den Kammern für Angelegenheiten des Vertrags8zahn)arztrechts nicht ausgeschlossen (§ 17 Abs. 4 SGG). Unsachliche Äußerungen oder unsachgemäßes Vorgehen werden auch seitens der Klägerin dem ehrenamtlichen Richter C. nicht vorgeworfen. Allein die institutionelle Zugehörigkeit zu Prüfgremien oder auch Einrichtungen der Beklagten rechtfertigt nicht den Ausschluss eines ehrenamtlichen Richters. So ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Vorstandsvorsitzender, der zur Vertretung beigeladener Kassenverbände berechtigt ist, als ehrenamtlichen Richter nicht ausgeschlossen, weil sich allein aus der Berechtigung zur Vertretung einer zum Verfahren beigeladenen Krankenkasse (Kassenverband) kein genereller Ausschluss von der Mitwirkung als ehrenamtlicher Richter ergibt (vgl. (BSG, Urt. v. 08.05.1996 - 6 RKa 16/95 - BSGE 78, 175 = SozR 3-5407 Art. 33 § 3a Nr. 1, juris Rdnr. 16 ff.). Vertrags(zahn)ärzte sind von der Mitwirkung als ehrenamtliche Richter nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie als Mitglied der Vertreterversammlung der K(Z)ÄV an einem Beschluss mitgewirkt haben, auf dessen Rechtmäßigkeit es im Gerichtsverfahren ankommt (vgl. (BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 31/97 R - BSGE 82, 150 = SozR 3-1500 § 60 Nr. 4, juris Rdnr. 21 ff.). Ferner ist insb. der Umstand, dass ein ehrenamtlicher Richter Mitglied des Beschwerdeausschusses ist und in dieser Eigenschaft an anderen Entscheidungen in - zum Teil gleich liegenden - Angelegenheiten eines klagenden Vertragsarztes beteiligt war, allein kein Hindernis für seine Mitwirkung an dem berufungsgerichtlichen Verfahren. Nur wenn im Einzelfall ein konkreter Anhaltspunkt für eine von Voreingenommenheit bestimmte Haltung des ehrenamtlichen Richters bestünde, könnte eine Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt sein (vgl. BSG, Beschl. v. 19.07.2006 - B 6 KA 59/05 B - juris Rdnr. 8 m.w.N.).

Nach allem war der Antrag abzuweisen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG). Eine evtl. aus Sicht der Beteiligten notwendige weitere Überprüfung kann nur mit einem Rechtsmittel gegen eine in der Hauptsache ergangene Entscheidung erfolgen.
Rechtskraft
Aus
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