Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 497/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2758/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der ihr in fehlerhafter Höhe bewilligten Witwenrente.
Die am 1940 geborene, aus R. stammende Klägerin ist die Witwe des am 17.04.1936 geborenen, ebenfalls aus R. stammenden und dort am 29.04.1987 verstorbenen J. H. (im Folgenden Versicherter).
Der Versicherte war von 1955 bis 1989 - unterbrochen durch seinen Wehrdienst - im "Pflanzen- und Zootechniesektor" der Landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaft S. beschäftigt. In einer entsprechenden Bescheinigung vom 13.08.1991 (vgl. Bl. 13 VerwA) bestätigte diese das in den Jahren 1955 und 1956 sowie von 1959 bis 1986 jährlich jeweils erreichte "Arbeitsvolumen", das unter den Rubriken "Geplantes Jahresarbeitsvolumen Normen", "Erreichtes Jahresarbeitsvolumen Normen" und "Erreichtes Jahreseinkommen Lei" aufgelistet wurde.
Die Klägerin siedelte am 18.08.1991 in die Bundesrepublik Deutschland über und beantragte im Oktober 1991 durch ihre Bevollmächtigten, von denen sie seither vertreten wird, Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Die Landesversicherungsanstalt B. (LVA) gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 09.03.1992 zunächst einen Vorschuss und informierte sie nachfolgend mit Bescheid vom 13.06.1992 über die ihr nach der Rentenanpassung 1992 ab 01.07.1992 zustehende laufende Witwenrente, die monatlich 405,80 DM (Zahlbetrag: 380,44 DM) betrage. Hiergegen erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Widerspruch und bat um Erläuterung, wodurch sich der ursprüngliche Zahlbetrag von 315,60 DM auf 380,44 DM erhöhe; aus dem Bescheid vom 09.03.1992 sei nicht abzuleiten, welche Daten Grundlage der Anpassung gewesen seien (vgl. S. 51 VerwA).
Mit Bescheid vom 11.08.1993 bewilligte die LVA der Klägerin sodann Witwenrente ab 18.08.1991. Der Rentenberechnung legte sie glaubhaft gemachte - und deshalb auf fünf Sechstel gekürzte - Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten aus dem Zeitraum von 1955 bis 1986 zu Grunde, deren Entgelte sie mit dem Faktor 0,7 multiplizierte. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten mit dem Begehren Widerspruch, die Beitragszeiten ungekürzt, d.h. zu sechs Sechstel anzurechnen und in den Jahren 1962 und 1986 höhere Entgelte zu berücksichtigen. Diese seien zu niedrig, insbesondere sei das der Zeit vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 zu Grunde liegende Entgelt von 317,78 DM - auch unter Beachtung der Fünf-Sechsel-Kürzung und der Kürzung auf 70% - eindeutig zu niedrig (vgl. S. 91 ff. VerwA). Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995 half die LVA dem Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Entgelthöhe für das Jahr 1962 ab und führte aus, in dem genannten Zeitraum müssten 2.225,00 DM (3.900,00 DM x 5/6 x 0,7 x 352 Tage) in die Rentenberechnung einfließen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück (vgl. S. 107 ff. VerwA). Dementsprechend stellte die LVA die Witwenrente der Klägerin mit Bescheiden vom 23.01.1995 und 25.01.1995 ab 18.08.1991 neu fest (monatlicher Rentenbetrag 439,80 DM, Zahlbetrag 412,97 DM) und berücksichtigte dabei in der Zeit vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 ein Entgelt in Höhe von 2.225,00 DM (vgl. Bl. 6 ff. Wspr.-Akte II).
Im Mai 1995 stellte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) und beantragte die Neuberechnung der Rente. Sie machte geltend, ausgehend von der vorgelegten Bescheinigung habe die LVA zwar zutreffend für jede erreichte Arbeitsnorm einen Arbeitstag zu Grunde gelegt, zu beanstanden sei in mehreren Jahren jedoch die Verteilung dieser Arbeitstage. Da der Versicherte die Beschäftigung das ganze Jahr über ausgeübt habe und keine Arbeitsunterbrechung von zumindest einem Monat vorgelegen habe, habe eine Verteilung der Arbeitstage auf das ganze Jahr zu erfolgen, dementsprechend für 1955 (28 Arbeitstage auf die Zeit vom 01.10. bis 31.12.; laut Bescheid 01. bis 28.10.), 1956 (273 Arbeitstage auf die Zeit vom 01.01. bis 10.11.; laut Bescheid 01.01. bis 03.10. und 11.11. bis 31.12.), die Jahre 1961, 1962, 1964, 1974, 1983 und 1985 (Anzahl der Arbeitstage jeweils auf die Zeit vom 01.01. bis 31.12.; laut Bescheid 01.01. bis 13.11.1961, 01.01. bis 22.12.1962, 01.01. bis 20.12.1964, 01.01. bis 17.12.1974, 01.01. bis 15.10.1983, 01.01. bis 14.06.1985) sowie 1986 (302 Arbeitstage auf die Zeit vom 01.01. bis 15.12.; laut Bescheid 01.01. bis 02.11.). Die LVA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 27.11.1995 und Widerspruchsbescheid vom 02.05.1996 ab. Das nachfolgend angerufene Sozialgericht Karlsruhe (SG) hob die angefochtenen Bescheide mit Gerichtsbescheid vom 23.11.1998 (S 15 RJ 1632/96) auf und verurteilte die LVA, der Klägerin unter Berücksichtigung eines ganzjährigen Beschäftigungsverhältnisses in den Jahren 1961, 1962, 1964, 1974, 1983 sowie 1985 und Berücksichtigung der Zeiten vom 01.10.1955 bis 31.12.1955, vom 01.01.1956 bis 10.11.1956 und vom 01.01.1986 bis 15.12.1986 als Beschäftigungszeit, jeweils zu fünf Sechstel, höhere Witwenrente zu gewähren.
Mit Bescheid vom 02.02.1999 führte die LVA diesen Gerichtsbescheid aus und stellte die Rente der Klägerin ab 18.08.1991 neu fest. Bei dieser Neuberechnung unterblieb irrtümlich die Kürzung der Entgelte auf 70%. Als Rentenanspruch ergab sich nunmehr ein Bruttobetrag von anfänglich 676,86 DM sowie nachfolgend ab 01.07.1992 von 696,29 DM, ab 01.07.1993 von 726,67 DM, ab 01.07.1994 von 751,34 DM, ab 01.07.1995 von 755,09 DM, ab 01.07.1996 von 762,28 DM, ab 01.07.1997 von 774,86 DM und ab 01.07.1998 von 728,29 DM (vgl. Bl. 24 ff. Wspr.-Akte II). Bei der Berechnung des Zahlbetrags berücksichtigte die LVA über den Beitragsanteil zur Krankenversicherung hinaus zeitweise anzurechnendes Einkommen der Klägerin. Dabei betrug der laufende Zahlbetrag ab 01.03.1999 statt bisher 311,28 DM nunmehr 563,83 DM; dieser hatte sich dementsprechend um insgesamt 252,55 DM, mithin um rund 80% erhöht (vgl. Angaben des Klägerbevollmächtigten, S. 309 VerwA). Die daraus errechnete Nachzahlung belief sich auf ca. 21.800 DM.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Widerspruch und beantragte, die Berücksichtigung einer Beitrags-/Beschäftigungszeit im Dezember 1986 bis zum 15.12.1986 (entsprechend dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts) und vom 16.12.1986 bis 31.12.1986 die Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen Krankheit (vgl. S. 293 VerwA). Vor dem Hintergrund der Ausführungen der LVA im Schreiben vom 17.03.1999 (vgl. S. 295 VerwA) verfolgte die Klägerin ihren Widerspruch nachfolgend nicht mehr weiter.
Im Juni 2006 beantragte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten die Überprüfung der Bescheide vom 11.08.1993 und 02.02.1999 gemäß § 44 SGB X und machte geltend, die Zeiten der Mitgliedschaft des Versicherten in der Genossenschaft S. seien zu sechs Sechstel anzurechnen und nach neuerer Rechtsauffassung der Beklagten sei - anders als noch im Bescheid vom 02.02.1999 zu Grunde gelegt - nicht mehr von einer Teilzeitbeschäftigung auszugehen (vgl. Bl. 12 VerwA 2. Teil).
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Unterfranken, Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), mit dem Beitritt R. s zur Europäischen Union (EU) zum 01.01.2007 für Feststellungen und die Rentenzahlung zuständig geworden war, stellte sie mit ihrem den Bevollmächtigten übersandten Bescheid vom 03.05.2007 unter gleichzeitiger Rücknahme des Bescheids vom 11.08.1993 und der Folgebescheide die Witwenrente der Klägerin neu - und geringfügig höher - fest. Hierbei berücksichtigte sie - entsprechend des zuletzt geltend gemachten Begehrens der Klägerin - durchgehend vom 01.10.1955 bis 31.12.1986 eine Vollzeitbeschäftigung. Bei dieser Neuberechnung unterblieb irrtümlich erneut die Kürzung der Entgelte auf 70%. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen (Widerspruchsakte Nr. I). Der auf die Anrechnung weiterer Zeiten zu sechs Sechstel gerichtete Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 28.06.2007).
Im Mai 2014 fiel im Rahmen einer Überprüfung (vgl. Bl. 144a VerwA) auf, dass bei Ausführung des Gerichtsbescheids des SG vom 23.11.1998 und Neuberechnung der Rente mit Bescheid vom 02.02.1999 die Kürzung der Entgelte auf 70% unterblieben war und die Rente seither in nicht zustehender Höhe gewährt wurde. Mit Schreiben vom 23.06.2014 teilte die Beklagte der Klägerin unter Darlegung des entsprechenden Sachverhalts mit, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 02.02.1999 und den Folgebescheid vom 03.05.2007 mit Wirkung für die Zukunft teilweise zurückzunehmen, wodurch sich die Höhe der gewährten Rente vermindere. Auf Grund zwischenzeitlich geänderter Rechtsauffassung könnten nunmehr zwar die Beitragszeiten als nachgewiesen angesehen und zu sechs Sechstel berücksichtigt werden, gleichwohl ergebe sich durch die vorzunehmende Kürzung der Entgelte auf 70% zukünftig eine geringere Rente.
Mit gemeinsam zur Post gegebenen Bescheiden vom 15.04.2015 und 27.04.2015 (vgl. Bl. 18 ff. LSG-Akte) stellte die Beklagte die Witwenrente von Anfang an neu fest, nahm den Bescheid vom 02.02.1999 sowie die Folgebescheide gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung ab 01.06.2015 der Höhe nach teilweise zurück und ermittelte die der Klägerin ab 01.06.2015 zustehende Rente nunmehr mit 416,65 EUR (Zahlbetrag 358,06 EUR). Hinsichtlich der Rentenberechnung wird auf die Bescheide Bezug genommen. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, die Aufhebung der früheren Entscheidungen sei allenfalls im Rahmen des § 45 "Abs. 5" SGB X statthaft, weshalb der zuletzt gezahlte Betrag weiter zu gewähren sei. Sie habe den Berechnungsfehler ebenso wenig wie die LVA bzw. die Beklagte erkannt. Die Absenkung der Entgelte auf 70% sei in den Berechnungen der Bescheide auch nicht darstellbar gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Darstellung ihrer Ermessenserwägungen zurück.
Am 16.02.2016 hat die Klägerin dagegen beim SG mit der Begründung Klage erhoben, ohne Anstellung komplizierter Erwägungen sei es nicht möglich gewesen, zu erkennen, dass die Berechnungen der LVA bzw. der Beklagten falsch waren.
Mit Urteil vom 20.06.2016 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 29.06.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.07.2016 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X seien nicht erfüllt. Der Fehler im Ausführungsbescheid vom 02.02.1999 sei ohne vertiefte Prüfung nicht erkennbar gewesen und ein Auftrag, diesen Bescheid vertieft zu prüfen, sei nicht erteilt worden. Das seinerzeitige Verfahren sei auf die Gewährung einer höheren Rente gerichtet gewesen und angesichts der zusätzlich berücksichtigten Mindestentgeltpunkte und zusätzlich anzurechnenden Monate sei das Berechnungsergebnis nach summarischer Prüfung plausibel gewesen. Da bei der Berechnung der Werteinheiten die Kürzung nicht dargestellt wurde, habe kein Grund für ein Misstrauen bestanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2016 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15.04.2015 und 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die hier vorliegende isolierte Anfechtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der Bescheide vom 15.04.2015 und 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2016, mit denen die Beklagte die Witwenrente der Klägerin unter Absenkung der Entgelte auf 70% und Bewertung der Beitragszeiten zu sechs Sechstel ab 01.06.2015 neu berechnete und den Bescheid vom 02.02.1999 sowie die Folgebescheide hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01.06.2015 teilweise zurücknahm. Der Sache nach hob die Beklagte mit diesen Bescheiden allerdings nicht den Bescheid vom 02.02.1999 auf, sondern den als Folgebescheid bezeichneten Bescheid vom 03.05.2007. Denn nach Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte im Zuge des Beitritts R. s zur EU stellte die Beklagte mit diesem Bescheid unter gleichzeitiger Rücknahme des Bescheids vom 11.08.1993 und der Folgebescheide und damit auch des Bescheids vom 02.02.1999 die Witwenrente der Klägerin ab Rentenbeginn neu fest.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Bescheide der Beklagten vom 15.04.2015 und 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte mit diesen Bescheiden (der Sache nach) den Bescheid vom 03.05.2007, mit dem sie der Klägerin angesichts der unterbliebenen Absenkung der Entgelte auf 70% Witwenrente in ihr nicht zustehender Höhe bewilligte, hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise zurücknahm und ihr mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab 01.06.2015 Witwenrente nur noch in der ihr zustehenden Höhe bewilligte.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 45 SGB X. Danach (Abs. 1 Satz 1) darf ein - auch unanfechtbar gewordener - begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme ist nicht möglich, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Abs. 2 Satz 1). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Abs. 2 Satz 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2007 war ebenso wie der hierdurch ersetzte Bescheid vom 02.02.1999 insoweit rechtswidrig, als bei der Ermittlung der Höhe der der Klägerin zustehenden Witwenrente die Kürzung der Entgelte aus den rumänischen Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten auf 70% unterblieb und die Witwenrente daher in unzutreffender Höhe gewährt wurde. Dass bei der Berechnung des der Klägerin monatlich zustehenden Anspruchs auf Witwenrente die in Rede stehende Kürzung der Entgelte durch Multiplikation mit dem Faktor 0,7 vorzunehmen war, wie dies in den Bescheiden vom 11.08.1993 sowie 23.01.1995 und 25.01.1995 auch erfolgte, hat auch die Klägerin selbst nicht in Zweifel gezogen. Denn im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 02.02.1999, in dem die Kürzung erstmals unterblieb, hat die Klägerin lediglich darauf hingewiesen, dass sie bzw. ihre Bevollmächtigten die Fehlerhaftigkeit nicht erkannt hätten und auch nicht hätten erkennen können. Vor diesem Hintergrund sind weitere Ausführungen zu der insoweit anzuwendenden Regelung des § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) in der Fassung des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Rentenüberleitungsgesetz - RÜG) vom 25.07.1991, BGBl. I S. 1606, entbehrlich.
Im Hinblick auf die Rücknahme der in Rede stehenden rechtswidrigen Bescheide und hinsichtlich der Neuberechnung der Witwenrente kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauen berufen. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit dieser Bescheide in Bezug auf die Rentenhöhe nicht gekannt haben sollte, so liegt nach Überzeugung des Senats im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X insoweit jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vor. Die Klägerin muss sich hierbei das Wissen bzw. grob fahrlässige Nichtwissen ihrer Bevollmächtigten zurechnen lassen (Anwendung des aus § 166 Abs. 1 und § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs folgenden allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht, vgl. Senatsentscheidung vom 16.06.2016, L 10 R 3153/13, mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -; so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2017, L 8 R 1083/14 in juris, ebenfalls mit weiteren Hinweisen).
Wie bereits ausgeführt, ist grobe Fahrlässigkeit nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X dann zu bejahen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, m.w.N.); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen. Bezugspunkt für das grobfahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde, hier die Rentenhöhe.
Von Bedeutung ist vorliegend, dass den Bevollmächtigten der Klägerin bekannt war, dass die dem Bescheid vom 11.08.1993 sowie den Bescheiden vom 23.01.1995 und 25.01.1995 zu Grunde liegende Rentenberechnung auf Entgelten beruhte, die auf 70% gekürzt waren. Denn den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11.08.1993 begründeten sie ausweislich ihres Schriftsatzes vom 06.06.1994 u.a. damit, dass das im Jahr 1962 für die Zeit vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 ausgewiesene Entgelt in Höhe von 317,78 DM eindeutig zu niedrig sei, und zwar "auch unter Beachtung der 5/6- Kürzung und der Kürzung auf 70%". Damit haben die Bevollmächtigten dokumentiert, dass ihnen bekannt war, dass der entsprechende Bescheid Entgelte auswies, die im Hinblick auf die zum 01.08.1991 in Kraft getretene Regelung des § 22 Abs. 4 FRG mit dem Faktor 0,7 zu vervielfältigen und auch entsprechend auf 70% gekürzt waren. Im Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995, mit dem die LVA dem Widerspruch der Klägerin insoweit abhalf, bestätigte die LVA dann auch die in Rede stehende Kürzung auf 70%, indem sie ausführte, dass in dem Zeitraum vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 ein Entgelt in Höhe von 2.225,00 DM anzuerkennen sei, das sich ausgehend von 3.900,00 DM durch eine Anrechnung zu 5/6 und Vervielfältigung mit 0,7 berechne ("3.900,00 DM x 5/6 x 0,7 x 352 Tage"). Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen des anhängigen Verfahrens unerheblich, dass die insoweit erfolgte Kürzung in den Berechnungen der seinerzeit ergangenen Bescheide noch nicht darstellbar und damit auch nicht für jeden unmittelbar aus dem Bescheid zu entnehmen war, dass eine solche Kürzung vorgenommen wurde.
Ausgehend hiervon weist der Umstand, dass sich die laufende Witwenrente der Klägerin auf Grund des in Ausführung des Gerichtsbescheids vom 23.11.1998 ergangenen Bescheids vom 02.02.1999 von bisher 311,28 DM auf nunmehr 563,83 DM, mithin um rund 80% erhöhte, deutlich auf eine fehlerhafte Berechnung der Witwenrente hin, und zwar insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf Grund der erfolgreich geführten Klage zwar mit einer gewissen Erhöhung der Rentenleistung zu rechnen war, die vorzunehmenden geringfügigen Änderung bei der Rentenberechnung jedoch keine Erhöhung in dem genannten Umfang erwarten ließen. So war die Klägerin mit ihrer Klage lediglich insoweit erfolgreich, als in den Jahren 1961, 1962, 1964, 1974, 1983 und 1985 eine Neuverteilung der bereits anerkannten Arbeitstage auf das ganze Jahr zu erfolgen hatte und darüber hinaus knapp fünf weitere Beschäftigungsmonate zu berücksichtigen waren (Berücksichtigung der Zeiten vom 01.10.1955 bis 31.12.1955 statt lediglich vom 01.10.1955 bis 28.10.1955, vom 01.01.1956 bis 10.11.1956 statt lediglich vom 01.01.1956 bis 03.10.1956, vom 01.01.1986 bis 15.12.1986 statt lediglich vom 01.01.1986 bis 02.11.1986). Ausgehend von dem der Rentenberechnung zu Grunde liegenden Zeitraum von mehr als 31 Jahren (01.10.1955 bis 15.12.1986) war mit diesen neuen Berechnungsgrundlagen ganz offensichtlich keine Erhöhung der Rente um rund 80% zu erwarten, weshalb den als Rentenberater tätigen Bevollmächtigten der Klägerin ohne weiteres die fehlerhafte Rentenhöhe aufgefallen sein musste. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren insoweit geltend gemacht hat, das Berechnungsergebnis sei nach summarischer Prüfung plausibel gewesen, ist dies für den Senat in Bezug auf die bevollmächtigten Rentenberater nicht nachvollziehbar. Vielmehr lag jedenfalls für die bevollmächtigten Rentenberater der Klägerin eine fehlerhafte Rentenberechnung auf der Hand und für diese mit Rentenbescheiden besonders vertrauten Bevollmächtigten war unschwer zu erkennen, dass die Höhe der ermittelten Rente auf der fehlerhaften Höhe der der Berechnung zu Grunde gelegten Entgelte zurückzuführen war, nachdem die im Bescheid vom 02.02.1999 ausgewiesenen Entgelte für die Beschäftigungszeiten des Versicherten deutlich über den noch in den Bescheiden vom 23.01.1995 und 25.01.1995 dokumentierten Entgelten lagen und gerade auch das Entgelt im Jahr 1962, hinsichtlich dessen die bevollmächtigten Rentenberater für die Klägerin ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren mit dem Ergebnis führte, dass der Rentenberechnung statt 317,78 DM ein Entgelt von 2.225,00 DM zu Grunde zu legen war, wies mit dem dokumentierten Betrag von 3.177,85 DM einen deutlich darüber liegenden Betrag aus. Angesichts dessen hätte für die Bevollmächtigten der Klägerin als Ursache eine unterbliebene Kürzung der Entgelte auf 70% naheliegen müssen. Denn ihnen war bekannt, dass eine entsprechende Kürzung zu erfolgen hatte, eine solche in dem von ihnen früher angefochtenen Bescheid vom 11.08.1993 auch durchgeführt war und auch nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995 zu erfolgen hatte. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren daher vorbringt, Grund für ein Misstrauen habe nicht bestanden, weil bei der Berechnung der Werteinheiten die Kürzung nicht dargestellt gewesen sei, trifft dies in Bezug auf ihre Bevollmächtigten gerade nicht zu.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, dass der Fehler im Ausführungsbescheid vom 02.02.1999 ohne vertiefte Prüfung nicht erkennbar gewesen sei und ein Auftrag, diesen Bescheid vertieft zu prüfen, auch nicht erteilt worden sei, trifft dies in beiderlei Hinsicht nicht zu. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Denn mit Schreiben vom 25.02.1999 erhoben ihre Bevollmächtigten für die Klägerin unter Hinweis auf die weiterhin gültige Vollmacht sogar Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.02.1999 und begehrten die Berücksichtigung einer Beitrags-/Beschäftigungszeit im Dezember 1986 bis zum 15.12.1986 (entsprechend dem Gerichtsbescheid des SG) sowie darüber hinaus die Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen Krankheit vom 16.12.1986 bis 31.12.1986. Dies macht hinreichend deutlich, dass die Bevollmächtigten der Klägerin beauftragt waren, den Ausführungsbescheid vom 02.02.1999 zu überprüfen und sich damit auch vertieft beschäftigten. Denn ohne eine solche Prüfung wäre eine Widerspruchsbegründung mit dem dargelegten Inhalt nicht möglich gewesen.
All dies gilt auch in Bezug auf den Bescheid vom 03.05.2007, der gerade auf einen von dem Bevollmächtigten gestellten Überprüfungsantrag - in Bezug auf die Rentenhöhe - erging, den Bevollmächtigten zugesandt wurde, die Rente unter Wiederholung des bisherigen Fehlers geringfügig höher feststellte und von den Bevollmächtigten wiederum mit Widerspruch angefochten wurde. Auch in Bezug auf den Bescheid vom 03.05.2007 waren die Bevollmächtigten somit mit der Prüfung der Rentenberechnung befasst und sie hatten Kenntnis von den bisherigen Geschehnissen, insbesondere über die erhebliche, aber - wie dargelegt - nicht plausible Erhöhung der Rente durch den Bescheid vom 02.02.1999. Es musste sich ihnen deshalb der Eindruck aufdrängen, dass die Rentenberechnung im Bescheid vom 03.05.2007 mit demselben Fehler behaftet war, wie im Bescheid vom 02.02.1999.
Der Senat geht nach alledem davon aus, dass auf Seiten der Bevollmächtigten der Klägerin, selbst wenn sie die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 02.02.1999 und dessen Nachfolgebescheide nicht positiv kannten, jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vorlag. Nicht erforderlich ist, dass für sie auch der konkrete Umfang der Rechtswidrigkeit erkennbar war. Maßgeblich ist allein, dass sie auf Grund der ihnen bekannten Umstände erkennen mussten, dass die Höhe der nunmehr gewährten Witwerrente so nicht richtig sein kann.
Die Beklagte hat schließlich auch ihr Ermessen erkannt, dieses dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt und alle wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Nicht geboten war es, im Rahmen der Ermessensabwägung ihren eigenen Fehler zugunsten der Klägerin in das Ermessen einzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.1990, 7 RAr 112/88 in SozR 3-1200 § 45 Nr. 2, zitiert nach juris).
Letztlich hielt die Beklagte ausgehend von der im Mai 2014 festgestellten Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 02.02.1999 und der Folgebescheide mit Erlass der Bescheide vom 15.04.2015 und 27.04.2015 auch die Ein-Jahres-Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ein. Nicht anzuwenden ist die Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, da die Witwenrente bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über deren Rücknahme gezahlt wurde (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X) und - wie ausgeführt - der Klägerin bzw. ihren Bevollmächtigten grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der ihr in fehlerhafter Höhe bewilligten Witwenrente.
Die am 1940 geborene, aus R. stammende Klägerin ist die Witwe des am 17.04.1936 geborenen, ebenfalls aus R. stammenden und dort am 29.04.1987 verstorbenen J. H. (im Folgenden Versicherter).
Der Versicherte war von 1955 bis 1989 - unterbrochen durch seinen Wehrdienst - im "Pflanzen- und Zootechniesektor" der Landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaft S. beschäftigt. In einer entsprechenden Bescheinigung vom 13.08.1991 (vgl. Bl. 13 VerwA) bestätigte diese das in den Jahren 1955 und 1956 sowie von 1959 bis 1986 jährlich jeweils erreichte "Arbeitsvolumen", das unter den Rubriken "Geplantes Jahresarbeitsvolumen Normen", "Erreichtes Jahresarbeitsvolumen Normen" und "Erreichtes Jahreseinkommen Lei" aufgelistet wurde.
Die Klägerin siedelte am 18.08.1991 in die Bundesrepublik Deutschland über und beantragte im Oktober 1991 durch ihre Bevollmächtigten, von denen sie seither vertreten wird, Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Die Landesversicherungsanstalt B. (LVA) gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 09.03.1992 zunächst einen Vorschuss und informierte sie nachfolgend mit Bescheid vom 13.06.1992 über die ihr nach der Rentenanpassung 1992 ab 01.07.1992 zustehende laufende Witwenrente, die monatlich 405,80 DM (Zahlbetrag: 380,44 DM) betrage. Hiergegen erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Widerspruch und bat um Erläuterung, wodurch sich der ursprüngliche Zahlbetrag von 315,60 DM auf 380,44 DM erhöhe; aus dem Bescheid vom 09.03.1992 sei nicht abzuleiten, welche Daten Grundlage der Anpassung gewesen seien (vgl. S. 51 VerwA).
Mit Bescheid vom 11.08.1993 bewilligte die LVA der Klägerin sodann Witwenrente ab 18.08.1991. Der Rentenberechnung legte sie glaubhaft gemachte - und deshalb auf fünf Sechstel gekürzte - Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten aus dem Zeitraum von 1955 bis 1986 zu Grunde, deren Entgelte sie mit dem Faktor 0,7 multiplizierte. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten mit dem Begehren Widerspruch, die Beitragszeiten ungekürzt, d.h. zu sechs Sechstel anzurechnen und in den Jahren 1962 und 1986 höhere Entgelte zu berücksichtigen. Diese seien zu niedrig, insbesondere sei das der Zeit vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 zu Grunde liegende Entgelt von 317,78 DM - auch unter Beachtung der Fünf-Sechsel-Kürzung und der Kürzung auf 70% - eindeutig zu niedrig (vgl. S. 91 ff. VerwA). Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995 half die LVA dem Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Entgelthöhe für das Jahr 1962 ab und führte aus, in dem genannten Zeitraum müssten 2.225,00 DM (3.900,00 DM x 5/6 x 0,7 x 352 Tage) in die Rentenberechnung einfließen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück (vgl. S. 107 ff. VerwA). Dementsprechend stellte die LVA die Witwenrente der Klägerin mit Bescheiden vom 23.01.1995 und 25.01.1995 ab 18.08.1991 neu fest (monatlicher Rentenbetrag 439,80 DM, Zahlbetrag 412,97 DM) und berücksichtigte dabei in der Zeit vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 ein Entgelt in Höhe von 2.225,00 DM (vgl. Bl. 6 ff. Wspr.-Akte II).
Im Mai 1995 stellte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) und beantragte die Neuberechnung der Rente. Sie machte geltend, ausgehend von der vorgelegten Bescheinigung habe die LVA zwar zutreffend für jede erreichte Arbeitsnorm einen Arbeitstag zu Grunde gelegt, zu beanstanden sei in mehreren Jahren jedoch die Verteilung dieser Arbeitstage. Da der Versicherte die Beschäftigung das ganze Jahr über ausgeübt habe und keine Arbeitsunterbrechung von zumindest einem Monat vorgelegen habe, habe eine Verteilung der Arbeitstage auf das ganze Jahr zu erfolgen, dementsprechend für 1955 (28 Arbeitstage auf die Zeit vom 01.10. bis 31.12.; laut Bescheid 01. bis 28.10.), 1956 (273 Arbeitstage auf die Zeit vom 01.01. bis 10.11.; laut Bescheid 01.01. bis 03.10. und 11.11. bis 31.12.), die Jahre 1961, 1962, 1964, 1974, 1983 und 1985 (Anzahl der Arbeitstage jeweils auf die Zeit vom 01.01. bis 31.12.; laut Bescheid 01.01. bis 13.11.1961, 01.01. bis 22.12.1962, 01.01. bis 20.12.1964, 01.01. bis 17.12.1974, 01.01. bis 15.10.1983, 01.01. bis 14.06.1985) sowie 1986 (302 Arbeitstage auf die Zeit vom 01.01. bis 15.12.; laut Bescheid 01.01. bis 02.11.). Die LVA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 27.11.1995 und Widerspruchsbescheid vom 02.05.1996 ab. Das nachfolgend angerufene Sozialgericht Karlsruhe (SG) hob die angefochtenen Bescheide mit Gerichtsbescheid vom 23.11.1998 (S 15 RJ 1632/96) auf und verurteilte die LVA, der Klägerin unter Berücksichtigung eines ganzjährigen Beschäftigungsverhältnisses in den Jahren 1961, 1962, 1964, 1974, 1983 sowie 1985 und Berücksichtigung der Zeiten vom 01.10.1955 bis 31.12.1955, vom 01.01.1956 bis 10.11.1956 und vom 01.01.1986 bis 15.12.1986 als Beschäftigungszeit, jeweils zu fünf Sechstel, höhere Witwenrente zu gewähren.
Mit Bescheid vom 02.02.1999 führte die LVA diesen Gerichtsbescheid aus und stellte die Rente der Klägerin ab 18.08.1991 neu fest. Bei dieser Neuberechnung unterblieb irrtümlich die Kürzung der Entgelte auf 70%. Als Rentenanspruch ergab sich nunmehr ein Bruttobetrag von anfänglich 676,86 DM sowie nachfolgend ab 01.07.1992 von 696,29 DM, ab 01.07.1993 von 726,67 DM, ab 01.07.1994 von 751,34 DM, ab 01.07.1995 von 755,09 DM, ab 01.07.1996 von 762,28 DM, ab 01.07.1997 von 774,86 DM und ab 01.07.1998 von 728,29 DM (vgl. Bl. 24 ff. Wspr.-Akte II). Bei der Berechnung des Zahlbetrags berücksichtigte die LVA über den Beitragsanteil zur Krankenversicherung hinaus zeitweise anzurechnendes Einkommen der Klägerin. Dabei betrug der laufende Zahlbetrag ab 01.03.1999 statt bisher 311,28 DM nunmehr 563,83 DM; dieser hatte sich dementsprechend um insgesamt 252,55 DM, mithin um rund 80% erhöht (vgl. Angaben des Klägerbevollmächtigten, S. 309 VerwA). Die daraus errechnete Nachzahlung belief sich auf ca. 21.800 DM.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Widerspruch und beantragte, die Berücksichtigung einer Beitrags-/Beschäftigungszeit im Dezember 1986 bis zum 15.12.1986 (entsprechend dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts) und vom 16.12.1986 bis 31.12.1986 die Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen Krankheit (vgl. S. 293 VerwA). Vor dem Hintergrund der Ausführungen der LVA im Schreiben vom 17.03.1999 (vgl. S. 295 VerwA) verfolgte die Klägerin ihren Widerspruch nachfolgend nicht mehr weiter.
Im Juni 2006 beantragte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten die Überprüfung der Bescheide vom 11.08.1993 und 02.02.1999 gemäß § 44 SGB X und machte geltend, die Zeiten der Mitgliedschaft des Versicherten in der Genossenschaft S. seien zu sechs Sechstel anzurechnen und nach neuerer Rechtsauffassung der Beklagten sei - anders als noch im Bescheid vom 02.02.1999 zu Grunde gelegt - nicht mehr von einer Teilzeitbeschäftigung auszugehen (vgl. Bl. 12 VerwA 2. Teil).
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Unterfranken, Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), mit dem Beitritt R. s zur Europäischen Union (EU) zum 01.01.2007 für Feststellungen und die Rentenzahlung zuständig geworden war, stellte sie mit ihrem den Bevollmächtigten übersandten Bescheid vom 03.05.2007 unter gleichzeitiger Rücknahme des Bescheids vom 11.08.1993 und der Folgebescheide die Witwenrente der Klägerin neu - und geringfügig höher - fest. Hierbei berücksichtigte sie - entsprechend des zuletzt geltend gemachten Begehrens der Klägerin - durchgehend vom 01.10.1955 bis 31.12.1986 eine Vollzeitbeschäftigung. Bei dieser Neuberechnung unterblieb irrtümlich erneut die Kürzung der Entgelte auf 70%. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen (Widerspruchsakte Nr. I). Der auf die Anrechnung weiterer Zeiten zu sechs Sechstel gerichtete Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 28.06.2007).
Im Mai 2014 fiel im Rahmen einer Überprüfung (vgl. Bl. 144a VerwA) auf, dass bei Ausführung des Gerichtsbescheids des SG vom 23.11.1998 und Neuberechnung der Rente mit Bescheid vom 02.02.1999 die Kürzung der Entgelte auf 70% unterblieben war und die Rente seither in nicht zustehender Höhe gewährt wurde. Mit Schreiben vom 23.06.2014 teilte die Beklagte der Klägerin unter Darlegung des entsprechenden Sachverhalts mit, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 02.02.1999 und den Folgebescheid vom 03.05.2007 mit Wirkung für die Zukunft teilweise zurückzunehmen, wodurch sich die Höhe der gewährten Rente vermindere. Auf Grund zwischenzeitlich geänderter Rechtsauffassung könnten nunmehr zwar die Beitragszeiten als nachgewiesen angesehen und zu sechs Sechstel berücksichtigt werden, gleichwohl ergebe sich durch die vorzunehmende Kürzung der Entgelte auf 70% zukünftig eine geringere Rente.
Mit gemeinsam zur Post gegebenen Bescheiden vom 15.04.2015 und 27.04.2015 (vgl. Bl. 18 ff. LSG-Akte) stellte die Beklagte die Witwenrente von Anfang an neu fest, nahm den Bescheid vom 02.02.1999 sowie die Folgebescheide gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung ab 01.06.2015 der Höhe nach teilweise zurück und ermittelte die der Klägerin ab 01.06.2015 zustehende Rente nunmehr mit 416,65 EUR (Zahlbetrag 358,06 EUR). Hinsichtlich der Rentenberechnung wird auf die Bescheide Bezug genommen. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, die Aufhebung der früheren Entscheidungen sei allenfalls im Rahmen des § 45 "Abs. 5" SGB X statthaft, weshalb der zuletzt gezahlte Betrag weiter zu gewähren sei. Sie habe den Berechnungsfehler ebenso wenig wie die LVA bzw. die Beklagte erkannt. Die Absenkung der Entgelte auf 70% sei in den Berechnungen der Bescheide auch nicht darstellbar gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Darstellung ihrer Ermessenserwägungen zurück.
Am 16.02.2016 hat die Klägerin dagegen beim SG mit der Begründung Klage erhoben, ohne Anstellung komplizierter Erwägungen sei es nicht möglich gewesen, zu erkennen, dass die Berechnungen der LVA bzw. der Beklagten falsch waren.
Mit Urteil vom 20.06.2016 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 29.06.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.07.2016 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X seien nicht erfüllt. Der Fehler im Ausführungsbescheid vom 02.02.1999 sei ohne vertiefte Prüfung nicht erkennbar gewesen und ein Auftrag, diesen Bescheid vertieft zu prüfen, sei nicht erteilt worden. Das seinerzeitige Verfahren sei auf die Gewährung einer höheren Rente gerichtet gewesen und angesichts der zusätzlich berücksichtigten Mindestentgeltpunkte und zusätzlich anzurechnenden Monate sei das Berechnungsergebnis nach summarischer Prüfung plausibel gewesen. Da bei der Berechnung der Werteinheiten die Kürzung nicht dargestellt wurde, habe kein Grund für ein Misstrauen bestanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2016 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15.04.2015 und 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die hier vorliegende isolierte Anfechtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der Bescheide vom 15.04.2015 und 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2016, mit denen die Beklagte die Witwenrente der Klägerin unter Absenkung der Entgelte auf 70% und Bewertung der Beitragszeiten zu sechs Sechstel ab 01.06.2015 neu berechnete und den Bescheid vom 02.02.1999 sowie die Folgebescheide hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01.06.2015 teilweise zurücknahm. Der Sache nach hob die Beklagte mit diesen Bescheiden allerdings nicht den Bescheid vom 02.02.1999 auf, sondern den als Folgebescheid bezeichneten Bescheid vom 03.05.2007. Denn nach Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte im Zuge des Beitritts R. s zur EU stellte die Beklagte mit diesem Bescheid unter gleichzeitiger Rücknahme des Bescheids vom 11.08.1993 und der Folgebescheide und damit auch des Bescheids vom 02.02.1999 die Witwenrente der Klägerin ab Rentenbeginn neu fest.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Bescheide der Beklagten vom 15.04.2015 und 27.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte mit diesen Bescheiden (der Sache nach) den Bescheid vom 03.05.2007, mit dem sie der Klägerin angesichts der unterbliebenen Absenkung der Entgelte auf 70% Witwenrente in ihr nicht zustehender Höhe bewilligte, hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise zurücknahm und ihr mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab 01.06.2015 Witwenrente nur noch in der ihr zustehenden Höhe bewilligte.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 45 SGB X. Danach (Abs. 1 Satz 1) darf ein - auch unanfechtbar gewordener - begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme ist nicht möglich, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Abs. 2 Satz 1). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Abs. 2 Satz 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2007 war ebenso wie der hierdurch ersetzte Bescheid vom 02.02.1999 insoweit rechtswidrig, als bei der Ermittlung der Höhe der der Klägerin zustehenden Witwenrente die Kürzung der Entgelte aus den rumänischen Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten auf 70% unterblieb und die Witwenrente daher in unzutreffender Höhe gewährt wurde. Dass bei der Berechnung des der Klägerin monatlich zustehenden Anspruchs auf Witwenrente die in Rede stehende Kürzung der Entgelte durch Multiplikation mit dem Faktor 0,7 vorzunehmen war, wie dies in den Bescheiden vom 11.08.1993 sowie 23.01.1995 und 25.01.1995 auch erfolgte, hat auch die Klägerin selbst nicht in Zweifel gezogen. Denn im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 02.02.1999, in dem die Kürzung erstmals unterblieb, hat die Klägerin lediglich darauf hingewiesen, dass sie bzw. ihre Bevollmächtigten die Fehlerhaftigkeit nicht erkannt hätten und auch nicht hätten erkennen können. Vor diesem Hintergrund sind weitere Ausführungen zu der insoweit anzuwendenden Regelung des § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) in der Fassung des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Rentenüberleitungsgesetz - RÜG) vom 25.07.1991, BGBl. I S. 1606, entbehrlich.
Im Hinblick auf die Rücknahme der in Rede stehenden rechtswidrigen Bescheide und hinsichtlich der Neuberechnung der Witwenrente kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauen berufen. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit dieser Bescheide in Bezug auf die Rentenhöhe nicht gekannt haben sollte, so liegt nach Überzeugung des Senats im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X insoweit jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vor. Die Klägerin muss sich hierbei das Wissen bzw. grob fahrlässige Nichtwissen ihrer Bevollmächtigten zurechnen lassen (Anwendung des aus § 166 Abs. 1 und § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs folgenden allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht, vgl. Senatsentscheidung vom 16.06.2016, L 10 R 3153/13, mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -; so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2017, L 8 R 1083/14 in juris, ebenfalls mit weiteren Hinweisen).
Wie bereits ausgeführt, ist grobe Fahrlässigkeit nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X dann zu bejahen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, m.w.N.); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen. Bezugspunkt für das grobfahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde, hier die Rentenhöhe.
Von Bedeutung ist vorliegend, dass den Bevollmächtigten der Klägerin bekannt war, dass die dem Bescheid vom 11.08.1993 sowie den Bescheiden vom 23.01.1995 und 25.01.1995 zu Grunde liegende Rentenberechnung auf Entgelten beruhte, die auf 70% gekürzt waren. Denn den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11.08.1993 begründeten sie ausweislich ihres Schriftsatzes vom 06.06.1994 u.a. damit, dass das im Jahr 1962 für die Zeit vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 ausgewiesene Entgelt in Höhe von 317,78 DM eindeutig zu niedrig sei, und zwar "auch unter Beachtung der 5/6- Kürzung und der Kürzung auf 70%". Damit haben die Bevollmächtigten dokumentiert, dass ihnen bekannt war, dass der entsprechende Bescheid Entgelte auswies, die im Hinblick auf die zum 01.08.1991 in Kraft getretene Regelung des § 22 Abs. 4 FRG mit dem Faktor 0,7 zu vervielfältigen und auch entsprechend auf 70% gekürzt waren. Im Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995, mit dem die LVA dem Widerspruch der Klägerin insoweit abhalf, bestätigte die LVA dann auch die in Rede stehende Kürzung auf 70%, indem sie ausführte, dass in dem Zeitraum vom 01.01.1962 bis 22.12.1962 ein Entgelt in Höhe von 2.225,00 DM anzuerkennen sei, das sich ausgehend von 3.900,00 DM durch eine Anrechnung zu 5/6 und Vervielfältigung mit 0,7 berechne ("3.900,00 DM x 5/6 x 0,7 x 352 Tage"). Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen des anhängigen Verfahrens unerheblich, dass die insoweit erfolgte Kürzung in den Berechnungen der seinerzeit ergangenen Bescheide noch nicht darstellbar und damit auch nicht für jeden unmittelbar aus dem Bescheid zu entnehmen war, dass eine solche Kürzung vorgenommen wurde.
Ausgehend hiervon weist der Umstand, dass sich die laufende Witwenrente der Klägerin auf Grund des in Ausführung des Gerichtsbescheids vom 23.11.1998 ergangenen Bescheids vom 02.02.1999 von bisher 311,28 DM auf nunmehr 563,83 DM, mithin um rund 80% erhöhte, deutlich auf eine fehlerhafte Berechnung der Witwenrente hin, und zwar insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf Grund der erfolgreich geführten Klage zwar mit einer gewissen Erhöhung der Rentenleistung zu rechnen war, die vorzunehmenden geringfügigen Änderung bei der Rentenberechnung jedoch keine Erhöhung in dem genannten Umfang erwarten ließen. So war die Klägerin mit ihrer Klage lediglich insoweit erfolgreich, als in den Jahren 1961, 1962, 1964, 1974, 1983 und 1985 eine Neuverteilung der bereits anerkannten Arbeitstage auf das ganze Jahr zu erfolgen hatte und darüber hinaus knapp fünf weitere Beschäftigungsmonate zu berücksichtigen waren (Berücksichtigung der Zeiten vom 01.10.1955 bis 31.12.1955 statt lediglich vom 01.10.1955 bis 28.10.1955, vom 01.01.1956 bis 10.11.1956 statt lediglich vom 01.01.1956 bis 03.10.1956, vom 01.01.1986 bis 15.12.1986 statt lediglich vom 01.01.1986 bis 02.11.1986). Ausgehend von dem der Rentenberechnung zu Grunde liegenden Zeitraum von mehr als 31 Jahren (01.10.1955 bis 15.12.1986) war mit diesen neuen Berechnungsgrundlagen ganz offensichtlich keine Erhöhung der Rente um rund 80% zu erwarten, weshalb den als Rentenberater tätigen Bevollmächtigten der Klägerin ohne weiteres die fehlerhafte Rentenhöhe aufgefallen sein musste. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren insoweit geltend gemacht hat, das Berechnungsergebnis sei nach summarischer Prüfung plausibel gewesen, ist dies für den Senat in Bezug auf die bevollmächtigten Rentenberater nicht nachvollziehbar. Vielmehr lag jedenfalls für die bevollmächtigten Rentenberater der Klägerin eine fehlerhafte Rentenberechnung auf der Hand und für diese mit Rentenbescheiden besonders vertrauten Bevollmächtigten war unschwer zu erkennen, dass die Höhe der ermittelten Rente auf der fehlerhaften Höhe der der Berechnung zu Grunde gelegten Entgelte zurückzuführen war, nachdem die im Bescheid vom 02.02.1999 ausgewiesenen Entgelte für die Beschäftigungszeiten des Versicherten deutlich über den noch in den Bescheiden vom 23.01.1995 und 25.01.1995 dokumentierten Entgelten lagen und gerade auch das Entgelt im Jahr 1962, hinsichtlich dessen die bevollmächtigten Rentenberater für die Klägerin ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren mit dem Ergebnis führte, dass der Rentenberechnung statt 317,78 DM ein Entgelt von 2.225,00 DM zu Grunde zu legen war, wies mit dem dokumentierten Betrag von 3.177,85 DM einen deutlich darüber liegenden Betrag aus. Angesichts dessen hätte für die Bevollmächtigten der Klägerin als Ursache eine unterbliebene Kürzung der Entgelte auf 70% naheliegen müssen. Denn ihnen war bekannt, dass eine entsprechende Kürzung zu erfolgen hatte, eine solche in dem von ihnen früher angefochtenen Bescheid vom 11.08.1993 auch durchgeführt war und auch nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995 zu erfolgen hatte. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren daher vorbringt, Grund für ein Misstrauen habe nicht bestanden, weil bei der Berechnung der Werteinheiten die Kürzung nicht dargestellt gewesen sei, trifft dies in Bezug auf ihre Bevollmächtigten gerade nicht zu.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, dass der Fehler im Ausführungsbescheid vom 02.02.1999 ohne vertiefte Prüfung nicht erkennbar gewesen sei und ein Auftrag, diesen Bescheid vertieft zu prüfen, auch nicht erteilt worden sei, trifft dies in beiderlei Hinsicht nicht zu. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Denn mit Schreiben vom 25.02.1999 erhoben ihre Bevollmächtigten für die Klägerin unter Hinweis auf die weiterhin gültige Vollmacht sogar Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.02.1999 und begehrten die Berücksichtigung einer Beitrags-/Beschäftigungszeit im Dezember 1986 bis zum 15.12.1986 (entsprechend dem Gerichtsbescheid des SG) sowie darüber hinaus die Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen Krankheit vom 16.12.1986 bis 31.12.1986. Dies macht hinreichend deutlich, dass die Bevollmächtigten der Klägerin beauftragt waren, den Ausführungsbescheid vom 02.02.1999 zu überprüfen und sich damit auch vertieft beschäftigten. Denn ohne eine solche Prüfung wäre eine Widerspruchsbegründung mit dem dargelegten Inhalt nicht möglich gewesen.
All dies gilt auch in Bezug auf den Bescheid vom 03.05.2007, der gerade auf einen von dem Bevollmächtigten gestellten Überprüfungsantrag - in Bezug auf die Rentenhöhe - erging, den Bevollmächtigten zugesandt wurde, die Rente unter Wiederholung des bisherigen Fehlers geringfügig höher feststellte und von den Bevollmächtigten wiederum mit Widerspruch angefochten wurde. Auch in Bezug auf den Bescheid vom 03.05.2007 waren die Bevollmächtigten somit mit der Prüfung der Rentenberechnung befasst und sie hatten Kenntnis von den bisherigen Geschehnissen, insbesondere über die erhebliche, aber - wie dargelegt - nicht plausible Erhöhung der Rente durch den Bescheid vom 02.02.1999. Es musste sich ihnen deshalb der Eindruck aufdrängen, dass die Rentenberechnung im Bescheid vom 03.05.2007 mit demselben Fehler behaftet war, wie im Bescheid vom 02.02.1999.
Der Senat geht nach alledem davon aus, dass auf Seiten der Bevollmächtigten der Klägerin, selbst wenn sie die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 02.02.1999 und dessen Nachfolgebescheide nicht positiv kannten, jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vorlag. Nicht erforderlich ist, dass für sie auch der konkrete Umfang der Rechtswidrigkeit erkennbar war. Maßgeblich ist allein, dass sie auf Grund der ihnen bekannten Umstände erkennen mussten, dass die Höhe der nunmehr gewährten Witwerrente so nicht richtig sein kann.
Die Beklagte hat schließlich auch ihr Ermessen erkannt, dieses dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt und alle wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Nicht geboten war es, im Rahmen der Ermessensabwägung ihren eigenen Fehler zugunsten der Klägerin in das Ermessen einzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.1990, 7 RAr 112/88 in SozR 3-1200 § 45 Nr. 2, zitiert nach juris).
Letztlich hielt die Beklagte ausgehend von der im Mai 2014 festgestellten Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 02.02.1999 und der Folgebescheide mit Erlass der Bescheide vom 15.04.2015 und 27.04.2015 auch die Ein-Jahres-Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ein. Nicht anzuwenden ist die Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, da die Witwenrente bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über deren Rücknahme gezahlt wurde (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X) und - wie ausgeführt - der Klägerin bzw. ihren Bevollmächtigten grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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