L 9 U 911/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1441/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 911/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Fortzahlung von Verletztengeld über den 05.11.2015 hinaus.

Der 1952 geborene Kläger ist am 18.06.2014 im Rahmen seiner abhängigen Beschäftigung für die Firma S., P., von einem Baugerüst gestürzt. Im Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. A., L., wurden die Diagnosen einer Commotio cerebri, einer Schulterprellung links, einer Schürfwunde am Ellenbogen links, einer Rippenserienfraktur links und einer Os ilium-Fraktur links gestellt. Während eines stationären Aufenthaltes im Klinikum L. vom 18.06.2014 bis 30.06.2014 erfolgte eine offene Reposition der Iliumfraktur mit 6-Lochplatte und Kleinfragmentschrauben.

Im Befundbericht des behandelnden Neurologen Dr. K. vom 09.09.2014 wird über eine Commotio cerebri ohne Anhalt für ein postcommotionelles Syndrom, eine Rippenserienfraktur, eine Beckenfraktur, eine Schulterprellung sowie über persistierende, psychogen überlagerte Beschwerden ohne Anhalt für ein neurologisches Krankheitsbild berichtet. Der psychische Befund mit klagsamer, diffuser Beschwerdeschilderung, dysphor wirkendem Affekt sowie die Psychomotorik wiesen auf eine erhebliche psychische Überlagerung hin.

Aufgrund anhaltender Beschwerden in der linken Schulter mit Bewegungseinschränkung, Schmerzen in der linken Hüfte, unklarer Paraesthesien an der gesamten linken Körperhälfte mit Geschmacksstörungen an der linken Zungenhälfte und massivem Schwindel befand sich der Kläger vom 22.10.2014 bis 13.11.2014 in stationärer Behandlung der BG-Klinik T. Im während des Aufenthaltes erstellten neurologisch-psychiatrischen Befundbericht vom 30.10.2014 werden von Prof. Dr. S. nach einer Untersuchung des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ausdrücklich keine Unfallfolgen festgestellt. Der objektivierbare klinisch-neurologische Untersuchungsbefund habe, soweit dies bei massiver Beschwerdeausgestaltung beurteilbar gewesen sei, keine Hinweise auf eine umschriebene Nerven- oder Nervengeflechtschädigung ergeben, wohl aber für eine periphere Polyneuropathie (eine unfallunabhängige körperferne diffuse Nervenschädigung). Die elektrophysiologische Untersuchung habe eine Arm- und Beinnerven umfassende Polyneuropathie, welche zwanglos auf den berichteten Diabetes mellitus zurückzuführen sei, bestätigt. Der aktuelle psychische Befund sei bis auf die massive Beschwerdeausgestaltung im Wesentlichen unauffällig gewesen. Bei dem beklagten Schwindel handele es sich der Schilderung nach und unter Berücksichtigung des gemessenen erniedrigten Blutdrucks um einen orthostatischen (einen unfallunabhängigen, durch Kreislauffehlregulation bedingten) Schwindel.

Der A. Baden-Württemberg teilte die Beklagte mit Schreiben vom 06.02.2015 mit, dass Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht mehr eintreten werde. Sie forderte die A. auf, weiterhin bis auf Widerruf, "längstens jedoch bis zum Ablauf der 78. Woche (= 15.12.2015)", Verletztengeld auszuzahlen. Die Vorlage von Auszahlungsscheinen sei nicht mehr erforderlich. Eine Mehrfertigung dieses Schreibens wurde dem Kläger übersandt.

Am 17.06.2015 stellte sich der Kläger in der Sprechstunde der BG-Klinik T. vor, welche in ihrem Zwischenbericht vom 18.06.2015 u. a. von einer Exazerbation eines chronischen Schmerzsyndroms, anhaltenden Beschwerden in der linken Schulter mit Bewegungseinschränkung, Schmerzen in der linken Hüfte, unklaren Paraesthesien der gesamten linken Körperhälfte, Geschmacksstörungen der linken Zungenhälfte und ausgeprägtem Schwindel berichtete. Nachdem der Kläger dort erneut vom 14.07. bis 17.07.2015 stationär behandelt wurde, ging man nach fachkonsiliarischen Untersuchungen (radiologisch, psychologisch, physiotherapeutisch, ergotherapeutisch und schmerztherapeutisch) sowie einer neurologischen Befunderhebung im Zentrum für N. L. (Bericht vom 27.07.2015) im Entlassungsbericht vom 20.07.2015 von einer Somatisierungsstörung als Ursache der vorliegenden linksbetonten Symptome aus. Aus unfallchirurgischer Sicht ergebe sich kein struktureller Unfallzusammenhang der Beschwerden.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. Dr. D. am 11.09.2015 unter Berücksichtigung eines testpsychologischen Zusatzgutachtens des Neurologen und Psychiaters, Dipl.-Psych. Dr. S. ein Gutachten, worin er ausführte, dass aus neurologischer Sicht eine sensomotorische Polyneuropathie vom distalen, symmetrischen Manifestationstyp mit entsprechenden klinischen Auffälligkeiten und elektrophysiologischen Veränderungen bestehe. Darüber hinaus sei die Untersuchung durch mangelnde Mühewaltung, unzureichende Anstrengungsbereitschaft, Wechselinnervation bei der Prüfung der groben Kraft und Verdeutlichung charakterisiert gewesen, wobei der Kläger die Gesamtheit seiner Beschwerden als Unfallfolge angesehen habe. In der testpsychologischen Untersuchung sei der Kläger nur bedingt zur Mitarbeit bereit gewesen. Es hätten sich allenfalls Hinweise für eine minimale Depressivität, jedoch keine Anhaltspunkte für eine hirnorganisch bedingte Beeinträchtigung oder eine psychiatrische Erkrankung ergeben.

Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Bad W. vom 13.08.2015 bei, wo sich der Kläger vom 28.07.2015 bis 13.08.2015 stationär im Rahmen einer von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bewilligten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation befunden hat.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vertrat der von der Beklagten beauftragte Dr. S. unter dem 16.10.2015 die Auffassung, dass Arbeitsfähigkeit auf unfallchirurgischem Fachgebiet ab dem 01.12.2014 wieder eingetreten sei.

Nach einer Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 09.10.2015 zu einer beabsichtigten Einstellung der Verletztengeldzahlungen zum 05.11.2015 stellte die Beklagte die Verletztengeldzahlung mit dem dem Bevollmächtigten des Klägers am 05.11.2015 zugegangenen Bescheid vom 03.11.2015 zum 05.11.2015 ein. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass im Rahmen der stationären Behandlung im Juli 2015 in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. bereits festgestellt worden sei, dass auf unfallchirurgischem Fachgebiet keine Unfallfolgen mehr vorliegen, die eine weitere Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen.

Den trotz Aufforderung in der Sache nicht weiter begründeten Widerspruch vom 23.11.2015 wies die Beklagte nach Vorlage eines Zwischenberichtes der BG-Klinik T. vom 29.01.2016 (Diagnosen: Diffuse Schmerzen an der gesamten linken Körperhälfte mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung, DD: kombinierte Persönlichkeitsstörung) mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2016 zurück.

Zuvor hatte die Beklagte mit einem weiteren Bescheid vom 11.04.2016, den sie dem Bevollmächtigten des Klägers am 11.04.2016 übersandte, eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit vom 18.06.2014 bis zum 30.11.2014 festgestellt. Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen ihn binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden könne.

Gegen den Bescheid vom 03.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2016 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 02.05.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der er "weiterhin" eine Verletztengeldzahlung über den 05.11.2015 hinaus begehrte.

Mit Urteil vom 07.12.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Gewährung von Verletztengeld schon der mittlerweile bestandskräftige Bescheid vom 11.04.2016 entgegenstehe. Denn durch diesen Bescheid, der mangels eines einheitlichen Regelungsgehaltes nicht gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das hiesige Verfahren mit einzubeziehen gewesen sei, habe die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für die Zeit ab 01.12.2014 abgelehnt. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Verletztengeld könne somit schon aus rechtlichen Gründen nicht angenommen werden. Im Übrigen sei aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens auch nicht zur Überzeugung der Kammer erwiesen, dass der Kläger über den 05.11.2015 hinaus wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 18.06.2014 arbeitsunfähig krank gewesen sei. Hierfür hat sich das Gericht auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen im von der Beklagten eingeholten und vom Gericht im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten von Prof. Dr. Dr. D. einschließlich testpsychologischem Zusatzgutachten von Dr. Dipl.-Psych. S. sowie auf die Ausführungen im Befundbericht von Dr. K., im Gutachten von Prof. Dr. S. und im Entlassungsbericht der BG-Klinik L. vom 20.07.2015 gestützt. Nach den Ausführungen von Dr. K. von der BG-Klinik L. lägen unfallbedingte Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet nicht mehr vor. Der Gesundheitserstschaden in Form einer Gehirnerschütterung, einer Rippenserienfraktur, einer Beckenfraktur und einer Schulterprellung links seien folgenlos ausgeheilt und bedingten jedenfalls seit dem 06.11.2015 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Die radiologischen Befunde zeigten eine konsolidierte Fraktur im Bereich des Os ilium links mit geringer Fehlstellung. Im Bereich der Schulter ergebe sich kein Anhalt für eine Fraktur oder einen Gelenkerguss. Bis auf einen umschriebenen Partialdefekt im Bereich der Supraspinatussehne, der per se nicht operationswürdig sei, hätten sich die übrigen Abschnitte der Rotatorenmanschette unauffällig gezeigt. Die vom Kläger demonstrierte Bewegungseinschränkung der linken Schulter sei durch diesen Befund nicht zu erklären. In der physiotherapeutischen Beurteilung hätten sich keine muskulär bedingten Gelenkseinschränkungen gezeigt. Die Gelenke seien hier jeweils beidseits seitengleich beweglich gewesen. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien ebenfalls keine überdauernden Unfallfolgen zu objektivieren, die über den 05.11.2015 hinaus eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen könnten. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. D., dem Gutachten von Prof. Dr. S., dem Entlassungsbericht der BG-Klinik vom 20.07.2015 sowie aus dem Bericht des behandelnden Psychiaters Dr. K. Letztlich übereinstimmend hätten diese überzeugend ausgeführt, dass sich beim Kläger bei massiver Beschwerdeausgestaltung Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht objektivieren ließen. Nerven- oder Nervengeflechtschädigungen hätten sich nicht belegen lassen. Soweit der Kläger angebe, diverse Bewegungen (aktive Fußhebung links, aktive Knie- und Hüftbeugung und -streckung, Anhebung linker Arm) nicht durchführen zu können, liege dem keine objektivierbare Nervenläsion zugrunde und hätten diese Bewegungen im weiteren Verlauf von den Gutachtern als doch durchführbar beobachtet werden können (vgl. Entlassungsbericht der BG-Klinik, Seite 2, Gutachten von Prof. S., Seite 5f.). Lähmungen seien bei massiver Wechselinnervation im Rahmen der Prüfung der groben Kraft ebenfalls nicht festzustellen gewesen. Damit im Einklang stehe, dass auch keine Muskelatrophie bestehe. Mangels Nachweises der vom Kläger geschilderten körperlichen Beschwerden liege zur Überzeugung des Gerichts – entgegen der Vermutung von Dr. K. – keine auf den Unfall zurückzuführende Somatisierungsstörung vor. Die vom Kläger geschilderten Sensibilitätsstörungen an Armen und Beinen seien nach den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. D. stattdessen auf eine durch elektrophysiologische Untersuchungen bestätigte Polyneuropathie zurückzuführen, die wiederum aber nicht durch den Arbeitsunfall, sondern durch den langjährig bestehenden Diabetes mellitus bedingt sei. Auch der vom Kläger beschriebene Schwindel sei, wie Prof. S. überzeugend ausgeführt habe, lediglich als orthostatischer, also als durch Kreislauffehlregulation bei niedrigem Blutdruck bedingter Schwindel einzuordnen. Aus diesen Gründen habe es die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid zu Recht abgelehnt, dem Kläger über den 05.11.2015 hinaus Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 13.02.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.03.2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass Verletztengeld über den "15.11.2015" hinaus zu bezahlen sei, weil seine Beschwerden weiterhin wegen der Folgen des Arbeitsunfalles bestünden. Falls erforderlich wolle er um ein Gutachten bitten.

Der Kläger beantragt, sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Dezember 2017 sowie den Bescheid vom 3. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 aufzuheben und ihm Verletztengeld über den 5. November 2015 hinaus zu bezahlen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Den Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat der Senat mit Beschluss vom 02.08.2018 abgelehnt.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 06.08.2018 wurden die Beteiligten auf die Absicht des Senats, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen.

Die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz haben vorgelegen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Verletztengeld über den 05.11.2015 hinaus hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 06.08.2018 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Entziehung des im Auftrag der Beklagten von der A. ausgezahlten Verletztengeldes, welches dem Kläger längstens bis zum Ablauf der 78. Woche, dem 15.12.2015, gewährt wurde. Von dieser nur zeitlich befristeten Bewilligung hat der Kläger durch Übersendung einer Mehrfertigung des Schreibens der Beklagten vom 06.02.2015 an die A. auch Kenntnis erlangt. Damit handelt sich bei der befristeten Gewährung von Verletztengeld um eine Regelung mit Außenwirkung im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und damit um einen Verwaltungsakt. Soweit sich der Kläger gegen die Entziehung der bewilligten Leistung vor Ablauf des im Bewilligungsbescheid genannten Zeitpunktes wendet, ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen den Bescheid vom 03.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2016 zulässig. Soweit der Kläger auch eine Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) erhoben hat mit dem Ziel der Weiterzahlung von Verletztengeld über den 05.11.2015 (und nicht nur über den 15.11.2015, weshalb der Senat insoweit von einem Schreibfehler ausgeht) hinaus, bedarf es einer solchen nicht, da der Kläger dieses Ziel bereits mit einer Anfechtungsklage erreichen kann. Denn die Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2016 führte ohne weiteres zu einer Verpflichtung des Beklagten aus dem Bescheid vom 06.02.2015, Verletztengeld bis zum 15.12.2015 zu zahlen. Soweit der Kläger mit seiner Klage, die von dessen Bevollmächtigten nicht weiter begründet worden war, auch die Zahlung von Verletztengeld über den 15.12.2015 hinaus begehren sollte, ist die Leistungsklage ebenfalls unzulässig. Für eine solche könnte sprechen, dass der Kläger "weiterhin Verletztengeld über den 05.11.2015 hinaus" beantragt hat, und damit zu verstehen gegeben hat, einen solchen Anspruch auch zum Zeitpunkt der Klageerhebung zu haben (02.05.2016). Über einen Anspruch auf Verletztengeld ab dem 16.12.2015 hatte die Beklagte aber nie entschieden, sodass die Entziehung von Verletztengeld nicht auch Leistungen ab dem 16.12.2015 betroffen hat. Mit der Anfechtung des die bereits befristet bewilligten Leistungen entziehenden Bescheides kann nicht mehr verlangt werden als ihm in dem bewilligenden Bescheid zugestanden wurde. Soweit die Beklagte vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit Bescheid vom 11.04.2016 "unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für die Zeit vom 18.06.2014 bis zum 30.11.2014" festgestellt hat, ist dieser nicht Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens geworden.

§ 86 SGG bestimmt: Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen. Der Bescheid vom 11.04.2016 ist zwar nach Widerspruchseinlegung und vor Erlass des Widerspruchsbescheides und damit noch während des Vorverfahrens ergangen, er ändert den vorliegend streitigen Verwaltungsakt aber nicht ab. Ein Verwaltungsakt ändert einen anderen Verwaltungsakt i. S. d. § 86 HS. 1 SGG ab, wenn sich die Regelungsbereiche der Verwaltungsakte zumindest teilweise überschneiden, d. h. die Verwaltungsakte müssen zumindest teilweise denselben Streitgegenstand betreffen. Ob eine teilweise Überschneidung des Regelungsbereiches vorliegt, ist durch einen Vergleich der Verfügungssätze zu ermitteln. Der abändernde Bescheid muss den Verfügungssatz des ursprünglichen Bescheids modifizieren (Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 86 SGG, Rn. 17). Dies ist hier nicht der Fall. Mit dem hier angefochtenen Bescheid wird die Bewilligung von Verletztengeld vor Ablauf der Befristung mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Der Bescheid vom 11.04.2016 verhält sich zur Gewährung von Verletztengeld hingegen nicht. Soweit er Aussagen über eine Behandlungsbedürftigkeit trifft, und damit einen Anspruch des Klägers auf Heilbehandlung (§§ 27 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) betreffen könnte, tangieren diese den vorliegenden Rechtsstreit nicht. Rechtsgrundlagen und Verfügungssätze, die die Heilbehandlung betreffen, lassen sich dem Schreiben ohnehin nicht entnehmen. Eine Rechtsgrundlage für die Feststellung, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht oder nicht (mehr) besteht, nennt der Bescheid vom 11.04.2016 ebenfalls nicht, wobei zudem nicht ersichtlich wird, dass der Tatsache einer bestehenden oder nicht bestehenden Arbeitsunfähigkeit losgelöst von Leistungsansprüchen des Klägers im SGB VII eine eigenständige Relevanz zukommt. Da die Gewährung von Leistungen in dem genannten Bescheid aber weder im Zusammenhang mit der Behandlungsbedürftigkeit noch mit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit einer von der hier streitigen Frage abweichenden Regelung unterworfen wird, kann dies letztlich dahinstehen. Denn die Beklagte zieht in diesem Bescheid aus der Angabe, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit vom 18.06.2014 bis 30.11.2014 vorgelegen habe, ganz offensichtlich keine weiteren Konsequenzen. Dem Verwaltungsakt lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass der Anspruch auf Verletztengeld – etwa aufgrund der jetzt angenommenen Arbeitsunfähigkeit bis 30.11.2014 – früher endete oder enden soll, als mit dem Bescheid vom 03.11.2015 verfügt. Sollte die Beklagte zu dem Ergebnis gelangt sein, die Voraussetzungen für eine Aufhebung für die Vergangenheit seien nicht erfüllt, bedarf es im Übrigen keiner bescheidmäßigen Feststellung, dass ein Anspruch schon in der Vergangenheit nicht bestanden hat. Inwieweit dem Bescheid mit der Feststellung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit wegen der Bestandskraft Bindungswirkung zukommt, kann letztlich offenbleiben, da jedenfalls die Aufhebung der Bewilligung zum 05.11.2015 nicht zu beanstanden ist, denn die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 03.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2016 ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung ist allein § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X (vgl. dazu KassKomm/Ricke SGB VII, § 46 Rdnr. 10, 98. EL 05/2018 m.w.N.) und nicht § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2016 wird die bis zu dessen Bekanntgabe erfolgte Bewilligung des Verletztengeldes aufgehoben, indem die Zahlung des Verletztengeldes "eingestellt" wird. Dass die Beklagte dort § 48 SGB X nicht als Rechtsgrundlage für die Aufhebung nennt, ist unschädlich. Die Begründung zum Bescheid trägt dem Erfordernis einer Begründung eines Verwaltungsaktes (§ 35 Abs. 1 und 2 SGB X) ausreichend Rechnung, da sich aus ihr ergibt, warum nun der Einschätzung der Beklagten nach ein Anspruch auf Verletztengeld nicht mehr besteht. Mit den Ausführungen zu einer fehlenden unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit legt sie nämlich die Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse und damit verbunden die wesentliche Änderung dar.

Eine solche wesentliche Änderung hat die Beklagte auch zutreffend zugrunde gelegt. Bei dem dem Kläger bekannt gegebenen Verwaltungsakt vom 06.02.2015 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da dieser – auch wenn er nur eine befristete Bewilligung von Verletztengeld enthielt – Rechtswirkungen über den Zeitpunkt der Bekanntgabe hinaus entfaltet hat (vgl. hierzu KassKomm/Steinwedel, a. a. O. § 45 SGB X, Rdnr. 18). Denn der Anspruch auf Gewährung sollte bis zum Ablauf der 78. Woche fortbestehen. In diese Dauerwirkung greift der hier angefochtene Bescheid ein, weil er den Anspruch vor Ablauf der 78. Woche wieder entzog.

§ 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bestimmt, dass Verletztengeld erbracht wird, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann. Der Anspruch endet gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Ausgehend hiervon war der Kläger, wie das SG zu Recht festgestellt hat, jedenfalls über den 05.11.2015 hinaus nicht mehr infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig, weil weder unfallbedingte Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem noch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorlagen, die eine solche Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen konnten. Die Aufhebung der Bewilligung mit der Bekanntgabe der Entscheidung (der Bescheid vom 03.11.2015 ist dem Bevollmächtigten am 05.11.2015 zugegangen) und damit mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist daher nicht zu beanstanden. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils den beschriebenen Sachverhalt ausführlich und zutreffend unter Berücksichtigung der medizinischen Befunde und Gutachten gewürdigt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage uneingeschränkt an, sieht deswegen gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Anlass für weitere Ermittlungen von Amts wegen bestanden aufgrund des geklärten Sachverhalts nicht. Der Beweisanregung des Klägers, ein weiteres Gutachten einzuholen, war daher nicht nachzugehen.

Die Kostenentscheidung berücksichtigt das Unterliegen des Klägers auch in der Berufungsinstanz.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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