L 1 SF 1302/17 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 26 SF 2333/14 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 1302/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. August 2017 wird in Ziffer 1 wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerungen werden die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse vom 27. Juni 2014 abgeändert. Die in den Verfahren S 14 AS 6362/11 und S 14 AS 6396/11 aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden auf insgesamt 760,22 Euro fest-gesetzt.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für zwei beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren, in denen der Beschwerdeführer die Kläger vertrat.

Im Hauptsacheverfahren S 14 AS 6362/11 begehrten die Kläger die Gewährung von Akteneinsicht in die Leistungsakte des Beklagten und wandten sich gegen den Überprüfungsbe-scheid vom 8. April 2011, mit welchem die Kläger unter Abänderung von bestandskräftig gewordenen Bewilligungsbescheiden vom 4. Juni bzw. 4. August 2008 höhere Leistungen für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2008 begehrten. Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens S 14 AS 9396/11 war die Gewährung von Akteneinsicht in die Leistungsakte des Beklagten und der Überprüfungsbescheid vom 8. April 2011, der einen Erstattungsbescheid vom 10. Februar 2009 zum Gegenstand hatte, mit welchem für den Monat Dezember 2008 die Bewilligung von Leistungen teilweise in Höhe von 127,32 Euro aufgehoben worden war.

Das Sozialgericht gewährte den Klägern mit Beschlüssen jeweils vom 17. Februar 2012 in beiden Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde in beiden Verfahren jeweils ein Vorschuss in Höhe von 234,19 Euro gezahlt.

In den Verfahren fand am 4. Juli 2013 jeweils ein Erörterungstermin und am 20. März 2014 ein gemeinsamer Erörterungstermin statt. Der Beklagte erkannte für die Monate August bis November 2008 weitere monatliche Beträge in Höhe von 84,00 Euro (insgesamt 336,00 Euro) an und reduzierte die Erstattungsforderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Februar 2009. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger nahm die Anerkenntnisse in beiden Verfahren an und die Beteiligten erklärten beide Rechtsstreite für erledigt. Mit Beschluss vom 9. Mai 2014 verpflichtete das Sozialgericht in beiden Verfahren die Beklagte jeweils zur Erstattung der Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger. Am 30. April 2014 beantragte der Beschwerdeführer in beiden Verfahren jeweils die Festset-zung folgender Gebühren:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) 204,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV-RVG) 61,20 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) 300,00 EUR Erledigungsgebühr (Nr. 1006, 1005 VV-RVG) 190,00 EUR Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 3,52 EUR Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 4,32 EUR Post-/Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 783,04 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 148,78 EUR Gesamtbetrag 931,82 EUR abzüglich Vorschuss - 234,19 EUR Gesamtbetrag 697,63 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen (richtig Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen) vom 27. Juni 2014 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) die zu zahlende Vergütung aus der Staatskasse in beiden Hauptsacheverfahren jeweils wie folgt fest:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) 136,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV-RVG) 40,80 EUR Terminsgebühr(Nr. 3106 VV-RVG) 200,00 EUR Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 7,84 EUR Post-/Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 76,88 EUR Gesamtbetrag 481,22 EUR abzüglich Vorschuss - 234,19 EUR Gesamtbetrag 247,33 EUR

Gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse hat der Beschwerdeführer am 11. November 2014 Erinnerung eingelegt. Die Verfahrensgebühr sei zumindest in Höhe einer Mittelgebühr und die Erledigungsgebühr in Höhe von 190,00 Euro festzusetzen.

Die Staatskasse ist der Erinnerung entgegengetreten und hat selbst Erinnerung eingelegt mit dem Begehren, die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen für beide Verfahren auf insgesamt 534,12 Euro festzusetzen. Bei beiden Hauptsacheverfahren handele es sich um dieselbe Angelegenheit. Die Gebühren seien jeweils in Höhe der Mittelgebühr angemessen. Eine Erledigungsgebühr sei nicht entstanden.

Mit Beschluss vom 23. August 2017 hat das Sozialgericht die Erinnerungsverfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und mit Beschluss vom gleichen Tage unter Abänderung der Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse vom 27. Juni 2014 die in den Verfahren S 14 AS 6362/11 und S 14 AS 6396/11 aus der Staatkasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 291,84 Euro unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge festgesetzt. Im Übrigen hat es die Erinnerungen zurückgewiesen. Anzuwenden sei das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung. Auf die Erinnerung der Staatskasse seien die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse aufzuheben und die zu erstattenden Gebühren und Auslagen neu festzusetzen gewesen. Bei den beiden Hauptsacheverfahren handele es sich kostenrechtlich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des RVG. Die zugrundeliegenden Bescheide im Hauptsacheverfahren hätten denselben Leistungszeitraum betroffen. Unerheblich sei, dass der Beklagte über die Überprüfungsanträge in getrennten Bescheiden und in selbständigen Widerspruchsverfahren entschieden habe. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe der Mittelgebühr angemessen. Das gleiche gelte für die Terminsgebühr. Eine Erledigungsgebühr sei angefallen, da sich das Hauptsacheverfahren durch angenommenes Teilanerkenntnis und Erledigungserklärung erledigt habe. Die erforderliche qualifizierte anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1006, 1005 VV-RVG liege daher vor. Die Erledigungsgebühr sei ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen gewesen. Das Sozialgericht hat die Gebühren wie folgt berechnet:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG) 170,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV-RVG) 51,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) 200,00 EUR Einigungsgebühr (Nr. 1006, 1005 VV-RVG) 190,00 EUR Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 7,84 EUR Post-/Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 638,84 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 121,38 EUR Zwischensumme 760,22 EUR abzüglich Vorschuss -468,38 EUR (2 x 234,19 EUR) Gesamtbetrag 291,84 EUR

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 9. Oktober 2017 Beschwerde erhoben. Die nachträgliche Verbindung der Verfahren S 14 AS 6362/11 und S 14 AS 6396/11 hinsichtlich der Gebührenberechnung sei nicht zulässig. Für beide Klageverfahren sei jeweils Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Die Frage, ob das Gebot der kostensparenden Rechtsverfolgung befolgt worden sei, sei bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu beantworten. Eine nochmalige Prüfung im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG sei ausgeschlossen. Nach § 48 Abs. 1 RVG bestimme sich der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und seine Beiordnung angeordnet worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamburg seien der Urkundsbeamte und die im Festsetzungsverfahren entscheidenden Gerichte daran gebunden. Durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe stehe mit bindender Wirkung fest, dass nicht dieselbe Angelegenheit vorliege.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 nicht abgeholfen und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Berichterstatter hat das Verfahren mit Beschluss vom 5. September 2018 wegen grund-sätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II.

Anzuwenden ist das RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013 (alte Fassung), denn die Beiordnung des Rechtsanwalts ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Sie führt lediglich zur Klarstellung des Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. August 2017.

Sowohl die Erinnerung des Beschwerdeführers als auch des Beschwerdegegners waren zulässig. Bei den Hauptsacheverfahren S 14 AS 6362/11 und S 14 AS 6396/11 handelt es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG. Das Sozialgericht Nordhausen hat in dem angegriffenen Beschluss zu Recht die Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse für beide Verfahren einheitlich festgesetzt.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers war das Sozialgericht Nordhausen und ist auch der Senat im Beschwerdeverfahren nicht deshalb daran gehindert, die beiden Hauptsacheverfahren als dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG anzusehen, weil in den jeweiligen Hauptsacheverfahren jeweils mit Beschluss vom 17. Februar 2012 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt worden ist. Der Senat folgt insoweit nicht der in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 26. Mai 2016 - 6 Ca 11/16, zitiert nach juris; Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 2 Ca 118/15, zitiert nach juris; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Auflage 2017, § 15 Rn. 23) vertretenen Auffassung, wonach im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG aufgrund der Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) kein Raum mehr für eine eigenständige Überprüfung in dem Sinne ist, ob die Rechtsverfolgung kostengünstiger in einem statt in mehreren Verfahren hätte erfolgen müssen.

Zutreffend an dieser Auffassung ist, dass hinsichtlich des Verfahrens S 14 AS 6396/11 für die Kläger unschwer die Möglichkeit bestanden hätte, die Klage bereits mit der einen Tag früher erhobenen Klage im Verfahren S 14 AS 6362/11 zu erheben. Insofern hätte im Hauptsacheverfahren S 14 AS 6396/11 der zuständige Richter gegebenenfalls unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen können. Dies schließt es aber nicht aus, im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG zu prüfen, ob dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG vorliegt. Der Urkundsbeamte und die im Festsetzungsverfahren zur Entscheidung berufenen Gerichte sind an die Bewilligung der PKH und die Beiordnung gebunden. Sie dürfen diese nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen und haben sie vielmehr ungeprüft zur Grundlage der Festsetzung zu machen. Auch die Verfahrensgestaltung durch das Prozessgericht haben sie grundsätzlich der Vergütungsfestsetzung zugrunde zu legen. Daraus, dass das Prozessgericht nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, PKH wegen mutwilliger Aufspaltung des Verfahrens in zwei Verfahren zu versagen, kann aber bereits deshalb keine Bindung im Festsetzungsverfahren hergeleitet werden, weil § 15 Abs. 2 RVG ausdrücklich bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Es handelt sich um eine gebührenrechtliche Vorschrift. Diese würde in Verfahren mit PKH - Bewilligung leerlaufen, wenn man mit der zitierten Rechtsprechung davon ausginge, dass im Falle der Bewilligung von PKH eine Prüfung eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur kostensparenden Rechtsverfolgung nicht mehr vorgenommen werden dürfte. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beinhaltet darüber hinaus - wie eine Kostengrundentscheidung - nur die Übernahme der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Der Einwand, es seien unnötige Kosten verursacht worden, bezieht sich ausschließlich auf die Höhe der festzusetzenden Kosten. Daher schließt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für beide Verfahren den Einwand der unnötigen Kostenverursachung und dessen Berücksichtigung im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG nicht aus (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Juli 2014 - 7 WF 355/14, zitiert nach juris). Ferner ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt gehalten ist, seinen Auftraggeber dahingehend zu beraten, sein Anliegen möglichst kostengünstig durchzusetzen. Von daher ist es diesem nicht erlaubt, ohne hinreichenden Sachgrund anstehende Verfahren zu vereinzeln, statt sie in einer Klage geltend zu machen. Der Rechtsanwalt ist gehalten, seinem Auftraggeber sowohl eine getrennte als auch eine zusammengefasste Verfahrensführung unter Erörterung des Für und Wider im Einzelnen darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, zitiert nach juris). Damit hätte der Beschwerdeführer von seinem Auftraggeber die Mehrkosten durch die Verfolgung des Anliegens in zwei Verfahren nicht geltend machen können. Diesen Einwand kann auch die Staatskasse in Kostenfestsetzungsverfahren nach § 56 RVG geltend machen. Im PKH-Verfahren zahlt diese anstelle des Mandanten. Daraus folgt, dass diese nicht schlechter stehen darf als der Auftraggeber selbst (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Juli 2014 - 7 WF 355/14, zitiert nach juris). Es ist Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens, den bedürftigen Auftraggeber von der Verpflichtung zur Tragung von Anwaltskosten zu befreien. Die bedürftige Partei soll aber nicht in der Weise besser gestellt werden, als die nicht bedürftige, welche unnötige Kosten ihrem Gegner auch nicht entgegen halten und diese im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen kann.

Von daher waren weder das Sozialgericht noch ist der Senat gehindert, im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG vorliegt. Das ist hier auch der Fall. Von derselben Angelegenheit wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R m.w.N., nach juris). Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB II; die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aus (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R, 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R, 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R, juris; a.A. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 15 Rn. 23). Entscheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Entsprechend hat das BVerwG im Urteil vom 9. Mai 2000 (11 C 1/99, juris) ausgeführt, "dieselbe Angelegenheit" komme vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht, wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, so dass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten ergehen können. Beauftrage dann der Adressat einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, werde dieser, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Unerheblich sei, ob der Rechtsanwalt die Widersprüche in einem einzigen, alle Verfahren betreffenden Schreiben oder in mehreren, die jeweiligen Einzelverfahren betreffenden Schreiben, die sich nur hinsichtlich der jeweiligen Verfahrensangabe (Objekt, Aktenzeichen) unterscheiden, einlege und begründe. Anders sei es allerdings, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jeweiligen Verwaltungsakte vortrage oder nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten habe. Fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen mehreren, an einen Adressaten gerichteten Verwaltungsakten, scheide schon aus diesem Grund die Annahme "derselben Angelegenheit" aus."

Der Rechtsprechung des BSG ist der 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts gefolgt und hat sie dergestalt weiterentwickelt, dass auch bei getrennten Klageverfahren "dieselbe Angelegenheit" vorliegen kann (vgl. Beschlüsse vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, 6. Januar 2015 - L 6 SF 1221/14 B, 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Dem schließt sich der erkennende Senat an, denn es ist nicht einsichtig, formal selbständige Klageverfahren stets kostenrechtlich getrennt zu behandeln (so auch FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 8 KO 1022/12, zitiert nach juris).

Hinsichtlich beider Überprüfungsverfahren handelt es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des RVG. Denn die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat Dezember 2008 und die Frage, welche Leistungen die Kläger im Zeitraum Juli bis Dezember 2008 beanspruchen können, bedingen einander. Unerheblich ist, dass das beklagte Jobcenter teilweise in getrennten Bescheiden und selbständigen Widerspruchsverfahren entschieden hat. Ausreichend ist allein der einheitliche Lebenssachverhalt. Er lag unzweifelhaft vor. Des Weiteren nimmt der Senat in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses vom 23. August 2017 Bezug.

Ebenfalls hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Vergütung nimmt der Senat in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe des Beschlusses vom 23. August 2017 Bezug und schließt sich ihm insoweit an. Dabei hat der Senat nur zu entscheiden, ob aufgrund der Beschwerde des Beschwerdeführers ein Anspruch auf eine höhere Vergütung als vom Sozialgericht zugesprochen besteht. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Da die Staatskasse selbst gegen den Beschluss vom 23. August 2017, obwohl sie mit ihrer Erin-nerung nicht vollständig durchgedrungen ist, keine Beschwerde eingelegt hat, garantiert die Festsetzung auf die Gesamthöhe der von der Vorinstanz zuerkannten Gebühren (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, nach juris).

Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdeführers wie folgt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV-RVG 170,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV-RVG) 51,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV-RVG) 200,00 EUR Einigungsgebühr (Nr. 1006, 1005 VV-RVG) 190,00 EUR Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld (Nr. 7003, 7005 VV-RVG) 7,84 EUR Post-/Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 638,84 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) 121,38 EUR Gesamtbetrag 760,22 EUR.

Die Entscheidung des Sozialgerichts war entsprechend klarstellend zu fassen, da das Sozialgericht nach § 55 Abs. 1 S. 1 RVG die aus der Staatskasse im Tenor zu gewährende Vergü-tung hätte festsetzen müssen und zwar ohne Berücksichtigung des Vorschusses. Die Anrechnung des geleisteten Vorschusses hat vor der Auszahlung zu erfolgen.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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