Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 716/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 240/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 20.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für den Transport des Eigenbluts i.H.v. 199,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 zu erstatten.
3. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung für Kosten ihres Eigenbluttransports in Höhe von 199 Euro nebst Zinsen von der Blutspendebank des Universitätsklinikums Gießen zum Städtischen Klinikum Dortmund.
Die 1998 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Am 08.04.2015 beantragte sie durch ihre Eltern unter Vorlage einer Rechnung des C. Transport-CX. in Höhe von 199 Euro sowie der Blutkonserven-Anforderung des Klinikums Dortmunds die Übernahme der Kosten für den Transport von Eigenblutkonserven von Gießen nach Dortmund. Das Dortmunder Klinikum führte in der Anforderung aus, dass der Transport der Konserven unter Einschaltung eines hierzu geeigneten Transportunternehmens erfolge. Lägen keine zwingend medizinischen Gründe für eine auswärtige Spende vor, übernehme der Patient/die Patientin bzw. dessen Krankenkasse die hieraus entstehenden Kosten.
Mit Bescheid vom 20.04.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der notwendige Transport des Eigenbluts zum Operationskrankenhaus gehöre nach Auffassung der Spitzenverbände und der Beklagten zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Eigenblutspenden seien mit der Zahlung der Vergütung für das Krankenhaus abgegolten. Die Kostenzusage im vergangenen Jahr habe auf einer Einzelfallentscheidung basiert.
Gegen den Bescheid legten die Eltern Widerspruch ein. Sie beriefen sich auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 04.12.2012 (L 11 KR 3548/11) wonach die Kosten für den Transport von Eigenblut von der Krankenkasse zu übernehmen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V ausscheide. Der Kostenerstattungsanspruch gehe nicht weiter als der Sachleistungsanspruch. Ein Sachleistungsanspruch nach § 60 SGB V scheide jedoch aus, da davon nur Fahrten des Versicherten umfasst seien. Auch das Urteil des LSG Baden-Württemberg könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zum einen bleibe unberücksichtigt, dass nach der BSG-Rechtsprechung der Versicherte selbst transportiert werden müsse, zum anderen sei unberücksichtigt geblieben, dass durch eine ambulante vorstationäre Behandlung eine an sich gebotene stationäre Behandlung verkürzt oder vermieden werden müsse. Weder durch die Eigenblutspenden noch durch den Transport von Eigenblut würde eine stationäre Behandlung vermieden oder verkürzt werden. Zudem verweise das Urteil darauf, dass der Transport des Eigenblutes Teil der vollstationären Behandlung anzusehen sei. Dies sei der Fall, wenn ausnahmsweise die Eigenblutentnahme nicht im behandelnden Krankenhaus erfolgen könne. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, da das Klinikum Dortmund über ein eigenes Institut für Transfusionmedizin verfüge. Die Wegstrecke vom Wohnort der Klägerin in das Klinikum betrage 145 Kilometer. Dass die Abnahme von Eigenblut aus zwingenden medizinischen Gründen nicht durchgeführt werden konnte, sei nicht ersichtlich. Es habe auch keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen, die die Beklagte nicht rechtzeitig habe erbringen können.
Hiergegen richtet sich die erhobene Klage. Die Klägerin führt aus, dass die Eigenblutspende in Gießen wesentlich weniger Zeit in Anspruch genommen habe. Die Klägerin hätte zusammen mit ihrer Mutter zweimal nach Dortmund zur Blutentnahme fahren müssen. Dafür wären ca. 200 Euro angefallen. Für die Klägerin hätten die Fahrten zwei ganze Tage Schulausfall bedeutet. Im Hinblick darauf, dass sie nach der Operation 12 Wochen liegen musste und davon nur 6 Wochen durch Schulferien abgedeckt gewesen seien, sei jeder weitere Fehltag zu vermeiden gewesen. Hinzu wären zwei Urlaubstage der Mutter gekommen, dies sei nicht zumutbar. Die Rechnung des C. Transport-CX. sei unmittelbar nach deren Erhalt beglichen worden.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1. den Bescheid vom 20.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für den Transport des Eigenblutes i. H. v. 199,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 zu erstatten und
2. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen.
2. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte stützt sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid. Ergänzend stützt sie sich auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen, wonach die Kosten für den Transport von Eigenblut nicht übernommen werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 20.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für den Transport des Eigenblutes von Gießen nach Dortmund in Höhe von 199,00 Euro.
Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach sind Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der Kostenerstattungsanspruch (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. und 2. Alt.) reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten. Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KR 14/14 R). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Versorgung mit Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V).
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1994 – 6 RKa 34/93) gehört die präoperative Eigenblutgewinnung zur Krankenhausbehandlung. Die Eigenblutgewinnung werde ausschließlich aus Anlass und zur Vorbereitung einer Operation durchgeführt und stehe mit dieser in engem zeitlichem Zusammenhang. Die Eigenblutentnahme, die Lagerung des Blutes und seine Übertragung würden in der Regel in demselben Krankenhaus stattfinden, weil nach dem Arzneimittelgesetz in einem Haus ohne Blutbank Personenidentität zwischen herstellendem und retransfundierendem Arzt bestehen müsse und sie erfolge in Zusammenarbeit mit dem übrigen Klinikpersonal. Der Zuordnung der präoperativen Eigenblutspende, die unter der Verantwortung eines Krankenhausarztes im Hinblick auf eine bevorstehende operative Behandlung durchgeführt werde, zur stationären Behandlung könne nicht entgegengehalten werden, dass die Eigenblutspende ambulant erbracht werde, also vor der stationären "Aufnahme" des Versicherten in das Krankenhaus vorgenommen werde (vgl. BSG, a.a.O. – juris Rn. 20 ff.).
Die Kammer ist der Ansicht, dass zur Eigenblutgewinnung auch der Transport des Eigenblutkonzentrats von der entnehmenden Stelle (Blutbank) zum operierenden Krankenhaus, wenn die Eigenblutentnahme ausnahmsweise nicht in dem Krankenhaus erfolgt, in dem die Operation durchgeführt wird. Die Kammer schließt sich der überzeugenden Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg vom 04.12.2012 (Az: L 11 KR 3548/11) an. Dieses hat ausgeführt, dass sowohl die Blutentnahme als auch der Transport des Eigenblutkonzentrats Teil der vollstationären Behandlung sei und deshalb mit der Vergütung der Krankenhausbehandlung abgegolten sei. Diesen Anspruch der Klägerin auf Krankenhausbehandlung hat die Beklagte nicht vollständig erfüllt. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den notwendigen Transport des Eigenblutkonzentrats als Sachleistung zu erbringen. Die Klägerin war deshalb im vorliegenden Fall dazu gezwungen, einen Teil der Behandlungskosten (Transportkosten) vorzufinanzieren. Bei der Anforderung der Eigenblutspende durch das operierende Krankenhaus bei einem wohnortsnahen Krankhaus handelt es sich nicht um eine veranlasste Leistung Dritter im Sinne des § 2 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Denn das operierende Krankenhaus hat gleichzeitig mit der Anforderung eine Übernahme der Transportkosten ausdrücklich abgelehnt. Hinzu kommt, dass die Klägerin aufgrund des Geschäftsmodells, Leistungen nur gegen Vorkasse zu erbringen, faktisch gar keine Wahl hatte, als diesem einen Transportauftrag zu erteilen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. – juris Rn. 22).
Nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg – dem sich die Kammer anschließt – kann die Beklagte nicht einwenden, dass sie den Anspruch der Klägerin auf Krankenhausbehandlung durch die Zahlung der dem Krankenhaus zustehenden Vergütung erfüllt hat. Steht – wie hier – fest, dass der Versicherte Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat und ist lediglich zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus umstritten, ob diese Leistung mit der Zahlung der Krankenhausvergütung abgegolten ist, muss dieser Streit im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus ausgetragen werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. - juris Rn. 23). Weiterhin ist zu beachten, dass die Klägerin nur gegenüber der Beklagten einen Leistungsanspruch hat. Ein Anspruch gegen das Transportunternehmen scheidet aus, weil dieses die Leistung nicht ohne Rechtsgrund erbracht hat.
Die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.11.2012 (Az: L 5 KR 715/11) überzeugt die Kammer dagegen nicht. Richterweise hat das LSG zwar ausgeführt, dass ein Anspruch nach § 60 SGB V ausscheidet, da es sich bei dem Transport des Eigenbluts nicht um eine Fahrt des Versicherten handele. Jedoch hat das LSG nicht geprüft, ob auf die Transportkosten des Eigenbluts nicht Anspruch gemäß § 39 SGB V besteht, obwohl nach BSG-Rechtsprechung jedenfalls die präoperative Eigenblutentnahme zur stationären Behandlung nach § 39 SGB V zu zählen ist (vgl. BSG, a.a.O.). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat sich damit in seiner Entscheidung nicht mit allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen auseinander gesetzt.
Der Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.20165 ergibt sich aus § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V unterfällt dem Anwendungsbereich von § 44 SGB I. Diese Vorschrift erfasst alle Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen. Auch wenn der Erstattungsanspruch an die Stelle einer Dienst- oder Sachleistung tritt, ist er auf eine Geldleistung gerichtet. Die Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs entspricht dem Zweck des § 44 SGB I, die Nachteile verspäteter Zahlung auszugleichen und die Rechtsstellung des Einzelnen zu stärken, indem sie die sozialrechtlichen Ansprüche weitgehend den schuldrechtlichen Ansprüchen angleicht (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 09. November 2017 – L 1 KR 211/15 – juris Rn. 29 m.w.N.). Der Kostenerstattungsanspruch war unter Anwendung von §§ 40, 41 SGB I im März 2015 fällig. Denn der Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V entsteht in dem Moment, in dem der ursprüngliche Sachleistungs- in einen Geldleistungsanspruch umgewandelt wird, mithin von dem Tage an, an dem die Lieferung der begehrten Sachleistung an den Versicherten erfolgt (Hessisches Landessozialgericht, a.a.O. – juris Rn. 29). Dies war mit Rechnungstellung des C. Transport-CX. am 12.03.2015 und deren unverzüglichen Begleichung durch die Klägerin der Fall. Die Verzinsung beginnt damit am 01.05.2015. Der Antrag der Klägerin war dementsprechend anzupassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Die teilweise Klagerücknahme durch die Umstellung des Zinsanspruchs hatte wegen des geringen Umfangs des Unterliegens keine Auswirkung auf die Kostenentscheidung.
Die Kammer hat die im Hinblick auf den unter 750 Euro liegenden Wert des Beschwerdegegenstandes grundsätzlich unstatthafte Berufung zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG. Innerhalb Hessens ist die vorliegende Rechtsfrage ungeklärt. Zudem gibt es sich widersprechende Urteile zweier Landessozialgerichte.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für den Transport des Eigenbluts i.H.v. 199,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 zu erstatten.
3. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung für Kosten ihres Eigenbluttransports in Höhe von 199 Euro nebst Zinsen von der Blutspendebank des Universitätsklinikums Gießen zum Städtischen Klinikum Dortmund.
Die 1998 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Am 08.04.2015 beantragte sie durch ihre Eltern unter Vorlage einer Rechnung des C. Transport-CX. in Höhe von 199 Euro sowie der Blutkonserven-Anforderung des Klinikums Dortmunds die Übernahme der Kosten für den Transport von Eigenblutkonserven von Gießen nach Dortmund. Das Dortmunder Klinikum führte in der Anforderung aus, dass der Transport der Konserven unter Einschaltung eines hierzu geeigneten Transportunternehmens erfolge. Lägen keine zwingend medizinischen Gründe für eine auswärtige Spende vor, übernehme der Patient/die Patientin bzw. dessen Krankenkasse die hieraus entstehenden Kosten.
Mit Bescheid vom 20.04.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der notwendige Transport des Eigenbluts zum Operationskrankenhaus gehöre nach Auffassung der Spitzenverbände und der Beklagten zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Eigenblutspenden seien mit der Zahlung der Vergütung für das Krankenhaus abgegolten. Die Kostenzusage im vergangenen Jahr habe auf einer Einzelfallentscheidung basiert.
Gegen den Bescheid legten die Eltern Widerspruch ein. Sie beriefen sich auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 04.12.2012 (L 11 KR 3548/11) wonach die Kosten für den Transport von Eigenblut von der Krankenkasse zu übernehmen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V ausscheide. Der Kostenerstattungsanspruch gehe nicht weiter als der Sachleistungsanspruch. Ein Sachleistungsanspruch nach § 60 SGB V scheide jedoch aus, da davon nur Fahrten des Versicherten umfasst seien. Auch das Urteil des LSG Baden-Württemberg könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zum einen bleibe unberücksichtigt, dass nach der BSG-Rechtsprechung der Versicherte selbst transportiert werden müsse, zum anderen sei unberücksichtigt geblieben, dass durch eine ambulante vorstationäre Behandlung eine an sich gebotene stationäre Behandlung verkürzt oder vermieden werden müsse. Weder durch die Eigenblutspenden noch durch den Transport von Eigenblut würde eine stationäre Behandlung vermieden oder verkürzt werden. Zudem verweise das Urteil darauf, dass der Transport des Eigenblutes Teil der vollstationären Behandlung anzusehen sei. Dies sei der Fall, wenn ausnahmsweise die Eigenblutentnahme nicht im behandelnden Krankenhaus erfolgen könne. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, da das Klinikum Dortmund über ein eigenes Institut für Transfusionmedizin verfüge. Die Wegstrecke vom Wohnort der Klägerin in das Klinikum betrage 145 Kilometer. Dass die Abnahme von Eigenblut aus zwingenden medizinischen Gründen nicht durchgeführt werden konnte, sei nicht ersichtlich. Es habe auch keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen, die die Beklagte nicht rechtzeitig habe erbringen können.
Hiergegen richtet sich die erhobene Klage. Die Klägerin führt aus, dass die Eigenblutspende in Gießen wesentlich weniger Zeit in Anspruch genommen habe. Die Klägerin hätte zusammen mit ihrer Mutter zweimal nach Dortmund zur Blutentnahme fahren müssen. Dafür wären ca. 200 Euro angefallen. Für die Klägerin hätten die Fahrten zwei ganze Tage Schulausfall bedeutet. Im Hinblick darauf, dass sie nach der Operation 12 Wochen liegen musste und davon nur 6 Wochen durch Schulferien abgedeckt gewesen seien, sei jeder weitere Fehltag zu vermeiden gewesen. Hinzu wären zwei Urlaubstage der Mutter gekommen, dies sei nicht zumutbar. Die Rechnung des C. Transport-CX. sei unmittelbar nach deren Erhalt beglichen worden.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1. den Bescheid vom 20.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für den Transport des Eigenblutes i. H. v. 199,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 zu erstatten und
2. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen.
2. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte stützt sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid. Ergänzend stützt sie sich auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen, wonach die Kosten für den Transport von Eigenblut nicht übernommen werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 20.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für den Transport des Eigenblutes von Gießen nach Dortmund in Höhe von 199,00 Euro.
Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach sind Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der Kostenerstattungsanspruch (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. und 2. Alt.) reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten. Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KR 14/14 R). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Versorgung mit Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V).
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1994 – 6 RKa 34/93) gehört die präoperative Eigenblutgewinnung zur Krankenhausbehandlung. Die Eigenblutgewinnung werde ausschließlich aus Anlass und zur Vorbereitung einer Operation durchgeführt und stehe mit dieser in engem zeitlichem Zusammenhang. Die Eigenblutentnahme, die Lagerung des Blutes und seine Übertragung würden in der Regel in demselben Krankenhaus stattfinden, weil nach dem Arzneimittelgesetz in einem Haus ohne Blutbank Personenidentität zwischen herstellendem und retransfundierendem Arzt bestehen müsse und sie erfolge in Zusammenarbeit mit dem übrigen Klinikpersonal. Der Zuordnung der präoperativen Eigenblutspende, die unter der Verantwortung eines Krankenhausarztes im Hinblick auf eine bevorstehende operative Behandlung durchgeführt werde, zur stationären Behandlung könne nicht entgegengehalten werden, dass die Eigenblutspende ambulant erbracht werde, also vor der stationären "Aufnahme" des Versicherten in das Krankenhaus vorgenommen werde (vgl. BSG, a.a.O. – juris Rn. 20 ff.).
Die Kammer ist der Ansicht, dass zur Eigenblutgewinnung auch der Transport des Eigenblutkonzentrats von der entnehmenden Stelle (Blutbank) zum operierenden Krankenhaus, wenn die Eigenblutentnahme ausnahmsweise nicht in dem Krankenhaus erfolgt, in dem die Operation durchgeführt wird. Die Kammer schließt sich der überzeugenden Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg vom 04.12.2012 (Az: L 11 KR 3548/11) an. Dieses hat ausgeführt, dass sowohl die Blutentnahme als auch der Transport des Eigenblutkonzentrats Teil der vollstationären Behandlung sei und deshalb mit der Vergütung der Krankenhausbehandlung abgegolten sei. Diesen Anspruch der Klägerin auf Krankenhausbehandlung hat die Beklagte nicht vollständig erfüllt. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den notwendigen Transport des Eigenblutkonzentrats als Sachleistung zu erbringen. Die Klägerin war deshalb im vorliegenden Fall dazu gezwungen, einen Teil der Behandlungskosten (Transportkosten) vorzufinanzieren. Bei der Anforderung der Eigenblutspende durch das operierende Krankenhaus bei einem wohnortsnahen Krankhaus handelt es sich nicht um eine veranlasste Leistung Dritter im Sinne des § 2 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Denn das operierende Krankenhaus hat gleichzeitig mit der Anforderung eine Übernahme der Transportkosten ausdrücklich abgelehnt. Hinzu kommt, dass die Klägerin aufgrund des Geschäftsmodells, Leistungen nur gegen Vorkasse zu erbringen, faktisch gar keine Wahl hatte, als diesem einen Transportauftrag zu erteilen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. – juris Rn. 22).
Nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg – dem sich die Kammer anschließt – kann die Beklagte nicht einwenden, dass sie den Anspruch der Klägerin auf Krankenhausbehandlung durch die Zahlung der dem Krankenhaus zustehenden Vergütung erfüllt hat. Steht – wie hier – fest, dass der Versicherte Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat und ist lediglich zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus umstritten, ob diese Leistung mit der Zahlung der Krankenhausvergütung abgegolten ist, muss dieser Streit im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus ausgetragen werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. - juris Rn. 23). Weiterhin ist zu beachten, dass die Klägerin nur gegenüber der Beklagten einen Leistungsanspruch hat. Ein Anspruch gegen das Transportunternehmen scheidet aus, weil dieses die Leistung nicht ohne Rechtsgrund erbracht hat.
Die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.11.2012 (Az: L 5 KR 715/11) überzeugt die Kammer dagegen nicht. Richterweise hat das LSG zwar ausgeführt, dass ein Anspruch nach § 60 SGB V ausscheidet, da es sich bei dem Transport des Eigenbluts nicht um eine Fahrt des Versicherten handele. Jedoch hat das LSG nicht geprüft, ob auf die Transportkosten des Eigenbluts nicht Anspruch gemäß § 39 SGB V besteht, obwohl nach BSG-Rechtsprechung jedenfalls die präoperative Eigenblutentnahme zur stationären Behandlung nach § 39 SGB V zu zählen ist (vgl. BSG, a.a.O.). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat sich damit in seiner Entscheidung nicht mit allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen auseinander gesetzt.
Der Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.20165 ergibt sich aus § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V unterfällt dem Anwendungsbereich von § 44 SGB I. Diese Vorschrift erfasst alle Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen. Auch wenn der Erstattungsanspruch an die Stelle einer Dienst- oder Sachleistung tritt, ist er auf eine Geldleistung gerichtet. Die Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs entspricht dem Zweck des § 44 SGB I, die Nachteile verspäteter Zahlung auszugleichen und die Rechtsstellung des Einzelnen zu stärken, indem sie die sozialrechtlichen Ansprüche weitgehend den schuldrechtlichen Ansprüchen angleicht (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 09. November 2017 – L 1 KR 211/15 – juris Rn. 29 m.w.N.). Der Kostenerstattungsanspruch war unter Anwendung von §§ 40, 41 SGB I im März 2015 fällig. Denn der Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V entsteht in dem Moment, in dem der ursprüngliche Sachleistungs- in einen Geldleistungsanspruch umgewandelt wird, mithin von dem Tage an, an dem die Lieferung der begehrten Sachleistung an den Versicherten erfolgt (Hessisches Landessozialgericht, a.a.O. – juris Rn. 29). Dies war mit Rechnungstellung des C. Transport-CX. am 12.03.2015 und deren unverzüglichen Begleichung durch die Klägerin der Fall. Die Verzinsung beginnt damit am 01.05.2015. Der Antrag der Klägerin war dementsprechend anzupassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Die teilweise Klagerücknahme durch die Umstellung des Zinsanspruchs hatte wegen des geringen Umfangs des Unterliegens keine Auswirkung auf die Kostenentscheidung.
Die Kammer hat die im Hinblick auf den unter 750 Euro liegenden Wert des Beschwerdegegenstandes grundsätzlich unstatthafte Berufung zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG. Innerhalb Hessens ist die vorliegende Rechtsfrage ungeklärt. Zudem gibt es sich widersprechende Urteile zweier Landessozialgerichte.
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