L 1 JVEG 71/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 71/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung der Erinnerungsführerin anlässlich der Begutachtung am 15. September 2016 wird auf 83,30 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Erinnerungsführerin begehrte im Hauptsacheverfahren L 3 R 1071/15 die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Der zuständige Berichterstatter des 3. Senats des Thüringer Landessozialgerichts ordnete eine Begutachtung durch Dr. K. in B. an. Dieser teilte der Klägerin mit Schreiben vom 25. August 2016 mit, dass die Begutachtung am 15. September 2016 ab 11:00 Uhr in seinen Räumlichkeiten stattfinden solle. An diesem Tag hielt sich die Klägerin in der Zeit von 11:00 bis 17:20 Uhr in den Räumen des Sachverständigen in B. auf.

Mit ihrem Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten für die Wahrnehmung des Begutachtungstermins vom 12. Dezember 2016 machte die Erinnerungsführerin einen Gesamtbetrag von 400,55 Euro geltend (Fahrtkosten 63,30 Euro, 12,00 Euro Tagegeld, 6,00 Euro Parkgebühren, 15,00 Euro Verwarngeld, Fahrtkosten für die Begleitperson bezüglich deren Anreise aus der Schweiz nach S. in Höhe von 304,25 Euro). Beigefügt war ein ärztliches Attest vom 13. September 2016, welches die Notwendigkeit einer Begleitperson bestätigte. Am 15. Dezember 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) eine Gesamtentschädigung in Höhe von 157,30 Euro fest. Zu gewähren seien Kosten für die Hin- und Rückfahrt in Höhe von 63,30 Euro, eine Zeitversäumnis für die Erinnerungsführerin und die Begleitperson von jeweils 35,00 Euro und ein Tagegeld für die Erinnerungsführerin und Begleitperson in Höhe von 12,00 Euro, also insgesamt 24,00 Euro. Die Fahrtkosten der Begleitperson aus der Schweiz könnten nicht übernommen werden, weil dies vom Gericht nicht vorab genehmigt worden sei.

Am 22. Dezember 2016 hat die Erinnerungsführerin einen Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation habe sie den Termin nur in Begleitung wahrnehmen können. Die Erforderlichkeit einer Begleitung hätten sowohl der behandelnde Arzt Dipl.-Med. M. als auch der Sachverständige Dr. K. bestätigt. Ohne die Bereitschaft der Begleitperson, aus der Schweiz anzureisen, hätte die Begutachtung abgesagt werden müssen. Herr V. sei der einzige gewesen, der bereit gewesen sei, sie zu begleiten. Dieser habe einen Verdienstausfall in Höhe von 524,54 Euro erlitten.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

die Entschädigung anlässlich der Begutachtung am 15. September 2016 auf 926,09 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner hält eine Entschädigung in Höhe von 110,30 Euro für angemessen.

Mit Schreiben vom 25. März 2017 hat Herr V. bestätigt, dass die Erinnerungsführerin ihm seine Auslagen (Verdienstausfall, Fahrt- und Parkkosten) in Raten von 150,00, 60,00 und 100,00 Euro bzw. ab Oktober 2016 von monatlich 25,00 Euro zahle.

Der Erinnerungsgegner ist der Auffassung, dass selbst wenn das Gericht eine Begleitperson für notwendig ansehen sollte, der Erstattungsberechtigte die Kosten so niedrig wie möglich halten müsse. Allenfalls könnten die Auslagen erstattet werden, die für eine Fahrt von der Wohnung der Klägerin und zurück entstanden wären.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des 1. Senats.

Auf die Erinnerung war die Entschädigung auf 83,30 Euro festzusetzen.

Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1).

Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen per-sönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Ent-schädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).

Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamt-höhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Februar 2018 – L 1 JVEG 867/15, zitiert nach Juris). Das Verbot der "reformatio in peius" gilt nicht.

Die Entschädigung der Erinnerungsführerin errechnet sich wie folgt:

Die Fahrtkosten sind in einer Höhe von 63,30 Euro für die Fahrt vom Wohnsitz der Erinnerungsführerin in S. nach B. zu erstatten. Nach § 191 Abs. 1 SGG i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG werden den Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nut-zung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer (253,20 km) ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen.

Hinzu kommen Parkentgelte in Höhe von 8,00 Euro. Zwar hat die Klägerin Nachweise über Parkentgelte nur in Höhe von 6,00 Euro vorgelegt. Angesichts der vorgelegten drei Parknachweise vom 15. September 2016 für die Zeit ab 11:01 Uhr und der schriftlichen Verwarnung vom 10. Oktober 2016, aus der sich eine Parkzeitüberschreitung für die Zeit von 13.02 Uhr bis 13.34 Uhr ergibt, hat der Senat ausnahmsweise auch ohne Vorlage der Quittung keine Zweifel an der Entrichtung eines Parkentgelts für die Zeit von 16:30 Uhr bis 18:30 Uhr. Das Verwarngeld in Höhe von 15 Euro zählt allerdings nicht zu den erstattungsfähigen Auslagen im Sinne des § 5 JVEG.

Zu erstatten ist des Weiteren eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) nach § 6 Abs. 1 JVEG in Höhe von insgesamt 12,00 Euro für die Erinnerungsführerin. Auf die tatsächlich entstandenen Kosten des Berechtigten kommt es aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Regelung nicht an, denn es werden pauschaliert die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Nach § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG richtet sich die Höhe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 4 a des Einkommenssteuergesetzes (EStG). Bei einer auf den Kalendertag bezogenen Abwesenheit von mehr als 8 und weniger als 24 Stunden bestand im Jahr 2016 ein Anspruch auf Tagegeld in Höhe von 12,00 Euro.

Eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung nach § 21 Satz 2 JVEG kann die Erinnerungsführerin nicht beanspruchen. Nach § 21 S. 1 JVEG erhalten Zeugen bzw. Beteiligte, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung von 14 Euro je Stunde, wenn sie nicht erwerbstätig sind oder wenn sie teilzeitbeschäftigt sind und außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen täglichen Arbeitszeit herangezogen werden Nach § 21 Satz 2 JVEG stehen Zeugen, die ein Erwerbsersatzeinkommen beziehen erwerbstätigen Zeugen gleich. Die Erinnerungsführerin bezieht seit dem 1. Dezember 2006 durchgängig Leistungen nach dem SGB II.

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG scheidet deshalb ebenfalls aus. Die Erinnerungsführerin bezog - wie dargelegt- Leistungen nach dem SGB II. Insofern hat sie keinen Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG. Danach beträgt die Entschädigung 3,50 EUR je Stunde, soweit weder für einen Verdienstausfall noch für Nachteile bei der Haushaltsführung eine Entschädigung zu gewähren ist, es sei denn, es ist dem Zeugen (bzw. Beteiligten) durch seine Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden. Fehlt es – wie hier - an entsprechenden Angaben, kann bei einem Empfänger von Leistungen nach dem SGB II davon ausgegangen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2018 - L 1 JVEG 487/17; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13. April 2005 – L 6 SF 2/05; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. April 2009 – L 6 SB 161/08; SG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – S 1 KO 3624/17, jeweils zitiert nach Juris). Die Erinnerungsführerin kann frei über ihre Zeit verfügen. Eventuelle Einschränkungen in der Freizeitgestaltung infolge der Durchführung einer Begutachtung in eigener Sache können nicht als entschädigungspflichtiger Nachteil angesehen werden.

Nicht zu erstatten sind die beantragten Kosten der Begleitperson.

Nach § 7 Abs. 1 JVEG werden auch die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten Auslagen ersetzt, soweit sie notwendig sind (Satz 1); dies gilt insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretung und notwendiger Begleitperson (Satz 2). Ob eine Begleitperson erforderlich war, ist eine Tatfrage und in Zweifelsfällen vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2018, L 1 JVEG 386/17, Juris). Der Senat kann insoweit offen lassen, ob eine Begleitperson objektiv notwendig war. Eine Erstattung der Kosten der Begleitperson scheitert jedenfalls an der fehlenden vorherigen Mitteilung der Erinnerungsführerin an das Gericht über ihre Absicht, in Begleitung anzureisen (vgl. zur Notwendigkeit der vorherigen Mitteilung der Erforderlichkeit einer Begleitperson, Senatsbeschluss vom 5. Februar 2018 - L 1 JVEG 773/16, zitiert nach Juris). Obwohl die Erinnerungsführerin in der Beweisanordnung ausdrücklich auf die Verpflichtung hingewiesen worden ist, besondere Modalitäten der Anreise zur Begutachtung, wozu auch eine Begleitperson zählt, dem Gericht vorab mitzuteilen, ist dies unterblieben. Das liegt allein in der Sphäre der Erinnerungsführerin.

Nachdem die Erinnerungsführerin ihrer Mitteilungsverpflichtung hinsichtlich der Notwendigkeit einer Begleitperson und insbesondere deren Anreise aus der Schweiz nicht nachgekommen ist, hat der Senat zu prüfen, ob die Mehrkosten trotzdem zu erstatten sind, weil die Erinnerungsführerin durch besondere, nicht zu vertretende Umstände genötigt war, auf eine Begleitperson zurückzugreifen. Diese Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats. Bei der Abwägung aller Umstände kommt die Erstattung der beantragten Fahrt- und Verdienstausfallkosten jedoch nicht in Betracht. Die Erinnerungsführerin hatte ausreichend Zeit, dem Gericht die Notwendigkeit einer Begleitperson mitzuteilen. Dies musste ihr umso mehr einleuchten, als sie durch die Anreise aus der Schweiz erhebliche Kosten verursachte. Dadurch, dass die Erinnerungsführerin diese Entscheidung allein getroffen hat, hat sie dem Thüringer Landessozialgericht die Möglichkeit genommen, bei Bejahung der Notwendigkeit einer Begleitperson unter kostenrechtlichen Sparsamkeitserwägungen zu prüfen, ob eine kostengünstigere Möglichkeit zur Wahrnehmung des Gutachtentermins in B. am 15. September 2016 bestand. Bei Abwägung aller Umstände kommt daher die Erstattung der Kosten für eine Begleitperson vorliegend nicht in Betracht.

Die Entschädigung der Erinnerungsführerin für die Teilnahme an der Begutachtung ist daher auf insgesamt 83,30 EUR festzusetzen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
Saved