Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
10
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 SO 372/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Vorläufige Gewährung einer Einzelbeförderung mit dem Taxi zur Tagesförderstätte als Leistung der Eingliederungshilfe
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin eine werktägliche Einzelbeförderung für die Fahrten der Antragstellerin zwischen ihrem Wohnsitz und der Tagesförderstätte "R.", , H., vorläufig bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. Juni 2018 zu gewähren. 2. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag, der darauf gerichtet ist, die Antragsgegnerin vorläufig zur Gewährung von Leistungen für eine Einzelbeförderung der behinderten Antragstellerin zur Tagesförderstätte zu verpflichten, hat Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu welcher der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen. Dazu hat der Antragsteller die den Anordnungsanspruch und -grund begründenden Tatsachen so darzulegen, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03).
Die ist der Antragstellerin gelungen.
Es steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit, dass die behinderte (und offenbar nicht werkstattfähige) Antragstellerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Eingliederungshilfe – Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form der Tagesförderung nach § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch in der am 31.12.2017 geltenden Fassung – hat, der mit dem Besuch der Tagesstätte "R." in H. verwirklicht wird und die Beförderung der Antragstellerin umfasst.
Die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob die Antragstellerin weiterhin, so wie seit dem Jahr 2013 praktiziert, einen Fahrdienst für eine Einzelbeförderung beanspruchen oder aber auf ein Sammeltaxi verwiesen werden kann, ist im vorliegenden Eilverfahren, das nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ermöglicht, im Sinne der Antragstellerin zu beantworten.
Dies folgt bereits daraus, dass die Antragsgegnerin seinerzeit dem ersten Antrag auf Einzelbeförderung im August 2013 – nach erfolgter Zustimmung der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) – stattgegeben, demnach also eine Einzelbeförderung für erforderlich gehalten hatte. Die Antragsgegnerin hat aber im vorliegenden Verfahren keine überzeugenden Gründe dargelegt, inwiefern sich die Lage der Antragstellerin geändert, insbesondere ihre behinderungsbedingten Ängste und Anpassungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr überhaupt bzw. in einem Maße abgenommen haben könnten, dass ihr nunmehr eine Sammelbeförderung zuzumuten wäre. Der einzige Anlass für die mit Bescheid vom 21.06.2018 – im Übrigen begründungslos – erfolgte Ablehnung des Anfang Juni 2018 gestellten Antrags, weiterhin eine Einzelbeförderung durchzuführen, war offenbar der Hinweis der für die Durchführung der Beförderung zuständigen Behörde für Schule und Berufsbildung an das Fachamt Eingliederungshilfe der Antragsgegnerin im Mai 2018, dass seit August 2014 eine Einzelbeförderung in Auftrag gegeben worden sei, ohne dass die BASFI dem, wie intern vorgesehen, erneut zugestimmt hätte.
Dies hält das Gericht aber nicht für ausreichend, um nun die Art der Beförderung umzustellen. Denn auch den Akten, insbesondere den vorliegenden Sozial- und Verlaufsberichten, kann keine Verbesserung der bestehenden Problematik, deren Ursache möglicherweise u.a. in dem in der frühen Kindheit erlittenen Verkehrsunfall liegt, der zur Behinderung der Antragstellerin führte, entnommen werden. So heißt es noch im Bericht vom 15.01.2018 (dort S. 6): "Der Fahrdienst zur Tagesförderstätte wechselt oft 1-2 mal jährlich. Aufgrund ihrer Geschichte ist Autofahren generell mit viel Angst verbunden und Frau C. benötigt eine gesicherte Vertrauensbasis zum Busfahrer, um sich darauf einlassen zu können. Dies ist nicht immer gegeben. Dann sind viele beruhigende, reflektierende Gespräche notwendig. Auch stellvertretende mit den Fahrern. Oft dauert es Wochen, bis eine gute Basis entstanden ist und Frau C. sich angstfrei und regelmäßig auf den Fahrer einlassen kann." Angesichts dieser Schilderung sowie den im Verfahren beigereichten, ähnlich lautenden Stellungnahmen der gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerin, des Leiters der Tagesstätte sowie des Trägers "I. e.V." erscheint es gegenwärtig überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin – weiterhin – einen Anspruch auf Einzelbeförderung hat. Die Stellungnahmen beruhen auch nicht lediglich auf "Mutmaßungen und Hypothesen", wie die Antragsgegnerin meint, sondern auf persönlichen Erfahrungen, die die betreuenden Personen tagtäglich mit der Antragstellerin machen. Dabei zeigt sich offenbar, dass selbst unter den bestehenden Verhältnissen die Beförderung der Antragstellerin zeitweise aus in ihrer Person liegenden Gründen problematisch ist.
Vor diesem Hintergrund dürfte es der Antragsgegnerin vor einer Entscheidung über den Widerspruch obliegen, den Sachverhalt von Amts wegen näher aufzuklären, ggf. durch Einschaltung des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes, wie dies auch zuletzt im Jahr 2017 im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Beförderungsbudget zur Gewährleistung der weiteren, nicht die Tagesförderstätte betreffenden Teilhabe der Antragstellerin am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, befürwortet wird, geschehen ist. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin selbst vorgetragen hat, dass ihr Sozialpädagogischer Fachdienst Eingliederungshilfe gegenwärtig nicht einschätzen könne, ob eine Sammelbeförderung möglich ist.
Der Anordnungsgrund folgt aus den der Antragsgegnerin bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Antragstellerin, die eine längerfristige Selbstbeschaffung der Leistung nicht zulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gründe:
Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag, der darauf gerichtet ist, die Antragsgegnerin vorläufig zur Gewährung von Leistungen für eine Einzelbeförderung der behinderten Antragstellerin zur Tagesförderstätte zu verpflichten, hat Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu welcher der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen. Dazu hat der Antragsteller die den Anordnungsanspruch und -grund begründenden Tatsachen so darzulegen, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03).
Die ist der Antragstellerin gelungen.
Es steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit, dass die behinderte (und offenbar nicht werkstattfähige) Antragstellerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Eingliederungshilfe – Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form der Tagesförderung nach § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch in der am 31.12.2017 geltenden Fassung – hat, der mit dem Besuch der Tagesstätte "R." in H. verwirklicht wird und die Beförderung der Antragstellerin umfasst.
Die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob die Antragstellerin weiterhin, so wie seit dem Jahr 2013 praktiziert, einen Fahrdienst für eine Einzelbeförderung beanspruchen oder aber auf ein Sammeltaxi verwiesen werden kann, ist im vorliegenden Eilverfahren, das nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ermöglicht, im Sinne der Antragstellerin zu beantworten.
Dies folgt bereits daraus, dass die Antragsgegnerin seinerzeit dem ersten Antrag auf Einzelbeförderung im August 2013 – nach erfolgter Zustimmung der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) – stattgegeben, demnach also eine Einzelbeförderung für erforderlich gehalten hatte. Die Antragsgegnerin hat aber im vorliegenden Verfahren keine überzeugenden Gründe dargelegt, inwiefern sich die Lage der Antragstellerin geändert, insbesondere ihre behinderungsbedingten Ängste und Anpassungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr überhaupt bzw. in einem Maße abgenommen haben könnten, dass ihr nunmehr eine Sammelbeförderung zuzumuten wäre. Der einzige Anlass für die mit Bescheid vom 21.06.2018 – im Übrigen begründungslos – erfolgte Ablehnung des Anfang Juni 2018 gestellten Antrags, weiterhin eine Einzelbeförderung durchzuführen, war offenbar der Hinweis der für die Durchführung der Beförderung zuständigen Behörde für Schule und Berufsbildung an das Fachamt Eingliederungshilfe der Antragsgegnerin im Mai 2018, dass seit August 2014 eine Einzelbeförderung in Auftrag gegeben worden sei, ohne dass die BASFI dem, wie intern vorgesehen, erneut zugestimmt hätte.
Dies hält das Gericht aber nicht für ausreichend, um nun die Art der Beförderung umzustellen. Denn auch den Akten, insbesondere den vorliegenden Sozial- und Verlaufsberichten, kann keine Verbesserung der bestehenden Problematik, deren Ursache möglicherweise u.a. in dem in der frühen Kindheit erlittenen Verkehrsunfall liegt, der zur Behinderung der Antragstellerin führte, entnommen werden. So heißt es noch im Bericht vom 15.01.2018 (dort S. 6): "Der Fahrdienst zur Tagesförderstätte wechselt oft 1-2 mal jährlich. Aufgrund ihrer Geschichte ist Autofahren generell mit viel Angst verbunden und Frau C. benötigt eine gesicherte Vertrauensbasis zum Busfahrer, um sich darauf einlassen zu können. Dies ist nicht immer gegeben. Dann sind viele beruhigende, reflektierende Gespräche notwendig. Auch stellvertretende mit den Fahrern. Oft dauert es Wochen, bis eine gute Basis entstanden ist und Frau C. sich angstfrei und regelmäßig auf den Fahrer einlassen kann." Angesichts dieser Schilderung sowie den im Verfahren beigereichten, ähnlich lautenden Stellungnahmen der gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerin, des Leiters der Tagesstätte sowie des Trägers "I. e.V." erscheint es gegenwärtig überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin – weiterhin – einen Anspruch auf Einzelbeförderung hat. Die Stellungnahmen beruhen auch nicht lediglich auf "Mutmaßungen und Hypothesen", wie die Antragsgegnerin meint, sondern auf persönlichen Erfahrungen, die die betreuenden Personen tagtäglich mit der Antragstellerin machen. Dabei zeigt sich offenbar, dass selbst unter den bestehenden Verhältnissen die Beförderung der Antragstellerin zeitweise aus in ihrer Person liegenden Gründen problematisch ist.
Vor diesem Hintergrund dürfte es der Antragsgegnerin vor einer Entscheidung über den Widerspruch obliegen, den Sachverhalt von Amts wegen näher aufzuklären, ggf. durch Einschaltung des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes, wie dies auch zuletzt im Jahr 2017 im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Beförderungsbudget zur Gewährleistung der weiteren, nicht die Tagesförderstätte betreffenden Teilhabe der Antragstellerin am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, befürwortet wird, geschehen ist. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin selbst vorgetragen hat, dass ihr Sozialpädagogischer Fachdienst Eingliederungshilfe gegenwärtig nicht einschätzen könne, ob eine Sammelbeförderung möglich ist.
Der Anordnungsgrund folgt aus den der Antragsgegnerin bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Antragstellerin, die eine längerfristige Selbstbeschaffung der Leistung nicht zulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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