S 13 KR 20/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 20/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 214/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die beiden gegen die Klägerin gerichteten Umlagebescheide des Beklag- ten vom 14.03.2003 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 25.445.70 EUR zu erstatten. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Umlage einer "Fusionsbeihilfe", die der Beklagte anlässlich der freiwilligen Vereinigung von drei Betriebskrankenkassen (BKK) gezahlt hat, auf dessen Mitgliedskassen. Die Klägerin fordert die Erstattung des auf sie entfallenden und von ihr gezahlten Umlageanteils von 25.445,70 EUR.

Am 28.11.1996 beschlossen die Verwaltungsräte der BKK RWK Kalk AG und der BKK FANAL Elektrik ihre freiwillige Vereinigung zur neuen BKK RWK + FANAL. Die Fusion - vom Bundesversicherungsamt (BVA) durch Bescheid vom 10.12.1996 genehmigt - wurde zum 01.01.1997 wirksam. Nach § 5 der Satzung der BKK RWK + FANAL stand die Krankenkasse allen Versicherungspflichtigen und -berechtigten offen. Die wirtschaftliche Entwicklung der BKK nahm in den Folgejahren einen negativen Verlauf. Im Jahre 2000 war ihre Existenz gefährdet, ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr gesichert. Ausweislich der Jahresprüfberichte des Landesversicherungsamtes Nordrhein-Westfalen (LVA NRW) erzielte die BKK RWK + FANAL in den Jahren 1998 - 2000 folgende Abschlussergebnisse:

Geschäftsjahr Vermögen - Krankenkasse (in DM) Vermögen - Pflegekasse (in DM) 1998 - 1.290.175,10 + 507.627,94 1999 - 2.386.831,67 + 501.706,07 2000 - 3.889.959,78 + 509.604,16

Bis 31.12.2001 bestand ein Versicherungsvertrag zwischen der ALLIANZ Versicherungs-AG und dem Beklagten, der für den Fall einer Inanspruchnahme des Beklagten gemäß § 155 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Versicherungsschutz bis zu 100 Mio. DM pro Versicherungsfall gewährte, bei mehreren Versicherungsfällen in einem Versicherungsjahr begrenzt auf 100 Mio. DM. Versicherungsfall war die Schließung einer dem Beklagten angehörenden BKK durch die Aufsichtsbehörde gemäß § 153 SGB V; das Schließungsdatum musste in die versicherte Periode fallen.

Zur Vermeidung einer Schließung der BKK RWK + FANAL und der sich daraus ergebenden Haftung des Beklagten trafen der Beklagte und die BKK RWK + FANAL am 21.03.2000 eine "Vereinbarung" mit (u.a.) dem Ziel einer Beitragserhöhung und der Minderung der Krankenhauspflegekosten und der Verwaltungsausgaben. Als diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Ergebnis führten, suchte der Beklagte eine geeignete Fusionspartnerin und fand diese in der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI. Diese war jedoch nicht bereit, im Fall einer Vereinigung das zu erwartende Passivvermögen der BKK RWK + FANAL im Fusionszeitpunkt zu übernehmen.

Daraufhin schlossen die BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI, die BKK RWK + FANAL und der Beklagte am 00.00./00.00./00.00.0000 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (im Folgenden: örV). Darin heißt es u.a.:

5. Der Ausschuss 1 des BKK LV NW hat seinem Verwaltungsrat im Rahmen seiner Sitzung am 21.08.2000 (TOP 3.2) empfohlen, einer vertraglichen Regelung zuzustimmen, die die Fusion der BKK RWK +FANAL mit einer geeigneten Mitgliedskasse vorsieht und - soweit erforderlich - dem Fusionspartner eine Fusionsbeihilfe zur Verfügung zu stellen, die das Passivvermögen der BKK RWK + FANAL zum Fusionszeitpunkt nicht überschreiten darf ...

6. Die Verpflichtung der BKK LV NW zur Übernahme des ermittelten Passivvermögens mindert sich im Falle einer Vereinigung der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI mit einer weiteren Betriebskrankenkasse um das Vermögen dieser Betriebskrankenkasse. Diese Regelung gilt bis zum 31.12.2001 und ist gegenstandslos im Falle einer Vereinigung der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI mit der BKK RWK + FANAL vor dem 01.01.2002 und einer entsprechenden Vereinigung mit einer anderen BKK ...

Der Vertragsunterzeichnung seitens des Beklagten ging folgender Beschluss seines Verwaltungsrates vom 28.09.2000 voraus:

1. Der Verwaltungsrat stimmt einer vertraglichen Regelung zu, die die Fusion der BKK RWK + FANAL mit einer geeigneten Mitgliedskasse vorsieht. 2. Soweit erforderlich ist dem Fusionspartner eine Fusionsbeihilfe zur Verfügung zu stellen, die das Passivvermögen zum Fusionszeitpunkt nicht überschreiten darf. 3. Die Fusionsbeihilfe ist entsprechend den Regelungen der Ausgleichsordnung durch eine Umlage der Mitgliedskassen zu finanzieren.

Zu Ziffer 6 des örV wurde seitens des Beklagten und der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI in einem Briefwechsel vom 25./27.10.2000 klargestellt, dass sich bei einer möglichen Vereinigung der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI mit der BKK RWK + FANAL und der BKK Westfalia Separator AG das Passivvermögen der BKK RWK + FANAL um ein mögliches Aktivvermögen der BKK Westfalia Separator AG und dementsprechend das Haftungsvolumen des Beklagten mindern sollte.

Die Verwaltungsräte der drei Betriebskrankenkassen beschlossen am 12.03.2001 (BKK Westfalia Separator AG) , am 28.03.2001 (BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI) und am 05.04.2001 (BKK RWK + FANAL) ihre freiwillige Vereinigung zur neuen BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI. Das BVA genehmigte die Vereinigung durch Bescheid vom 18.06.2001 mit Wirkung zum 01.07.2001. Die Prüfberichte des LVA NRW weisen für das Jahr 2001 folgende Abschlussergebnisse aus:

BKK Vermögen - Krankenkasse(in DM) Vermögen - Pflegekasse(in DM) RWK + Fanal - 3.208.090,90 + 651.827,11 Westfalia Separator AG + 29.172,09 + 221.010,96

Noch vor Wirksamwerden der Vereinigung der drei Betriebskrankenkassen zahlte der Beklagte an die BKK RWK + FANAL

- im November 2000 eine "Liquiditätsunterstützung" von 1.000.000,- DM, das sind 511.291,88 EUR - im März 2001 eine "Liquiditätsunterstützung" von 1.800.000,- DM, das sind 920,325,39 EUR

Nach der Vereinigung zahlte der Beklagte an die BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI

- im April 2002 für Rechtsanwaltskosten aus einem Rechts- streit gegen die BKK RWK + FANAL 86,83 EUR

Nach Vorlage des Berichts des LVA NRW über die Prüfung der Jahresrechnung 2001 der BKK RWK + FANAL vom 12.06.2002, der ein Passivvermögen der Krankenkasse i.H.v. 3.208.090,90 DM auswies, zahlte der Beklagte an die BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI ohne Minderung um das Aktivvermögen der BKK Westfalia Separator AG

- im September 2002 den entsprechenden Euro-Betrag von 1.640.270,83 EUR

und nachschießend ebenfalls

- im September 2002 für die Kapitalisierung von Pensions- rückstellungen 16.886,00 EUR

Insgesamt 3.088.860,93 EUR

Diesen Gesamtbetrag legte der Beklagte auf seine Mitgliedskassen um.

Mit zwei Bescheiden vom 14.03.2003 forderte der Beklagte unter Hinweis auf entsprechende Regelungen der "Ausgleichsordnung" von der Klägerin die nach dem Verteilungsschlüssel auf diese entfallenden Anteile in Höhe von 22.958,01 EUR (Bereich West) und 2.487,69 EUR (Bereich Ost), insgesamt 25.445,70 EUR. ============

Dagegen hat die Klägerin am 00.00.0000 Klage erhoben. Sie rügt, dass die Bescheide keine Aufschlüsselung des Umlagebetrages von 3.088.860,93 EUR enthalten. Sie meint, dass die Ausgleichsordnung (AusglO) des Beklagten, speziell deren §§ 7 - 14, keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Umlage sei; der in §§ 7 - 14 AusglO geregelte Finanzausgleich stelle der Sache nach eine finanzielle Hilfe in besonderen Notlagen bzw. zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einer Kasse im Sinne von § 265a Abs. 1 SGB V dar. Solche Hilfen seien durch die Spitzenverbände (z.B. den BKK-Bundesverband) zu erbringen und in deren Satzungen zu regeln, nicht aber durch einen einzelnen Landesverband (wie den Beklagten); § 265a SGB V sei also keine Ermächti-gungsgrundlage für die §§ 7 - 14 AusglO. Auch § 265 SGB V ermächtige den Beklagten nicht zu einem Finanzausgleich entsprechend der AusglO. § 265 SGB V enthalte lediglich eine Satzungsermächtigung für die Umlage von Kosten für aufwändige Leistungsfälle und andere aufwändige Belastungen. Dazu zählten außergewöhnliche Aufwendungen für einzelne Versicherte (wie in § 3 AusglO aufgezählt) oder von außen an die Kasse heran-tretende Ursachen und Ereignisse wie Epidemien oder Katastrophen, nicht aber für Interventionsmaßnahmen zur Vermeidung einer Haftung bei Schließung einer BKK; mit den Regelungen der §§ 7 - 14 AusglO habe der Beklagte seine ihm gesetzlich zugewiesene Satzungsautonomie überschritten; er habe den Begriff der "anderen aufwändigen Belastungen" im Sinne von § 265 SGB V entgegen dem Zweck und der Systematik der gesetzlichen Vorschriften zum Finanz- und Risikostrukturausgleich ausgelegt. Auch § 155 Abs. 4 SGB V selbst stelle keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die § 7 ff. AusglO dar; die Vorschrift enthalte überhaupt keine Satzungsermächtigung; dort sei nur die Einstandspflicht des Beklagten für den Fall der Schließung einer BKK geregelt. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass - die Rechtswirksamkeit der §§ 7 - 14 AusglO unterstellt - § 14 AusglO nicht die Refinanzierung einer Fusionsbeihilfe durch Umlage zulasse; denn die Verweisungsvorschrift des § 13 AusglO beziehe sich nur auf die davor-stehenden §§ 8, 11 und 12 AusglO; § 14 enthalte keinen Verweis auf den die Umlage von finanziellen Hilfen regelnden § 5 AusglO. Die AusglO sei im Übrigen auch deshalb keine Grundlage für die geforderte Umlage, da sie nur bis 31.12.2001 gegolten habe und zum Zeitpunkt der Entstehung des mit den Bescheiden geltend gemachten Anspruchs nicht mehr in Kraft gewesen sei; der Ausgleich des Passivvermögens der BKK RWK + FANAL sei erst 2002 erfolgt, danach habe erst der Anspruch auf die Umlage entstehen können, zu einem Zeitpunkt also, als die AusglO nicht mehr gegolten habe. Des weiteren sei die zeitliche Begrenzung zur Abrechnung des Finanzausgleichs nach § 4 AusglO nicht eingehalten, da der die Fusionsbeihilfe begründende Verwaltungsratsbeschluss des Beklagten im September 2000 ergangen, die Umlage aber erst im März 2003 erhoben worden sei; nach § 4 Abs. 2 AusglO habe ein Ausgleichsverfahren jeweils für ein Geschäftsjahr durchgeführt und im Folgejahr abgerechnet werden müssen. Soweit ab 01.01.2002 die Interventionsordnung (IntervO) die AusglO abgelöst habe, komme diese auch nicht als Rechtsgrundlage für die Umlage in Betracht; denn sie lasse nur eine Umlage zur Finanzierung eines Interventionsfonds zu; aufgrund der entsprechenden Regelung der IntervO sei auch bereits ein Umlagebescheid vom 20.12.2002 über 48.546,29 EUR an die Klägerin ergangen; eine fallbezogene Umlagefinanzierung außerhalb des Fonds sehe die IntervO nicht vor. Im Übrigen - so die Klägerin - seien die Beträge, die über das "Passivvermögen zum Fusionszeitpunkt", das 1.640.270,83 EUR betragen habe, hinausgingen, wie die zwei Liquiditätsunterstützungen, die Kapitalisierung von Pensionsansprüchen und die Rechtsstreitkosten, weder von einem Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten noch von dem örV gedeckt; auch insoweit sei die Umlage also rechtswidrig.

Am 22.10.2003 hat die Klägerin im Hinblick darauf, dass die Klage gegen die Bescheide keine aufschiebende Wirkung hat, die streitigen Umlagebeträge an den Beklagten gezahlt.

Die Klägerin beantragt,

die beiden Umlagebescheide des Beklagten vom 14.03.2003 über 22.958,01 EUR und 2.487,69 EUR aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr 25.445,70 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er äußert Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage unter Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.06.2002 - B 1 KR 10/01 R -; zutreffende Klageart sei eine Unterlassungsklage. Der Beklagte trägt vor, dass das vom LVA NRW festgestellte Passivvermögen der BKK RWK + FANAL i.H.v. 3.208.090,90 DM die beiden Liquiditätshilfen von 2,8 Mio. DM berücksichtigt habe; die gezahlten Liquiditätshilfen hätten den Gesamtbetrag des letztendlich festgestellten Passivvermögens reduziert. Der Beklagte ist der Ansicht, er habe sich aufgrund des Beschlusses seines Verwaltungsrates vom 28.09.2000 und des örV verpflichtet, den Gesamtbetrag von 3.088.860,93 EUR, den er als "das tatsächliche Gesamtpassiva zum Fusionszeitpunkt 01.07.2001" bezeichnet, zu übernehmen. Weiter ist der Beklagte der Auffassung, § 265 SGB V sei eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die §§ 7 - 14 AusglO; der Gesetzgeber habe den Begriff der "anderen aufwändigen Belastungen" inhaltlich nicht konkretisiert und damit dem Satzungsgeber einen Definitionsspielraum eröffnet; es sei einem Landesverband nicht verwehrt, die teilweise immensen Haftungsverbindlichkeiten im Fall der Schließung einer BKK als "andere aufwändige Belastungen" zu klassifizieren. Wenn die Erfüllung der Haftungsverpflichtungen nach § 155 Abs. 4 SGB V gesetzliche Aufgabe des Beklagten sei und die Mitgliedskassen diese Belastung mittels Umlage tragen müssten, müsse es erst recht im Vorfeld einer möglichen Haftung Instrumente geben, um diese Haftung im Sinne einer Schadensminderung präventiv abzuwehren bzw. zu begrenzen. Diesem Zweck habe die AusglO gedient. Unabhängig davon - so der Beklagte - eröffne § 155 Abs. 4 SGB V zwar nicht unmittelbar, aber doch "aus der Natur der Sache ... als sog. Annex-Kompetenz" Handlungsbefugnisse, eine drohende Haftung abzuwehren oder zu begrenzen. Ein derart präventives Handeln sei "im Interesse der übrigen Mitgliedskassen des betroffenen Landesverbandes aus Gründen der Schadensminderung" geboten. Zum Verhältnis der AusglO zur IntervO meint der Beklagte, dass die AusglO für die Fusion und den diesbezüglichen Finanzausgleich im vorliegenden Fall noch Anwendung finde, da die anspruchsbegründenden Voraussetzungen durch den Beschluss des Verwaltungsrates vom 28.09.2000 und den örV geschaffen worden seien, also unter Geltung der AusglO. Da das endgültige Passivvermögen erst nach Prüfung der Jahresrechnung im Jahre 2002 habe ermittelt werden können, habe auch die Umlageforderungen erst danach erhoben werden können, so dass kein Verstoß gegen die zeitlichen Grenzen nach § 4 Abs. 2 AusglO vorliege. Der Beklagte weist darauf hin, dass es übereinstimmender Wille der Vertragsparteien gewesen sei, die neue BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI nicht mit gegenüber der BKK RWK + FANAL bestehenden Forderungen zu belasten, weshalb sämtliche vom Beklagten gezahlten Beiträge vom Verwaltungsratsbeschluss und dem örV erfasst gewesen seien. Der Beklagte räumt ein, dass eine Verrechnung des Überschusses der BKK Westfalia Separator AG mit den Passiva der BKK RWK + FANAL nicht erfolgt sei; sie meint, insoweit sei Ziffer 6 Satz 2 des örV zur Anwendung gelangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Es handelt sich um eine nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft Anfechtungsklage. Der Beklagte ist grundsätzlich befugt, eine Verbandsumlage gegenüber seinen Mitgliedern durch Verwaltungsakt festzusetzen. Insofern besteht zwischen den Beteiligten ein Überordnungsverhältnis (BSG, Urt. v. 25.06.2002 - B 1 KR 10/01 R = BSGE 89, 277 = SozR 3-2500 § 217 Nr. 1 = NZS 2003, 592). Die Klägerin kann nicht auf die Möglichkeit und den Vorrang einer Unterlassungsklage verwiesen werden. Denn sie wehrt sich nicht gegen die Höhe einer allgemeinen Jahresumlage mit dem Einwand der Unrechtmäßigkeit einer einzelnen Verbandstätigkeit des Beklagten. Vielmehr bestreitet sie grundsätzlich die Umlagefähigkeit der vom Beklagten anlässlich der freiwilligen Vereinigung von drei Betriebskrankenkassen gewährten Fusionshilfe und wehrt sich damit gegen den Grund des auf sie entfallenden Umlageanteils. Die streitige Umlage ist ein über die allgemeine Verbandsumlage hinausgehender Sonderbeitrag, der eigens zu dem Zweck erhoben worden ist, die Fusionshilfe finanzieren zu können. Da die Rechtswidrigkeit dieses Sonderbeitrages die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung zur Folge hat, kann die Klägerin dagegen zulässig Anfechtungsklage erheben. Eines Vorverfahrens als Klagevoraussetzung bedarf es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGG nicht.

Die Klage ist auch begründet.

Für die Erhebung der streitigen Umlage fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

I. Ausgleichsordnung (AusglO)

Die vom Beklagten erlassene bis 31.12.2001 geltende AusglO, auf deren "Regelungen" der Beklagte seine Umlageforderung in den angefochtenen Bescheiden stützt, enthält keine Ermächtigung, eine "Fusionsbeihilfe", wie sie der Beklagte anlässlich der freiwilligen Vereinigung mehrerer Mitgliedskassen gezahlt hat, auf alle Mitgliedskassen umzulegen. Zweck der AusglO in der hier maßgeblichen seit 01.01.1998 geltenden Fassung war die Regelung eines Finanzausgleichsverfahrens "auf der Grundlage des § 265 SGB V", um die Kosten für aufwändige Leistungsfälle und für andere aufwändige Belastungen ganz oder teilweise zu decken (§ 1 AusglO). Gegenstand des Finanzausgleichs für andere aufwändige Belastungen waren Maßnahmen ("Interventionsstrategie") in Zusammenhang mit einer drohenden Haftung nach § 155 Abs. 4 SGB V für Verpflichtungen eines aufgelösten (§ 152 SGB V) oder geschlossenen (§ 153 SGB V) Mitglieds. Diese Interventionsstrategie bestand gemäß § 7 Abs. 1 AusglO aus Analyseverfahren (§ 8), Interventionsmanagement (§ 11), Interventionsinstrumenten (§ 12) und Interventionsalternativen (§ 14 ). § 14 AusglO lautete:

Der Vorstand des BKK-Landesverband Nordrhein-Westfalen kann mit Zustimmung des Verwaltungsrates des BKK-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen alternativ zu den Interventionsinstrumenten nach § 12 mit einem Mitglied im Sinne des § 7 Abs. 2 eine vertragliche Regelung (öffentlich-rechtlicher Vertrag) treffen, um den Eintritt der Haftung nach § 155 Abs. 4 SGB V abzuwenden. Dabei können organisationsrechtliche Optionen wahrgenommen werden."

§ 13 AusglO bestimmte für den Finanzausgleich für andere aufwändige Be-lastungen die entsprechende Anwendung der §§ 5 Abs. 1 und 2 sowie 6 Abs. 2 und 3 AusglO, in denen das Umlageverfahren geregelt war. Diese Bestimmungen i.V.m. dem zwischen dem Beklagten, der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI und der BKK RWK + FANAL geschlossenen örV vom 13.09./14.09./30.10.2000 trägt die Umlageforderung des Beklagten in den Bescheiden vom 14.03.2003 nicht.

Bedenken bestehen bereits gegen die Wirksamkeit des § 14 AusglO. Wenn die Schließung einer geöffneten BKK (wie der BKK RWK + FANAL) mangels dauerhafter Leistungsfähigkeit gemäß § 153 Satz 1 Nr. 3 SGB V und in diesem Zusammenhang eine Haftung des BKK-Landesverbandes gemäß § 155 Abs. 4 SGB V drohen, sieht § 265a SGB V "finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen oder zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit" einer Krankenkasse vor. Diese finanziellen Hilfen sind aber im System des Finanz- und Risikostrukturausgleichs, das im 4. Abschnitt des 8. Kapitels des SGB V geregelt ist, den Spitzenverbänden der Krankenkasse vorbehalten. Deren Satzungen regeln Näheres über Voraussetzungen, Umfang, Finanzierung und Durchführung der finanziellen Hilfen (§ 265a Abs. 1 Satz 2 SGB V). Zu den Spitzenverbänden der Krankenkassen gehören z.B. der BKK-Bundesverband nicht aber ein BKK-Landesverband wie der Beklagte.

In offensichtlicher Kenntnis seiner Unzuständigkeit für finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen oder zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einer Krankenkasse nach § 265a SGB V hat der Beklagte einleitend in § 1 AusglO normiert, dass das in der AusglO geregelte Ausgleichsverfahren "auf der Grundlage des § 265 SGB V" durchgeführt wird. § 265 Satz 1 SGB V ermächtigt die Landesverbände und Verbände der Ersatzkassen zum Erlass von Satzungsbestimmungen, die "eine Umlage der Verbandsmitglieder vorsehen, um die Kosten für aufwändige Leistungsfälle und für andere aufwändige Belastungen ganz oder teilweise zu decken". Aufwändige Leistungsfälle sind solche, die Aufwendungen für einzelne Versicherte verursachen, die die Kasse zu einer merklichen Erhöhung ihres Beitragssatzes zwingen würden, wenn sie keine Hilfe von außen bekäme (Kasseler Kommentar-Peters, § 265 SGB V, Rn. 6); den Finanzausgleich für diese Fälle wie die Behandlung von Blutern, Dialysebehandlungen und ähnlich aufwändige Behandlungen von Versicherten hat der Beklagte in den §§ 2 - 6 AusglO geregelt. In Anlehnung an die aufwändigen Leistungsfälle kommen als andere aufwändige Belastungen hohe Aufwendungen durch vorübergehende Ereignisse oder Vorhaben etwa aufgrund von Katastrophen oder Durchführung eines Pilotprojekts (Kasseler Kommentar-Peters a.a.O.). Dagegen sind finanzielle Zuwendungen eines Landesverbandes an eine wirtschaftlich notleidende Krankenkasse, um deren Schließung und einer Haftung nach § 155 Abs. 4 SGB V zu vermeiden, und später - nach erfolgter Vereinigung - an die neue Krankenkasse, um diese von den Schulden der einverleibten defizitären Krankenkasse, die sie nach § 150 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V zu tragen hätte, freizustellen, keine anderen aufwändigen Belastungen im Sinne von § 265 SGB V. Vielmehr handelte sich bei derartigen "Fusionsbeihilfen" systematisch um finanziellen Hilfen im Sinne von § 265a SGB V, die in die Zuständigkeit der Spitzenverbände der Krankenkasse fallen. Dies ist nunmehr (Stand: März 2004) ausdrücklich in § 17 der Satzung des BKK-Bundesverbandes i.V.m. der Anlage 3 zu dieser Satzung geregelt.

Die Kammer stimmt mit dem Beklagten überein, dass Strategien zur Vermeidung einer Haftung nach § 155 Abs. 4 SGG, deren Kosten in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung unstreitig umlagefähig wären, eine sinnvolle und gesetzeskonforme Verbandstätigkeit eines BKK-Landesverbandes sind. Dies berechtigte den Beklagten jedoch nicht, im Einzelfall dem potenziellen Fusionspartner einer notleidenden Mitgliedskasse eine Fusionsbeihilfe in unbestimmter (Millionen-)Höhe durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zu versprechen und die in diesem Zusammenhang getätigten Zahlungen auf die Mitgliedskassen umzulegen. Eine derart weitgehende auf § 265 SGB V gestützte Maßnahme steht mit Sinn und Zweck sowie Systematik der §§ 265, 265a SGB V nicht in Einklang.

II. öffentlich-rechtlicher Vertrag (örV)

Soweit sich der Beklagte i.V.m. § 14 AusglO auf den örV vom 13.09./14.09./30.10.2000 als wirksame Rechtsgrundlage für die Umlageforderung beruft, steht dem bereits entgegen, dass dieser Vertrag - entgegen den Vorgaben des § 14 AusglO - nicht nur mit der BKK RWK + FANAL, sondern auch mit der (alten) BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI geschlossen wurde. § 14 AusglO sieht einen Vertrag zwischen dem beklagten BKK-Landesverband NRW und "einem Mitglied im Sinne des § 7 Abs. 2 " vor. Mitglieder im Sinne von § 7 Abs. 2 AusglO sind diejenigen, "für die eine Haftung des BKK-Landesverbandes NRW nach § 155 Abs. 4 SGB V eintreten könnte". Mitglied im Sinne von § 7 Abs. 2 AusglO ist also eine wirtschaftlich notleidende BKK (hier: die BKK RWK + FANAL), nicht eine wirtschaftlich gesunde fusionswillige BKK (hier: die BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI). Mit der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI konnte die Beklagte seinerzeit also keinen auf § 14 AusglO gestützten Vertrag mit umlagebegründenden Verpflichtungen dieser gegenüber schließen.

Der örV zwischen dem Beklagten, der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI und der BKK RWK + FANAL ist aus einem weiteren entscheidenden Grund keine tragfähige Grundlage für die gegenüber den Mitgliedskassen erhobene Umlage, wie sie von der Klägerin in den angefochtenen Bescheiden anteilig gefordert wird. Der Betrag, der entsprechend dem Wortlaut der Vereinbarung in Ziffer 5 Satz 1 des örV als "Fusionsbeihilfe" zur Verfügung gestellt werden sollte, ist mit demjenigen, der nach der letzten Zahlung des Beklagten Grundlage der Umlageforderung gegenüber den Mitgliedskassen geworden ist, nicht in Einklang zu bringen; die von der Beklagten bei Abschluss des örV zur Umlage vorgesehene "Fusionsbeihilfe" ist nicht bestimmt genug und auch nicht bestimmbar.

Nach Auffassung des Beklagten umfasst die in Ziffer 5 des örV vereinbarte "Fu-sionsbeihilfe"

1) zwei Liquiditätsunterstützungen von 1 und 1,8 Mio. DM 1.431.617,27 EUR 2) den Betrag des nach Prüfung der Jahresrechnung festgestellten "Passivvermögen zum Fusionszeitpunkt" 1.640.270,83 EUR 3) Rechtsanwaltskosten 85,83 EUR 4) kapitalisierte Pensionsrückstellungen 16.886,00 EUR

Insgesamt 3.088.860,93 EUR

Hiervon zahlte der Beklagte die Beträge zu 1) an die BKK RWK + FANAL und die Beträge zu 2) - 4) an die BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI. Nach dem insoweit unzweideutigen Wortlaut der Ziffer 5 des örV war die Fusionsbeihilfe jedoch "dem Fusionspartner" zur Verfügung zu stellen; dieser war die BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI, nicht aber die BKK RWK + FANAL, an die Liquiditätsunterstützungen von 2,8 Mio. DM gingen.

Nach dem insoweit ebenfalls unzweideutigen Wortlaut der Vereinbarung in Ziffer 5 des örV war die "Fusionsbeihilfe" der Höhe nach begrenzt: sie durfte "das Passivvermögen der BKK RWK + FANAL zum Fusionszeitpunkt nicht überschreiten". Dieses Passivvermögen betrug zum Fusionszeitpunkt laut der vom LVA NRW geprüften Jahresrechnung 1.640.270,83 EUR. Wenn aber - wie der Beklagte meint und wie es auch nach den Umständen des Falles nahe liegt - die im November 2000 und März 2001 an die BKK RWK + FANAL gezahlten Liquiditätsunterstützungen von zusammen 2,8 Mio. DM (= 1.431.617,27 EUR) ebenfalls bereits "Fusionsbeihilfe" sein sollten, durften weitere finanzielle Hilfen allenfalls bis zur Höhe des Passivvermögens zum Fusionszeitpunkt (= 1.640.270,83 EUR) gewährt werden, mithin höchstens noch 208.653,56 EUR. Tatsächlich aber hat der Beklagte noch weitere 1.657.243,66 EUR, also mehr als 1.448.590,10 EUR über dem nach Ziffer 5 des örV vereinbarten Grenzbetrages als "Fusionsbeihilfe" gezahlt und auf die Mitgliedskassen umgelegt. Die Bestimmung des Umfangs der zur Umlage vorgesehenen Fusionsbeihilfe, wie sie der Beklagte vorgenommen hat, wäre richtig, wenn die entsprechende Vereinbarung in Ziffer 5 des Vertrages dahin gelautet hätte, dass die Fusionsbeihilfe nicht das "Passivvermögen bis zum Fusionszeitpunkt" überschreiten durfte. Dies war aber gerade nicht vereinbart und ersichtlich so auch nicht gewollt. Denn eine solche Regelung hätte der BKK RWK + FANAL die Möglichkeit eröffnet, bis zum Fusionszeitpunkt Schulden in unbegrenzter Höhe anzuhäufen, zu deren Begleichung der Beklagte im Rahmen der versprochenen "Fusionsbeihilfe" verpflichtet gewesen wäre.

Hinzukommt, dass der Beklagte - entgegen der Vereinbarung in Ziffer 6 des örV i.V.m. der klarstellenden Zusatzvereinbarung vom 25./27.10.2000 keine Verrechnung des Aktivvermögens der BKK Westfalia Separator AG mit dem Passivvermögen der BKK RWK + FANAL zum Fusionszeitpunkt vorgenommen hat. Der Vorstand des Beklagten hatte noch vor seiner eigenen Unterzeichnung des örV am 30.10.2000 dem Vorstand der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI am 25.10.2000 geschrieben (Bl. 171 der Verwaltungsakte des Beklagten):

"Wir sind mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der BKK DEMAGKRAUSS-MAFFEI, der BKK RWK + FANAL und dem BKK LV NW grundsätzlich einverstanden. Wir waren jedoch übereingekommen, dass sich eine mögliche Vereinigung der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI/BKK RWK + FANAL mit der BKK Westfalia Separator auf diese Vereinbarung dahingehend auswirkt, dass ein mögliches Vermögen der BKK Westfalia Separator das Passiv-Vermögen der BKK RWK + FANAL vermindert und somit das Haftungsvolumen des BKK LV NW. Insoweit gilt Nr. 6 des öffentlich-rechtlichen Vertrages für eine Vereinigung mit der BKK Westfalia Separator nicht."

und um kurze Bestätigung gebeten. Am 27.10.2000 vermerkte der Vorstand der BKK DEMAG KRAUSS-MAFFEI auf diesem Schreiben "Einverstanden" und sandte ein Doppel an den Beklagten. Gleichwohl unterblieb die vereinbarte Minderung mit der Folge, dass der Beklagte seine "Fusionsbeihilfe"-Zahlungen ungekürzt auf die Mitgliedskassen umlegte. Die Auffassung des Beklagten, Ziffer 6 Satz 2 des örV sei zur Anwendung gelangt, wird durch die klarstellende Vereinbarung im Schriftwechsel vom 25./27.10.2000 widerlegt. Tatsächlich - dies ist zwei Vermerken eines Mitarbeiters des Beklagten vom 02.07. und 27.08.2002 (Bl. 000, 000 der Verwaltungsakte des Beklagten) zu entnehmen; fand eine Verrechnung des Passivvermögens der BKK RWK + FANAL mit dem Aktivvermögen der BKK Westfalia Separator AG nicht statt, weil man auf Seiten des Beklagten die Aktiva für "nicht nennenswert" hielt. Auch wenn 29.172,09 DM - so hoch war das Aktivvermögen der BKK Westfalia Separator AG zum Fusionszeitpunkt - für den Beklagten "peanuts" gewesen sein mögen, rechtfertigt dies nicht, diese von Dritten - den Mitgliedskassen - per Umlage bezahlen zu lassen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der örV vom 13.09./14.09./30.10.2000 (auch) mit einem nach der zugrundeliegenden AusglO nicht vorgesehenen Vertragspartner geschlossen ist, seine Regelungen unklar und missverständlich sind, die Höhe der darin vom Beklagten eingegangenen Verpflichtung "Fusionsbeihilfe" weder bestimmt noch bestimmbar war und ist, Zahlungen des Beklagten nicht nur - wie vereinbart - an den Fusionspartner, sondern auch an die notleidende BKK geleistet wurden, Vereinbarungen des örV zur Minderung der Aufwendungen des Beklagten nicht eingehalten worden sind und der Beklagte letztlich mehr gezahlt hat, als er hätte zahlen müssen bzw. dürfen. Die hiernach vom Beklagten bemessene Umlage zu Lasten der Mitgliedskassen und anteilig zu Lasten der Klägerin ist daher rechtswidrig.

III. Interventionsordnung (IntervO)

Auch die mit Wirkung ab 01.01.2002 vom Beklagten erlassene IntervO, die die AusglO abgelöst hat, stellt keine Rechtsgrundlage für die streitige Umlageforderung dar. Sie ist erst zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten, der nach dem Abschluss des örV (September/Oktober 2000), der die Grundlage der "Fusionsbeihilfe" und - nach Meinung des Beklagten - der Umlageforderung ist, und nach der Vereinigung der drei Betriebskrankenkassen (01.07.2001) liegt. Deshalb muss sich die Umlageforderung des Beklagten, auch wenn sie erst im Jahre 2003 erhoben worden ist, noch an der bis 31.12.2001 geltenden AusglO messen lassen. Im Übrigen enthält die IntervO keine Regelung, auf die sich die einzelfallbezogene Umlageforderung aus den angefochtenen Bescheiden stützen ließe. Sie sieht die Bildung eines Sondervermögens ("Interventionsfonds") vor, das ausschließlich zum Zweck dieser IntervO eingesetzt werden darf (§ 7 IntervO). Der Interventionsfonds dient gemäß § 8 IntervO der Finanzierung der IntervO, insbesondere zur Finanzierung der Prüfung der Jahresrechnung und zur Abwendung der Haftung nach § 155 Abs. 4 SGB V, und der Erfüllung der Verpflichtungen nach § 155 Abs. 4 SGB V selbst. Zur Bildung des Interventionsfonds sind Ende 2002 Umlagebescheide an die Mitgliedskassen ergangen, allein an die Klägerin in Höhe von 48.546,29 EUR. Eine über den Interventionsfondsbeitrag hinausgehende einzel-fallbezogene Umlage zur Finanzierung einer konkreten Maßnahme (hier: einer "Fusionsbeihilfe") sieht die IntervO nicht vor.

IV. § 155 Abs. 4 SGB V

§ 155 Abs. 4 SGB V selbst beinhaltet - auch nur mittelbar - keine Ermächtigungs-grundlage für die mit den angefochtenen Bescheiden erhobene Umlage. Satz 4 dieser Vorschrift legt dem Landesverband die Haftung für Verpflichtungen einer so genannten "geöffneten" BKK (mit einer Satzungsklausel nach § 173 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V wie in § 5 der Satzung der BKK RWK + FANAL) nach deren Schließung gemäß § 153 SGB V auf. Vereinigen sich jedoch mehrere Betriebskrankenkassen zu einer gemeinsamen BKK, so tritt ab dem von der Aufsichtsbehörde bestimmten Zeitpunkt die neue Kasse in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkasse ein (§ 150 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 144 Abs. 3 und 4 SGB V). Die vom Beklagten zur Abwehr einer Haftung nach § 155 Abs. 4 SGB V gezahlte "Fusionsbeihilfe" stellte eine Umgehung des Haftungsregimes des SGB V für die Fälle einer Schließung oder Vereinigung dar, die keine gesetzliche Grundlage hat und zu Lasten der Mitgliedskassen wirkt, wenn diese die "Fusionsbeihilfe" per Umlage finanzieren sollen. Eine solche Vorgehensweise eines Landesverbandes ist von § 155 Abs. 4 SGB V nicht - auch nicht im Rahmen einer "Annex-Kompetenz" - gedeckt. Nichts anderes ergibt sich aus § 210 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 SGB V. Diese Vorschrift ermächtigt jeden Landesverband zum Erlass von Satzungsbestimmungen über die "Aufbringung und Verwaltung der Mittel". Zu Recht folgert der Beklagte daraus, dass er von seinen Mitgliedern finanziell auszustatten ist. Dies bedeutet aber nicht, dass jegliches Finanzgebahren eines Landesverbandes von den Mitgliedskassen per Umlage zu tragen ist. Nur solche finanziellen Aufwendungen, für die es eine eindeutige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gibt, können auf die Mitglieder umgelegt werden. Dies trifft für konkrete Haftungsverpflichtungen des Landesverbandes gemäß § 155 Abs. 4 SGB V bei Schließung einer verschuldeten Krankenkasse zu, nicht aber für unbestimmte "Fusionsbeihilfen" zur Abwehr eventuell drohender Haftungsverpflichtungen. Durch Artikel 1 Nr. 125 Buchstabe b) des "Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung - GMG - vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) ist den Landesverbänden in einem neugeschaffenen § 155 Abs. 5 Satz 1 SGB V die Möglichkeit eröffnet worden, per Satzung einen Fonds zu bilden, dessen Mittel zur Erfüllung ihrer Haftungsverpflichtungen nach Abs. 4 zu verwenden sind. Der Gesetzgeber hat damit abschließend und verbindlich vorgegeben, dass eine Verwendung von Mitteln dieses Fonds stets an eine bereits eingetretene insolvenzbedingte Kassenschließung gebunden ist; ein vorbeugender Einsatz des Fondsvermögens zur Vermeidung einer Kassenschließung und daraus resultierender Haftungsverpflichtungen ist nicht zulässig.

Der Einwand des Beklagten, er habe zur Vermeidung einer Haftung nach § 155 Abs. 4 SGB V schon "im Interesse der übrigen Mitgliedskassen ... aus Gründen der Schadensminderung" präventiv im Vorfeld tätig werden müssen, ist ohnehin im vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar. Mit der Zahlung von 3.088.860,93 EUR, die Grundlage der Umlageforderung sind, hat der Beklagte im Ergebnis die gesamten Schulden der BKK RWK + FANAL übernommen. Wäre die BKK RWK + FANAL bis 31.12.2001 geschlossen und der Beklagte deshalb gemäß § 155 Abs. 4 SGB V in Anspruch genommen worden, so wäre sein Haftungsschaden auf 300.000,- DM (= 153.387,56 EUR) begrenzt gewesen. Ein darüber hinausgehender Haftungsschaden bis zu 100 Mio. DM wäre durch die bei der ALLIANZ Versicherungs-AG bestehende Haftungsrisikoversicherung gedeckt gewesen. Der entsprechende Versicherungsvertrag begann laut Versicherungsschein Nr. GHV 00/000/0000000/000 am 01.11.1997 und endete aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung der Vertragspartner vom 21.01.2002 vorzeitig am 31.12.2001. Versicherungsfall im Sinne des Vertrages war die Schließung einer dem Versicherungsnehmer - das war der Beklagte - angehörenden BKK durch die Aufsichtsbehörde gemäß § 153 SGB V; das Schließungsdatum musste in die versicherte Periode fallen. Allein aus Sicht der übrigen Mitgliedskassen wäre es daher in ihrem In-teresse schadensmindernd gewesen, die Schließung der BKK RWK + FANAL bis 31.12.2001 zu betreiben. Eine Verpflichtung des Beklagten gegenüber der ALLIANZ Versicherungs-AG, den Eintritt eines Versicherungsfalls durch eine "Fusionsbeihilfe" abzuwenden, ist nicht ersichtlich. Sie kann jedenfalls insoweit nicht bejaht werden, als damit für die Mitgliedskassen höhere finanzielle Belastungen als bei einer Schließung der BKK verbunden gewesen wären. Auch die in einer Zusatzvereinbarung zum Versicherungsvertrag enthaltene Mitwirkungsklausel eröffnete allein dem Versicherer - also der ALLIANZ Versicherungs-AG - ein Mitwirkungsrecht zur Begrenzung des Schadens im Fall einer von der Aufsichtsbehörde entschiedenen Schließung und - vorab - ein "Recht zur Gewährung von Zahlungen zugunsten einer Betriebskrankenkasse, wenn dadurch die Schließung der Betriebskrankenkasse a) dauerhaft vermieden werden kann oder b) zeitweise verhindert werden kann, um die Vereinigung mit einer anderen Be-triebskrankenkasse zu gewährleisten".

Da es nach alledem für die Erhebung der streitigen Umlage an einer Rechtsgrundlage fehlt, sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Beklagte zur Erstattung des von der Klägerin gezahlten Betrages zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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