S 23 SF 195/17 E

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
23
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 23 SF 195/17 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 814/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung werden die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 639,63 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Detmold vom 20.09.2017 im Verfahren S 23 AS 1937/14. Zwischen den Beteiligten ist die Festsetzung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008, der Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 sowie der Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) streitig.

In den abgeschlossenen Verfahren S 23 AS 1937/14 und S 23 AS 81/15 haben die Kläger die Gewährung höherer Bedarfe für Unterkunft begehrt. Der Beklagte hatte insoweit unter Anwendung seiner Mietobergrenze lediglich einen geminderten Betrag als angemessen angesehen und bewilligt.

Mit Beschluss vom 05.02.2015 hat das Sozialgericht Detmold im Verfahren S 23 AS 1937/14 den Klägern Prozesskostenhilfe für die Zeit ab dem 14.11.2014 bewilligt und den Erinnerungsführer beigeordnet.

Mit weiterem Beschluss vom 27.04.2017 hat das Gericht schließlich festgestellt, dass zwischen den Beteiligten ein Vergleich zustande gekommen ist. Hierin hat sich der Beklagte verpflichtet, an die Kläger für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.10.2014 weitere Bedarfe für Unterkunft in Höhe von monatlich 31,40 EUR zu zahlen. Zudem hat sich der Beklagte verpflichtet, die den Klägern entstandenen außergerichtlichen Kosten zu 50 % zu erstatten.

Am 24.08.2017 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i. V. m. dem VV RVG:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 Euro unter Anrechnung der Geschäftsgebühr zu 50 % - 75,00 Euro Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 90,00 Euro (Fiktive) Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 270,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VVRVG 300,00 Euro Entgelte für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro

Zwischensumme 905,00 Euro

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 171,95 Euro

Zwischensumme 1076,95 Euro

Abzüglich Vorschuss - 437,32 Euro

Gesamtsumme 639,63 Euro

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.09.2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 258,53 Euro fest. Die Bedeutung der Angelegenheit sei knapp durchschnittlich, ebenso wie der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei als unterdurchschnittlich zu bewerten. Dies gelte auch für die Einkommensverhältnisse der Kläger. Insgesamt könne daher nur eine unterdurchschnittliche Verfahrensgebühr i. H. v. 200,00 Euro als angemessen angesehen werden. Dies gelte gerade auch im Hinblick auf die Zahl der gleich gelagerten Fälle, das Ineinandergreifen der Verfahren S 23 AS 1937/14 und S 23 AS 81/15 und die sich daraus ergebenden Synergieeffekte. Dementsprechend ermäßige sich die Einigungsgebühr auf 200,00 Euro, die Terminsgebühr auf 180,00 Euro und die Erhöhungsgebühr auf 60,00. Die Mehrwertsteuer reduziere sich entsprechend.

Hiergegen legte der Erinnerungsführer am 28.09.2017 Erinnerung mit der Begründung ein, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Angelegenheit nach Bearbeitungsaufwand und Schwierigkeit als unterdurchschnittlich bewertet worden sei. Sowohl die Dauer des Verfahrens mit nahezu drei Jahren als auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und der Bearbeitungssaufwand seien jedenfalls als durchschnittlich zu bewerten. Dasselbe gelte für das Kriterium der rechtlichen Schwierigkeit. Es sei im Wesentlichen um die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) gegangen. Die rechtliche Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs sei außerordentlich komplex und in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Auf die umfangreichen Schriftsätze zu dieser Problematik werde verwiesen. Zudem seien im vorliegenden Verfahren, welches als "Pilotverfahren" zu betrachten sei, keine Synergieeffekte zu berücksichtigen. Diese seien lediglich für das Folgeverfahren S 23 AS 81/15 berücksichtigungsfähig, dort seien diese auch anerkannt und zugestanden worden. Bei der Erstbearbeitung im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits sei ein ungekürzter Bearbeitungssaufwand zu berücksichtigen da eben gerade nicht auf die Vorarbeit in einem vorgreiflich anhängigen Verfahren habe zurückgegriffen werden können. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass der Minderungsbetrag i. H. v. 75,00 Euro fehlerhaft berücksichtigt worden sei. Die Minderungsgebühr betrage beim Gebührenansatz von 200,00 Euro lediglich 50,00 Euro.

Der Erinnerungsführer beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die ihm aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 639,63 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner hat sich nicht zur Sache geäußert.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Prozesskostenhilfeakte verwiesen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Die begehrten Gebühren sind in der geltend gemachten Höhe entstanden.

Gemäß § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Die Kläger gehörten zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Personen mit der Folge, dass hier das GKG keine Anwendung findet. Die Höhe der zu erstattenden Gebühren bestimmt sich nach dem Gebührenrahmen der §§ 3, 14 RVG in Verbindung mit dem VV RVG. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Dritter ist insoweit auch die Staatskasse (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14, Rn. 7). Die vom Anwalt angesetzte Gebührenhöhe ist vom Gericht auch dann anzuerkennen, wenn es sie für falsch hält, sofern der Fehler nicht zur Unbilligkeit führt. Als Anhaltspunkt für die Festsetzung ist von der Mittelgebühr auszugehen. Diese ist anzusetzen, wenn es sich nach allen im Rahmen der Vorschrift des § 14 RVG anzustellenden Erwägungen um einen Durchschnittsfall handelt. Hierunter ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus einem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 01.07.2009, Az. B 4 AS 21/09).

Die Verfahrensgebühr beträgt in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, nach Nr. 3102 VV RVG 50,00 EUR bis 550,00 EUR. Gem. Nr. 1008 VV RVG erhöhen sich bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag der Verfahrensgebühr, wenn in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber sind, um je 30 %. Die Einigungsgebühr fällt nach Nr. 1006 VV RVG, wenn über den Gegenstand ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in Höhe der Verfahrensgebühr an. Die (fiktive) Terminsgebühr gem. Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG entsteht i. H. v. 90 % der Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG.

Selbst unter Berücksichtigung des im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.09.2017 angeführten Synergieeffekts aufgrund der Bearbeitung mehrerer paralleler Klageverfahren ist hier von einem zumindest durchschnittlichen Fall und damit vom Anfall jedenfalls der geltend gemachten Mittelgebühr auszugehen.

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger war überdurchschnittlich. Streitgegenständlich waren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Konkret ging es im Verfahren S 23 AS 1937/14 um Bedarfe für Unterkunft im Hinblick auf die Frage der Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen. Leistungen nach dem SGB II sichern das soziokulturelle Existenzminimum, weshalb mangels Vorliegens gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass allenfalls monatliche Eurobeträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen streitigen Zeitraum von längstens sechs Monaten eine allenfalls durchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber haben (vgl. Bundessozialgericht, (BSG) Urteil vom 01.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R). Die streitgegenständliche Frage hatte zudem grundsätzliche Bedeutung für die Kläger, da sie auch für zukünftige Zeiträume relevant war.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger sind demgegenüber als unterdurchschnittlich zu beurteilen. Die Kläger waren auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen. Die Kriterien der Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger kompensieren sich (vgl. BSG, a.a.O.).

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist hier als zumindest überdurchschnittlich zu bewerten. So kann die Verfahrensdauer mit fast 30 Monaten als deutlich überdurchschnittlich angesehen werden. Auch der Umfang der vorgelegten Schriftsätze ist als deutlich überdurchschnittlich zu beurteilen. Der Erinnerungsführer hat insgesamt fünf Schriftsätze eingereicht. So erfolgte die Klageerhebung zunächst ohne rechtliche Begründung, allerdings mit einer Sachverhaltsschilderung im Umfang von etwa drei Seiten. Die spätere Klagebegründung umfasste dann etwa vier Seiten, die sämtlich rechtliche Überlegungen betrafen. Weiterhin erfolgte die Vorlage einer Genehmigung des Vaters des Klägers zu 2) mit einem kurzen Schriftsatz. In einem weiteren Schriftsatz setzte sich der Erinnerungsführer auf einer vollen Seite mit dem Vorbringen des Beklagten auseinander. Schließlich legte der Erinnerungsführer den zwischen den Beteiligten geschlossenen außergerichtlichen Vergleich mit einem kurzen Schriftsatz vor. Dass der Erinnerungsführer weder Akteneinsicht genommen noch einen Termin wahrzunehmen hatte, fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht.

Schließlich erscheint auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als überdurchschnittlich. Streitgegenstand war die Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft im Hinblick auf das so genannte "Konzept" des Beklagten. Hierbei handelt es sich um einen in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen rechtlichen Komplex. Der Erinnerungsführer hat sich mit den relevanten Rechts- und Tatsachenfragen umfangreich auseinandergesetzt und insbesondere das von dem Beklagten erstellte Konzept ausgewertet und kritisch hinterfragt.

Demzufolge ist hier grundsätzlich von einem überdurchschnittlichen Fall auszugehen, weshalb (auch unter Berücksichtigung etwaiger Synergieeffekte, die aber bereits im Folgeverfahren S 23 AS 81/15 bzw. S 23 SF 194/17 E ihren Niederschlag gefunden haben) der von dem Erinnerungsführer vorgenommene Ansatz der Mittelgebühr im Rahmen der Nr. 3102 VV RVG jedenfalls nicht zu beanstanden ist. Es ergibt sich daher folgende Berechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 Euro unter Anrechnung der Geschäftsgebühr zu 50 % - 75,00 Euro Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 90,00 Euro (Fiktive) Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 270,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VVRVG 300,00 Euro Entgelte für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro

Zwischensumme 905,00 Euro

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 171,95 Euro

Zwischensumme 1076,95 Euro

Abzüglich Vorschuss - 437,32 Euro

Gesamtsumme 639,63 Euro
Rechtskraft
Aus
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