L 2 AL 21/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 521/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 21/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit sind Bescheide über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die daran anknüpfende Erstattungsforderung.

Die 1981 geborene Klägerin war – unterbrochen durch eine knapp dreijährige Elternzeit – seit 2007 als Flugbegleiterin beschäftigt gewesen, als ihr Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer damaligen Arbeitgeberin am 26. Februar 2015 gekündigt und sie sofort unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wurde, weil wegen Masseunzulänglichkeit keine weiteren Entgeltzahlungen möglich seien.

Nach persönlicher Arbeitssuchend- und Arbeitslosmeldung am 27. Februar 2015 wurde ihr von der Beklagten antragsgemäß ab demselben Tag Arbeitslosengeld für 360 Tage in Höhe von 27,22 Euro täglich / 816,60 Euro monatlich bewilligt (Bescheid vom 12. März 2015). Mit ihrer Unterschrift unter dem Antragsformular für Arbeitslosengeld bestätigte sie den Erhalt des Merkblatts 1 für Arbeitslose sowie die Kenntnisnahme von dessen Inhalt.

Ab März 2015 bezog die Klägerin daneben vom Jobcenter team.arbeit. H. aufstockend Arbeitslosengeld II. Wegen des Einbehalts einer Abschlagszahlung für die erste Märzwoche in Höhe von 190,54 Euro sowie der Erfüllung von Erstattungsansprüchen des Jobcenters in Höhe von insgesamt 843,23 Euro erließ die Beklagte mehrere Bewilligungsänderungsbescheide (13. und 16. März 2015, 11. Mai 2015).

Am 15. Mai 2015 erfuhr die Beklagte durch eine Überschneidungsmitteilung im Rahmen eines automatisierten Datenabgleichs davon, dass die Klägerin vom 23. März bis 10. Mai 2015 in F. an einer Vollzeitschulung bei der C. GmbH teilgenommen hatte, die dann zu einer befristeten Beschäftigung vom 23. Mai bis 30. November 2015 am Standort H. führte. Die Klägerin hatte die Aufnahme und Durchführung der Schulung zwar durch Vorlage des Schulungsvertrags am 23. März 2015 sowie ergänzende schriftliche Angaben ab 9. April 2015 gegenüber Beschäftigten des Jobcenters angezeigt, nicht jedoch gegenüber solchen der Beklagten, die der Klägerin allerdings die von ihr selbst gesuchte Tätigkeit ebenfalls nachwies. Die Anzeigen der Klägerin gegenüber Beschäftigten des Jobcenters waren von jenen in der vom Jobcenter und der Beklagten gemeinsam für Vermittlungsaktivitäten genutzten Datenbank V. vermerkt worden, ohne dass Beschäftigte der Beklagten dies vor dem 15. Mai 2015 zur Kenntnis genommen hatten.

Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte mit drei Bescheiden vom 4. Juni 2015 die Bewilligung des für Zeiträume bis einschließlich 30. April 2015 mit Ausnahme des an das Jobcenter ausgekehrten Erstattungsanspruchs an die Klägerin ausgezahlten Arbeitslosengelds ab 23. März 2015 auf, forderte die Erstattung des auf den Zeitraum von 23. März bis 30. April 2015 entfallenden Leistungsbetrags von 1034,36 Euro und änderte den Bewilligungsbescheid entsprechend ab.

Den hiergegen von der damals noch unvertretenen Klägerin zunächst nur per E-Mail eingelegten Widerspruch vom 23. Juni 2015 verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2015 als wegen fehlender Schriftform unzulässig.

Am 4. September 2015 legte die Klägerin, nunmehr vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, erneut Widerspruch gegen die Bescheide vom 4. Juni 2015 unter Hinweis darauf ein, dass die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen sei, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in den angefochtenen Bescheiden fehlerhaft gewesen sei. Es fehlten sowohl die konkrete Adresse, wo der Widerspruch persönlich abgegeben werden könne, als auch der Hinweis, dass der Widerspruch auch elektronisch erhoben werden könne, allerdings nur mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur oder per DE-Mailer.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Der Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld habe nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mit Wirkung ab 23. März 2015 ganz aufgehoben werden müssen, weil die Klägerin ab diesem Tag mangels Verfügbarkeit nicht mehr arbeitslos im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 138 SGB 3 gewesen sei und die Klägerin wesentliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen trotz ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung nach § 60 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt habe und sie zumindest hätte wissen müssen, dass ihr Leistungsanspruch weggefallen sei. Zum einen habe sie sich ohne vorherige Zustimmung der Beklagten im Sinne der §§ 1 und 3 Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) außerhalb des Nahbereichs der zuständigen Agentur für Arbeit aufgehalten, zum anderen habe sie keine anderen Tätigkeiten mehr aufnehmen können, weil die Schulung in Vollzeit erfolgt sei. Da die Arbeitslosigkeit mehr als 6 Wochen unterbrochen gewesen und keine erneute persönliche Arbeitslosmeldung erfolgt sei, sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung entsprechend § 141 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGB III erloschen. Auch ein Sonderfall der Verfügbarkeit, nach § 139 i.V.m. § 45 SGB III liege nicht vor, weil die Schulungsmaßnahme weder von der Klägerin beantragt noch von der Beklagten bewilligt worden sei. Die Erstattungsforderung folge aus § 50 Abs. 1 SGB X.

Die Klägerin, die bereits am 4. September 2015 beim Sozialgericht Hamburg Klage gegen die Bescheide vom 4. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2015 erhoben hatte, hat diese am 9. November 2015 um eine solche gegen die Bescheide vom 4. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2015 erweitert. Sie hat dargelegt, dass eine Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung wegen bloßer Förmelei unangebracht sei. Sie habe sich selbst überobligatorisch trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten und finanziellen Belastungen eine örtlich weit entfernte Schulungsmaßnahme mit Anschlussbeschäftigung gesucht, die ihr die Beklagte selbst zu einem späteren Zeitpunkt nachgewiesen habe. Wegen des hohen Konkurrenzdrucks habe sie schnell zugreifen müssen. Weil das Jobcenter ihr erklärt habe, die Beklagte werde die Kosten der Schulungsmaßnahme tragen, habe sie das Einverständnis der Beklagten angenommen. Vor diesem Hintergrund stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Sie wäre im Übrigen jederzeit zum Abbruch der Schulungsmaßnahme bereit gewesen, wenn die Beklagte sich dann zur Übernahme der Schulungskosten bereit erklärt und ihr eine andere, für sinnvoller gehaltene Maßnahme zugewiesen hätte, sodass ihre Verfügbarkeit nicht weggefallen sei.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2015 entgegengetreten. Es habe nicht, wie erforderlich, einen vorherigen Antrag der Klägerin und eine vorherige Zustimmung der Beklagten zur Ortsabwesenheit und zur Teilnahme an der Schulungsmaßnahme gegeben. In dem der Klägerin bei Arbeitslosmeldung ausgehändigten Merkblatt finde sich der ausdrückliche Hinweis, dass sie bei wesentlichen Änderungen unverzüglich zur Meldung gegenüber der Beklagten verpflichtet sei und sich nicht auf die Zusage anderer verlassen dürfe, auch nicht des Jobcenters. Daher sei ihr grobe Fahrlässigkeit vorzuhalten. Es bleibe der Klägerin unbenommen, privatrechtliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. Februar 2018 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2018 unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2015, der denjenigen vom 3. August 2015 ersetzt habe, abgewiesen. Entscheidend sei, dass die Klägerin die Schulung in F. ohne Absprache mit der Beklagten durchgeführt habe. Über das Erfordernis der vorherigen Genehmigung der Beklagten sei die Klägerin durch das Merkblatt für Arbeitslose informiert gewesen, sodass bei Nichteinhaltung dieser Formalien grobe Fahrlässigkeit zu bejahen sei. Auf alles Weitere komme es nicht an.

Hiergegen richtet sich die am 19. März 2018 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie die Ansicht vertritt, dass keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen durch die Aufnahme der Schulungsmaßnahme in F. eingetreten sei. Alle Voraussetzungen des § 138 SGB III hätten weiterhin vorgelegen, insbesondere sei sie weiterhin verfügbar gewesen. Die EAO verstoße gegen den Vorrang des Gesetzes. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen einer angenommenen Anzeigepflichtverletzung und einer angenommenen rechtswidrigen Gewährung: Wenn sie der Beklagten die Aufnahme der Schulung vorab angezeigt hätte, hätte jene diese genehmigt. Auch sei ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Sie wirft die Frage auf, woher sie denn hätte wissen sollen, dass sie, die zwischen Jobcenter und Beklagter zerrieben worden sei, auch gegenüber der Beklagten die Aufnahme der Schulung hätte mitteilen müssen Im Übrigen sei davon auszugehen, dass sie ihre angenommene Mitteilungspflicht auch gegenüber der Beklagten dadurch erfüllt habe, dass die von ihr informierten Beschäftigten des Jobcenters die entsprechenden Informationen in der auch von der Beklagten genutzten Datenbank V. hinterlegt hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Februar 2018 sowie die Bescheide der Beklagten vom 4. Juni 2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 3. August 2015 und 7. Oktober 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig und betont, dass der Umstand, dass ihre Beschäftigten in die V.-Daten hätten schauen können, nichts an einer Verletzung der Mitteilungspflicht der Klägerin ändere. Vor der Überschneidungsmitteilung vom 15. Mai 2015 habe kein Anlass bestanden, in die vom Jobcenter hinterlegten V.-Daten zu gucken.

Der Senat hat durch Beschluss vom 1. August 2018 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Oktober 2018, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Entgegen dessen Auffassung hat jedoch der Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2015 nicht denjenigen vom 3. August 2015 ersetzt, sondern ist neben ihn getreten und im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) neben demjenigen vom 3. August 2015 angegriffen worden. Letzterer hatte das mit der E-Mail der damals noch unvertretenen Klägerin vom 23. Juni 2015 eingeleitete Vorverfahren (§ 78 SGG) abgeschlossen und den Widerspruch zu Recht mangels erforderlicher Schriftform (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) als unzulässig verworfen. Damit hatte die Befugnis der Widerspruchsstelle geendet, ein zweiter Widerspruchsbescheid wäre rechtswidrig gewesen (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 85 Rn. 7b m.w.N.). Der Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2015 schloss hingegen das durch den schriftlichen und angesichts der von der Klägerin aufgezeigten Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrungen in den Bescheiden vom 4. Juni 2015 auch fristgerechten (§§ 66 Abs. 2, 84 Abs. 1 SGG) und im Übrigen ohnehin von der Beklagten materiell geprüften und beschiedenen Widerspruch vom 4. September 2015 eingeleitete Vorverfahren ab. Dieser hat den Bescheiden vom 4. Juni 2015 (Aufhebungs-, Erstattungs- und Bewilligungsänderungsbescheid) die im Klageverfahren zu überprüfende Gestalt gegeben. Diese sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in deren Rechten.

Der Senat folgt im Übrigen der Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids (§§ 153 Abs. 2, 105 Abs. 1 Satz 3 SGG) sowie des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 7. Oktober 2015 (§ 136 Abs. 3 SGG).

Entgegen der Auffassung der Klägerin trat mit der Aufnahme der Schulungsmaßnahme in F. am 23. März 2015 eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X dergestalt ein, dass ihre Verfügbarkeit (§ 138 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 SGB III) entfiel. Weder war sie noch in der Lage, neben der Vollzeitschulung eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung auszuüben (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III), noch war sie angesichts der Fokussierung auf die Schulung mit der Aussicht auf die anschließende Beschäftigung und der Verpflichtung, beim Abbruch der Schulung deren Kosten zu tragen, bereit, eine andere Beschäftigung anzunehmen und auszuüben oder an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung teilzunehmen (§ 138 Abs. 5 Nrn. 3 und 4 SGB III), noch war sie wegen ihres Aufenthalts in F. unter der Woche in der Lage, Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, ohne dass eine vorherige Zustimmung der Beklagten vorlag (§ 138 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. §§ 1 und 3 EAO). Zweifel daran, dass die Regelungen der Verfügbarkeit und Erreichbarkeit nach der EAO durch die gesetzliche Ermächtigung gedeckt sind und diese wiederum verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, hat der Senat nicht (ebenso: Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 20. Juni 2001 – B 11 AL 10/01 R, BSGE 88,172, und vom 9. November 1995 – 11 RAr 33/95, SozR 3-4450 § 4 Nr. 1 (Letzteres noch zur Aufenthaltsanordnung)). Ein Sonderfall der Verfügbarkeit nach § 139 i.V.m. § 45 SGB III lag schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte der Teilnahme nicht zustimmte (§ 139 Abs. 3 Nr. 1 SGB III) und im Übrigen mangels Antrag auch nicht zustimmen konnte. Auch fehlte es an der unbedingten Bereitschaft zum Abbruch und der Vereinbarung der entsprechenden Möglichkeit mit dem Maßnahmeträger (§ 139 Abs. 3 Nr. 2 SGB III). Dass die Voraussetzungen möglicherweise geschaffen worden wären, wenn die Beklagte, die der Klägerin die Stelle später selbst nachwies, vorab informiert worden wäre, bewegt sich im Bereich der Spekulation und spielt rechtlich keine Rolle, weil die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Aufnahme der Schulung nicht mehr vorlagen. Es fehlte ab dem 23. März 2015 wegen Wegfalls der objektiven und subjektiven Verfügbarkeit an der Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), und die Wirkung der Arbeitslosmeldung der Klägerin erlosch (§ 141 Abs. 2 SGB III).

Diese wesentliche Änderung in den der Bewilligung zu Grunde liegenden Verhältnissen führt zwingend (§ 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) zu deren Aufhebung auch mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem Zeitpunkt der Änderung am 23. März 2015, weil die Klägerin sowohl grob fahrlässig ihrer gegenüber der Beklagten im zweiseitigen Sozialversicherungsverhältnis bestehenden Mitteilungspflicht nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) als auch hätte wissen müssen, dass mit Aufnahme der Schulung ohne vorherige Zustimmung der Beklagten auch zum Ortswechsel der Arbeitslosengeldanspruch weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).

Nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 letzter Teilsatz SGB X liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, der schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, wobei es nicht entlastet, wenn amtliche Belehrungen nicht zur Kenntnis genommen werden (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 52 m.N.). So begründet die Nichtbeachtung eines ausgehändigten Merkblatts in der Regel grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt hätte verstehen können (K. Lang / Waschull in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 45 Rn. 45; Schütze, a.a.O., Rn. 56, 57; jeweils m.N.). So liegt der Fall hier. In dem Merkblatt 1 für Arbeitslose (Stand März 2014), deren Aushändigung die Klägerin bei der Beantragung von Arbeitslosengeld bestätigte, wird u.a. auf den Seiten 16, 17, 19, 20 und 21 unmissverständlich zu den Anspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld ausgeführt, dass ein solcher u.a. dann nicht bestehe, wenn eine aufgenommene Beschäftigung oder Tätigkeit mindestens 15 Stunden in der Kalenderwoche erfordere, man ohne vorherige Zustimmung der Agentur für Arbeit ortsabwesend oder nicht bereit sei, jede zumutbare Beschäftigung oder Weiterbildungsmaßnahme anzutreten, und dass die Unterbrechung der Arbeitslosigkeit von mehr als 6 Wochen ebenso wie die Aufnahme einer Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich dazu führe, dass das Arbeitslosengeld erst nach erneuter persönlicher Arbeitslosmeldung weitergezahlt werden könne. U.a. auf den Seiten 6, 7 unter den 12 Punkten, die der Arbeitslose sich merken sollte (dort Nrn. 4 und 5), sowie auf den Seiten 50, 51 wird die Pflicht zur Mitteilung der Änderung von Verhältnissen konkretisiert, die den Leistungsanspruch beeinflussen könnten, unter anderem die Vorabmeldung einer Ortsabwesenheit. U.a. auf den Seiten 16 und 51 findet sich auch ausdrücklich der Hinweis für sogenannte Aufstocker, dass die Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten gegenüber beiden Leistungsträgern bestünden, sowohl gegenüber der Agentur für Arbeit als auch gegenüber dem Jobcenter. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Klägerin insbesondere aus sprachlichen oder intellektuellen Gründen nicht dazu in der Lage gewesen wäre, diese von ihr nicht beachteten Hinweise zu verstehen und zu beachten.

Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob ihre Mitteilungen gegenüber den Beschäftigten des Jobcenters in Verbindung mit deren Dokumentation in der auch von der Beklagten genutzten Datenbank V. nicht als Erfüllung der gegenüber der Beklagten bestehenden Mitteilungspflichten zu gelten hätten, kommt es demnach letztlich nicht an, weil der Klägerin auch die grob fahrlässige Unkenntnis vom Wegfall des Leistungsanspruchs vorzuhalten ist und neben der Aufhebungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X auch diejenige nach Nr. 4 vorliegt. Letztlich wird man die Frage aber auch verneinen müssen. Denn eine Mitteilung gegenüber der zuständigen Behörde erfolgte gerade nicht. Das gleiche gilt für eine Kenntnisnahme der Beklagten. Soweit man der Beklagten ein Mitverschulden anlasten wollte, weil sie nicht regelmäßig die in der gemeinsam genutzten Datenbank hinterlegten Vermerke zur Kenntnis nahm, würde dies wegen der Gebundenheit der Aufhebungsentscheidung vorliegend keine Rolle spielen, sondern allenfalls im Rahmen einer etwaigen Schadensersatzpflicht nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz. Auch nur auf dieser Grundlage zu prüfen wären etwaige Ansprüche gegen Beschäftigte des Jobcenters wegen fehlender oder Falschinformation, wobei sich die Klägerin nach den obigen Ausführungen zur groben Fahrlässigkeit dabei wohl auch ein Mitverschulden zurechnen lassen müsste.

Die Pflicht der Klägerin zur Erstattung der für den Aufhebungszeitraum erbrachten Leistungen folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Erbracht sind die Leistungen sowohl durch direkte Auszahlung an die Klägerin als auch durch Erfüllung des vom Jobcenter geltend gemachten Erstattungsanspruchs (vgl. § 107 Abs. 1 SGB X) und umfassen daher das für 38 Leistungstage à 27,22 Euro für den Zeitraum vom 13. März bis 30. April 2015 geleistete Arbeitslosengeld. Soweit das Jobcenter seinerseits Rückzahlungen an die Beklagte geleistet haben sollte, wären diese von der sich ergebenden Summe von 1034,36 Euro in Abzug zu bringen. Sollte die Erstattungsforderung unbillig erscheinen, käme eine Korrektur ausschließlich im Rahmen des Einziehungsverfahrens durch (Teil-)Erlass der Forderung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) oder Niederschlagung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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