Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 KR 927/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 720/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08.09.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer ambulanten Psychotherapie.
Die am 00.00.1984 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Am 05.04.2016 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie bis Oktober 2015 eine Psychotherapie bei einer nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychotherapeutin durchgeführt habe, welche von ihrer vorherigen Krankenkasse bewilligt worden sei. Nun benötige sie erneut eine Psychotherapie und wolle wieder zu dieser Behandlerin. Die Beklagte erwiderte, dass bei einem Neuantrag das Gutachterverfahren durchgeführt werden müsse. Dabei werde auch geprüft, ob eine Therapie durch einen zugelassenen Behandler möglich sei. Das Ergebnis sei völlig offen.
Im Nachgang zu dem Telefonat übersandte die Beklagte der Klägerin am gleichen Tag zwei Informationsschreiben. Mit dem Schreiben "Informationen zur ambulanten Psychotherapie" wies die Beklagte darauf hin, dass Psychotherapien bei einem zugelassenen Psychotherapeuten oder Arzt übernommen würden. Für die Suche nach zugelassenen Psychotherapeuten wurde auf die Therapieplatzvermittlung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und auf die Suchmöglichkeiten auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung und wegen etwaiger Wartezeiten auf die Psychiatrischen Institutsambulanzen, beispielsweise des Klinikums F, hingewiesen. Vor Beginn der eigentlichen psychotherapeutischen Behandlung müsse ein schriftlicher Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden, da diese Leistung genehmigungspflichtig sei. Unter Bezugnahme auf das geführte Telefonat wurde dringend empfohlen, die mitgeteilten Suchmöglichkeiten zu nutzen, da der Ausgang des Antragsverfahrens für eine außervertragliche Psychotherapie im Sinne des § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) völlig offen sei. In dem Informationsschreiben "Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren § 13 Absatz 3 fünftes Sozialgesetzbuch" heißt es wörtlich "Sollte sich trotz Inanspruchnahme der PIA und vergeblicher Suche nach Therapeuten mit Kassenzulassung keinerlei Behandlungsmöglichkeit für Sie ergeben, kann im Ausnahmefall eine außervertragliche Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren geprüft werden, wenn der Beginn der psychotherapeutischen Behandlung unaufschiebbar ist. Bitte führen Sie eine Liste mit allen telefonischen Kontakten mit Namen des Psychotherapeuten, Anrufdatum und Wartezeit auf einen freien Therapieplatz (mindestens 10 Therapeuten). Lassen Sie sich auch auf ggf. vorhandene Wartelisten der Therapeuten setzten ".
Am 09.05.2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Psychotherapie im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens. Sie übersandte eine auf den 21.04.2016 datierte Liste mit neun Therapeuten, die keine freien Plätze in den nächsten sechs Monaten und darüber hinaus hätten, und weiterer vier Therapeuten, die nicht auf einen Anruf oder eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter reagiert hätten. Unterhalb dieser Liste und des Datums waren handschriftlich weitere 11 Therapeuten angegeben, welche über Anrufbeantworter oder E-Mail kontaktiert worden seien. Dem Antrag beigefügt waren die "Angaben des Therapeuten zu dem Antrag des Versicherten" vom 04.05.2016. Darin gab die nicht zugelassene Diplom-Psychotherapeutin I die Diagnose "mittelgardig depressive Episode" an und hielt eine Langzeittherapie als Einzeltherapie (Erstantrag) mit voraussichtlich 45 Stunden Verhaltenstherapie für erforderlich. Weiter waren dem Antrag beigefügt u.a. Qualifikationsnachweise von Frau I als Psychotherapeutin, eine Abtretungserklärung des Kostenerstattugnsanspruchs von der Klägerin an die Behandlerin, ein Überweisungsschein der Internistin O vom 21.04.2016 sowie ein die Dringlichkeit der Psychotherapie bestätigendes Attest dieser Internistin vom 28.04.2016.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.05.2016 den Antrag auf Kostenübernahme für eine Psychotherapie bei Frau I mit der Begründung ab, dass eine Behandlung bei den zugelassenen Psychotherapeutinnen C oder T sofort möglich sei.
Den Widerspruch der Klägerin vom 01.06.2016 wies die Beklagte nach Beratung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) durch Widerpruchsbescheid vom 07.11.2016 zurück.
Zur Begründung ihrer am 06.12.2016 erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass die Verweisung auf eine andere Therapeutin im vorliegenden Fall unzulässig sei. Bereits während der Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse sei sie bei der Psychotherapeutin gewesen. Nach Wechsel der Krankenkasse könne die Beklagte nicht auf einen Vertragsarzt verweisen. Die ordnungsgemäße Therapie des Patienten gehe vor. Zudem habe sie sich am 24.03.2016 in einem akuten Notstand befunden. Die Mitteilung der Beklagten, dass andere Therapeuten in Anspruch genommen werden sollten, sei erst mit Schreiben vom 10.05.2016 und damit mehr als einen Monat nach Eintritt der Notstandssituation erfolgt. Die Behandlung bei Frau I sei zu diesem Zeitpunkt bereits aufgenommen worden. Eine Überbrückungsmöglichkeit habe nicht bestanden, da die Therapie nicht durch Dritte gefährdet werden sollte. Inzwischen sei die psychotherapeutin zugelassen. Die Therapie werde nunmehr von der Beklagten als Sachleistung gewährt. Sie hat eine undatierte Rechnung von Frau I über 2.240,11 EUR vorgelegt. Danach haben am 07.04.2016 und 22.04.2016 jeweils zwei und am 28.04.2016 eine probatorische Sitzung und beginnend am 28.04.2016 bis zum 07.03.2017 insgesamt 20 Langzeittherapie-Sitzungen stattgefunden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2016 zu verpflichten, der Klägerin die Kosten für die Psychotherapie bei Frau I in Höhe von 2.240,11 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend darauf hingewiesen, dass die Klägerin die außervertragliche Therapie bereits am 07.04.2016 begonnen habe, der Nachweis über die Bemühungen, einen freien Therapieplatz zu finden, aber erst auf den 21.04.2016 datiere. Der Antrag sei bei ihr, der Beklagten, erst am 09.05.2016 gestellt und am Folgetag bereits beschieden worden.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Klage durch Urteil vom 08.09.2017 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Die Therapie sei im April/Mai 2016 nicht unaufschiebbar i.S.d. § 13 Abs.3 Fall 1 SGB V gewesen. Eine derartige Dringlichkeit, die eine Antragstellung der Klägerin und eine kurzfristige Entscheidung der Beklagten ausgeschlossen hätten, lasse sich mit Blick auf die von der Psychotherapeutin I im Antrag vom 04.05.2016 angegebene Diagnose einer (nur) mittelgradigen depressiven Episode nicht ansatzweise annehmen. Zudem habe die Klägerin im Falle einer akuten Krise die sofortige Möglichkeit gehabt, die nicht antragsabhängigen Leistungen einer Psychiatrischen Institutsambulanz in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus habe die Beklagte die Leistung nicht rechtswidrig abgelehnt. Vielmehr habe die Klägerin nicht alles Erforderliche und Zumutbare getan, um die Therapie bei einem Vertragstherapeuten zu erhalten. Sie habe sich vor der ersten hier im Streit stehenden Leistungserbringung am 07.04.2016 überhaupt nicht um die Gewährung einer Psychotherapie bei einem zugelassenen Therapeuten bemüht sondern bereits am 05.04.2016 erklärt, dass sie eine Therapie bei ihrer ehemaligen Therapeuten ohne Zulassung wünsche. Die von der Klägerin gefertigte Liste der kontaktierten Vertragspsychotherapeuten datiert erst vom 21.04.2016. Es wäre der Klägerin jedoch möglich und zumutbar gewesen, sich vor der Inanspruchnahme von Frau I um einen Vertragstherapeuten zu bemühen und bei Erfolglosigkeit die Beklagte zu informieren.
Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Fall 2 SGB V scheide aus, weil die der Klägerin durch die Therapie bei Frau I entstandenen Kosten nicht kausal auf eine ablehnende Entscheidung der Beklagten zurückzuführen seien. Selbst wenn sich die Langzeittherapie zeitlich aufteilen lasse, scheide ein Kostenerstattungsanspruch auch ab dem Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten (10.05.2016) jedenfalls deshalb aus, weil ersichtlich keine Versorgungslücke bestanden habe. Die Klägerin hätte bei den Vertragstherapeutinnen C oder T eine Therapie beginnen können. Ein Anspruch aus § 13 Abs. 3a SGB V scheitere bereits daran, dass die Klägerin keine Sach- oder Dienstleistung sondern stets Kostenübernahme beantragt habe.
Gegen das am 11.10.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.11.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, es sei erforderlich gewesen, dass sie unverzüglich die ihr bereits bekannte Psychotherapeutin I aufsuche. Die Therapie habe nicht durch Dritte gefährdet werden sollen. Aufgrund ihrer Vorkenntnis der medizinischen Geschichte der Klägerin habe nur Frau I eine bestmögliche Behandlung unverzüglich anbieten können. Es habe eine unaufschiebbare Leistung in einem Notfall vorgelegen. Sie hat eine Rechnung vom 01.04.2017 über 2.240,11 EUR vorgelegt. Der Betrag sei von der Klägerin nicht ausgeglichen worden. Sie habe von Frau I keine Vertrags- oder Aufklärungsunterlagen erhalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08.09.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2016 zu verpflichten, sie von den Kosten für die Psychotherapie bei der Diplom-Psychologin I freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Ein Notfall lasse sich bei der von der Psychotherapeutin I angegebenen Diagnose einer (nur) mittelgradigen depressiven Episode nicht ansatzweise annehmen. Außerdem habe die Klägerin im Fall einer akuten Krise die Leistungen einer Psychiatrischen Institutsambulanz in Anspruch nehmen können.
Der Senat hat einen Befundbericht der Psychotherapeutin I eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 28.12.2017 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Kostenfreistellungsanspruch für die bei der Diplom-Psychologin I durchgeführte ambulante Therapie gegen die Beklagte zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG Duisburg, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Aus dem Berufungsvorbringen der Klägerin ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:
Bereits die Abtretungserklärung des Kostenerstattungsanspruchs steht einem Freistellungsanspruch der Klägerin entgegen. Bei wirksamer Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs an Erfüllungs statt sind die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Ein Freistellungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Fall 1 und 2 SGB V setzt voraus, dass der Versicherte einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung (hier: Honorarforderung) ausgesetzt ist. An einer drohenden Inanspruchnahme der Klägerin auf Honorar durch die Therapeutin fehlt es, wenn die Abtretung des angeblichen Kostenerstattungsanspruchs wirksam an Erfüllungs statt erfolgt ist (§ 364 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Das Kostenerstattungs- und -freistellungsverfahren nach § 13 Abs. 3 SGB V bietet keine Handhabe, die Leistungspflicht der Krankenkasse losgelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des Leistungserbringers abstrakt klären zu lassen und diesem damit einen eigenen Prozess zu ersparen (BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 24/05 R - m.w.N.).
Auch wenn die Abtretung unwirksam war oder zwar rechtsgültig, aber nur erfüllungshalber (§ 364 Abs 2 BGB) erfolgte, ohne dass § 53 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entgegensteht, und für den Fall der Nichtleistung der Beklagten auf den Kostenerstattungsanspruch deshalb grundsätzlich denkmöglich eine Inanspruchnahme der Klägerin drohte, kann das Klagebegehren keinen Erfolg haben: Weder lag ein Fall des § 13 Abs. 3 SGB V vor (dazu a), noch ist die Klägerin Honoraransprüchen der Psychotherapeutin ausgesetzt (dazu b). Gleiches gilt, wenn die Leistungserbringerin wegen Notfalls in Anspruch genommen wurde (dazu c).
a) Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nach § 13 Abs. 3 Fall 2 SGB V scheitert, wie vom SG zutreffend ausgeführt, bereits daran, dass die Klägerin eine Entscheidung der Beklagten über ihren Antrag vom 09.05.2016 nicht abgewartet hat. Sie hat den sog. Beschaffungsweg nicht eingehalten.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Fall 1 SGB V berufen. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist u.a., dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Bereits daran fehlt es. Die Beklagte konnte die Leistung rechtzeitig erbringen. Sie hat der Klägerin eine zugelassene Psychotherapeutin benannt, bei der sie kurzfristig die Behandlung hätte beginnen können. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Therapiebeginns Absagen von anderen zugelassenen Psychotherapeuten erhalten und den Bescheid vom 10.05.2016, in dem die Beklagte ihr zugelassene Therapeuten mit freien Behandlungskapazitäten benannte, noch nicht vorliegen hatte, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn die Fähigkeit der Krankenkasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Bei objektiver Leistungsfähigkeit der Krankenkasse ist es für den Erstattungsanspruch grundsätzlich unerheblich, ob der Versicherte, hier also die Klägerin, von der konkreten Leistungsmöglichkeit des Systems keine Kenntnis hat, solange er sich nicht bei seiner Krankenkasse erkundigt hat (BSG, Urteil vom 02.11.2007 - B 1 KR 14/07 R -; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2012 - L 5 KR 115/09 -). Denn es genügt im Regelfall, dass für die in Frage kommende Behandlung zugelassene Therapeuten für den Versicherten verfügbar und leistungsbereit sind. Sie auszuwählen, ist Sache des Versicherten (BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 9/05 R -).
b) Darüber hinaus sind die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs. 3 Fall 1 und 2 SGB V grundsätzlich schon dann nicht erfüllt, wenn dem Leistungserbringer aus der Behandlung der Klägerin kein Vergütungsanspruch gegen diese erwachsen ist, weil er sie nicht vollständig über die wirtschaftlichen Folgen eines Vertragsschlusses aufgeklärt hat. So liegt der Fall hier. An einer wirksamen Begründung einer Honorarforderung gegenüber Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fehlt es schon, wenn der Therapeut vor Beginn der Behandlung des Versicherten keine Klarheit darüber schafft, auf welcher Grundlage die Behandlung stattfinden soll. Hierzu ist er im Rahmen seiner wirtschaftlichen Aufklärungspflicht (vgl. dazu näher BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 5/05 R -) dem Versicherten gegenüber verpflichtet. Ist der Therapeut nicht zur Behandlung der Versicherten zugelassen, kann er außerhalb von Notfällen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) regelmäßig keine Naturalleistungen innerhalb des Systems der GKV erbringen. Infolgedessen hat er den Versicherten darauf und auf die weiteren Punkte hinzuweisen, dass der Versicherte risikolos ohne eine eigene Zahlung die erforderliche Leistung bei zugelassenen Therapeuten erhalten kann. Die Hinweispflicht bezieht sich auch darauf, dass die Krankenkasse die Kosten einer dennoch in Anspruch genommenen privaten Behandlung regelmäßig nicht zu erstatten hat, sodass der Versicherte davon ausgehen muss, die Kosten letztlich selbst zu tragen. Denn er hätte von einem zugelassenen Leistungserbringer die kostenlose Naturalleistung beanspruchen können. Ohne einen solchen Hinweis erwächst einem nicht zugelassenen Leistungserbringer aus der Behandlung kein Anspruch gegen den Versicherten. Hierbei bleibt es grundsätzlich auch, wenn der Versicherte sich auf ein Systemversagen berufen will und deshalb hofft, ausnahmsweise Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V erlangen zu können. Auch in einem solchen Fall hat ihn der nicht zugelassene Therapeut über die damit verknüpften Risiken vollständig und umfassend zu informieren, soll es zu einer wirksamen Honorarvereinbarung kommen. Nur der vollständig aufgeklärte Patient, der sich sehenden Auges aus dem Leistungs- und Schutzbereich der GKV begibt, darf mit dem Risiko der Kostentragung belastet werden (BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 9/05 R -). Eine derartige Aufklärung durch Frau I ist nicht erfolgt. Jedenfalls hat die Klägerin angegeben, keinerlei Vertrags- oder Aufklärungsunterlagen erhalten zu haben.
c) Ein Freistellungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Ein Notfall liegt vor, wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich ist, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung - sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen - fehlt. In diesem Fall dürfen auch andere, nicht zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Jedoch ist auch in einem solchen Fall ein Kostenerstattungs- (oder Freistellungs-)anspruch des Versicherten ausgeschlossen, da der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen kann. Denn die Notfallbehandlung erfolgt als Naturalleistung zu Lasten der GKV. Das entspricht bei ärztlichen Leistungen einem allgemeinen Prinzip. So werden in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung vergütet. Auch die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Sachleistung der GKV. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse. Da das Gesetz nichts Abweichendes für Psychotherapeuten bestimmt, gelten § 76 Abs. 1 SGB V und die hieraus für sie abzuleitenden Folgerungen - bei ambulanten Leistungen im Notfall Honorierung aus der Gesamtvergütung - entsprechend (§ 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V; BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 9/05 R - m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer ambulanten Psychotherapie.
Die am 00.00.1984 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Am 05.04.2016 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie bis Oktober 2015 eine Psychotherapie bei einer nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychotherapeutin durchgeführt habe, welche von ihrer vorherigen Krankenkasse bewilligt worden sei. Nun benötige sie erneut eine Psychotherapie und wolle wieder zu dieser Behandlerin. Die Beklagte erwiderte, dass bei einem Neuantrag das Gutachterverfahren durchgeführt werden müsse. Dabei werde auch geprüft, ob eine Therapie durch einen zugelassenen Behandler möglich sei. Das Ergebnis sei völlig offen.
Im Nachgang zu dem Telefonat übersandte die Beklagte der Klägerin am gleichen Tag zwei Informationsschreiben. Mit dem Schreiben "Informationen zur ambulanten Psychotherapie" wies die Beklagte darauf hin, dass Psychotherapien bei einem zugelassenen Psychotherapeuten oder Arzt übernommen würden. Für die Suche nach zugelassenen Psychotherapeuten wurde auf die Therapieplatzvermittlung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und auf die Suchmöglichkeiten auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung und wegen etwaiger Wartezeiten auf die Psychiatrischen Institutsambulanzen, beispielsweise des Klinikums F, hingewiesen. Vor Beginn der eigentlichen psychotherapeutischen Behandlung müsse ein schriftlicher Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden, da diese Leistung genehmigungspflichtig sei. Unter Bezugnahme auf das geführte Telefonat wurde dringend empfohlen, die mitgeteilten Suchmöglichkeiten zu nutzen, da der Ausgang des Antragsverfahrens für eine außervertragliche Psychotherapie im Sinne des § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) völlig offen sei. In dem Informationsschreiben "Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren § 13 Absatz 3 fünftes Sozialgesetzbuch" heißt es wörtlich "Sollte sich trotz Inanspruchnahme der PIA und vergeblicher Suche nach Therapeuten mit Kassenzulassung keinerlei Behandlungsmöglichkeit für Sie ergeben, kann im Ausnahmefall eine außervertragliche Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren geprüft werden, wenn der Beginn der psychotherapeutischen Behandlung unaufschiebbar ist. Bitte führen Sie eine Liste mit allen telefonischen Kontakten mit Namen des Psychotherapeuten, Anrufdatum und Wartezeit auf einen freien Therapieplatz (mindestens 10 Therapeuten). Lassen Sie sich auch auf ggf. vorhandene Wartelisten der Therapeuten setzten ".
Am 09.05.2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Psychotherapie im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens. Sie übersandte eine auf den 21.04.2016 datierte Liste mit neun Therapeuten, die keine freien Plätze in den nächsten sechs Monaten und darüber hinaus hätten, und weiterer vier Therapeuten, die nicht auf einen Anruf oder eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter reagiert hätten. Unterhalb dieser Liste und des Datums waren handschriftlich weitere 11 Therapeuten angegeben, welche über Anrufbeantworter oder E-Mail kontaktiert worden seien. Dem Antrag beigefügt waren die "Angaben des Therapeuten zu dem Antrag des Versicherten" vom 04.05.2016. Darin gab die nicht zugelassene Diplom-Psychotherapeutin I die Diagnose "mittelgardig depressive Episode" an und hielt eine Langzeittherapie als Einzeltherapie (Erstantrag) mit voraussichtlich 45 Stunden Verhaltenstherapie für erforderlich. Weiter waren dem Antrag beigefügt u.a. Qualifikationsnachweise von Frau I als Psychotherapeutin, eine Abtretungserklärung des Kostenerstattugnsanspruchs von der Klägerin an die Behandlerin, ein Überweisungsschein der Internistin O vom 21.04.2016 sowie ein die Dringlichkeit der Psychotherapie bestätigendes Attest dieser Internistin vom 28.04.2016.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.05.2016 den Antrag auf Kostenübernahme für eine Psychotherapie bei Frau I mit der Begründung ab, dass eine Behandlung bei den zugelassenen Psychotherapeutinnen C oder T sofort möglich sei.
Den Widerspruch der Klägerin vom 01.06.2016 wies die Beklagte nach Beratung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) durch Widerpruchsbescheid vom 07.11.2016 zurück.
Zur Begründung ihrer am 06.12.2016 erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass die Verweisung auf eine andere Therapeutin im vorliegenden Fall unzulässig sei. Bereits während der Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse sei sie bei der Psychotherapeutin gewesen. Nach Wechsel der Krankenkasse könne die Beklagte nicht auf einen Vertragsarzt verweisen. Die ordnungsgemäße Therapie des Patienten gehe vor. Zudem habe sie sich am 24.03.2016 in einem akuten Notstand befunden. Die Mitteilung der Beklagten, dass andere Therapeuten in Anspruch genommen werden sollten, sei erst mit Schreiben vom 10.05.2016 und damit mehr als einen Monat nach Eintritt der Notstandssituation erfolgt. Die Behandlung bei Frau I sei zu diesem Zeitpunkt bereits aufgenommen worden. Eine Überbrückungsmöglichkeit habe nicht bestanden, da die Therapie nicht durch Dritte gefährdet werden sollte. Inzwischen sei die psychotherapeutin zugelassen. Die Therapie werde nunmehr von der Beklagten als Sachleistung gewährt. Sie hat eine undatierte Rechnung von Frau I über 2.240,11 EUR vorgelegt. Danach haben am 07.04.2016 und 22.04.2016 jeweils zwei und am 28.04.2016 eine probatorische Sitzung und beginnend am 28.04.2016 bis zum 07.03.2017 insgesamt 20 Langzeittherapie-Sitzungen stattgefunden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2016 zu verpflichten, der Klägerin die Kosten für die Psychotherapie bei Frau I in Höhe von 2.240,11 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend darauf hingewiesen, dass die Klägerin die außervertragliche Therapie bereits am 07.04.2016 begonnen habe, der Nachweis über die Bemühungen, einen freien Therapieplatz zu finden, aber erst auf den 21.04.2016 datiere. Der Antrag sei bei ihr, der Beklagten, erst am 09.05.2016 gestellt und am Folgetag bereits beschieden worden.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Klage durch Urteil vom 08.09.2017 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Die Therapie sei im April/Mai 2016 nicht unaufschiebbar i.S.d. § 13 Abs.3 Fall 1 SGB V gewesen. Eine derartige Dringlichkeit, die eine Antragstellung der Klägerin und eine kurzfristige Entscheidung der Beklagten ausgeschlossen hätten, lasse sich mit Blick auf die von der Psychotherapeutin I im Antrag vom 04.05.2016 angegebene Diagnose einer (nur) mittelgradigen depressiven Episode nicht ansatzweise annehmen. Zudem habe die Klägerin im Falle einer akuten Krise die sofortige Möglichkeit gehabt, die nicht antragsabhängigen Leistungen einer Psychiatrischen Institutsambulanz in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus habe die Beklagte die Leistung nicht rechtswidrig abgelehnt. Vielmehr habe die Klägerin nicht alles Erforderliche und Zumutbare getan, um die Therapie bei einem Vertragstherapeuten zu erhalten. Sie habe sich vor der ersten hier im Streit stehenden Leistungserbringung am 07.04.2016 überhaupt nicht um die Gewährung einer Psychotherapie bei einem zugelassenen Therapeuten bemüht sondern bereits am 05.04.2016 erklärt, dass sie eine Therapie bei ihrer ehemaligen Therapeuten ohne Zulassung wünsche. Die von der Klägerin gefertigte Liste der kontaktierten Vertragspsychotherapeuten datiert erst vom 21.04.2016. Es wäre der Klägerin jedoch möglich und zumutbar gewesen, sich vor der Inanspruchnahme von Frau I um einen Vertragstherapeuten zu bemühen und bei Erfolglosigkeit die Beklagte zu informieren.
Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Fall 2 SGB V scheide aus, weil die der Klägerin durch die Therapie bei Frau I entstandenen Kosten nicht kausal auf eine ablehnende Entscheidung der Beklagten zurückzuführen seien. Selbst wenn sich die Langzeittherapie zeitlich aufteilen lasse, scheide ein Kostenerstattungsanspruch auch ab dem Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten (10.05.2016) jedenfalls deshalb aus, weil ersichtlich keine Versorgungslücke bestanden habe. Die Klägerin hätte bei den Vertragstherapeutinnen C oder T eine Therapie beginnen können. Ein Anspruch aus § 13 Abs. 3a SGB V scheitere bereits daran, dass die Klägerin keine Sach- oder Dienstleistung sondern stets Kostenübernahme beantragt habe.
Gegen das am 11.10.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.11.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, es sei erforderlich gewesen, dass sie unverzüglich die ihr bereits bekannte Psychotherapeutin I aufsuche. Die Therapie habe nicht durch Dritte gefährdet werden sollen. Aufgrund ihrer Vorkenntnis der medizinischen Geschichte der Klägerin habe nur Frau I eine bestmögliche Behandlung unverzüglich anbieten können. Es habe eine unaufschiebbare Leistung in einem Notfall vorgelegen. Sie hat eine Rechnung vom 01.04.2017 über 2.240,11 EUR vorgelegt. Der Betrag sei von der Klägerin nicht ausgeglichen worden. Sie habe von Frau I keine Vertrags- oder Aufklärungsunterlagen erhalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08.09.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2016 zu verpflichten, sie von den Kosten für die Psychotherapie bei der Diplom-Psychologin I freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Ein Notfall lasse sich bei der von der Psychotherapeutin I angegebenen Diagnose einer (nur) mittelgradigen depressiven Episode nicht ansatzweise annehmen. Außerdem habe die Klägerin im Fall einer akuten Krise die Leistungen einer Psychiatrischen Institutsambulanz in Anspruch nehmen können.
Der Senat hat einen Befundbericht der Psychotherapeutin I eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 28.12.2017 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Kostenfreistellungsanspruch für die bei der Diplom-Psychologin I durchgeführte ambulante Therapie gegen die Beklagte zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG Duisburg, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Aus dem Berufungsvorbringen der Klägerin ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:
Bereits die Abtretungserklärung des Kostenerstattungsanspruchs steht einem Freistellungsanspruch der Klägerin entgegen. Bei wirksamer Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs an Erfüllungs statt sind die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Ein Freistellungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Fall 1 und 2 SGB V setzt voraus, dass der Versicherte einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung (hier: Honorarforderung) ausgesetzt ist. An einer drohenden Inanspruchnahme der Klägerin auf Honorar durch die Therapeutin fehlt es, wenn die Abtretung des angeblichen Kostenerstattungsanspruchs wirksam an Erfüllungs statt erfolgt ist (§ 364 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Das Kostenerstattungs- und -freistellungsverfahren nach § 13 Abs. 3 SGB V bietet keine Handhabe, die Leistungspflicht der Krankenkasse losgelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des Leistungserbringers abstrakt klären zu lassen und diesem damit einen eigenen Prozess zu ersparen (BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 24/05 R - m.w.N.).
Auch wenn die Abtretung unwirksam war oder zwar rechtsgültig, aber nur erfüllungshalber (§ 364 Abs 2 BGB) erfolgte, ohne dass § 53 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entgegensteht, und für den Fall der Nichtleistung der Beklagten auf den Kostenerstattungsanspruch deshalb grundsätzlich denkmöglich eine Inanspruchnahme der Klägerin drohte, kann das Klagebegehren keinen Erfolg haben: Weder lag ein Fall des § 13 Abs. 3 SGB V vor (dazu a), noch ist die Klägerin Honoraransprüchen der Psychotherapeutin ausgesetzt (dazu b). Gleiches gilt, wenn die Leistungserbringerin wegen Notfalls in Anspruch genommen wurde (dazu c).
a) Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nach § 13 Abs. 3 Fall 2 SGB V scheitert, wie vom SG zutreffend ausgeführt, bereits daran, dass die Klägerin eine Entscheidung der Beklagten über ihren Antrag vom 09.05.2016 nicht abgewartet hat. Sie hat den sog. Beschaffungsweg nicht eingehalten.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Fall 1 SGB V berufen. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist u.a., dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Bereits daran fehlt es. Die Beklagte konnte die Leistung rechtzeitig erbringen. Sie hat der Klägerin eine zugelassene Psychotherapeutin benannt, bei der sie kurzfristig die Behandlung hätte beginnen können. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Therapiebeginns Absagen von anderen zugelassenen Psychotherapeuten erhalten und den Bescheid vom 10.05.2016, in dem die Beklagte ihr zugelassene Therapeuten mit freien Behandlungskapazitäten benannte, noch nicht vorliegen hatte, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn die Fähigkeit der Krankenkasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Bei objektiver Leistungsfähigkeit der Krankenkasse ist es für den Erstattungsanspruch grundsätzlich unerheblich, ob der Versicherte, hier also die Klägerin, von der konkreten Leistungsmöglichkeit des Systems keine Kenntnis hat, solange er sich nicht bei seiner Krankenkasse erkundigt hat (BSG, Urteil vom 02.11.2007 - B 1 KR 14/07 R -; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2012 - L 5 KR 115/09 -). Denn es genügt im Regelfall, dass für die in Frage kommende Behandlung zugelassene Therapeuten für den Versicherten verfügbar und leistungsbereit sind. Sie auszuwählen, ist Sache des Versicherten (BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 9/05 R -).
b) Darüber hinaus sind die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs. 3 Fall 1 und 2 SGB V grundsätzlich schon dann nicht erfüllt, wenn dem Leistungserbringer aus der Behandlung der Klägerin kein Vergütungsanspruch gegen diese erwachsen ist, weil er sie nicht vollständig über die wirtschaftlichen Folgen eines Vertragsschlusses aufgeklärt hat. So liegt der Fall hier. An einer wirksamen Begründung einer Honorarforderung gegenüber Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fehlt es schon, wenn der Therapeut vor Beginn der Behandlung des Versicherten keine Klarheit darüber schafft, auf welcher Grundlage die Behandlung stattfinden soll. Hierzu ist er im Rahmen seiner wirtschaftlichen Aufklärungspflicht (vgl. dazu näher BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 5/05 R -) dem Versicherten gegenüber verpflichtet. Ist der Therapeut nicht zur Behandlung der Versicherten zugelassen, kann er außerhalb von Notfällen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) regelmäßig keine Naturalleistungen innerhalb des Systems der GKV erbringen. Infolgedessen hat er den Versicherten darauf und auf die weiteren Punkte hinzuweisen, dass der Versicherte risikolos ohne eine eigene Zahlung die erforderliche Leistung bei zugelassenen Therapeuten erhalten kann. Die Hinweispflicht bezieht sich auch darauf, dass die Krankenkasse die Kosten einer dennoch in Anspruch genommenen privaten Behandlung regelmäßig nicht zu erstatten hat, sodass der Versicherte davon ausgehen muss, die Kosten letztlich selbst zu tragen. Denn er hätte von einem zugelassenen Leistungserbringer die kostenlose Naturalleistung beanspruchen können. Ohne einen solchen Hinweis erwächst einem nicht zugelassenen Leistungserbringer aus der Behandlung kein Anspruch gegen den Versicherten. Hierbei bleibt es grundsätzlich auch, wenn der Versicherte sich auf ein Systemversagen berufen will und deshalb hofft, ausnahmsweise Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V erlangen zu können. Auch in einem solchen Fall hat ihn der nicht zugelassene Therapeut über die damit verknüpften Risiken vollständig und umfassend zu informieren, soll es zu einer wirksamen Honorarvereinbarung kommen. Nur der vollständig aufgeklärte Patient, der sich sehenden Auges aus dem Leistungs- und Schutzbereich der GKV begibt, darf mit dem Risiko der Kostentragung belastet werden (BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 9/05 R -). Eine derartige Aufklärung durch Frau I ist nicht erfolgt. Jedenfalls hat die Klägerin angegeben, keinerlei Vertrags- oder Aufklärungsunterlagen erhalten zu haben.
c) Ein Freistellungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Ein Notfall liegt vor, wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich ist, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung - sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen - fehlt. In diesem Fall dürfen auch andere, nicht zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Jedoch ist auch in einem solchen Fall ein Kostenerstattungs- (oder Freistellungs-)anspruch des Versicherten ausgeschlossen, da der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen kann. Denn die Notfallbehandlung erfolgt als Naturalleistung zu Lasten der GKV. Das entspricht bei ärztlichen Leistungen einem allgemeinen Prinzip. So werden in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung vergütet. Auch die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Sachleistung der GKV. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse. Da das Gesetz nichts Abweichendes für Psychotherapeuten bestimmt, gelten § 76 Abs. 1 SGB V und die hieraus für sie abzuleitenden Folgerungen - bei ambulanten Leistungen im Notfall Honorierung aus der Gesamtvergütung - entsprechend (§ 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V; BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 9/05 R - m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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