L 9 R 4653/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1730/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4653/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 8. November 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung streitig.

Der 1966 geborene Kläger ist Diplomingenieur; derzeit ist er als Sachbearbeiter im Bereich Verpackung bei der Firma M. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Im März 2014 reduzierte er die Arbeitszeit auf 17,5 Wochenstunden.

Am 15.04.2015 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit 01.03.2014 wegen erhöhter psychischer Belastungen aufgrund Trennung/Scheidung und Kindesentzug durch die Kindsmutter für erwerbsgemindert zu halten und verwies auf ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 17.03.2015, das im Rahmen des Scheidungsverfahrens durch das Amtsgericht (AG) T. eingeholt worden war. Dr. T. stellte die Diagnosen mittelgradige depressive Episode, Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) mit schubförmiger Verlaufsform, Tinnitus beidseits und Verdacht auf akzentuierte Persönlichkeitsmerkmale (DD: Persönlichkeitsstörung). Er sei davon überzeugt, dass die berufliche Leistungsfähigkeit durch die vorliegenden Erkrankungen deutlich eingeschränkt sei. Der Kläger sei nur noch in der Lage, wöchentlich 20 Stunden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Weiteres vollschichtiges Arbeiten von 35 Stunden und mehr pro Woche oder arbeitstäglich vier Stunden und mehr hätte nach seiner Einschätzung zu einer weiteren Überforderung geführt. Eine Besserung sei erst nach Abschluss des Scheidungsverfahrens zu erwarten. Derzeit erfolge keine adäquate Behandlung; mit einer solchen sei eine Besserung zu erwarten. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., der in seinem Gutachten vom 18.11.2015 die Diagnosen anhaltende affektive Störung leichten Grades und Multiple Sklerose mit schubförmigem Verlauf, nahezu vollständig remittiert, angab. Der Kläger könne sowohl die derzeit ausgeübte Tätigkeit als Maschinenbauingenieur als auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten. Wesentliche funktionelle Einschränkungen ließen sich nicht begründen.

Mit Bescheid vom 03.12.2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da dieser nach ihrer medizinischen Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.

Zur Begründung seines hiergegen am 15.12.2015 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger Einwände gegen das Gutachten von Dr. H. geltend. Der von Dr. H. aufgeführte psychische Befund sei an mehreren Stellen fehlerhaft. Die angeführte Multiple Sklerose sei nicht Ursache seiner teilweisen Erwerbsminderung, sondern ebenso wie die Hörstürze, die plötzlich auftretenden Allergien und die Durchblutungsstörung am rechten Bein Folge der psychischen Überlastung. Es sei unzutreffend, dass er sich nicht in psychiatrischer Behandlung befinde. Zwar nehme er keinerlei Psychopharmaka oder Antidepressiva ein, dies aber in Abstimmung mit Dr. P. und Dr. S., die ihm beide bestätigt hätten, dass in erster Linie eine Reduktion der Arbeitsbelastung wieder Ruhe in sein Seelenleben bringen sollte. Bei Dr. S. finde ca. alle sechs Wochen eine regelmäßige Folgebeurteilung und Überwachung statt. Zwischen den Begutachtungen durch Dr. T. und Dr. H. hätten einige Monate gelegen, was aber nicht als Begründung für die abweichenden Befundergebnisse dienen könne. Die Belastung durch sein Scheidungsverfahren habe sich seitdem eher verstärkt. Solange dies auf ihn einwirke, sei nicht davon auszugehen, dass er auch noch die Belastungen einer Vollzeittätigkeit psychisch verkraften könne. Wenn seine Arbeitskraft einigermaßen erhalten bleiben sollte, sei die Arbeitszeitreduktion zwingend fortzusetzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch nach Einholung der ärztlichen Stellungnahme des Dr. L. vom 17.06.2016 zurück und führte zur Begründung aus, unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden arbeitstäglich einschränkten.

Am 03.08.2016 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe seit April 2014 aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitszeit auf die Hälfte reduziert. Im April 2016 habe der leitende Werksarzt die Fortsetzung der Halbtagstätigkeit bekräftigt. Auch liege nicht nur eine affektive Störung leichten Grades vor, wenn man das Gutachten von Dr. T. berücksichtige. Der Verweis auf die Aufnahme einer anderen Tätigkeit sei realitätsfern, vor allem in Anbetracht dessen, dass er eine gut bezahlte Vollzeitstelle, die er vorübergehend in Halbtagstätigkeit ausführe, kündigen sollte. Auch könne es nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, dass für nach 1961 geborene Versicherte keine Teilerwerbsminderungsrente mehr vorgesehen sei.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Allgemeinmediziner Dr. K. hat unter dem 19.09.2016 von einem Verschluss der Arteria Tibialis anterior und posterior berichtet. Ein Rekanalisationsversuch sei nicht gelungen. Von der empfohlenen Sympathektomie habe man wegen fehlender Beschwerden Abstand genommen. Nachteilige Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestünden nicht. Dr. T. hat auf sein Gutachten vom 17.03.2015 verwiesen. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. hat unter dem 20.09.2016 mitgeteilt, es sei keine Behandlung erfolgt. Der Kläger habe sich lediglich im Dezember 2013 zur Erlangung eines Attestes vorgestellt. Der Neurologe Prof. Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 20.10.2016 über Behandlungen am 25.09. und 30.09.2014 berichtet. Der Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. K. hat unter dem 28.09.2015 über eine einmalige Untersuchung am 24.07.2015 berichtet. Es sei der dringende Verdacht auf ein Antiphospholipidsyndrom geäußert worden. Bei dem Kläger bestehe seit Jahren ein Raynaud-Syndrom. Er gehe davon aus, dass leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden möglich seien. In seiner Auskunft vom 11.10.2016 hat der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. H. erklärt, der Kläger habe sich am 23.08.2013 und 29.08.2013 bei ihm vorgestellt. Der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. S. hat in seiner Auskunft vom 23.09.2016 mitgeteilt, den Kläger im Rahmen der werksärztlichen Sprechstunde und arbeitsmedizinischer Vorsorgen seit 2004 zu betreuen. Seit dem 01.01.2015 habe er ihn wegen psychischer Probleme, privat, und Kopfschmerzen behandelt. Da der Inhalt der Praxiskonsultationen in der werksärztlichen Sprechstunde nahezu ausschließlich in entlastenden Gesprächen bei bestehender psychosozialer Belastungssituation bestanden habe, könne er aus eigener Anschauung und Diagnostik keine Aussage zur aktuellen körperlichen Leistungsfähigkeit machen.

Das SG hat dann ein Gutachten bei dem Nervenarzt Dr. W. eingeholt. In seinem Gutachten vom 01.08.2017 hat dieser auf Grundlage der persönlichen Untersuchung des Klägers am 25.07.2017 folgende Diagnosen mitgeteilt: Dysthymie, Fatigue-Syndrom bei Multipler Sklerose, rezidivierende Lumbalgien und Zervikalgien ohne neurologische Ausfälle, Tinnitus beidseits. Auf rein neurologischem Fachgebiet bestehe beim Kläger keine Gesundheitsstörung, die zu einer Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit führen könnte. Zwar sei bei ihm eine Multiple Sklerose diagnostiziert worden, daraus resultierende neurologische Defizite seien jedoch nicht nachweisbar gewesen. In psychischer Hinsicht habe der Kläger durchaus glaubhaft vermehrte Erschöpfbarkeit geschildert, die seines Erachtens am ehesten im Sinne einer Fatigue-Symptomatik bei Multipler Sklerose zu werten sei. Zudem bestehe eine eher leichtgradige chronifizierte Symptomatik aufgrund des langwierigen und den Kläger sehr belastenden Scheidungsverfahrens. Die psychische Belastbarkeit sei reduziert, sodass Tätigkeiten im Schichtbetrieb sowie Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandtätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr nicht verrichtet werden könnten. Darüber hinaus sei bekannt, dass Symptome einer Multiplen Sklerose durch Hitze verstärkt werden könnten, sodass Tätigkeiten mit hoher Temperaturbelastung nicht möglich seien. Während der jetzigen Untersuchung sei jedoch kein Grund erkennbar gewesen, warum der Kläger nicht in der Lage sein sollte, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, aber auch die bisherige Tätigkeit eines Maschinenbauingenieurs sechs Stunden und mehr werktäglich zu verrichten. An seiner Einschätzung hat der Gutachter in einer ergänzenden Stellungnahme vom 25.08.2017 festgehalten.

Mit Urteil vom 08.11.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Bei dem Kläger bestünden vor allem eine Dysthymie und ein Fatigue-Syndrom bei multipler Sklerose. Die depressive Symptomatik sei dabei gering ausgeprägt, da sie weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug sei, um die Kriterien einer schweren mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Eine engmaschige Behandlung im Sinne einer engmaschigen Psychotherapie oder psychiatrischen Behandlung finde nicht statt. Der Kläger suche lediglich einmal im Monat den Werksarzt, der über eine psychologische Ausbildung verfüge, auf. Auch erfolge keine psychopharmakologische Behandlung. In der Stimmungslage sei der Kläger teilweise gedrückt und nachdenklich und leichtgradig eingeschränkt in der affektiven Schwingungsfähigkeit. Antrieb und Psychomotorik sowie Aufmerksamkeit und Konzentration seien in der Untersuchung selbst ohne Auffälligkeiten gewesen. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen entnehme die Kammer dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere dem Sachverständigengutachten von Dr. W. Die Kammer habe keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Das Gutachten stehe überdies im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgutachten von Dr. H. sowie der Einschätzung von Dr. K. und Dr. K. Soweit Dr. T. noch eine mittelgradige depressive Episode mit einer zeitlichen Leistungseinschränkung angenommen habe, werde diese Einschätzungen durch die nachfolgend eingeholten Fachgutachten als widerlegt angesehen bzw. seien diese Erkrankungen zuletzt nicht mehr nachweisbar gewesen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er nach dem maßgeblichen Stichtag geboren sei.

Gegen das ihm am 04.12.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.12.2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er habe wiederholt darauf hingewiesen, dass das Problem seiner verminderten Leistungsfähigkeit, die Dr. W. per se auch gewürdigt habe, gerade nicht in der Komplexität seiner derzeitigen Arbeit liege. Letztere sei bereits ab ca. 2009 auf ein "Schwachsinnigkeitsniveau" heruntergeschraubt worden, das weit entfernt sei von den Möglichkeiten, die sein Bildungsgrad und seine Berufserfahrung eigentlich erwarten ließen. Dennoch habe die extreme psychische Belastung durch den seit 2010 andauernden traumatischen Scheidungskrieg, der die dauerhafte Entsorgung von Kindern und Gesamtvermögen sowie diverse strafrechtlich verfolgte Falschbeschuldigungen mit Haftandrohungen umfasst habe, dazu geführt, dass es nicht die Arbeitsaufgabe, sondern die tägliche Belastungsdauer sei, die die Beantragung einer Teilerwerbsminderungsrente bedinge. Der Rentenantrag sei nicht leichtfertig gestellt worden, da selbstverständlich zuerst versucht worden sei, die Arbeit als Entlastung und Abwechslung zu ständig mindestens ca. sechs parallel laufenden Gerichtsverfahren zu werten. Entsprechend sei der Antrag auch erst 2015 gestellt worden, nachdem er seine Arbeitszeit bereits 2014 auf gutachterlichen Rat halbiert und den damit einhergehenden Einkommensverlust ein Jahr lang selbst hingenommen habe. Neben Dr. T. hätten auch der Psychiater Dr. P., dessen spätere Stellungnahme bei Anfrage durch das SG allerdings wegen einer Honorarstreitigkeit "gefärbt" und somit nicht verwertbar gewesen sei, sowie der Leiter des werksärztlichen Dienstes der MTU F. Dr. S. eindeutig die Halbierung der Arbeitszeit befürwortet. Es sei richtig, dass bislang auf medikamentöse Behandlung verzichtet worden sei. Es entspreche hingegen nicht der Wahrheit, dass er auf jegliche psychologische Behandlung verzichtet habe. Seit Jahren finde eine ca. monatliche, regelmäßige Betreuung durch den leitenden Werksarzt der M. F. statt. Außerdem sei 2017 eine umfangreiche Psychotherapie bei dem Psychologen B. eingeleitet worden, die, der terminlichen Engpasssituation bei Psychologen im Bodenseekreis geschuldet, Anfang Januar 2018 beginne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 8. November 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm bezogen auf eine Antragstellung am 27. April 2015 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Der Kläger hat außerdem eine ärztliche Bescheinigung des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 04.05.2018 vorgelegt. Hierzu hat der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. unter dem 03.08.2018 Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie das Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 08.11.2017 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 03.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2016 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf die - allein streitgegenständliche – Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) und eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Ebenso zutreffend hat das SG festgestellt, dass ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit schon deshalb nicht besteht, weil der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist.

Im Vordergrund der sich auf das Leistungsvermögen auswirkenden Gesundheitsstörungen des Klägers stehen nach dessen eigener Einschätzung und den vorliegenden medizinischen Unterlagen Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet.

Der Kläger leidet auf psychiatrischem Fachgebiet unter einer Dysthymie und einem Fatigue-Syndrom bei Multipler Sklerose. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. W., der die Diagnosen schlüssig und für den Senat überzeugend aus den von ihm erhobenen Befunden abgeleitet hat. Ebenso nachvollziehbar ist er aufgrund der von ihm erhobenen Befunde zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage ist, leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich nachzugehen. Im psychischen Befund fanden sich bei der Untersuchung durch Dr. W. Einschränkungen. Der Kläger war in der Stimmungslage teilweise gedrückt und nachdenklich und leichtgradig eingeschränkt in der affektiven Schwingungsfähigkeit. Antrieb und Psychomotorik sowie Aufmerksamkeit und Konzentration waren in der Untersuchung selbst ohne Auffälligkeit. Allerdings ergab sich beim Dem-Tect ein Punktwert, der nur von Patienten mit einer deutlichen Demenz erreicht wird, was nach Einschätzung des Gutachters aber dem psychopathologischen Befund so ausgeprägt widersprach, dass zumindest von einer Verdeutlichungstendenz ausgegangen werden muss. Die durch Dr. W. angenommene leichte depressive Symptomatik leitet der Gutachter überzeugend aus den erhobenen Befunden ab. Die Einschätzung deckt sich auch mit derjenigen von Dr. H. Überzeugend führt Dr. W. darüber hinaus aus, dass eine weitere Einschränkung des Leistungsvermögens aus der glaubhaft geschilderten vermehrten Erschöpfbarkeit des Klägers, die nach seiner Einschätzung als Fatigue-Symptomatik bei Multipler Sklerose zu werten ist, abzuleiten ist. Eine tiefgreifende depressive Störung, wie sie noch Dr. T. mitgeteilt hatte, war bei der Untersuchung durch Dr. W. aber ebenso wie bei der Untersuchung durch Dr. H. nicht festzustellen. Insbesondere fanden sich – anders als durch Dr. T. festgestellt – keine formalgedanklichen Auffälligkeiten. Die durch Dr. W. und Dr. H. angenommene Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ist auch für den Senat überzeugend und nachvollziehbar. Auch der zuletzt gegenüber Dr. W. geschilderte, aber seit der Begutachtung durch Dr. T. im Wesentlichen unveränderte Tagesablauf, lässt keine Rückschlüsse auf eine Einschränkung des Leistungsvermögens zu. Zu keiner anderen Einschätzung führt zur Überzeugung des Senats das Gutachten von Dr. T. Zwar führt der Gutachter aus, dass der Kläger nach seiner Einschätzung aufgrund der psychischen Erkrankung und der chronisch-entzündlichen Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) mit schubförmiger Verlaufsform zum Untersuchungszeitpunkt nur noch in der Lage sei, wöchentlich 20 Stunden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Andererseits hält er eine Reduktion der Arbeitszeit auf maximal 20 Stunden in der Woche und vier Stunden am Tag aus gesundheitlichen Gründen für "gerechtfertigt und durchaus vertretbar" und hätte ein weiteres vollschichtiges Arbeiten "mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Überforderung geführt". Aus diesen Ausführungen lässt sich der Nachweis einer Beschränkung der Leistungsfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten auf unter sechs Stunden arbeitstäglich nicht zwingend ableiten. Auch die behandelnden Ärzte weichen in der zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens, worauf Dr. W. zutreffend hinweist, nicht von seiner Einschätzung ab. Dass Dr. S. dem Kläger zu einer Reduzierung der Arbeitszeit geraten haben mag, führt zu keiner anderen Beurteilung. Seine Aussage gegenüber dem SG vom 17.10.2016 lässt jedenfalls nicht den Rückschluss zu, dass er eine Arbeitszeitreduzierung gesundheitlich für notwendig und erforderlich angesehen hat. Mit dem Hinweis, im Rahmen der werksärztlichen Sprechstunde nahezu ausschließlich entlastende Gespräche bei bestehender psychosozialer Belastungssituation geführt zu haben, hat er angegeben, zur körperlichen Leistungsfähigkeit keine Aussage treffen zu können. Die im Berufungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 04.05.2018 vermochte den Senat nicht von einer anderen Beurteilung zu überzeugen. Soweit Dr. H. die Auffassung vertritt, das Leistungsvermögen des Klägers sei unabhängig von der Art der Arbeit derzeit und voraussichtlich bis zum endgültigen Abschluss des Scheidungsverfahrens auf bis zu vier Stunden täglich eingeschränkt, ist dies für den Senat anhand der durch Dr. H. mitgeteilten Befunde nicht nachvollziehbar. Dr. E. weist für den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 03.08.2018 zutreffend und nachvollziehbar darauf hin, dass Dr. H. nach nur einer Behandlung bereits von einer chronifizierten depressiven Störung mit somatischem Syndrom ausgeht, ohne darzulegen, welche Ausprägung die depressive Störung hat. Ein psychopathologischer Befund wird durch Dr. H. nicht mitgeteilt. Insgesamt wird weder ein neuer Befund noch eine Verschlechterung der bisherigen Befunde durch Dr. H. mitgeteilt, so dass sich hiermit eine andere Leistungsbeurteilung als die durch Dr. W. vertretene nicht begründen lässt. Im Ergebnis ist der Senat daher davon überzeugt, dass der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann, wobei – wie Dr. W. überzeugend darlegt – keine Tätigkeiten unter Zeitdruck, wie Fließband- und Akkordarbeiten, mit hohem Publikumsverkehr und mit hoher Temperaturbelastung zumutbar sind.

Zu keiner darüber hinausgehenden zeitlichen Leistungseinschränkung für die bei dem Kläger vorliegende Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) mit schubförmiger Verlaufsform, die im Jahr 2002 erstmalig diagnostiziert wurde. Bei der Untersuchung durch Dr. T. zeigten sich bei der körperlichen Untersuchung insoweit außer eines sich auf das Leistungsvermögen nicht auswirkenden Taubheitsgefühls im rechten Fuß keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen. Eine periphere Nervenschädigung konnte in diesem Bereich bei der durch Dr. T. durchgeführten Elektrophysiologie nicht nachgewiesen werden, weshalb der Gutachter von einem Residualsyndrom nach spinalem Entzündungsherd ausgeht. Die neurologische Untersuchung blieb auch bei Dr. H., abgesehen davon, dass der rechte Fuß eine Spur kühler wirkte als der linke, ohne auffällige Befunde. Auch Dr. W. stellte fest, dass der rechte Fuß etwas kühler war als der linke, und konnte die Fußpulse rechts nicht sicher tasten, darüber hinaus war aber auch der durch ihn erhobene neurologische Befund unauffällig.

Keine zeitliche Einschränkung besteht schließlich aufgrund des bei dem Kläger vorliegenden Raynaud-Syndroms, unter dem der Kläger bereits seit seiner Jugend leidet. Eine Therapie ist, wie der Kläger gegenüber Dr. H. angegeben hat, deswegen nicht erforderlich. Wie Dr. K. gegenüber dem SG dargelegt hat, sind dem Kläger aufgrund des Raynaud-Syndroms lediglich Tätigkeiten mit Kälte, Nässe und Zugluft nicht mehr zumutbar, das zeitliche Leistungsvermögen ist aufgrund dieser Erkrankung nicht einschränkt.

Eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens folgt auch nicht aus den durch Dr. W. mitgeteilten rezidivierenden Lumbalgien und Zervikalgien. Diese sind, wie Dr. W. überzeugend dargelegt hat, nicht mit neurologischen Ausfällen verbunden. Der neurologische Befund war wie bereits bei den Untersuchungen durch Dr. T. und Dr. H. im Wesentlichen unauffällig. Die Beweglichkeit im Bereich der Extremitäten war bei allen Untersuchungen weitgehend frei erhalten.

Da der Kläger daher noch mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist, muss ihm weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch die Frage geprüft werden, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereiches geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, u. a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder Versicherte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nur unter betriebsunüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG, SozR 2200 § 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie § 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -, Juris). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -, Juris).

Bei dem Kläger sind die bereits genannten qualitativen Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen. Nicht mehr leidensgerecht sind Tätigkeiten im Schichtbetrieb, unter Zeitdruck, wie Akkord- oder Fließbandarbeiten und mit hohem Publikumsverkehr. Ferner sind Tätigkeiten mit hoher Temperaturbelastung und mit Kälte, Nässe und Zugluft nicht mehr leidensgerecht.

Ausgehend von den genannten Grundsätzen und den beim Kläger zu berücksichtigenden Einschränkungen liegt bei ihm weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. So sind dem Kläger die durch das BSG (vgl. u.a. Urteil vom 09.05.2012 - B 5 R 68/11 R -, Juris) beispielhaft genannten Tätigkeiten, wie z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten, grundsätzlich noch zumutbar und mit den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen in Übereinstimmung zu bringen.

Auch ist die Wegefähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt; zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann (vgl. nur BSG, Urteil vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 R -, Juris). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hierzu nicht in der Lage sein könnte, bestehen nicht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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